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(Beilage Mittwoch, 17. August 1932

SrrAM) Sjtnlaakfoßa Ja Vrtoäfk

Ein Piaidoyer im Prozeß Danton Der Justizminister von 1922 über den Justizminister von 1792

Der Prozeß, den die Regierungskomitees des Nationalkonvents, Wohlfahrts- und Sicherheitsausschuß, gegen Danton anstrengten, endete mit nichten, als am 5. April 1794 der Kopf des Angesciiul- digten unter dem Messer der Guillotine fiel; die Geschichte nahm das Verfahren immer wieder auf und trieb es bis auf diesen Tag durch mehr als eine Instanz. Für viele zwar blieb der Mann, der im September 1792 mit der berühmten Losung:Kühnheit, ober- mals Kühnheit und zum dritten Kühnheit!" die gesamte Kraft der Revolution gegen die preußisch-österreichische Invasion zusammen- geballt hatte, was er für Heinrich Heine war, der sinnliche, geldbefleckte Danton". aber es fehlte auch nicht an Historikern, die die gegen ihn geschleu- derten Vorwürfe unter die Lupe nahmen und zerzupften. Wenn sich der Dr. R o b i n e t dabei durch allzu naive Kritiklosigkeit auszeich- nete, so mühte sich Alphonse A u l a r d, der durch Jahrzehnte an der Pariser Sorbonne den Lehrstuhl für Geschichte der französischen Revolution inne hatte, mit mehr Sinn für das Maß und deshalb mit mehr Erfolg um eine Rehabilition D a n t o n s, dem die Stadt Paris auch ein Denkmal auf dem Boulevard Saint-Germain setzte. Aber ein abtrünniger Schüler A u l a r d s, Albert M a t h i e z, führte die wuchtigsten Stöße gegen das Andenken des Umstrittenen. Schon als unbedingter, leidenschaftlicher Robespierrist mußte er sich gegen Danton kehren.Wenn," tat er einmal dar,Danton unschuldig ist, dann sind Wohlfahrts- und Sicherheitsausschuß und der gesamte Rationalkonvent, die ihn verurteilt haben, des Mordes schuldig": er hätte hinzufügen können: dann ist vor allem Robespierre ein Mörder. Da dos aber um keinen Preis sein durfte, mußte der Spruch vom 5. April 1794 dem Recht und der Gerechtigkeit entsprechen. Also ging M a t h i e z, sonst ein Ge- schichtsschreiber von vielen Verdiensten um die Erforschung der Revo- lution, daran, aus alten und neuen Büchern und Handschriften mit der Findigkeit eines Detektivs und dem Eifer eines Staatsanwalts das Belastungsmaterial zusammenzutragen, das anno 1794 dem Ankläger vor dem Reoolutionstribunal noch gemangelt hatte. In dieser unbarmherzigen Beleuchtung steht der von Robespierre Gefällte als ein Glücksritter der Revolution da, gewissenlos, bedenkenlos, überzeugungslos, nur von Geld- und Genußgier getrieben, bereit, sich jedem für Bargeld zu verkaufen, der Bargeld dafür auswerfen wollte, ein Unterminierer der Bewc- gung, der er zu dienen vorgab, und deshalb die geheime Hoffnung der Royalisten. endlichein schlechter Franzose, der am Siege zweifelte und heimlich einen Schmachfricden mit dem Feinde vor- bereitete". Da M a t h i e z im Februar dieses Jahres, allzufrüh für sein Werk, gestorben ist. hat er nicht mehr erlebt, daß seine in jedem Fall überhitzten, verkrampften Behauptungen mit den oft an den Haaren. herbeigeschlepptenBeweisen" methodisch widerlegt wurden; Au- l a r d und seine Schüler wahrten ein etwas verächtliches Schweigen, wahrscheinlich in dem Bewußtsem, daß jede groteske. Uebertreibung sich von selbst totlaufe. Ob sie damit klug handelten, steht dahin, denn obwohl van M a t h i e z' Schaffen kaum etwas in unsere Sprache übertragen wurde, fand seine Auffassung Dantons in letzter Zeit auch in Deutschlavd Eingang. Eben aber erscheint lim Verlag von Albin Michel , Paris ) einDanton ", der die Anti- these jener These bringt, l�in unmittelbarer Nachfolger D a n t o n s hat das Buch geschrieben, denn wenn Louis Bar- t h o u, der bekannte Staatsmann der dritten Republik und zu oer- schiedenen Malen ihr Iustizminister, auch kein Revolutionär war und ist, so bekleidete doch der Revolutionär Danton nach dem 19. August 1792 das Amt des Iustizministers. Ein Kollege spricht also über den Kollegen. Daß der Verfasser ein Jurist von Rang ist, kommt dem Buch mannigfach zugute Sicher ist es keine Biographie, die die Em- Wicklung ihres Helden aus den politischen und sozialen Bedingungen der Zeit ableitet; e? beschränkt sich auf das rein Persönliche und zieht die großen Ereignisse der Revolution nur insoweit heran, als sie zum Verständnis des Ganze» unerläßlich sind. Genaue Kenntnis der Tatsachen und der Personen wird bei dem Leser vorausgesetzt. so daß derDämon" mehr einem Plaidoyer als einer Monographie gleicht. Dies die Situation: die Verhandlung ist in ihrem vorletzten Abschnitt angelangt, die Zeugen habem einer nach dem andern, an der Barre ihre Aussage gemacht, der Staats- anmalt, Albert M o t h i e z, sinkt nach unerbittlich schneidender Anklagerede befriedigt in seinen Sessel, und nun erhebt sich in der Robe des Verteidigers Louis B a r t h o u und wendet sich an die Geschworenen:Meine Herren!"... Was dieser Advokat zu sagen weiß, ist nie deklamatorisch, hat Hand und Fuß und wirkt nicht durch Mätzchen, sondern durch nüch- terne Sachlichkeit; sein Appell ergeht nicht ans Gemüt,-sondern an den gesunden Menschenverstand. Er sichtet die Aussagen, bewertet sie und fügt sie entweder als beweiskrästig seinen Darlegungen ein oder läßt sie als unerheblich falle». Neben M i r a b s a u erscheint ihm Danton als der größte Mann der Revolution. aber daß zwei Seelen in seiner Brust wohnen, räumt auch er ein. Er gibt zu. daß sein Klient in der Wahl seines Verkehrs strafbar unvorsichtig gewesen sei, und bestreitet die Möglichkeit nicht, daß er als Konventskommistär in Belgien es mit Wein und Weibern ein wenig toll getrieben habe:Will man ihn als Unschuldsengel hin- stellen, läuft man Gefahr, ihn zu verkennen" Dafür rühmt er nicht nur D a n t o n s wahrhaft revolutionäre Redegabs und die Stetig- keit seiner Politik, sondern auch sein besonnenes Maßhalten bei ollem ungeberdigen Impuls, seinen politischen Instinkt und Scharf- blick und seinen sehr entwickelten staatsmännischen Sinn für die Not- wendigkeiten einer Regierung, obwohl k->ine Theorie seiner Taktik zu- gründe lag; er darf sich zu wiederholten Molen auf Iaur-s be- rufen, der von Donton saate, daß er d> e Revolution im Zentrum seines Wesens trua. und ganz ossensichilich hat Barth ou seine Freude an dieser farbigen, urwüchsigen, unge- stümen. überquellend reichen, rabeloishaften Natur, die mit ihren Widersprüchen anziehender wirkt als eine blasse, blutleere, recht- winklige Abstraktion. Um die wesentlichen Anklagepunkte gegen Danton zu wider- legen, kann B o r t h o u nicht anders, als sehr ins einzelne gehen. Ei»? schon früh erhobene Beschuldigung, die auch M a t h i e z zum Besten dienen mutz, macht Danton zu einem A n s« i i t e r und Förderer der grauenhasten Metzeleien, durch die Ansang September 1792 in den Pariser Gesängnissen an

die anderthalbtausend politische Häftlinge abgeschlachtet wurden. Die Beweise? Lafayette behauptet in seinenMemoiren", daß Danton die Septembermetzeleien befehligt und die Mörder ent- lohnt" habe, aber Lafayette, zur Zell der Massakers fern von Paris in Gesangenschoft, berichtet nur vom nachträglichen Hören- sagen. Aehnlich wie Lafayette äußert sich in ihren Erinnerungen Madame Roland , aber auch sie weiß aus eigenem� nichts an- zugeben und ist überdies durch Haß gegen Danton 'verblendet. Ein nur im Auszug oerösfentlichter Bericht Ludwig Philipps, desBürgerkönigs", bekundet, daß Danton sich ihm, dem da­maligen Herzog von Chartres , gegenüber noch im September 1792 zur Urheberschaft der Gefängnisschlächtereien bekannt habe. Aber warum wurde dieser Text nie ganz mitgeteilt? Und spricht auch nur eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich der Revolutions- minister vor einem neunzehnjährigen Prinzen so enthüllt hat? Die Denkwürdigkeiten Theodore de Lomeths sind dreiundzwanzig Jahre nach den Ereignissen zu Papier gebracht und strotzen von sachlichen Unrichtigkeiten, und für die von C a b a n e s erwähnte Aussage des deutschen Arztes S a i f f e r t fehlt die Quelle. Wenn weiter B r i s s o t in seinen Memoiren erzählt, daß Danton , von ihm' bestürmt, dem entsetzlichen Morden Einholt zu tun, sich taub gestellt und von einemunumgänglichen Opfer" gesprochen habe, um das Pariser Volk zu befriedigen, so hatte in Wahrheit der Justizminister so wenig wie ein anderer Gewalthaber die Macht, der tollwütigen Masse in den Arm zu fallen; zudem ist der Führey der Gironde mit seiner grimmen Abneigung gegen Danton gerade kein klassischer Zeuge. Gegen die Anschuldigung aber spricht d i e Gradlinigkeit von Dantons Politik, der vor wie nach dem September für eine entschlossen zupackende Justiz eintrat, um dem Volk zu eigenmächtiger Abrechnung mit den Gegenrevolu- tionärcn den Anlaß zu nehmen; auch rechtfertigte und entschuldigte er die Greuel nie, sondern verurteilte und beklagte sie stets. Mit Fug greift B a r t h o u auch auf zwei Konventssitzungen zurück, die von der Erörterung der Septemberereignisse bewegt waren. In der ersten, vom 29. Oktober 1792, warf L o u v e t als Redner der Gironde Danton , dem er ausdrücklich sagte, daß niemand ihn anklage, lediglich Passivität vor: der Innenminister habe feine Stimme vergebens gegen die Morde erhaben, der Iustizminister gar nicht; in der zweiten, vom 8. Februar 1793, wurde der Name Danton überhaupt nicht genannt: nur Grangeneuve berief sich auf ein Gerücht, dem er nicht viel Wert beizumessen schien, wonach jene Scheußlichkeiten im Justizministerium nicht etwa vom Justizminister! ausgedacht worden seien. Barth ou Hot durchaus die Logik auf seiner Seite, wenn er fragt:Wäre Danton der Mann des September gewesen, hätte er dann nicht zum größten Teil dieKosten dieser leiden- schaftlichen Debatte be st ritten?" Wirklich hat schon 1912 ein Deutscher, Scheiber, In einer eindringlichen Unter- suchung nachgewiesen, daß Danton nicht für die September- morde haftbar gemocht werden kann. Minder in der Luft zu hängen scheint die Anklage der Bestechlichkeit gegen Danton . Daß allerdings in Epochen hemmungslos sich austobender politischer Leidenschaften der Vorwurf der Korruption gegen den Andersdenkenden federleicht wiegt, erfährt unsere Zeit Tag für Tag; sogar Stresemann blieb die Infamie nicht erspart, daß er sich für seinelandesverräterische" Außenpolitik mit Geldern desFeindbundes" habe schmieren lassen. Aehnlich bezich- tigte während der französischen Revolution so ziemlich jeder jeden, ein gekaufter Lump zu sein, und Danton , der über Verleum- düngen die Achseln zuckte, statt sie zurückzuweisen, stand vornean in der Drecklinie. In diesem Punkt: Bestechlichkeit ist ein wichtiger Kronzeuge für M a t h i e z jener Bertrand deMole- v i l l e, der in seinenErinnerungen" aussagt, Danton habe unter dem Ministerium Montmorinmehr als 199 999 Taler erhalten, um verschiedene Antröge im Iakobinerklub einzubringen oder zu unterstützen". Eine runde Summe und eine runde Er- klörung, aber daß dieser Zeuge auch Männer, die über jeden Verdacht erhoben sind, mit ihren Bestechungssummen aufführt: Condorcet mit 159 999, Abbe G r e g o i r e mit 89 999, P e t i o n mit 69 999 Livres, entwertet seine Aussage zu barem Hintertreppen- klatsch. Zwar scheint B r i s s o t die Behauptung M o l e v i l l e s zu bekräftigen: er will die Empfangsbescheinigung über die 199 999 Tale? gesehen hoben, die D a n t o n von M o n t m o r i n im Namen des Hofes empfing. Nur erschüttert auch B r i s s o t den Glauben an seine Glaubhaftigkeit schwer, indem er, neben Danton . Robespierre und M a r a t als Söldlinge des Herzogs von Orleans aufführt, reicht er Verleumdungen dieser beiden so skrupellos weiter, warum sollte da seine Anschuldigung D o n t o n s begrün- deter sein? Außerdem fordert er den gleichen Einwand heraus wie Lafayette, der ebenfalls Danton einen vom Hof Gekauften nennt und die Bestcchungssumme auf 199 999 Livres statt Taler beziffert- warum, wenn Brifsot und Lafayette derart um die Bestechlichkeit Dantons Bescheid wußten, hielten sie mit ihrer Kenntnis hinter dem Berge, als sie von ihm in der Oessentlichkeit heftig, schonungslos, auf Tod und Leben angegriffen wurden? warum schwiegen sie. wenn sie ihn mit ihrer Enthüllung ein für allemal erledigen konnten? Ein Zeugnis aber gibt es. das schwerer als die anderen in die Waagschale fällt. In einem Brief Mirabeaus an den Grafen de la Morck vom 19. März 1731 heißt es:Danton hat gestern 39 999 Livres erhalten, und ich habe den Beweis, daß er die letzte Nummer von Comille Desmoulins hat machen lassen," eine Nummer, in der M i r a b e a u übel mitgenommen wurde: der Marquis beklagt sich also, daß Danton für sein Sündengeld die Gegenleistung schuldig geblieben sei. Dieser Satz scheint von einer furchtbaren Eindeutigkeit für Danton , ober B a r t h o u gelingt es, zu zeigen, daß er eher ein Rätsel aufgibt als löst, denn aus der Antwort de la Marcks ergibt sich, daß er, durchaus auf dem Laufenden über die Stipendiatenliste des Hofs, von dieser Angelegenheit nichts weiß; sechs Monate später leiht er sogar seiner Befürchtung Worte, daßrepublikanische Elemente" wie Danton in die Legislative gewählt werden könnten. Brauchte er die Wahl eines Mannes zu fürchten, der sich mit Haut und Haar dem Hof ver- kauft hatte? Ist es selbst dem scharfen Auge nicht möglich, hier überall das Dunkel und Zwielicht zu durchdringen, so ist doch eines vor aller

Blicken ausgebreitet: die politische Wirksamkeit D a n t o n s. Und sie liefert, will man nicht böswillig ver- zerren, an keiner Stelle den Beweis für oder auch nur den Hinweis auf Bestechlichkeit, jede seiner Handlungen läßt sich ebenso überzeugend, nein, läßt sich weit zwang- loser aus großen politischen als aus kleinen persönlichen Gründen erklären. Darum kommt auch B a r t h o u, der die Hinrichtung D a n t o n s einen vorbedachten Mord heißt, aber bei B i l l a u d- V a r e n n e mehr Schuld findet als bei R o b e s p i e r r e, zu dem Ergebnis: Verdacht? Ja! Beweise? Nein! dlon liquet, sqgt in solchen Fällen der Jurist, es liegt nicht klar zutage. Jedes Amts- gericht spricht bei einem dlon liquet glatt frei, und nach anderen Grundsätzen darf auch die Weltgeschichte nicht urteilen. Hermann Wendel . Qerhard direhs: IHlHßl gegen ArbeitslosigkeH, aber... Die Zahl der Erwerbslosen in den Vereinigten Staaten wird auigenblicklich auf 19 bis 11 Millionen geschätzt, die Aussichten auf eine organisierte staatliche Unterstützung dagegen wachsen nicht in einem entsprechenden Verhältnis. Es gibt eine Reihe von Unter- nehmen, die durch Zlrbeitsstreckungspläne die Zahl der Entlassungen niedrig zu halten suchen oder den Entlassenen eine geringe, bisweilen durch Lohnadzüge aufgebrachte Unterstützung zahlen; daneben lausen die mehr oder weniger zufälligen Hilfeleistungen, die aus kommunalen und privaten Wohltäftgkeitsfonds gewährt werden können, aber beides ist ungenügend,»nd auch die Gewerkschaften sehen sich in immer abnehmendem Maße in der Lag«, ihren arbeitslosen Mit- gliedern beizuspringen, ivenn auch in einzelnen Verbänden die Opferbereitschaft der noch in Arbeit Stehenden beträchtlich ist; so etwa in der Ortsgruppe Philadelphia der Elektriker, wo vom Lohn der ersten vier Wochenarbeitstage 19 Proz., von dem des fünften und sechsten Tages 59 Proz. zugunsten der Arbeitslosen in die Verbandskasse fließen, oder bei den Z e i t u n g sdr u ck e r n, deren jeder für einen Tag pro Woche einem erwerbslosen Kollegen seinen Platz an der Rotationspresse abtritt. Unter solchen Umständen ist es nicht verwunderlich, daß die Er- wsrbslofen, besonders in den großen Städten, zur S e l b st h i l f e greisen. Ohne vorher in langen Zeitungsartikeln darüber zu dis- kutieren, ob ihr Plan theoretisch schlüssig und durchführbar sei, son- der» einfach, indem sie ihn anpacken, aus der sprichwörtlichen prakli- schen Einstellung der Amerikaner heraus. Aus Seattle im Staate Washington , einer Halbmillionen- stadt an der Pazifischen Küste der Vereinigten Staaten, wind ein erster Versuch. gemeldet, gegen die Erwerbslosigkeit anders als mit Wohlfahrtssuppen anzugehen. Etwa 13 999 der Unbeschäftigten, die zusammen mit ihren Familien ungefähr ein Zehntel der Veoölke- rung ausmachen, haben sich zusammengeschlossen zur Dnemploved Citizens' League, einer Art Bersorgungsgemeinschast, die sich zur Aufgabe gesetzt hat, ihre Mitglieder mit ausreichenden Nahrungs- Mitteln und sonstigen Lebensnotweirdigkeiten zu versehen. Und zwar alles ohne Verwendung von Geld, lediglich durch direkten Tausch von Arbeitskrast gegen Verbrauchsgüter. Es begann im Herbst des vergangenen Jahres, als einige Schüler und Lehrer einer Arbeiterschule in Seattle mit Erwerbs- losen Holz fällen gingen in Forsten, die ihnen nebst dem not- wendigen Handwerkszeug von privaten Eigentümern und vom Staate geschenkt worden waren. Da? geschlagene Holz wanderte in die Oefen der Arbeitslosen. Danach ging man zu den Farmern der Umgebung, um Kartoffeln, Obst und Gemüse zu schnorren. Und heute ist die lleague auf Grund des raschen Zustroms der zur Selbst- Hilfe bereiten Arbeiter in der Lage, wöchentlich an 1299 Tonnen Holz, 199 Tonnen Kohle, 499 Tonnen Nahrungsmittel und 399 Tonnen Obst zu verteilen, darunter ftir 139 999 Dollar Waren, die aus dem monatlichen Zuschuß der Stadt angeschafft werden. Die Verteilung wird auf der Basis der' Familien st ärke vorgenommen, wofür als Gegenleistung von jedem Arbeitsfähigen der Einschuß von zwei- mal sechs Arbeitsstunden pro Woche gefordert wird entweder im Verwaltungsapparat der Dengue oder in ihren produktiven Unter- nehmungen. Nicht mehr rentable Fabriken sind im Laufe der Monate der Dengue zur Verfügung gestellt worden, und ebenso haben einzelne Farmer, die ihre Steuern nicht mehr aufbringen konnten, ihr Land übereignet oder dargeliehen. Dadurch kann ein Teil der Lebensmittel in eigener Regie erbaut werden, während ein eigenes Bergwerk sowie eigene Kleider- und Schuh- f a b r i k e n Kohle und Beklcidungsgegenstände liefern. Daneben bestehen eigene Garagen und Barbiergeschäfte, und eine Anzahl der Mitglieder wohnen mietfrei in Wohnungen, die durch Gemeinschafts- arbeit repariert und nun von den Hausbesitzern für eine gewisse Zeit umsonst abgegeben werden. Durch Geldsammlungen hofft man die Mittel in die Hand zu bekommen zum Anktkuf weiterer Produktions- Werkstätten, um schließlich völligautark" zu sein. Grundsatz ist jedoch, im übrigen vollkommen ohne Geld zu operieren. Die gesamte Erzeugung ist lediglich für den Eigenverbrauch der Mit- glieder bestimmt und nichts für den ohnehin schon übersättigten Markt; den noch in Arbeft Stehenden soll in keiner Weise Konkurrenz gemacht werden. Die Führer der Dengue, die ihre Idee hier und dort nachgeahmt und sich selbst zu einem an Einfluß zunehmenden politischen Faktor innerhalb Seattles werden sehen, hoffen mit ihrem Plan einen gong- baren Weg aus der Erwerbslosigkeit und schließlich auch aus der Wirtschaftskrise zu weisen. Und hier macht sich die Unbeschwertheit durch Theorien, so sympathisch sie bisweilen wirken kann, als Nach- teil bemerkbar. Es soll gar nicht untersucht werden, ob zwölf Stunden Arbeit pro Woche ausreichend sein können zur Befriedigung der Bedürfnisse von durchschnittlich vier Personen, dagegen ist es ganz offenbar, daß die Versorgung nur bei gan.; beträchtlichen dauernden Zuschüssen von außen her gelingen kann. Wenn diese Zuschüsse, statt zu steigen was sie zur Erneuerung der sich ab- nutzenden Maschinen oder zur Anschaffung von Düngemitteln müßten eines Tages aufhören zu fließen, würden sich die Mit- glieder der Unemploved Citizens' Dengue wohl vor blanken Maschinen, aber ohne ein Elle Stoff oder ein Stück Leder finden, um sich und ihren Angehörigen einen Anzug oder ein Paar Schuhe daraus zu verfertigen.