Verfassungsfeier 1932.
Reichsinnenminlster Freiherr von Gay! hält die Festrede über das Thema: „Von Goethe bis Goebbels ." Oer gescheiterte Kutsch. Oos Volk von Madrid für die Republik .
Frauenehre vor Gericht. Gkandalurteii einer Ferienzivilkammer. Vor den Reichstogswahlen hatte ein deutschnationaler Verlag eine Sudelschrift gegen sozialdemokratische Führer herausgegeben, bestehend aus verzerrten. Karikaturen und gehässigen Unterschriften. In besonders gemeiner Weise war die Reichstagsabgeordnet«, Ge- nossin Toni Sender , in diesem Pamphlet behandelt. Nach typisch nationaler Manier hatte man sie nicht auf politischem Gebiet, son- dern als Frau angegriffen. Wörtlich war zu ihrem oerzerrten Porträt geschrieben- „Besitzt einen für sozialdemokratische Verhältnisse unge- wohnlichen Sey Appeal. Ist daher von Kopf bis Fuh auf Zentrum eingestellt. Das ist ihre politische Halbwelt und sonst gar nichts." Wegen dieser hundsgemeinen Beschimpfung hatte Genossin Sender durch ihren Rechtsbeistand, Rechtsanwalt Otto Landsberg , eme e i n st w e i l i g e Verfügung gegen den Verlag der Sudel- fchrift erwirkt. Auf die Beschwerde des Verlages hat jedoch die 4. Ferienzivilkammer des Landgerichts I die einstweilige Verfügung aufgehoben. In der Begründung dieser Entscheidung heißt es: „Wenn in der Broschüre zunächst von einem„ungewöhnlichen Sex Appeal " der Antragstellerin die Rede ist, so ist hierin freilich nicht eine auf politischem Gebiete liegende Anspielung aus die Person der Antragstellerin zu erblicken. Diese Anspielung stellt aber keine Ehrenkränkung dar, und ist in keiner Weise geeignet, die Antragstellerin verächtlich zu machen. Der Ausdruck„Sex Appeal", der ja in neuester Zeit allgemein Eingang in den Sprachgebrauch gefunden hat, bedeutet wörtlich übersetzt„weibliche Anziehungskraf t".(Können diese Richter englisch ? Wollen sie uns sagen, welches Wort in sex appeal, wörtlich übersetzt,„w e i b l! ch" bedeutet? Red.) und wird auch in diesem Sinne in Deutschland ganz allgemein gebraucht.." Die weiteren infamen Beschimpfungen entschuldigt das Gericht dahin, daß sie„rein politischen Charakter"(I) trügen. Ihre Formulierung erkläre sich aus der offensichtlichen Anlehnung an ein bekanntes Couplet. Die Worte„Von Kopf bis Fuß aufs Zentrum eingestellt", bedeuten nach Ansicht des Gerichts lediglich eine An- spielung auf das politische Zusammengehen der Sozialdemokratie mit dem Zentrum! Ebensowenig sieht das Gericht in dem Satze „das ist ihre politische Halbwelt" eine Beleidigung. Das Wort „Halbwelt" sei, und zwar„allein betrachtet, offenbar eine Be- l e i d i g u n g". Aber der Verfasser habe sich nun einmal a n d a s Couplet halten wollen, und da sei ihm nichts Besseres eingefallen! Der„an sich nicht glücklich gewählte" Aus- druck„Halbwelt" sei nur in politischem Sinne gemeint!! Eine Verletzung der Frauenehre liegt in dem Worte„Halbwelt" nicht.— Wenn nun aber der Verfasser diese Wendung aufdieFraueines der mitwirkenden Richter gemünzt hätte, wäre dann der betreffende Herr der gleichen Ansicht gewesen?!— Zum Schluß gibt das Urteil noch folgende allgemeine Betrachtung: „Die Tatsache, daß die ganze fragliche Stelle zweifellos wenig geschmackvoll ist, rechtfertigt für sich allein noch v i ch t die Anwendbarkeit der§§ 185 ff. StGB. Andererseits muß die Antragstellerin, die als Reichstagsabgeordnete und Reichs- tagskandidatin sich aus eigenem freien Willen auf einen b e- sonders exponierten politischen Platz gestellt hat, in verstärktem Maße mit politischen Angriffen rechnen, und es kann dem politischen Gegner nicht zugemutet werden, gerade in Zeiten eines Wahlkampfes auf irgendeine etwa vor- handene außergewöhnliche persönliche Empfind- l i ch k e i t der Antragstellerin Rücksicht zu nehmen." Zu Deutsch : eine Frau, die sich ins politische Leben begibt, hat keinen Anspruch aus Schutz ihrer Frauenehre. Verlangt sie solche, so ist das„außergewöhnliche persönliche Empfindlichkeit". Offenbar sind diese Richter der Ansicht, daß eine Frau, die aus ihrer Wirt- schaft herausgeht, ohnehin damit ihre weibliche Ehre abtut und von jedem Buben straflos beschimpft werden kann. Die drei Richter, die den Schutz der Frauenehre ablehnen, heißen: Landgerichtsdirektor Dr. Kern, Landgerichtsräte Dr. Golberger und R e i m a n n. Gegen das Urteil ist Berufung eingelegt.
Vorverhandlungen beim Gtootsgerichi. Möglichste Beschleunigung allseitig erwünscht. Leipzig . 1». August.(Eigenbericht.) Auf Einladung des Vorsitzenden des Staatsgerichtshofes für das Deutsche Reich waren am Mittwoch in Leipzig die Vertreter Preußens, Bayerns , Badens und des Reiches zu einer Besprechung über die weitere Behandlung der drei schwebenden Derfassungs st reitklagen zusammengetreten. Es wurde allseitig der Wunsch nach möglichster Beschleunigung geäußert. Die Maßnahmen, die der Beschleunigung dienen können, wurden ein- gehend erläutert. Besonders bestand Uebereinstimmung darüber, daß ein möglichst baldiger Abschluß des Schriftwechsels der Parteien anzustreben ist.' SA. besucht den Stahlhelm. Nationalsozialistische Sinbrecherbande verhaftet. Eberswalde , 10. August.(Eigenbericht.) Eine Einbruchsaffäre, die bereits vier Monate zurückliegt, hat heute eine uberraschenoe Aufklarung gefunden. In der Nacht vom 15. zum 16. März d. I. wurde im Materiallager des Eberswalder Stahlhelm«in Einbruch verübt und 35 Waffenröcke sowie mehrere Musikinstrumente und Telephon- und Funkgeräte gestohlen. Nun hat sich herausgestellt, daß die Führer der Eberswalder SA. die Täter sind. Zwei SA.- Führer und mehrere Mitglieder der SA. wurden heute v e r- haftet. Heber die Einbruchsaffäre, die in weiten Kreisen großes Auf- sehen erregt, wird noch folgende» mitgeteilt: Die Ortsgruppe Ebers- walde des Stahlhelm hotte in einer Autogarage ein Materiallager eingerichtet, in dem neben einer Bibliothek die Waffenröcke der Stahlhelmer sowie die Musikinstrumente der Stahlhelmkapelle und Telephon- und Funkgeräte ausbewahrt wurden. Am Morgen des 16. März merkten Stahlhelmer. daß die Eisenstäb« der Fenster ver- bogen und die Fenster an der Garage beschädigt waren. Als nach- gesehen wurde, waren sämtliche Gegenstände des Materiollagers. 35 Waffenröcke. 3 Trommeln, mehrere Flöten Pfeifen und Blas- instrumente und Telephon-'und Funkgeräte verschwunden. Eigen- tümlicherweise erstattete der Stahlhelm seinerzeit keine Anzeige, weil, wie.es hieß, auch Waffen' entwendet worden sein sollten. Zuerst wurden die Kommunisten beschuldigt, den Einbruch ausgeführt zu haben. Die Rachsorschuagen ergaben jedoch, daß die Eberswalder SA. den Einbruch verüb» und die Gegenstände gestohlen halte, und zwar unter Anleitung ihres rühmlichst be- kannten Führers S ch i m o n s k i. der erst kürzlich verhastet war. weil in seiner Wohnung Wassea gesunden worden waren. Die Polizei hat festgestellt, daß die Musikinstrumente' zum Teil i n d e r S A.-K a p e l l e verwendet, pim Teil nach auswärts geschafft wurden, wo si« e bensall» in SA�Kapellen verwendet werden.
Di« Spanische Botschaft in Berlin teilt uns auf Grund eines Ferngesprächs mit dem Außenministerium in Madrid mit, daß der Putschversuch einiger Lfsiziere, die in die Reserve übersetzt worden waren, und ihrer Komplicen nicht Überraschend kam und dementsprechend rasch erledigt wurde. Durch Madrid marschieren gewaltige Massen unter republikanischen und roten Fahnen. Das Volk demonstriert für die verfassungsmäßige Demo- kratie und gegen jeden Versuch sie anzutasten. Die Massen begrüßen das entschlossene Vorgehen der verfassungs- treuen Regierung und bezeugen ihre Entschlossenheit, den freien Volksstaat gegen seine Feinde zu verteidigen. Auch in den Provinzen herrscht völlige Ruhe. Bon nirgendwo werden irgendwelche politischen oder militäri- schen Bewegungen gemeldet. Nach den bisher eingetroffe- nen Nachrichten haben die Truppen aller Garnisonen sofort beim Be- kanntwerden des Madrider Aufstandsversuchs für die Regierung Partei genommen. Der Polizeikommandeur von Madrid erklärte den Jour» nalisten, die Aufstandsbewegung könne als völlig ge- scheitert betrachtet werden. Der Innenminister hat eine baldige Tarstellung der gesamten Ereignisse zugesagt. Das Snterfangen der Weißgardisten. Madrid über Paris , 16. August.(Eigenbericht.) Um 4 Uhr früh betraten ein Infanterieoberstleutnant, ein Haupt- mann und ein Marieleutnant das Haupttelegraphenamt. Sie trugen Revolver bei sich und am Arm eine weiße Binde mit dem grünen St.-Andreas-Kreuz. Sie fragten zwei postenstehende Gendarmen nach ihren Vorgesetzten und forderten sie auf, ihnen zu gehorchen. Die Gendarmen lehnten das ab Nichtsdestoweniger gelang es den Offizieren, während dieser Zwiesprache in das Innere des Tele- graphenamts einzudringen. Im gleichen Augenblick rückten vierzig mit Revolvern bewaffnete Personen, teils in Zivil, teil in Uniform von außen her an. Hierdurch mißtrauisch gemacht, legte die Wache auf die Offiziere an, die sich im Innern des Ge- bäudes befanden und hielten auch die Neuangekommenen Auf- ständischen i n S ch a ch. In diesem Augenblick, etwa 4.26 Uhr, wurde von dem Platz vor dem Telegraphenamt starkes Gewehr-
Die Waffenröcke sind in der Hauptsache verkauft, das Geld, das hierfür eingenommen wurde, ist von den S A.-F ührern ver- trunken worden. Gleichfall» wurden die Telephon- und Funkgeräte verkaust und die Beträge unter SA.-Führern verteilt. Die Ermittlungen in der Diebstahlsaffäre. die immer weitere Kreise zieht, sind noch nicht abgeschlossen. Bis jetzt ist eine Reihe von SA-'Leuten festgenommen, die angeben, den Einbruch deshalb ver- übt zu haben, weil in der Garage, die als Materiallager diente, auch Waffen untergebracht sein sollten, die, so wollen die SA.-Leute glauben machen, nach ihrer Meinung den Kommunisten gehört haben sollten. Weitere Verhaftungen in der Angelegenheit stehen bevor.
Veuer Termin im Prozeß Zürgensen. Das Handgemenge im preußischen Landtag. In dem Zivilprozeß des sozialdemokratischen Landtagsabge- ordneten Jürgensen gegen den preußischen Staat, vertreten durch den Landtagspräsidenten Kerrl, ist ein neuer Termin auf den 13. Oktober vor der Zivilkammer des Landgerichts I Berlin an- beraumt. Der Abg. Jürgensen, der durch Rechtsanwalt Neu- mann vertreten wird, war bei der großen Landtagsfchlägersi zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten erheblich verletzt worden. Er klagt aus die Zahlung von 1666 Mark Schmerzensgeld und die Feststellung, daß der Staat verpflichtet sei,
feuer vernommen. Hierdurch wurden die nächstgelegenen Polizei- wachen alarmiert, und es setzte alsbald ein regelrechter Kampf mit Revolvern und Karabinern gegen die Aufständischen ein? auch mehrere Maschinengewehre traten in Tätigkeit. Der Kamps dehnte sich dann aus und tobte längere Zeit um das Postministerium, das Kriegsministerium und das Gebäude der Sicherheitspolizei. Dabei sind drei Aufständische, darunter zwei Offiziere, getötet und mehrere andere verletzt worden. Auch die Polizei hat mehrere Verletzte. Es gelang ihr aber, die Aufständischen bald zurückzu- drängen und die im Innern des Postministerium Befindlichen zu verhaften Man vermutet, daß der Führer der Bewegung General C a l o a z a n t i sowie mehrere Generäle des alten Regimes sind. General Calvazanti soll verschwunden sein. Um 7.45 Uhr morgens setzte plötzlich schweres Geschützfeuer über Madrid ein, das stark« Erregung unter der Bevölkerung auslöste. Der Innenminister ließ erklären, daß es sich lediglich um Ziel- Übungen handle und man sich nicht weiter zu beunruhigen brauche. Um 8.15 Uhr' dauerte die Kanonade noch an. Unter den verhafteten Personen ist auch General Fernande ? Perez, der mit einem Trupp Aufständischer ins Kriegsministerium eingedrungen war. Als das Gewehrfeuer einsetzte, versuchte Fr mit seinen Anhängern in der kubanischen Gesandtschaft Schutz zu finden;' sie wurden jedoch, ehe sie diese erreichen konnten, ver- haftet. Um 6 Uhr früh hat die Polizei den Platz vor dem Telegraphenamt säubern können. Ein von einem Leutnant, einem Unterleutnant und mehreren Kavalleristen besetztes M i l i t ä r l a st- a u t o oersuchte trotz Befehls der Polizei den Platz zu überqueren und widersetzte sich dem Befehl, umzukehren, mit Waffengewalt. Polizei griff ein urid feuerte auf das Lastauto: der Leutnant und der Unterleutnant wurden getötet. Sozialistische Parole. Madrid . 10. August. Der Vorstand de» sozialistischen Allgemeinen Gewerkschafts- bundes fordert in einem Manifest die Arbeiterklasse auf. Energie zu beweisen, aber ruhig zu bleiben. Er bittet, keine Aktion durchzu- führen, ohne vorher entsprechende Anweisung erhalten zu haben. Aber jeder Mann müsse bereit sein, sich aus den ersten Wink hin in den Kamps zu stürzen. Alle republikanischen, politischen oder sozialen Vereinigungen haben beschlossen, ihre Bemühungen mit denen der sozialistischen Partei zu vereinigen und deren Anweisungen zu befolgen. In Sevilla hat der abgesetzte Gendarmeriegeneral San I u r j o einen Aufstand zuwege gebracht. Militär ist von Madrid unterwegs, um ihn zu liquidieren.
den gesamten weiteren Schaden zu ersetzen. Di« Rechtsvertretung des preußischen Landtagspräsidenten Kerrl liegt in den Händen von Rechtsanwalt Dr. Sack. Es hatte bereits vor einiger Zest der erste Termin in diesem Verfahren stattgefunden. Die Verhandlung mußte jedoch vertagt werden, weil der Schriftsatz des Beklagten noch nicht vorlag.
Kommunisten gegen Veichswehrsoldaien Zusammenstöße in Erlange«. Fünf Verwundete. Erlangen , 16. August. Im Stadtbezirk Buechenbach kam es in der vergangenen Nacht vor und in dem Anwesen des Landwirts Michael Koerner zu schweren politischen Ausschreitungen. Nach den bisherigen polizeilichen Meldungen griff ein« Gruppe von etwa 36 bis 46 Personen, die unter Rotfront-Rufen durch die Straßen zogen, drei Reichswehrsoldaten an. Die Bedrohten zogen sich in das Koernersche Anwesen zurück. Die Menge stürzte in den abgeschlossenen Hof des Anwesens nach. Bei dem Zusammenstoß wurden die drei Reichswehrangehörigen und zwei weiter« Personen verwundet. Als die Angreifer aus dem Hofe wieder herausgedrängt waren, wurden von der Straße aus gegen das Anwesen Steine, Bierslaschen. Zaunlatten und sonstige Gegenstände geworfen. Die elektrische Straßenbeleuchtung wurde ausgeschaltet. Beim Ein- treffen polizeilicher Verstärkungen flüchteten die Beteiligten. Drei Personen wurden oerhaftet.