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BERLIN Mittwoch

10. August 1932

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Der Abend

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Nr. 374

B 182

49. Jahrgang

Hitler will regieren!

Als Chef eines überparteilichen" Kabinetts

Hindenburg ist seit heute morgen in Berlin . Man ermartet von ihm eine Entscheidung.

Die Dinge sind jetzt soweit klar, daß die Absicht Hitlers , sich dem Reichspräsidenten als Chef einer ,, über= parteilichen Präsidialregierung" anzubieten, feststeht. Das heißt, Hitler will etwas werden, was er als Parteiführer auf keinen Fall werden darf, wenn auf die Erhaltung der bestehenden Verfassung überhaupt noch einiger Wert gelegt wird.

Die sogenannte Präsidialregierung ist als eine Regierung gedacht, die sich auch gegenüber einem unfähigen Reichstag behauptet und auf dem Verordnungsweg lebenswichtige Maß­nahmen durchführt. Eine solche Regierung, als Notbehelf in stürmischer Zeit, ist nur dann zu rechtfertigen, wenn sie wir t- lich unparteiisch ist.

Die Regierung Papen nennt sich eine überparteiliche Präsidiatregierung- in Wirklichkeit ist sie eine Regierung des Kampfes gegen die Sozialdemokratie und gegen die Arbeiterklasse.

Eine Regierung Hitler, als überparteiliche Präsidial­regierung" aufgezogen, würde erst recht eine Verhöhnung und eine Herausforderung der Volksmehrheit sein.

Der Reichspräsident hat das Recht, jedem Beliebigen die Kabinettsbildung zu übertragen. Er hat aber die Pflicht, die moralische und geistige Qualifikation des Mannes, den er be­auftragen will, zu prüfen. Fällt diese Prüfung negativ aus, so tann ihn niemand zwingen, einem Parteiführer, der nur eine Minderheit des Volkes hinter sich hat, den Auftrag zur Kabinettsbildung zu erteilen.

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Putschversuch in Madrid

Noble Verschwörer gegen die Republik verhaftet

Madrid, 10. August.( Eigenbericht.)

Ein Putschversuch monarchistischer und militärischer Verschwörer gegen die Republik ist rasch niedergeschlagen worden. Auf Grund einer vertraulichen Anzeige nahm die Polizei in einem Maleratelier um 3 Uhr nachts acht Personen fest, darunter Advokaten und Richter. Die Verhafteten haben gestanden, daß ein Putsch beabsichtigt war. Um 4 Uhr morgens tauchten vor dem Gebäude der Hauptpost etwa 60 Militärs und Zivilisten auf, die das Haus besetzen wollten. Eine andere Gruppe Bewaff­neter wollte das gegenüberliegende Kriegsmini sterium stürmen, in dem der Ministerpräsident

wohnt. Es gelang der sofort alarmierten Polizei, die Aufrührer teils zurückzuschlagen, teils in das Post. gebäude zu drängen, wo sie von der Gendarmericbejazung verhaftet wurden. Unter ihnen sind aktive Offiziere der Armee und ein Herzog von Infantavo, neben­bei Präsident des deutsch spanischen Komitees! Es wurde viel geschossen, doch soll es nur ganz wenige

wird.

Zwischen der Erteilung des Auftrags und der Ernennung Reichspräsidenten liegen die Bemühungen der Beauftragten, ein Rabinett zu bilden. Unter normalen Verhältnissen erfolgt die Er­nennung erst dann, wenn dem Beauftragten die Bildung eines Rabinetts auf tragfähiger parlamentarischer Grundlage gelungen ist.

vertretungsweise

| Opfer gegeben haben, die Verschwörer verstanden fach­männisch, sich zu decken, die Straßen waren aber um diese frühe Stunde noch leer.

Kleine Tanks fuhren später vor den erwähnten Gebäuden auf. Fünf Männer, und zwar ein Unteroffizier, drei Sol­daten und ein Zivilist sollen getötet worden sein. In der Hauptstraße murde noch nach 5 Uhr geschossen. In anderen Stadt­teilen hörte man noch bis nach 7 Uhr Schüsse fallen. Der Rest der Aufständischen hat sich in die Umgebung von Madrid zurüd­gezogen.

Haftbefehle gegen Alfons und Ferdinand. Madrid, 10. August.

litische und administrative Verantwortlich leiten des alten Der parlamentarische Untersuchungsausschuß für po Regimes hat Haftbefehle gegen Erkönig Alfons, Infant Fer= dinand von Bayern, gegen den ehemaligen Arbeitsminister der Diktatur und andere Persönlichkeiten erlassen. Die Verfügung bezieht sich auf eine Eisenbahnbau Angelegenheit, bei der große Schiebungen vorgekommen sein sollen.

übernehmen Bombenleger

In Blättern, die unterrichtet sein könnten, wird versichert, daß Herr v. Hindenburg dieses Spiel durchschaut und nicht die Hand zu ihm bieten wird. Herr von Hindenburg hat die Auflösung des alten Reichstags verfügt mit der Begründung, daß seine Zusammensetzung dem Willen des Volkes nicht entspreche. Nun hat das Volk gesprochen, es hat klar und deutlich ein faschistisches Regiment abgelehnt. Der Ver­such, trotzdem ein solches Regiment zu errichten, stände im Widerspruch zu allen Wahlergebnissen. Eine Explosion des wirklichen Volkswillens müßte die Folge sein!

Die Frage ist also: Wird der Reichspräsident Hitler über­haupt beauftragen? Und wenn er es tut, wird er ihn beauf fragen, eine parlamentarische Regierung zu bilden, oder wird er ihm die Führung einer Präsidialregierung" übertragen? Nach unserer Ueberzeugung kann eine Beauftragung Hitlers überhaupt nicht in Betracht kommen, weil für sie alle persönlichen Voraussetzungen fehlen. Man kann den Führer einer Partei, die bis in die letzten Tage hinein eine Unzahl scheußlicher Schandtaten zu verantworten hat, nicht mit der Bildung einer Regierung betrauen, ohne die Autorität des deutschen Staatswesens vor den Augen der ganzen Welt Auch die grundsätzlich neue Art der Staatsführung und der Mehrheit des eigenen Volkes völlig zu zertrümmern.

Würde ihm gleichwohl der Auftrag zur Kabinettsbildung aufparlamentarischer Grundlage erteilt, so läge die Verantwortung für die weitere Entwicklung beim 3en trum. Selbstverständlich würde ein Zentrum, das eine Hitler- Regierung toleriert, in den allerschärfsten Gegensatz zur Sozialdemokratie geraten.

Hitler aber will fa gar nicht Chef einer Regierung wer­den, die auf parlamentarischer Grundlage beruht. Er will nicht die Pflicht übernehmen, zurückzutreten, wenn ihm eine Reichstagsmehrheit das Vertrauen ausdrücklich ver­weigert. Er will Chef einer als ,, überparteilich" maskierten sogenannten ,, Präsidialregierung" werden, die ohne und gegen den Reichstag regiert.

Mit anderen Worten: Hinter der täuschenden Fassade einer ,, überparteilichen Präsidialregierung" soll die brutalste, parteiischste, gewalttätigste Diktatur einer einzigen Partei, der nationalsozialistischen, errichtet werden. So will Hitler die Alleinmacht, die ihm eine ungeheure Mehrheit des deut­schen Volkes im Jahre 1932 in drei Abstimmungsschlachten dreimal verweigert hat, auf frummen Wegen erschleich e n. Er mag dabei auch daran denken, daß bei dem hohen Alter des Reichspräsidenten der Tag vielleicht nicht mehr ganz ferne ist, an dem der amtierende Reichskanzler auch das Amt des

Verhandeln! Verhandeln!

fommt ohne Kuhhandel nicht aus.

Telunion meldet: Nachdem der Reichspräsident

in Berlin eingetroffen ist, haben die Verhandlungen über eine Umbildung der Reichsregierung be­gonnen. Der Reichskanzler hat bereits am Dienstag abend mit dem Reichswehrminister, der Ende voriger Woche eine Besprechung mit Adolf Hitler hatte, Rücksprache genommen.

Heute vormittag 11 Uhr begab sich Herr von Papen zum Reichspräsidenten, um ihm über seine Pläne zur Um­zum Reichspräsidenten, um ihm über seine Pläne zur Um­bildung der Reichsregierung Vortrag zu halten. 17 Uhr findet eine Kabinettssitzung statt. Nach Abschluß der Sitzung wird der Kanzler vermutlich den Führer der NSDAP ., Adolf Hitler, sowie Vertreter der Zen.

trumspartei und der Deutsch nationalen Volkspartei empfangen.

Das Bemerkenswerte an dieser Meldung ist, daß Hitler und die anderen Parteiführer eines offenbar geplanten Rechts blods nicht vom Reichspräsidenten, sondern vom Reichskanzler empfangen werden. Der Reichspräsident scheint sich die Aufnahme direkter Verhandlungen für den Fall vor­zubehalten, daß die Berhandlungen des Reichskanzlers scheitern und mit seinem Rücktritt enden sollten.

Bombenleger arbeiten weiter.

Attentate auf sozialistische Zeitungen und Zentrumspolitiker.

Königsberg, 10. August.( Eigenbericht.)

In der Nacht zum Mittwoch um drei Uhr wurde auf das Verlagsgebäude der in Elbing erscheinenden sozial­demokratischen Tageszeitung Freie Presse" ein Bombenanschlag verübt. Hintereinander explodierten zwei niedergelegte Bomben, die in den Geschäftsräumen und an der Haustür beträchtlichen Schaden anrichteten.

Die Wirkung der Explosion war so stark, daß die Fenster­scheiben in der ersten Etage des Gebäudes und die Schei­ben der gegenüberliegenden Häuser entzweigingen. Der Sachschaden ist bedeutend. Personen sind nicht verlekt worden.

Am Mittwochmorgen wurden in Röffel( Kreis Allenstein) gegen das Haus des Rechtsanwalts Dorsch, der Stadtverordneter und Kreisvorsitzender der Zentrumspartei ist, vier

Schüsse abgegeben, die durch die Fensterscheiben drangen. Auf den meister Cowitz wurden ebenfalls mehrere Schüsse abgefeuert. Gleichzeitig wurden die Schaufensterscheiben eines Geschäfts einge. schlagen. Der städtische Nachtwächter hat zwei Leute davonlaufen sehen, die braune Hosen trugen.

dem Magiftrat als Zentrumsmitglied angehörenden Tischler­

In Neidenburg ist in der Nacht zum Dienstag ein Sprengstoff­attentat verübt worden, das der Filiale der Reichsbank galt. Es explodierte eine Sprengstoffladung, die in ein Eisenrohr ein­gebettet war. Die Wirkung war allerdings infolge der unsach­gemäßen Herstellung nicht groß.

Attentatsseuche greift auf Sachsen über. Dresden, 10. Auguft.( Eigenbericht.)

In die Räume der Bolfsbuchhandlung des sozialdemokra­fischen Organs in Freital bei Dresden wurde in der ver­gangenen Nacht von einem vorüberfahrenden Motorrad aus eine Bombe geworfen. Die Cadeneinrichtung wurde zum größten Teil zertrümmert. Splitter flogen durch die Scheiben in die Schlafräume der benachbarten Grundstücke. Berletzt wurde niemand. Die Täter find noch nicht ermittelt.