Reisen im Hachsommer Denkt an die Gesinnungsfreunde im HeickS
Nicht nur die Gluthitze des Juli, auch die höchst ungeschickt ge- legte Reichstagswahl Hot viele abgehalten, in Urlaub zu gehen. Nun meldet sich der Herbst, Aepfel, Birnen und Pflaumen reisen. Blü- hendes Heidekraut lädt zu einer Fahrt in den märkischen Flä- m i n g. Die im August länger werdenden Nächte ermöglichen einen längeren und erfrischenderen Schlaf, als er in den kurzen hellen Nächten des Hvchsammers möglich ist. Die Nachsaison ist be- kanntlich überall billiger. Da bekommt wohl mancher, der noch seinen Urlaub vor sich hat, Lust, in die Ferne zu reisen. Möglichst weit weg möchte man von Berlin . Aber drei«Wenn" legen sich gerade jetzt wie ein schwerer Riegel davor. Wenn der Urlaub nur nicht so kurz wäre! Wenn dos Einkommen nur so wäre, daß man etwas für die Reife zurücklegen könnte! Wenn die Bahnfahrt nicht so teuer wäre! Leider hat sich die Reichsbahn nicht erweichen lassen, die an sich dankenswerte Einrich- tung der um 20 Proz. ermäßigten Fahrpreise volkstümlich zu ge- stalten und zwar so, daß nicht mindestens 200 Kilometer, sondern nur etwa 100 abgenommen werden müssen, und daß die Dauer dieser ermäßigten Fahrkarten nicht auf 11, sondern aus 8 Tage. von Sonntag zu Sonntag, bemessen wird. Diese Reform muß für das nächste Jahr unbedingt kommen. Auch Verlin ist schön! Wer also nicht in die Ferne kann, soll sich der nahen Mark widmen. Billige Privatpensionen in der Mark vermittelt übrigens der Verband Märkischer Kur- und Erholungsorte. dessen Auskunftskic»?-Kche Friedrichstraße und Unter den Linden steht. Muß aber je«and in Berlin bleiben, so soll»r ni<ht oer- zweifeln» sondern die billigen BVG.»Tarife ausnützen, um endlich einmal Berlin richtig kennenzulernen. Auch das lohnt sich Die schönen Berliner st Sdtischen Frei- und Strandbäder sind ein gar nicht hoch genug einzuschätzender Er- holungsfaktor. Leider hat sich die Reichsbahn noch immer nicht entschließen können, die Fahrpreise zum Strandbad Wannsee und zum Freibad Müggelsee herabzusetzen; sie sind zur Zeit viel zu hoch Warum richtet die Reichsbahn nicht, wie die Berliner Hoch- und Straßenbahn, Fünferkarten zu ermäßigten Preisen«in? Trotzdem lockt und winkt die Ferne. Der„Arbeiter-Reise- und Wanderführer" gibt viele Anregungen und beschreibt hübsche Reisen und Wanderungen durch Rügen über Stettin , durch Ostpreußen , die Sächsische Schweiz , den Harz , Thüringen . Riesengebirge , Ruhrgebiet , Westfalen , Weser- land, Odenwald , Spessart , Taunus , Lahntal , Maintal , Schwarzwald , Nordsee , Lüneburger Heid «, Teutoburger Wald , Tirol, Steiermark und Kärnten , und ferner für Wasserwanderer Fahrten auf den brandenburgischen Seen, auf Werra , Fulda , Weser , Neckar , Main , Lahn , Mosel , Molda und Donau von Regensburg bis Wien . Die«.östliche Inseln und Pommern . Nehmen wir z. B. Ostpreußen. Die eifrige Propaganda, die in den letzten Jahren für Ost p r e u ß e n getrieben worden ist, hat ihr« Früchte getragen. Ostpreußen war im Begriff, ein richtiges Reife- und Wanderlönd zu werden. Wer je dort gewesen, wird die eigenartige Schönheit des. Landes pressen. Da aber warf der Nationalismus sein blutigem Tuch über das schöne Land. Soll, darf man nun Sozialisten und Republikanern zumuten, sich nach diesem brodelnden Vulkan zu begeben, wenn sie gewärtig sein müssen, für ihre verfassungstreue, staatsbejahende Gesinnung womöglich Schaden an Leib und Leben zu nehmen? Mag das jeder selber entscheiden. Wer aber doch die„östliche Insel" besuchen will, der sollte unter keinen Umskändon an dem herrlichen D a n z i g vorbeifahren. Eine uns benachbarte Provinz ist endlich aus ihrem langen gesegneten Schlaf aufgewacht und betreibt jetzt eifrige und geschickte Frem'denverkehrspropaganda. Wir meinen Pommern . Natürlich darf die p o m m e r f ch e O st s e e s ü st e mit ihren vielen großen und kleinen Seebädern kaum noch der Propaganda. Natürlich be- darf das pommersche Juwel, die herrlich große O st s e« i n s e l Rügen kaum der Empfehlung. Nur soll man nicht meinen, daß es nur im Hochsommer an der See schön ist. Gerade jetzt ist dort gut
sein. Die Unterkünfte sind gar nicht so teuer. Man bekommt Pension schon von 3,50 M. an. Vor Rügen aber liegt Stralsund und diese in unserem kargen Norden einzigartige Stadt oerdient beson- dere Beachtung. Im Mittelpunkt der Provinz liegt die großartige Hafenstadt Stettin , auf dem Weg zwischen Berlin und der mitt- leren Ostseeküste, der größte Hafen Preußens. Man braucht nicht unbedingt nach Homburg , wenn man großes Hasenleben kennen- lernen will. In Hinterpommern die landschaftlich hervorragende Pommersche Schweiz. Der Verkehrsverband für Pommern , Stettin , Berliner Tor hat ein Handbuch für Reisen und Wandern in Pommern herausgegeben, das die Provinz touristisch ausschließt und mannigfache Reiseanregungen gibt. Sächsische Schweiz und Thüringen . Die Sächsische Schweiz kennt mancher Berliner besser als die Märkische Schweiz. Denn sie hat den großen Vorzug, das Berlin nächstgelegene, schnell zu erreichende, zum Teil großartig ge- staltete richtige Felsengebirgsland zu sein. Aber auch in die schönen Vorberge und Täler des Harz kommt man viel schneller als man ahnt, nämlich mit der Wetzlarer Bahn über Belzig , Güterglllck, Güsten umsteigen nach Aschersleben . Der Berliner Frühpersonenzug, der um 4,04 vom Alexanderplatz und 4,45 von Wannsee abfährt, ist wochentags schon um 8,36, also nach 4 stündiger Fahrt in Aschersleben , während die Personenzüge nach Thale 6 bis 6� Stunden fahren. Ein anderer bequemer Personen- zug fährt um 7,29 vom Alexanderplatz ab und ist um 13(I) Uhr in Aschersleben . Von Aschersleben kommt man sofort ins Thal der Eine und von da in eines der lieblichsten deutschen Täler, das S e l k e t a l und weiter nach Mägdesprung , Gernrode und Thale . Thüringen , eines unserer schönsten Reise- und Wander- länder beginnt nicht etwa erst bei Weimar , Eisenach oder Jena , son- dern läßt die ersten Vorpostenberge schon bald hinter Halle bei Merseburg auftauchen. Dann kommen zwar noch die Leuna- werke, aber von Weißenfels ab sind wir in Thüringen . Gebirgs- Wanderungen kann man getrost in Weißenfels beginnen. Wer sozu- sagen im Thüringer Hochgebirge, wo es am schönsten und roman- tischsten ist, Standquartier nehmen will, der gehe nach Friedrichs» roda, Frauenwald (bei Suhl ) oder Probstzella . In den beiden erster«» hat die gewerkschastlich-genossenschaftliche A d e f e. die All- gemeine deutsche Erholungs- und Ferienheim-Genossenschaft m. b. H. (Sitz Jena ) sehr feine Heime, in letzterem ist das fchöne yaus des Volkes, die Stätte parteigenössischer Frauen-, Jugend- und Kultur- konferenzen. Im oberen Saaletal bei Ziegenrück, etwa in der Mitte zwischen Saalfeld und Plauen , geht die größte deussche, die Bleilochtalsperre ihrer Bollendung entgegen, heute bereits Zielpunkt taufender Wanderer und Reisender. Mit den Naturfreunden. Daß junge zukunftsfreudige Sozialisten keine Pessimssten sind. dafür tritt der Touristenverein der Naturfreunde. Ortsgruppe Berlin , den vollgültigen Beweis an. Am 20. August beginnt er vier schön« Fahrten ins Hochgebirge. Wer sich an diesen Fahrten beteiligen will, melde sich sofort beim Touristenverein. Geschäftsstelle Johannisstraße 14/15, Fernsprecher D 1 Norden 4177. In der Geschäftsstelle wird aber auch jeder andere Reise- und Wanderlustige gern beraten, wobei er den Vor- zug genießt, von GestnnungssteuNden beraten und an Gestnnungs- freunde in den Reiseländern gewiesen zu werden. Es erscheint uns nichts so notwendig, als daß alle die Partei- genossen und Republikaner, die im Reich ein Gasthaus, Hotel und Pension haben, von den reiselustigen Sozialisten und Republikanern unterstützt werden, denn gar oft werden diese unsere Gesinnung«- steunde von den bürgerlichen örtlichen Verkehrsorganisationen über- gangen, wenn nicht offen oder versteckt boykottiert. Wer in dieser Form seine Reise durchführt, wird Freud « und Gewinn davon haben. Gerade für Wanderer und Reisend« unserer Art gilt da« schöne Wort Alexander von Humboldts:„Wem seine Lage«» er» laubt, sich bisweilen aus den engen Schranken des täglichen Lebens herauszuretten, errötend, daß er so lange fremd geblieben der Natur und stumpf über sie hingehe, der wird in der Abspiegelung des großen freien Naturlebens einen der edelsten Genüsse finden, welche erhöhte Vernunfttätigkeit den Menschen gewähren kann."
eine stark« Gruppe von Republikanern die lang« Kolonne mit kräftigen„F reihet t"-R u f e n begrüßte. So- dann fuhr man über die Avus, die von der Direktion dankens- werterweise zur unentgeltlicher Benutzung fteigegeben worden war. noch dem Stadion Schwarz-Rot-Gold, wo Gäste und Gastgeber in freudiger Stimmung den Abend gemeinsam ver- brachten.
Gelbstmordiragödie eines Arbeitslosen. Ehepaar seit-14 Tagen tot in der Wohnung. Ein schrecklicher Leichenfund wurde gestern nachmittag im Hause Reichart st rohe 4 In Schöneberg gemacht. Dort wurden in ihrer im dritten Stock gelegenen Wohnung die Eheleute Paesler «ol aufgefunden. Der 44 öahre alle Ingenieur Erich paesler Halle mit feiner 38 Iahre allen Frau Anna gemeinsam Selbstmord verübt. Die Leichen haben bereits 14 Tage in der Wohnung ge- legen, ehe gestern der grausige Fund gemacht wurde. Da» Motiv ist wirtschaftliche Rot Infolge Arbeitslosigkeit, wir erfahren dazu folgende Einzelheiten: In den gestrigen Nachmittagsswnden erschien vor der Wohnung des Ingenieurs ein Gerichtsvollzieher. Er hatte Auftrag, zu pfänden. Als ihm nicht geöffnet wurde, ließ er die Tür öffnen und prallt« im nächsten Moment entsetzt zurück. In der Wohnung breitete sich ein fürchterlicher Leichengeruch aus. Das Schlimmste ahnend, holte der Vollzugsbeamte Polizei und drang jetzt mit den Beamten in die Wohnung ein. In der Küche, deren Tür man erst aufbrechen mußt«, fand man den Ingenieur mit feiner Frau in einem fürchterlichen Zu- stände tot auf. Beide hatten vor dem Selbstmord ein Ruhebett in die Küche geschafft. Ein paar leere Flaschen, die umher- standen, zeugen davon, daß die Eheleute zuvor Wein tranken, in den sie wahrscheinlich Gift msschten. Außerdem wurde festgestellt, daß sie den Gashahn geöffnet hatten. Auf einem Tisch fand man ganz« Stöße von Bewerbungsschreiben des Ingenieurs, die olle zurückgekommen waren. Alle Bemühungen des Mannes, irgend- eine neue Tätigkeit zu finden, waren erfolglos. In dieser ver- zweifelten Situation wußte er keinen anderen Ausweg mehr, als mit seiner kranken Frau aus dem Leben zu scheiden. Di« Leichen des Ehepaares wurden beschlagnahmt und ins SchaUhaus gebracht.
Anschlag aus das Reichsbannerheim. Die Täter noch immer nicht ermittelt! Der verbrecherische Anschlag nationalsozialsstischer Terroristen auf das Britzer Reichsbannerheim in der Rudower Straße am ver- gangenen Sonnabend konnte von der Polizei noch innner nicht ge- klärt werden. Wie erinnerlich, wurde gegen 2 Uhr nachts eine Brandbombe durch«in offenstehendes Fenster des Reichsbannerheims geschleudert. Die Bombe richtete erheblichen Schaden an und durch die Rauch- gase geriet der Heimleiter I. in ernstliche Erstickungsgefahr. Drei Reichsbannerkameraden, darunter der Heimleiter I., wur- den noch am gleichen Tage von Beamten der Politischen Polizei. ins Polizeipräsidium gebracht und dort vernommen. Es hatte den Anschein, als ob die Polizei zu der mehr als kuriosen Vermutung einer Brandursache durch Fahrlässigkeit neig«. Di« Polizei mußte sich aber sehr schnell auf Grund des Tatbestandes und der überaus exakten Zeugenaussagen von der Richtigkeit des Brandbomben- attentates in allen Punkten überzeugen lassen. Noch am selben Abend kehrten die Reichsbannerkameraden in das Britzer Heim zurück. Inzwischen ist fast eine ganze Woche vergangen und wie es scheint, sind die polizeilichen Ermittelungen bisher nicht weiter gediehen. Wenn die Untersuchung mit etwas mehr Energie ge- führt würde, dürfte es nicht allzu schwerfallen, die Täter, die in den Kreisen der Britzer SA., des Sturmes 51, zu suchen sind, hinter Schloß und Riegel zu bringen. Das Heim, in dem vornehm- lich arbeitslose Reichsbannerkameraden untergebracht sind, ist jetzt durch Wachen derart gesichert, daß den verbrecherischen Hitler-Gar- disten«in so teuflischer Anschlag ein zweitesmal nicht so leicht ge- lingen dürfte.
Immer mit der Ruhe. Einem Einwohner von Kaiserslautern wurde dieser Tage durch die Post eine Karte zugestellt, die am 4. Fe- bruar 1915 in München aufgegeben worden war. Zur Strafe für die Bummelei der Post mußte der Empfänger neun Pfennige Straf - porto bezahlen.
Rnut Qamfun: 0 Rletne Utlebniffe. Ich weiß, das Leute im Nebenzimmer sind, daher bin ich nicht bange. Ich murmele: Bist du nun schon wieder da. Gleich darauf öffnet der Mann seinen großen Mund wieder und fängt an zu lachen. Dies machte keinen erschreckenden Eindruck mehr auf mich; aber diesmal wurde ich aufmerk- famer: der fehlende Zahn war wieder da! Er war vielleicht von irgend jemand in die Erde hinein- gesteckt worden. Oder er war in diesen Iahren zerbröckelt, hatte sich in Staub aufgelöst und mit dem übrigen Staub vereint, von dem er getrennt gewesen war. Gott allein weiß das! Der Mann schloß seinen Mund wieder während ich noch in der Tür stand, wandte sich um und ging die Treppe hinab, wo er tief unten verschwand. Seither habe ich ihn nicht wieder gesehen. Und es sind jetzt viele Jahre vergangen... Dieser Mann, dieser rotbärtige Bote aus dem Lande des Todes, hat mir durch das unbeschreibliche Grausen, das er in mein Kinderleben gebracht, viel Böses getan. Ich habe seither mehr als eine Vision gehabt, mehr als einen seltsamen Zusammenstoß mit Unerklärdarem— nichts aber hat mich so tief ergriffen wie dies. Und doch hat er mir vielleicht nicht ausschließlich Schaden zugefügt, dieser Gedanke ist mir oft gekommen. Ich könnte mir vorstellen, daß er eine der ersten Ursachen gewesen ist, durch die ich lernte, die Zähne zusammenbeißen und mich hart zu machen. In meinem späteren Leben habe ich hin und wieder Verwendung dafür gehabt. 2. Auf der Prärie. Den ganzen Sommer 1887 arbeitete ich auf einer Sektion von Dalrumples unendlicher Farm in dem Tal des Roten Flusses in Amerika . Außer mir waren dort zwei andere Norweger , ein Schwede, zehn, zwölf Irlonder und einige Amerikaner. Wir waren ungefähr zwanzig Mann auf unfe-
rer kleinen Sektion— nur ein Bruchteil von den Hunderten von Arbeitern der ganzen Farm. Grüngelb und unermeßlich wie ein Meer lag die Prärie da. Kein Haus war zu sehen außer unseren eigenen Ställen und Schlafschuppen mitten auf der Prärie. Kein Baum, kein Busch wuchs dort, nur Weizen und Gras, soweit das Auge reichte. Da waren auch keine Blumen, nur hin und wieder traf man mitten im Weizen die gelben Quasten des wilden Senfs an, der einzigen Blume der Prärie. Dies Gewächs war durch ein Gesetz verboten, wir jäteten es mit der Wurzel aus, fuhren es nach Hause, trockneten und verbrannten es. Und kein Vogel flog, kein anderes Leben sah man als das Wogen des Weizens im Winde und der einzige Laut, den wir hörten, war das ewige Zirpen der Millionen Heu- schrecken,— der einzige Gesang der Prärie. Wir schmachteten nach einem Schatten. Wenn der Proviantwagen mittags zu uns hinauskam, legten wir uns auf den Bauch unter den Wagen, die Pferde, um ein wenig Schatten zu haben, während wir das Essen verschlangen. Die Sonne war oft glühend heiß. Wir gingen in Hut, Hemd, Beinkleid und Schuhen, das war alles, und weniger konnte es nicht sein, denn sonst wären wir verbrannt. Riß man sich zum Beispiel während der Arbeit ein Loch in das Hemd, so brannte die Sonne durch und hinterließ eine Blase auf der Haut. Während der Weizenernte arbeiteten wir bis zu sechzehn Stunden am Arbeitstage. Zehn Mähmaschinen fuhren auf dem gleichen Acker tagaus, tagein hintereinander. Wenn das eine Viereck abgemäht war, fuhren wir auf ein anderes Viereck und mähten auch das nieder. Und so weiter, immer weiter, während zehn Mann hinter uns herkamen und die Garben in Hocken setzten. Und hoch zu Roß, den Revolver in der Tasche, ein Auge an jedem Finger, saß der Aufseher da und beobachtete uns. Er ritt jeden Tag seine zwei Pferde müde. Trat irgendein Unfall ein, zerbrach zum Beispiel eine Maschine, so war er sofort da, besserte den Schaden aus oder schickte die Maschine weg. Er konnte oft weit weg sein, sobald er aber merkte, daß irgend etwas nicht in Ordnung war, war er zur Stelle, da es aber nirgends einen Weg gab, mußte er den ganzen Tag in dem dichten Weizen umherreiten, so daß die Pferde von Schweiß schäumten. Als der September und der Oktober herankamen, war es des Tages noch grausam warm, die Nächte aber wurden
sehr kalt. Es fror uns oft sehr. Und dann bekamen wir lange nicht genug Schlaf: wir wurden oft um drei Uhr des Morgens geweckt, wenn es noch ganz dunkel war. Wenn wir dann die Pferde und uns selber gefüttert hatten und den langen Weg bis zur Arbeitsstelle gefahren waren, dämmerte endlich der Tag und wir konnten sehen, was wir zu tun hatten. Dann zündeten wir einen Heuhaufen an, um unsere Oelkannen aufzutauen, die wir zum Schmieren der Maschinen brauchten, und dabei wärmten wir uns selber dann gleich ein wenig. Aber viele Minuten währte es freilich nicht, bis wir wieder auf die Maschine hinauf mußten. Wir hielten nie Feiertag. Der Sonntag war wie der Montag. Aber bei Regenwetter konnten wir nichts tun, und dann lagen wir im Schuppen. Wir spielten„Kasino " und plauderten miteinander und schliefen. Unter uns befand sich ein Irländer, über den ich am Anfang sehr erstaunt war; Gott mag wissen, was er im Grunde gewesen ist. Bei Regenwetter lag er immer da und las Romane, die er sich mitgebracht hatte. Er war ein großer, schöner Bursche von etwa sechsunddreißig Iahren und sprach eine sehr gewählte Sprache. Er sprach auch deutsch. Dieser Mann kam mit einem seidenen Hemd auf die Farm und fuhr auch die ganze Zeit hindurch fort, in seinem seidenen Hemd zu arbeiten. Wenn das eine abgetragen war, zog er ein neues an. Er war kein tüchtiger Arbeiter, er hatte keinen„Griff" für die Arbeit, aber er war ein sonderbarer Mann. Evans hieß er. An den beiden Norwegern war nicht viel dran. Der eine von ihnen nahm auch Reißaus, weil er die Arbeit nicht vertragen konnte; der andere hielt aus,— aber der war auch aus Valdres. Beim Dreschen suchten wir alle einen Platz so weit wie möglich von der Dampfmaschine entfernt zu ergattern; Staub, Spreu und Sand stoben nämlich wie Schneeflocken aus allen Oeffnungen und von allen Schaufeln der Maschine. Ein paar Tage befand ich mich mitten im Feuer, dann bat ich den Aufseher, mir einen anderen Platz anzuweisen, was er auch tat. Er gab mir einen ausgezeichneten Platz draußen auf dem Felde, wo ich beim Beladen der Wagen tätig sein sollte. Er vergaß nie, daß ich ihm gleich zu Anfang eine Freund- lichkeit erwiesen hatte. (Fortsetzung folgt.)