Beilage
Dienstag, 16. August 1932
Der Abend
Shalausgabe des Vorwards
Dienstmädchen
Ein Problem und ein Buch/ Von S. Pepper
Zwitterstellung...
Seit der Begriff„ Hausangestellte" für Dienstmädchen, Köchinnen, Kindermädchen und Erzieherinnen eingeführt ist, der diese Art der erwerbsmäßigen Tätigkeit der Frau scharf umgrenzt und sie als Arbeitsverhältnis, als Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber deutlich macht, ist es möglich zu sagen, indem man diese Auffassung vom Arbeitsverhältnis nach rückwärts projiziert, daß hier auf diesem Gebiet eigentlich die berufliche Tätigkeit der Frau begann. An dieser Feststellung ändert auch die Tatsache nichts, daß ein Dienstmädchen in Vorkriegszeiten nicht als Arbeiterin angesehen wurde, wie es ja auch heute noch vielfach der Fall ist, wo diese Kategorie von Frauenarbeit in der sozialen Ge= feggebung nicht völlig vergessen ist, wo aber doch jeder Fabrikbefizer einen Unterschied macht zwischen den Arbeiterinnen seiner Fabrik und seinen Dienstmädchen, die zwar beide ihm ihre Arbeitskraft verkaufen, beide soziologisch zum Proletariat gehören, während beide Gattungen doch eine völlig verschiedene Ideologie haben, die Fabrikarbeiterin meistens schon tlassenbewußt ist und die Hausangestellte dagegen, zum größten Teil, in einer fleinbürgerlichen
Ehe zu flüchten. Sie wird die Frau eines Fleischers, der sie wegen ihrer Ersparnisse heiratet. Aber die Ehe führt zu keiner Gemeinschaft, und die Marie ist nun zwar Ehefrau, der Gipfelpunkt ihrer bescheidenen Ansprüche ist erreicht, aber sie ist im Grunde noch immer das Dienstmädchen Marie. Ihr Mann betrügt sie, er ist verschuldet und steht vor der Pleite, Marie ahnt es, aber es gibt kein Näherkommen in dieser muffigen Kleinbürgerlichkeit, feine Aussprache. Und dann drängt sich noch ihres Mannes Schwester, ein verbissenes, unbefriedigtes älteres Fräulein, in diese Ehe, und Marie fühlt sich verdrängt durch fie, ihr Mann hat mehr Vertrauen zu seiner Schwester als zu seiner Frau, und es beginnt ein Kleinkrieg zwischen beiden, der damti endet, daß Marie ihre
Schwägerin, die wie eine Spinne in der Wohnung hockt, mit einem Beil erschlägt.
Marie ist ein gutes Dienstmädchen gewesen, sie hat eine gute Geliebte sein wollen und eine gute Ehefrau, es ist ihr nicht geglückt. Es kann also nicht am Gutseinwollen liegen, denn Marie fommt ins Gefängnis, und dann nimmt sie ein Fräulein Sammt in Pots dam auf, um sie auf den rechten Weg zurückzuführen. Und die Marie ist widerstandslos und willig, es hat ihr feiner gesagt, was mit ihrem Leben los ist, und von selbst hat sie es nicht gemerkt. Sie stirbt in den Wäldern um Potsdam . Bis zuletzt war sie auf der Suche nach Gemeinschaft, nach ihrer Klasse, die sie nicht finden konnte, weil sie eine Kleinbürgerin war und in jenem Dienstmädchenmilieu lebte, aus dem sie auch die Ehe nicht befreien konnte, und an dem nicht nur bloß die Marie dieses ausgezeichneten Buches zugrunde gegangen ist.
Die Gestalten des Buches sind knapp hingezeichnet, aber trotzdem lebendig und glaubhaft, die Umwelt wird sichtbar gemacht, und das hilflose Versinken eines Menschen, der nicht weiß, was ihm ge= schieht, die kleinbürgerliche Welt und ihre Ehe.
Frau und Mitmensch
Borstellungswelt lebt und die Identifizierung mit dem Fabrit Ein paar Worte zu unserer Zeit Von Else Möbus
mädchen, mit der Schicht, die offensichtlich Proletariat ist, ablehnt.
Es würde zu weit führen, die Gründe dafür hier bis ins letzte zu untersuchen. Das wäre zwar eine aufschlußreiche aber schwierige Arbeit, und es ist diese Schwierigkeit vielleicht gerade die Ursache, daß wir bisher noch kein Buch gehabt haben, welches sich mit dem Problem der Hausangestellten auseinandergesetzt hat, wo es doch schon eine Menge Literatur über Frauen in anderen Erwerbs= zweigen gibt, Romane von Stenotypistinnen, weiblichen Angestellten und Arbeiterinnen; aber auf diesen Gebieten ist die soziologische Situation einigermaßen klar, jeder begreift das Arbeitsverhältnis eines Tippmädels, und wenn an dem Verfasser einer solchen Buches auch noch die Voraussetzung der Klarheit über seine eigene gefellschaftliche Lage erfüllt ist, dann kann er über einen solchen Fall Richtiges aussagen und, wenn es ihm nicht an Können mangelt, sogar Richtiges gestalten.
Im Gegensatz dazu ist nun die Lage der Hausangestellten feineswegs so leicht zu übersehen, sie ist wesentlich komplizierter und schwerer zu begreifen, denn sie ist subjektiv, von den Hausangestellten her gesehen, unflar, verschwommen und unbewußt, und objektiv ist die ideologische Voreingenommenheit größer, weil das Dienstmädchen im bürgerlichen Denken sich mit der Vorstellung deckt, die Frau gehöre in den Haushalt, und aus eben dieser Vorstellung heraus nicht flar als Arbeiterin angesehen wird, sondern als Frau, die ihre( bürgerliche) Bestimmung erfüllt, was wiederum kein Hindernis für jene Leute ist, die sich ein Dienstmädchen halten, sie nach den für sie gültigen Regeln der sozialen Stala als tiefer stehend zu behandeln, weil ja die Mädchen meistens für ihre Arbeit etwas Lohn erhalten. Bei den sogenannten Haustöchtern, die unentgeltlich im Haushalt arbeiten, fällt dann auch noch der soziale Unterschied weg, der, wie ausgeführt, nur erst durch die Entlohnung entsteht. Sie verhalten sich zu den Dienstmädchen wie Volontär und Gehilfe. Es gibt eine stattliche Anzahl von ihnen in Berlin , aber ihre Anzahl erreicht längst nicht die der Dienstmädchen, die sich in jedem Jahre mehr oder weniger aus Ser Provinz refrutiert.
Anfänge eines Schicksals.
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Die Gegenwart wird beherrscht vom Kampfe um die Macht. | Lebens. Die gesamte Arbeit des Sozialismus seit Jahrzehnten weist und Gestalten, unter Vorwänden und Deckmäntein am Werk war, Was vor wenigen Jahren noch in den verschiedensten Formen das hat heute einen Sammelpunkt gefunden, um den es sich konzentriert. Unverhüllt tritt das gemeinsame Ziel aller dem Sozialismus feindlichen Kräfte hervor. Verzweiflung, Ratlosigkeit, irregeleiteter Idealismus, jugendliche Aktivität in Verbindung mit frassem Materialismus und nacktem Machthunger haben sich vereint und huldigen einem gemeinſamen Götzen. Naive Gläubigkeit und heiße Hoffnungen ranken sich um ihn: Alle Probleme, an denen die Menschheit verzweifelt sich müht, Arbeitslosigkeit, Weitwirtschaftskrise, politische Fragen, die Ebropa nicht zur Ruhe werft sie auf die Schultern des neuen Gözen. Ein neuer Gebt ihm die Macht, und alles wird gut werden. Messias ist erstanden....
kommen lassen
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Ist es verwunderlich, daß alle diese von Gefühl und Phantasie genährten Hoffnungen sich vervielfältigten, bis der in ihnen wohnende Wille zur Macht lawinenartig zu einem blinden Macht rausch anwuchs? Und ist es zu kraß, das erschütternde Sinnbilo, das eine republikanische Frau in diesen Tagen dem Kampfe um die Macht voranstellte? Gertrud Bäumer vergleicht das Deutschland der Gegenwart dem rasenden Ajas, dem Helden der griechischen Sage, der sinnverwirrt und im Blutrausch die Herden tötet, die seinem Heer als Nahrung dienen sollen und sich, zur Vernunft gekommen, in sein eigenes Schwert stürzt. Wie lange wird es noch dauern, cas Rasen des Wütenden? Andersdenkende werden überfallen und niedergestreckt, Volks- und Gewerkschaftshäuser, aus den Pfennigen deutscher Arbeiter erbaut, sind das Ziel von Kämpfen, in die verblendete Volksgenossen sich freudig stürzen, in der Ueberzeugung, gegen Feinde und Schädlinge vorzugehen und Minderwertiges der Vernichtung preiszugeben. Wie lange wird es dauern, bis das Blendwerk seine Kraft verliert, bis gemeinsame Not und gemeinsamer Aufbaumille Brücken schlagen auch zwischen politischen Todfeinden?
zu
Die sozialistische Frau ist nicht so weltfremd, zu glauben, daß Macht etwas Unwesentliches sei. Sie weiß und hat es immer wieder in der harten Praris des Alltags erfahren müssen, daß macht auch für den Sozialismus die Voraus setzung ist, unter der seine Ziele verwirklicht werden können. Der Zusammenschluß in Partei und Gewerkschaften ist die Verkörperung sozialistischen Willens. Aber diese Macht ist nicht Selbstzweck, sondern Stüze und Hilfsmittel. Nicht der Machtmensch, sondern der Mitmensch ist das Ziel. Die Perspektive verengt sich nicht, sondern sie dehnt sich ins Weite. Die Hand umkrampft nicht die gewonnene Macht, sondern sie öffnet sich und spendet ihren Reichtum an alle Bedürftigen. Wäre der Machtmensch jemals unser Ziel gewesen, dann hätten die Träger der Regierung 1918 ein anderes Schicksal erfahren, dann hätten 14 Jahre deutscher Republik nicht auch dem politischen Gegner größte Objektivität und weiteste Bewegungsfreiheit zubilligen fönnen, so weit, daß sie die Grenzen der Selbstvernichtung streiften.
Otto Adolf Palisch schildert nun in seinem fürzlich erschienenen Buche ,, Die Marie"( im Propyläen- Verlag , Berlin ) das Leben eines Mädchens aus der Provinz, die sich in Berlin als Dienstmädchen verdingt und auf verschiedenen Stellen tätig ist, eine jener völlig unbewußten Existenzen, die langsam von der Stadt zermalmt werden und hilflos an der Enge und Muffigkeit einer fleinbürgerlichen Welt zugrunde gehen. Es ist das widerstandslose Berfinken eines Menschen geschildert, der gut und naiv ist, der nicht begreift, was nun eigentlich mit ihm geschieht, der immer wieder hofft und den Glauben an Gerechtigkeit nicht aufgibt, an eine Gerechtigkeit, die es in der kapitalistischen Welt nicht gibt, bis er dann zur Strecke gebracht ist und irgendwo abseits verendet. So beginnt die Marie in Berlin , jung und ohne Erfahrung, im Haushalt eines Rechtsanwalts als Dienstmädchen. Sie weiß Bescheid mit den Möbeln der Wohnung, mit den Dingen der Küche und in den Läden der Umgebung, aber sonst weiß sie nichts, sie ist allein, es gibt keine anderen Menschen, mit denen sie solidarisch fühlt, sie nimmt die Lebensweise der Herrschaft, die sie nicht versteht und Der Machtmensch fragt nach sozialer Stellung und Verauch nicht ergründen will, hin, sie fühlt sich als Dienstbote, führt aus, mögen, nach Rang und Titel, der Mitmensch nach Können und was ihr gesagt wird, und ihr kleiner Ehrgeiz gipfelt in der Hoffnung, Charakter. Der Macht mensch kennt nur das Ueber- und Unterdaß sie später mal einer heiraten wird, der sie ernähren kann. Ihre einander: Der Mann beherrscht die Frau, der Erwachsene den Tragödie liegt nicht so sehr in ihrem Kleinbürgertum als in dem Jugendlichen, der Soldat den Zivilisten, der Vorgesetzte den UnterDienstmädchen milieu, wie es die heutige Gesellschaft hervorgebenen, der Brotgeber den Arbeitnehmer. Der Mitmensch bringt, das die Mädchen isoliert und indem sie einmal als Arbeitskraft behandelt werden, dann wieder Vertraute der Frau sind und oft genug auch Lustobjekt für den Mann; diese Dinge verhin= dern, daß sie sich ihrer Lage bewußt werden, und es ist kaum denkbar, daß die Marie auf dieselbe Weise zugrunde gegangen wäre, wenn sie in einem Betrieb gearbeitet hätte.
Die Tragödie vollendet sich. Was geschieht nun eigentlich mit ihr, und wie vollendet sich ihre Tragödie? Marie ist jung, und es beginnt mit der Liebe. Sie weiß noch nicht, daß viele Söhne der Herrschaften gewissermaßen einen Sport darin sehen, mit möglichst allen Dienstmädchen der Straße, in welcher sie wohnen, etwas gehabt zu haben. Mit einem solchen jungen Mann beginnt es, und Marie ist glücklich, bis sie dahinter kommt, daß es nicht ernst gemeint war. Sie hat den ersten Schlag auf den Schädel gekriegt, sie wird krank, und das ist Grund genug, sie zu entlassen. Sie fliegt. Und sie wird noch verschlossener und mißtrauischer und beginnt auf einer neuen Stelle am Stettiner Bahnhof. Diesmal in einer Kneipe. Dort verlebt sie Weihnachten, eine rührselige Weihnacht unter Junggesellen und abseitigen alten Herren, die zu vorgerüdter Stunde in allgemeine Trunkenheit ausartet, welche Marie zu der Bekanntschaft eines verlüderten Bildhauers verhilft, der sie von einem zudringlichen Gast befreit. Und Marie sucht wieder einen Weg aus ihrer Isoliertheit und Einsamkeit, sie liebt den Bildhauer Alfred nicht mehr so wie den ersten ungen Mann, aber trotzdem flieht sie mit ihm nach Hamburg . Das Verhältnis geht entzmei, und Marie ist wieder allein, und sie ist noch immer das Dienstmädchen Marie, an der sich schon einige altjungferliche Züge zeigen.
aber will Gleichberechtigung. samen Werk geschaffen werden. In Freiheit soll am gemein
Gibt es eine Erziehung zum Mitmenschen? Dr. Hanna Meuter beantwortet diese Frage in einer interessanten Abhandlung:„ Erziehung zum Mitmenschen".( Dr. M. Pfeifer- Verlag, Berlin- Friedenau , 1932.) Die Verfasserin hat sich die Aufgabe ge= stellt, auf die wissenschaftliche Arbeit einer über die Fachkreise hinaus verhältnismäßig wenig bekannten Frau aufmerksam zu machen: Es ist Mathilde Vaerting , Professor in Jena . Hanna Meuter hat in ihrer Abhandlung die Grundgedanken der Vaertingschen Arbeiten herausgehoben und ihnen eine auch dem Laien verständliche Deutung gegeben. Mathilde Vaerting beweist die Abhängigkeit der Erziehung vom sozialen Wandel und zeigt die Erziehung der Vorkriegszeit als Erziehung der Vorherrschaft, die neue sozialistische Erziehung als Erziehung der Gleich= berechtigung. Die Gleichberechtigungserziehung lehrt die Kunst, sich selbst im Baum zu halten, die Herrschaft des freien Menschen. Das Ziel dieser Erziehung ist es, den eigenen Willen im Dienst der eigenen Einsicht und zum Wohle der Allgemeinheit zu gebrauchen. In dieser neuen Erziehung gibt es keine Macht fämpfe zwischen Erziehern und Zöglingen. Nur die Gleichberech tigung", sagt Mathilde Vaerting ,,, befreit den Willen aus dem Miß brauch, aus den äußeren Bindungen des Herrschens und Beherrschtmerdens und macht seine Entwicklung zur Autonomie möglich. Eine innere Bindung, welche allein den guten Charakter und die echte Persönlichkeit begründen fann."
Für die sozialistische Frau äußert sich diese Stellung zum Mitmenschen, die auf dem Gefühl der inneren Freiheit beruht, Und dann gelingt es ihr endlich, aus ihrer Isoliertheit in die nicht nur im Pädagogischen, sondern auf allen Gebieten des
auf dieses Ziel hin. Wenn Karl Marx im ,, Kapital" die furchtbaren Zustände des Frühkapitalismus schildert, als Frauen und Kinder 16, 18 und mehr Stunden in Fabriken, in Webereien und Spinnereien arbeiten mußten, als Kinder in den Betrieben übernachteten oder Nachtarbeit verrichteten was waren diese Zuſtände anderes, als die Auswirkungen einer Gesellschaftsordnung, die den Machtmenschen unumschränkt herrschen ließ? Und was sind die jahrzehntelangen Kämpfe um eine menschenwürdige Entlohnung, um Frauen- und Kinderschutz, um Freizeit und Beseitigung des Wohnungselends, um Teilnahme an den Kulturgütern des eigenen Volkes anderes als das Streben, auch im sozial niedrig Gestellten den Menschen, den Mitmenschen nicht zu vergessen? Wo lebendige Quellen strömten, da sah der Machtmensch Zahlen und Profite, wo Menschenwert nach Geltung rang, kannte er nur die Arbeitskraft und ihren Nutzen.
nur
noch er=
Und wie wäre es in unserer Zeit möglich gewesen, daß eine hochentwickelte Technik, die nach dem Wunsch ihrer Erfinder die Freude in der Menschheit vertiefen und der Freiheit dienen sollte, mit dazu beitragen fonnte, Millionen aus den Fa= briken ins Elend der Arbeitslosigkeit zu stoßen, wenn nicht der Machtmensch, sondern der Mitmensch den Ausschlag gegeben hätte? Wie wäre die Vernichtung von Nahrungsmitteln in einer Zeit tiefster Armut und bitterster Not möglich, wenn der Gedanke an den Mitmenschen endlich die Kraft hätte, den Hunger nach Macht und Profit zu töten?
Im Bereich des Machtmenschen hat die Frau, die dazu berufen ist, Leben zu hüten und zu bewahren, kein Wirkungsfeld. Wo Werte vernichtet und lebendige Quellen verschüttet werden, da wird auch die Frau der Vernichtung preisgegeben. Im Bereich des Machtmenschen hat die Mutterschaft ihren Sinn verloren, denn es ist sinnlos, Leben zu gebären, das der Vernichtung anheimfallen soll. Die große Freiheitsbewegung des Sozialismus aber, die so alt ist wie die Menschheitsgeschichte, hat die schöpferischen Kräfte des Lebens selbst zu ihren stärksten Bundesgenossen. Sie kann durch äußere Hindernisse gehemmt, aber nicht ausgetilgt werden, denn sie ist ihrem Wesen nach unzerstörbar, solange es Leben gibt. Auch für uns und die Gegenwart gilt August Bebels Wort, das er den Frauen zuruft, daß immer wieder neue Generationen vordringen, bis endlich die Grenzpfähle einer Menschheit eingeschlagen werden können, in der nicht der Machtmensch, sondern der Mitmensch als wertvollstes Glied der Gesellschaft gilt.
Man schreibt uns:
Die erste Verkäuferin in dem Lebensmittelgeschäft, in dem ich kaufe, verdient heute monatlich nur noch 90 m. Sie ist die einzige in ihrer vierköpfigen Familie, die noch Arbeit hat. Der Vater kommt gerade dieser Tage in die Wohlfahrt" und die Bedürftigfeits"-Prüfung wird wohl negativ ausfallen. Die Verpflegung dieser arbeitenden Frau kann bei diesem Gehalt nur minderwertig sein: die meisten der heute so sehr beneideten Arbeiter und Angestellten, die noch in Lohn und Arbeit stehen, können sich nicht mehr jatt essen! Dies beweist z. B. der katastrophale Rückgang des Butterkonsums in dem erwähnten Lebensmittelgeschäft, das in einem Arbeiterviertel Berlins liegt. Wenn in normalen Zeiten 3½ Zentner Butter pro Woche verkauft wurden, so wird heute nur noch ein knapper Zentner umgesetzt! Das bedeutet, daß im Arbeiterhaushalt keine Butter mehr gegessen wird.
Bei dem heute so geringen Einkommen der arbeitenden Bevölke rung ist es außerordentlich schwer, den Haushalt zu führen: Der Mann soll ein paar gut belegte Stullen zur Arbeit mitnehmen, die Kinder müssen viel Obst und Gemüse essen, Schuhfohlen müssen repariert werden, die Kleider reißen ab, Miet-, Gasund Lichtrechnungen sind am Ersten fällig. Für all das soll das geringe Einkommen reicher und noch genügend für Tabak oder mal einen Ausflug übrigbleiben. Allen Anforderungen muß die Hausfrau gerecht werden, und diese Aufgabe, die schon in wirtschaftlich normalen Zeiten schwer war, ist heute unlösbar und dennoch muß die Arbeiterfrau, die Angestelltenfrau täglich einen Ausweg finden. Oftmals sind der Mann und die Kinder sich gar nicht klar darüber, daß die Anforderungen, die sie an Frau und Mutter stellen, unerfüllbar sind!
Die Frauen der erwerbslosen Bevölkerung, die Frauen der noch arbeitenden Bevölkerung werden von Arbeitslosigkeit und gesenktem Lohn gezwungen, das Leben der Familie mit Geldmitteln zu erhalten, die nie ausreichen können. Der ständige Kampf zermürbt sie, nimmt ihnen oft die Kraft, sich um Dinge außerhalb der Familie zu bekümmern, und läßt sie allzufrüh altern, missen sie überhaupt noch, daß das Leben schön sein kann? Wenn wir dann die samtweichen Gesichter, die glatten Hände und die eleganten Kleider der mondänen Frauen im Westen Berlins sehen, steigt uns der Zorn heiß ins Gesicht und wir wissen, daß wir weiterfämpfen müssen für unser Ziel, das Leben lebenswert zu gestalten. Der Kampf für den Sozialismus ist die Summe un| endlicher Kleinarbeit, die wir alle ständig und zäh leisten, weil mir wollen, daß es anders wird, weil es anders merden muß!