Um die Selbstverwaltung.
Referentenentwurf oder Notverordnung?
Dem Herrn Reichskommissar und seinem ,, Beauftragten" ist unsere gestrige Veröffentlichung der geplanten Notverordnung gegen die Selbstverwaltung sehr ungelegen gekommen. Die Verlegenheit ist groß. Daher finden sie auch kein Wort der Erwiderung auf unsere entscheidende Frage, ob wirklich der provisorisch amtierende Beauftragte und die von ihm zusammengeholten Staatssekretäre( lies: Minister) sich für befugt halten, ein derartig einschneidendes Gesez in der Zeit ihrer vorübergehenden Amtstätigkeit auf dem Bege einer Notverordnung in Kraft zu setzen. Aber die Verlegenheit über die unbequeme Veröffentlichung zeigt sich deutlich in dem Bestreben, die Sache als Referentenentwurf einstweilen zu bagatellisieren. Um so erstaunlicher der Mut, die Verantwortung für die einzelnen Bestimmungen der geplanten Notverordnung auf den bereits 1930 veröffentlichten Referentenentwurf des Gesetzes über die kommunale Selbstverwaltung" aus dem preußischen Innenministerium abschieben zu wollen.
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Nein, so einfach ist die Sache denn doch nicht! Handelt es fich jetzt auch nur um einen Referentenentwurf, über den der Deffentlichkeit und den zuständigen Instanzen, insbesondere dem Preußischen Landtag und einer kommenden rechtmäßigen Staatsregierung Gelegenheit und Zeit zur Dis= fussion und zur Beschlußfassung gegeben werden soll? In diesem Fall hätten es ja die Herren von Papen und Bracht in der Hand, die Absicht einer notverordnungsmäßigen Vergewaltigung der zuständigen Körperschaften glattweg zu dementieren. Der Referentenentwurf des Gesetzes über die fommunale Selbstverwaltung vom Jahre 1930 wurde ja eben deshalb ganz ungewöhnlicherweise vorzeitig veröffentlicht, weil er eine Reihe lebhaft umstrittener und bis dahin( und auch heute noch) von der verfassungsmäßigen Mehrheit abgelehnter Vorschläge enthielt, für die weder das Ministerium noch die Staatsregierung die Verantwortung zu übernehmen bereit war. Es ist also ein ganz plumper Trick, wenn man jetzt so tut, als ob eine frühere Regierung oder ein früherer Landtag bereit gewesen wären, ähnliche Maßnahmen in die Tat umzusetzen. Es dürfte vielmehr auch einem provisorisch amtierenden Beauftragten des Reichskommissars bekannt sein, daß gerade die Ausdehnung der Staatsaufsicht auf Gebiete, die die ureigenste Domäne der Selbstverwaltung sind und bleiben sollen, bisher immer sogar auch unter einer freiheitlichen und demokratischen Staatsregierung auf den entschiedensten Widerstand der Parlamentsmehrheit gestoßen find. Auf einen so entschiedenen Widerstand, daß selbst die vorsichtigen Formulierungen in dem ursprünglichen Gesetzentwurf Groß- Berlin( im Anhang: Staatsaufsicht") von der Regierung felbft zurückgezogen worden sind.
Glaubt man im Ernst, daß der Widerstand bei einem reaktionären Staatsministerium geringer geworden wäre und bei einer parlamentarischen Behandlung des Gefeges geringer sein würde? Will man insbesondere der Deffentlichkeit einreden, daß der Staatsausschuß" in der jetzt geplanten Form den Ideen und Absichten irgendeiner früheren Regierung entspräche?
Also noch einmal: Hände weg von einer solchen Notverordnung! Für Eingriffe in das Staatsgefüge, wie sie dieser Entwurf darstellt, ist der reguläre Weg der Gesetzgebung da. Reine Notverordnung fann und darf ihn ersehen, am allerwenigsten die Notverordnung einer provisorisch amtierenden Regierung, deren verfassungsrechtliche Grundlage auf das entschiedenste bestritten wird und deren höchsteigener Chef nicht einmal Briefbogen mit der Firma des preußischen Ministerpräsidenten( nach eigenem Eingeständnis!) benußen
darf.
Die Partei der Reichen.
Der Stimmschein bringt es an den Tag. Es ist längst bekannt, daß es die wohlhabendsten Kreise des deutschen Volkes sind, die sich in der Hafentreuzpartei ein Stelldichein geben und infolgedessen auch ihren politischen Kurs bestimmen. Aber es ist gut, wenn man die Richtigkeit dieser Behauptung einmal schlüssig und unwiderleglich beweisen kann. Das ermöglicht eine Feststellung über die Abstimmung der Kurgäste in dem württembergischen Höhenluftkurort Freudenstadt , der zu den teuersten Rurplägen im Schwarzwald gehört.
Es sind dort wohl auch einige Erholungsheime mit gemeinnüßigen oder konfessionellem Charakter, in denen auch minderbemittelte Volkskreise unterkommen können, aber es überwiegen bei weitem die fogenannter erstklassigen Hotels und Pensionen. In Freudenstadt hatte man nun bei der Reichstagswahl den Kurgästen, die mit Stimmscheinen abzustimmen hatten, ein besonderes Abstimmungslokal in der Schickhornstraße zur Verfügung gestellt, deren Einzelergebnis jetzt bekannt geworden ist. Es erhielten dort: 412= 27,8 Proz. 326€ 21,9 322 21,9 156
Nationalsozialisten.
Zentrum Deutichnationale
Sozialdemokraten
Staatspartei
Deutsche Volkspartei Christlicher Volksdienst Kommunisten
"
"
11,1
"
92
5,7
•
"
80
5,6
"
59=
5,2
"
18= 1
"
Deutlicher kann kaum mehr erwiesen werden, daß die Bezeichnung der Hakenkreuzler als einer sozialistischen " und als einer ,, Arbeiter" partei der ordinärste Betrug ist, auf den allerdings leider auch zahlreiche Angehörige der sozial bedrängten Boltsschichten hereingefallen find.
Aufbauwille.
Sie drucken ihre Unfallmarken selbst.
Wien , 13. Auguft.( Eigenbericht.) Am Sonnabendabend wurde in Wien der 53jährige deutsche Staatsangehörige Michael Karl verhaftet. Karl hatte hier in einer Druckerei reichsdeutsche staatliche Unfallversicherungs. marten im Werte von 1 Million Mark fälschen lassen. In seiner Wohnung wurde eine ungeheure Zahl von Mitgliedskarten. der Hitler - Partei gefunden. Er hatte in Wien angegeben, daß er be auftragt sei, seine Parteigenossen gegen Unfälle im politischen Kampf zu versichern und daß er dazu die Marken benötige.
Zwei Komplizen des Martenfälschers, der 27jährige Kaufmann May Thurner und der Kaufmann Otto Wiener wurden auf Ersuchen der Wiener Polizei in Augsburg verhaftet. Durch diese Fälschungen wurde dem deutschen Reich ein Schaden von etwa 1 Million Mart zugefügt.
Aussprüche der Woche.s
General Sanjurjo, Führer des spanischen Putsches, wird als Gefangener abgeführt. Ludendorff meinte hierzu:„ Das kommt mir spanisch vor."
KONSUM VEREIN
Der SA.- Mann, der die zehnte Bombe gegen einen Konfumvereinsladen schleuderte, fragte: ,, Wann werde ich nun endlich als Hilfspolizist eingestellt?"
Der Kuhhandel um die Regierung nahm flotten Fortgang. ,, Und die hatten nun heilig versprochen, sie würden mich in Ruh lassen", stöhnte die arme Kuh.
MinisterAutomat
Lanzles
Flussere
Inneren
Post
nzen
Der Knabe Adolf stand einst an einem Automaten. Er hatte die Qual der Wahl.„ Wo muß ich einwerfen? Wann wird der Groschen fallen?"
Der Krieg um den Butterzoll.
Noch keine Hoffnung auf vernünftige Handelspolitik.
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Wenn man in Deutschland um vernünftige Handelspolifit, die| geboten hat, die deutsche Deffentlichkeit braucht ja nicht informiert wirklich lebensnotwendig ist, ebenso bemüht wäre wie um die Hebung der Sittlichkeit, deren Lebensnotwendigkeit bezweifelt werden darf, dann wären wir besser daran. Aber die Frage des Butterzolls zeigt immer deutlicher, daß die Vernunft in der Handelspolitit noch immer einen sehr schlechten Kurs hat.
Jezt kommt aus Dänemark die Meldung, daß nous and vom 24. September bis 9. Oktober die größte Industrieaus stellung in Ropenhagen veranstalten wird, die England jemals außerhalb des eigenen Landes veranstaltet hat. Großbesuche der englischen Kriegsflotte werden Dänemart in Stimmung ver fezzen, und der Prinz of Wales wird Dänemark besuchen. Und das Ganze geschieht zu dem einzigen 3wed, den deutschen Industrie. import nach Dänemark von Deutschland weg nach England zu leiten. Dabei hat die deutsch - dänische Wirtschaftsvereinigung vor wenigen Jahren in einer Eingabe an die Reichsregierung festgestellt, daß seit dem Infrafttreten des neuen deutschen Butterzolls, daß in den ersten sechs Monaten des Jahres 1932 die deutsche Einfuhr nach Dänemark um 33% Broz. ge funten ist, während der Gesamtrüdgang der dänischen Einfuhr nur 17½ Proz. betrug. Auf der anderen Seite konnte England in der gleichen Zeit feine bisherige Einfuhr nicht nur aufrechterhalten, sondern noch um 12% Proz. erhöhen. Im Juni betrug die deutsche Ausfuhr nach Dänemark sogar nur noch 37 Proz. der Juniausfuhr des vorigen Jahres. Hinsichtlich Dänemarks hat die deutsche Butterzollpolitik, die auf dem wahnmißigen Autartiegebanken beruht, die deutsche In duftrieausfuhr nach Dänemark also so gut wie schon ver. nichtet.
Aber die Regierung der Barone, die den Junkern zu dienen hat und im übrigen der Hebung der Sittlichkeit, hat feinen Anlaß, daraus zu lernen. Die für die Butterfrage entscheidenden Ver handlungen mit holland sind noch um feinen Schritt weiter gekommen. Man muß aus dem holländischen Maßbode" erfahren, was Deutschland den Holländern an
Eine Studienreise.
Unser alter Freund Stauning, der Führer der dänischen Sozialdemokratie und seit Jahren Ministerpräsident, hat eine Studienreise nach Deutschland angetreten, das er einige Jahre nur auf der Durchreise nach Genf gesehen hat. Unbekannt ist unser Land ihm natürlich nicht. Stauning war schon vor dem Kriege Land ihm natürlich nicht. Stauning war schon vor dem Kriege auf mehreren unserer Parteitage Bertreter unserer dänischen Bruder. partei. Der jetzige Zustand unseres Landes mag ihm allerdings persönliche Beobachtung und Erfundigung nahelegen.
Genosse Stauning ist bereits in Hamburg und dürfte in den nächsten Tagen unser lieber Gast in Berlin sein.
Sabotage des Minderheitenrechts.
Die Schuld des Völkerbundes.
Auf dem Kongreß der Vereinigung für internationales Recht ( International Law Association ) zu Orford vom 8. bis 12. d. M. wurde auch eingehend über Minderheitsrecht und Völkerbund verhandelt. Der Bericht darüber geißelt scharf die zur Gewohnheit gewordene Verschleppung von Minderheitenbeschwerden und das Bemühen des Völkerbundssekretariats, die Minderheitenfragen zu verbergen. Das Völkerbundssekretariat hält es nicht für nötig, den Antragstellern bei Nichtweitergabe einer Beschwerde die Gründe mitzuteilen! Im Falle von Formfehlern bei der Einreichung von Anträgen unternimmt das Völkerbundssekretariat nichts, um den Antragstellern gut zu raten, sondern läßt solche nichts, um den Antragstellern gut zu raten, sondern läßt folche Beschwerden einfach unter den Tisch fallen! Seit dem legten
zu werden. Danach soll das Entgegenkommen gegenüber Holland- was Holland grundsäglich recht wäre in einer proportio nalen Verteilung der Buttereinfuhr auf alle an der Einfuhr beteiligten Länder bestehen; aber einmal soll statt des jetzt fünffach Don 50 bis 176 Mark abgestuften Zolles ein Einheitszoll.
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las von 100 Mark treten, und zum andern foll die geſamte Buttereinfuhr auf 50000 Tonnen jährlich beschränkt werden. In beiden Fällen fann fich Holland leicht ausrechnen, daß es gegenüber der bisherigen Lage, das heißt gegenüber den Abfagmöglich. teiten selbst im ersten Halbjahr 1932, faum Vorteile erlangen fann. Denn die gesamte deutsche Buttereinfuhr lag 1931 noch bei 100 000 Tonnen und der Durchschnittszoll, der auch nach der Zollerhöhung galt, lag bei 60 Mart.
Man braucht sich deshalb auch nicht zu wundern, daß die deutsche Delegation, die nach Abbruch der Berliner Verhandlungen nach Holland zu neuen Verhandlungen gefahren war, ergebnislos na Berlin zurüdtehren mußte. Es heißt. daß die holländischen Vertreter jetzt neue deutsche Vorschläge prüfen und daß die Verhandlungen noch nicht abgebrochen sind. Aber es ist kaum zu erwarten, daß die Prüfung zu einem pofitiven Ergebnis
führen wird.
Mit Dänemark werden auch Berhandlungen geführt. Der deutsche Export nach Dänemark ist schon zum größten Teil dahin. Mit Holland scheint man fo zu verfahren- obwohl Holland der größte
Industriewarenfäufer Deutschlands ist, daß Holland Dänemark folgen wird. Die Hebung der Sittlichkeit bei anderen mag für Leute, die gut zu effen haben, ein schönes Ding sein. Aber die vielen Tausende Arbeitslose, die man mit dem Wahnsinn der jetzigen Handelspolitik schon wieder erzeugt hat, können sich davon kein Brof kaufen, daß die Nadtkultur verboten und die Badestellen kontrolliert werden. Die grundsätzliche neue Staatsführung" Deutschlands bewegt sich auf verdammt gefährlichen Wegen.
Kongreß der Vereinigung für internationales Recht vor zwei Jahren ift gar nichts zur Besserung geschehen.
Der gegenwärtige Zuffand ist nicht nur äußerst beklagenswert, sondern auch sehr gefährlich. Der Völkerbund hat seine Pflicht nicht erfüllt.
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Gegen den Bericht erhob sich nur eine Stimme die des Franzosen Govare, der dem Bericht politische Tendenzen vorwarf. Er wurde von dem englischen Rechtssachverständigen Roland Vaughan Williams widerlegt, der die Bedeutung der Gerechtigkeit gegenüber den Minderheiten für den Weltfrieden hervorhob.
Rumänisches von der Mottlau.
Die Freistadt Danzig hat schon vor dem Deutschen Reich und Preußen eine Regierung bekommen, die sich auf die Deutschbewußten, Positiv- Christlichen stützt und sich mit den Aufbaumilligen gegenseitig toleriert.
Ueber eine danach wohl vorbildliche Neuerung in der schönen alten Freistadt berichten zwar nicht die Werbedrucksachen für Hansafahrten nach Danzig , aber folgende offizielle War schauer Meldung:
Wegen eines Zwischenfalls, in dessen Verlauf drei Juden, unter ihnen zwei polnische Staatsbürger, in Danzig von HitlerLeuten geprügelt wurden, hat der polnische Generalfommissär beim Danziger Senat einen Schritt unternommen. In diesem Zusammenhang weisen die Blätter darauf hin, daß dieser Zwischenfall bereits der sechste während der letzten Wochen sei. In Danzig ist man sehr gegen Polen aber rumänische 3ustände scheint der jezige Rurs in der Freistadt nicht ohne Erfolg anzustreben. Heil!
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