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Morgenausgabe

Nr. 387 A 191

49.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag 18. Auguft 1932 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlan

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Papen will bleiben!

Er hat feinen Anlaß, Hitler nicht zu glauben...

London , 17. August.

Der Berliner Reutervertreter berichtet über ein Interview, das ihm Reichskanzler von Papen gewährt hat. Auf die Frage des Reutervertreters, ob der Kanzler glaube, daß seine Regierung kom­mende Weihnachten noch im Amte sei, antwortete der Kanzler:

Wir werden für lange Zeit im Amte sein." Weiter erklärte Reichskanzler von Papen, es sei nicht die Rede davon, daß seine Regierung dem Reichstag aus dem Wege gehen wolle. Wie der Reutervertreter erklärt, schien der Kanzler von der Zu­versicht erfüllt, daß ein Appell an den gesunden Menschenverstand der Parteien nicht ohne Erfolg bleiben könne, da auch die Parteien sich klar darüber sein müßten, daß es feine Regierung gebe, die an die Stelle der gegenwärtigen treten könne. Sollte jedoch ein Mißtrauensvotum zur Annahme gelangen, so würde die Regierung nach Maßgabe der dann geschaffenen Situation handeln, wobei sie in jeder Beziehung die Absicht habe, die Berfassung zu achten.

Der Reutervertreter wies darauf hin, daß Hitler entschieden be= ſtreite, in seiner Unterredung mit dem Reichskanzler die volle Staats­gemalt verlangt zu haben, und bat Herrn von Papen um eine Aeußerung zu diesem Dementi. Der Kanzler erklärte, daß es in dieser Hinsicht gar keinen Zweifel geben könne.

Der Führer der NSDAP . habe zugegeben, daß er während der vergangenen zwei Monate mit seinen ungeduldigen Anhängern einen schweren Stand gehabt habe;

und er habe erklärt, er fönne feinen Anteil an der Regierungsgewalt annehmen, sondern müsse sie in ihrer Gesamtheit verlangen. Er könne nur für eine Regierung kämpfen, die sich ganz und gar mit seiner Bewegung identifiziere.

Der Reichskanzler sagte dann über Abrüstung und Kolonial­fragen einiges, was nicht neu ist. Dann gab er der Hoffnung Aus­druck, es sei wohl nicht zu befürchten, daß die NSDAP., um ihre Ziele zu erreichen, sich zu illegalen Schritten hinreißen lassen

werde.

Er habe von Adolf Hitler eine Zusicherung in diesem Sinne erhalten

werde die Regierung nicht zaudern, jede Revolte gegen ihre Autorität auf der Stelle mit Waffengewalt zu unterdrücken.

"

Wie die Dinge liegen", erklärte der Kanzler weiter, steht das deutsche Volk jetzt wieder geschlossener denn je hinter seinem ober­sten Führer, dem Generalfeldmarschall von Hinden burg, und ist voll Vertrauen in seine weise Führung."

Auf die Frage, ob demnächst ein Nachfolger für Freiherrn von Neurath auf dem Londoner Botschafterposten ernannt werden würde, antwortete der Kanzler zum Schluß, daß in dieser Angelegenheit noch keine Entscheidung gefallen sei.

*

Es gehört zum unabänderlichen Stil der grundsätzlich neuen Art der Staatsführung", daß der deutsche Untertan zumeist nur über Paris oder London etwas von den Absichten der deutschen Regierung erfährt. Was er dann erfährt, ist zumeist nichts Gutes. Neun Zehntel des deutschen Volkes werden mit Bestürzung vernehmen, daß dieser Regie­rung jedes Gefühl für ihre wirkliche Lage fehlt. Denn wenn es auch wahr ist, daß irgendwie regiert werden muß, so ist es doch für neun Zehntel des deutschen Volkes eine Gewißheit, daß à la Papen nicht weiter regiert werden kann. Höchst peinlich mutet der Versuch des Kanzlers an, sich hinter den Reichspräsidenten zu verschanzen, den er bezeichnenderweise den ,, Generalfeldmarschall" nennt. Reichs präsident" gehört für die regierenden Barone ebenso wie Republik " zu den unaussprechlichen Wörtern. Sachlich stehen die Behauptungen des Herrn von Papen in frassem Gegensatz zur Wirklichkeit. Herr von Papen mag die Weis­heit eines Staatsoberhauptes bewundern, das ihn in seinem Amte beläßt. Das Volk aber denkt und fühlt anders als die Regierung.

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Herr von Papen Humor wirkt versöhnend hat feinen Anlaß, hitler nicht zu glauben. Hitler hat versprochen, ihn zu tolerieren und bestreitet jetzt, ihm das ver­sprochen zu haben. Hitler hat erklärt, er verlange die ganze Macht und bestreitet jeßt, die ganze Macht verlangt zu haben. Aber Herr von Papen hat keinen Anlaß, Hitler nicht zu glauben! Wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit

und habe keinen Anlaß, Hitler nicht zu glauben. Auf alle Fälle Blindheit!

Skandalöse Haftentlassung.

,, Keine Berdunklungsgefahr" bei Naziarzt Dr. Först. Ein skandalöser Vorfall hat sich jetzt im Zusammenhang mit der Aufklärung der Bomben- und Handgranatenanschläge in Schleswig­Holstein abgespielt.

im Volke jeden Glauben an Gerechtigkeit zerstören muß. Die Justiz aber wird bei Beibehaltung derartiger Methoden den letzten fargen Rest von Ansehen, den sie in der republikanischen Bevölkerung noch befißt, ein büßen.

Terrorakte häufen sich wieder.

Handgranate gegen Häusleranwesen.

Den energischen Nachforschungen des aus Berlin entsandten Sonderkommiffars war es gelungen, fünf Nationalsozialisten festzu­nehmen, bei denen der begründete Verdacht vorliegt, an der letzten Rosenberg( O.- Schl.), 17. August.( Eigenbericht.) Attentatsserie in Schleswig- Holstein beteiligt gewesen zu sein. Be­Durch eine Handgranate wurde in dem Dorfe Jamm sonders belastendes Material lag gegen den Chirurgen im Kreis. das Anwesen des Häuslers Barowski zerstört. Der frankenhaus zu Wesselburen Dr. Först vor, der am Montag ver- Sprengkörper wurde mitten in der Nacht gegen das Haus haftet wurde. Dieser Wohltäter der Menschheit", dessen Spezialgeschleudert, die Fensterscheiben zersprangen, und ein gebiet die Technik der Handgranatenattentate zu sein scheint, ist trok Teil der Möbel wurde zertrümmert. Außerdem geriet dringenden Tatverdachts wieder entlassen worden, da angeblich das Strohdach in Brand, so daß das ganze Gebäude keine Verdunkelungsgefahr und kein Fluchtver- niederbrannte. Da die beiden Söhne des Besitzers der Da die beiden Söhne des Besizers der dacht bestehen. KPD. angehören, so nimmt man einen neuen Naziterror­aft an.

Diese Entscheidung des Altonaer Sondergerichtes muß in repu­blikanischen Kreisen einen Sturm der Entrüstung hervor rufen. Nicht genug damit, daß die Sondergerichte in ihrer bisherigen Tätigkeit fast ausschließlich drakonische Strafen gegen die terrorisierte Linke verhängt haben, wird einer von den menigen festgenommenen Naziattentätern wieder auf freien Fuß ge­setzt, weil angeblich keine Verdunkelungsgefahr besteht.

Aber wunderbar wie Gottes Wege sind auch die Wege der deut­schen Justiz. Wenn jemals die Gefahr einer Verdunke lung gegeben war, so in dem Fall des Dr. Först. Von den nationalsozialistischen Sprengstoffattentätern in Holstein sind erst einige Berdächtige dingfest gemacht worden. Die Mehrzahl der Täter befindet sich nach wie vor in Freiheit. Was liegt näher, als daß der als Handgranatenattentäter dringend verdächtige Dr. Först die so unverhofft wiedererlangte Freiheit schleunigst dazu be­nugt, um seine Kumpane zu warnen, sie über sein Verhör zu instruieren, Aussagen festzulegen, furzum in größtem Umfange den Tatbestand verdunkeln zu helfen? In dem Fall Ohlau hat das Gericht wie sich jetzt herausstellt, ziemlich wahllos 45 Reichs­bannerleute und Sozialdemokraten verhaftet und trotz der Frag mürdigkeit jeglichen Tatverdachtes die Verhafteten nahezu vier Wochen hinter Schloß und Riegel gehalten.

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Bombe gegen Neubau.

Rottbus, 17. August.( Eigenbericht.)

In dem benachbarten Dorf Groß- Gaglow befindet sich eine Siedlung, die von der Jüdischen Landarbeiter- Siedlung G. m. b. H. errichtet wird. Dort wurde in der Nacht zum Mittwoch kurz nach Mitternacht ein eben fertiggestellter Neubau, der noch nicht bezogen war, durch eine Bombe zerstört und dem Erdboden gleichgemacht. Man vermutet wieder ein nationalsozialistisches Attentat, obwohl die Ortsleitung der NSDAP . sofort die Erklärung veröffentlicht, fie habe nichts mit dem Vorfall zu tun und mißbillige ihn.

SA. meutert.

Kölner Sturm muß aufgelöst werden.

Köln , 17. August.( Eigenbericht.) Durch einen im heutigen ,, Westdeutschen Beobachter" veröffent: lichten SA.- Befehl wird der Sturm 14/25 in Köln mit fo fortiger Wirkung aufgelöst und durch einen noch zu er= nennenden Sturmführer neu aufgestellt".

Stopp!

Die Republikaner - Verfolgung muß aufhören!

Also, alles war nur ein Mißverständnis! Hitler hat nie versprochen, die Regierung von Papen zu tolerieren. Der Reichspräsident, der sich noch am 13. August auf diese Er­flärung Hitlers berief- ohne daß Hitler widersprach-, hatte wohl falsch gehört. Genau so ist es Herrn von Papen ergangen, genau so Herrn von Schleicher, genau so Herrn von Gleichen, als er seinen Herrenklubbrüdern schrieb, Hitler toleriere die Papen - Regierung nicht nur, son­dern er billige sie. Auch Goebbels war falsch unterrichtet, als er, der Reichspropagandaleiter der NSDAP. , in einem Rundschreiben an die Pgs. ein Verbot erließ, die Papen­Regierung zu kritisieren. Der Reichspräsident und die Reichs­regierung mögen sagen, was sie wollen was geschichtliche Wahrheit ist, das bestimmt allein der Führer", und die geschichtliche Wahrheit ist immer so, wie es das Heil der NSDAP . erfordert.

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Alles war nur ein Mißverständnis! Aber welche Folgen hat dieses Mißverständnis gehabt? Der SA. und der SG. wurden Organisations- und Uniformfreiheit wieder­gegeben. Schüsse knallten, Bomben krachten, die Zahl der Toten, der Verwundeten stieg und stieg. Der Reichstag wurde infolge dieses Mißverständnisses aufgelöst, die Propa­ganda der Nationalsozialisten wurde in jeder Weise be= günstigt mit dem Ergebnis, daß Nationalsozialisten und Kommunisten zufammen über die Mehrheit verfügen und jede positive Arbeit im Sinne der Verfassung sabotieren können. Die preußischen Minister wurden unter Anwendung von Methoden, über die der Staatsgerichtshof noch zu ent­scheiden hat, die aber von einer großen Mehrheit des Volkes für absolut rechtswidrig gehalten werden, aus ihren Aemtern pertrieben.

Nun wurde auch, was schon im Reich erfolgreich be­gonnen hatte, in Preußen fortgesetzt. Unter dem Hussa und horrido der nationalsozialistischen Presse begann die große Jagd auf republikanische Beamte. Die Auflage des Angriff" stieg rapid, denn wenn man wissen wollte, wer an der Reihe war zu fliegen, dann mußte man eben den Angriff" lesen. Stand heute dort über einen Mann eine abfällige Bemerkung, so war er morgen schon aus dem Amte. In der Rechtspresse hieß das Ganze eine ,, Reinigung". Andere empfanden diese Art von Personal­politik eher als eine Beschmutzung der Republik .

Das alles war, wie gesagt, nur die Folge eines ,, Miß­ verständnisses ". Die Papen - Regierung glaubte einen Vertrag mit Hitler zu haben und trieb ,, Erfüllungspolitik". Sie glaubte, durch ein schneidiges Vorgehen gegen sogenannte ,, Marristen" den Bund von Harzburg wiederherstellen und sich der Hilfe der Nationalsozialisten für die Dauer sichern zu können. Aber diese Spekulation war falsch. Adolf Hitler will nichts gesagt und nichts versprochen haben, er empfiehlt sich, nachdem er auf Heller und Pfennig Zahlung erhalten, ohne jede Gegenleistung!

Nach dem Michaelis- Trauerspiel, nach der Kapp- Groteske, nach der Cuno- Tragödie, nach der Dames- Komödie hat die sogenannte nationale Rechte" noch einmal be= wiesen, daß sie nicht regierungsfähig ist. Man sollte ihr nicht gestatten, mit ihren Versuchen, etwas zu tun, was sie nicht kann, das deutsche Volk noch länger zu mißhandeln!

Am allerwenigsten aber darf der Regierung Papen ge­stattet werden, ihren antirepublikanischen und sozialreaktio­nären Kurs, als ob nichts geschehen wäre, weiter fortzusetzen. Eine Regierung, die so erschütternde Mißerfolge in der inneren wie auch der äußeren Politik zu verzeichnen hat wie diese, eine Regierung, die noch nicht weiß, ob sie im Reichstag 40 von 608 Abgeordneten hinter sich haben wird oder überhaupt keinen, eine solche Regierung ist wenn sie schon nicht die an sich selbstverständliche Konsequenz des sofortigen Rücktritts zieht zum mindesten zur strengsten Zurückhaltung verpflichtet.

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Die einzige Grundlage, auf der die Regierung Papen steht, ist der Artikel 48 der Reichsverfassung. Der ursprüng­Tiche Sinn dieses Artikels ist eine Vollmacht an den Reichs­präsidenten und die Länderregierungen, die öffentliche Ruhe und Ordnung, wo sie gestört ist, durch außerordentliche Maßnahmen wieder herzustellen. Der Zustand der Aktions­unfähigkeit, in den das Reichsparlament durch das Treiben der verfassungsfeindlichen Flügelparteien schon öfters versetzt worden ist, hat dazu gezwungen, auch sonstige Maßnahmen, die zur Erhaltung des Staates und der Wirtschaft für nötig

Es hat in dem Sturm eine schwere Meuterei gegeben, da rauhe Kämpfer" vergeblich auf die Einlösung des Ver­Es liegt auf der Hand, daß dieses Messen mit zweierlei Maß sprechens der sofortigen Machtergreifung durch den Ofaf warteten. I gehalten wurden, unter Berufung auf den Ausnahmeartikel

Hitlers