„Wenn es nur zu Schuh und Truhe Brüderlich zusammenhält!"
Klara Zetkin erkrankt. Als Patient im Kreml -KrankenhauS. Moskau lüber ficvnmo), 19. August. Eine Erkrankung der greisen Klara Zetkin hat ernst. liche Besorgnis hervorgerufen. Zur Patientin, die im Kreml - Krankenhaus untergebracht ist, sind vier der besten Aerzte befohlen worden, von denen je zwei ständig beobachten. Es verlautet, daß zunächst der Verlaus des Anfalles sich normal entwickle.
Brachts Llrlaub verlängert. Regierungsantrag gegen die Stimmen der Eisener Sozial« demokratie angenommen. Essen, 19. August. - Der Verfassungsausschuß der Essener Stadtverordnetenversamm» lung stimmte am Freitag mit Mehrheit gegen die sozial- demokratischen Mitglieder dem Antrag der Reichsregie- rung auf weitere Beurlaubung des stellvertretenden Reichskommissars für Preußen, Dr. Bracht, von seinem Essener Oberbürgermeister- amt bis zum 1. Dezember dieses Jahres zu.
Tränengas! Reue Attentatsserie in Westdeutschland. Wuppertal , 19. August. Verschiedene Wuppertaler Warenhäuser wurden heute nachmittag von unbekannten Personen erneut mit Tränengas heimgesucht. Wie aus den Meldungen an die Polizei hervorgeht, haben die Täter fast zur gleichen Stunde in vier Geschäftshäusern— zwei in Barmen und zwei in Elberfeld — während der Hauptgeschäftszeit die Gas- kapseln geworfen. Nach den Anschlägen verließ das Publikum fluchtartig die Räume. Zwei Geschäfte mußten geschlossen werden. Am 11. August hielt Oldenburgs nationalsozialistischer Minister- Präsident HSnge-Röver in Hannover aus einer Nazi-Protestversammlung eine wilde hehrede gegen die Eröffnung eines neuen Woolworth-Einheitspreisgeschäftes. Am 1?. August flogen in Krefeld Tränengasbomben in die Häuser von Moolworih, Epa und Leon- Harb Tieh. Jehl ist eine Woche später die Allenlalswelle auf Barmen hinübergeschlagen. Für sorgfältigste Vorbereitung der Anschläge spricht das zeitliche Zusammenfallen aller vier Altenlote. Die Durchführung läßt daraus schließen, daß es sich In Krefeld , Barmen und Elberfeld um ein und dieselbe Terrorkolonne handelt. Den klaren Zusammenhang zwischen der Röverschen Warenhaushehe und diesen Anschlägen dürste wohl nur eine m i t völliger Blindheit geschlagene Regierung nicht erkennen.
Wehrmachiumbau und Frankreich . Hernot läßt Sturm läuten. Paris , 19. August. sEigenbericht.) Tie Havas-Agentur meldet angeblich bestinformiert aus Berlin , daß die Reichsregierung entschlossen sei. durch die Botschafter in Paris und London ihr Verlangen nach Neuorganisation der Reichswehr vortrage» zu lassen. Man werde da erklären, daß es„nicht mehr mög- lich ist, eine gründliche Aussprache und eine Entscheidung über ein Problem zu vertagen, das die gesamte öffent- liche Meinung in Teutschland als lebenswichtig ansieht". Der hiesigen Deutschen Botschaft ist von einer derartigen Absicht der Reichsregierung noch nichts bekannt und An- ordnungen aus Berlin sind nicht eingetroffen. Dies« Havas-Ankündigung hat zusammen mit dem Reuter- Interview des Reichskanzlers in Paris st ä r k st e M i ß st i m- mung hervorgerufen. Man betont hier, daß die ununterbrochene Kette der deutschen Forderungen keineswegs dazu angetan sei, das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich zu bessern. Nach der Rheinlandräumung habe Deutschland sofort die Annullierung der Reparationen gefordert: nach der Konferenz von Lausanne ver- langte es jegt Rüstungsgleichheit, und wenn dies erledigt sei, werde es, wie Reichskanzler von Papen bereits angekündigt habe, Kolonial forderungen in den Vordergrund stellen. Dann brauche es nur noch die territoriale Revision des Versailler Friedens zu fordern und dieses ganze Werk werde damit aus der Welt geschafft. Die Pariser Presse, die zunächst dem Reuter-Zaterview des Reichskanzlers nur wenig Beachtung schenkte, ist am Freitag. nach der Rückkehr Herriols von Lyon nach Paris , ausfälliger- weise mit schwerstem Geschah gegen Deutschland ausgefahren. Der„Temps" macht eine Reihe neuer juristischer Argumente gel- tend, die augenscheinlich dem amtlichen Arsenal entnommen worden sind:„Die militärischen Versailler Klauseln bestehen in ihrer ganzen ursprünglichen Kraft noch fort und können nicht einfach durch eine Entschließung einer allgemeinen Konferenz abgeschafft werden. Eine deutsche Forderung auf diesem Gebiet hat daher keinerlei j u r i st i s ch e Basis. Wenn Deutschland die Rüstungsgleichheit fordert, kann es das nicht auf Grund des geschriebenen Rechts tun. Es müßte dos juristische Terrain aufgeben und die Frage auf rein politischen Boden stellen. Dann aber würden die Verhandlungen einen ganz anderen Charakter annehmen. Es würde sich dann nämlich die Frage erheben, welche politische Gegenleistung Deutschland anbieten kann. Dann würde das ganze weite Problem der allgemeinen Sicher- h e i t aufgerollt werden müssen, und Zwar unter Bedingungen, die eine Lösung beinahe unmöglich machen." Zum Kolonialproblem schreibt dasselbe Blatt:„Man begeht einen Irrtum, wenn man behauptet, daß diese Frage ord- nungsgcmäß vor den Völkerbund gebracht werden könnte. Denn es ist nicht der Völkerbund gewesen, der die K o l o n i a l m a n d a t e verteilt hat. Das erfolgte durch direkte Einigung zwischen den Mächten, der Völkerbund war lediglich dazu da, die Verteilung zu registrieren und die Kontrolle über die Kolonialverwaltung zu über- nehmen. Auch hier handelt es sich also um eine rein politi- s ch e Angelegenheit, die nicht vom Genfer Rat entschieden werden kann" Der ehemalige Abrüstungsdelegierte unter der Regierung Tar- dteu, Abg. Oberst Fabry. aber kündigt im.�intransigeant" an. daß er
Oer„Vorwärts" Drohung mit einem Folgendes Schreiben geht uns zu: Der Polizeipräsident. Berlin , den 19. August 1932. I. 2. S. 34 00/169. 32. An den„Vor!wärts"-Vei'lag G. m. b. H., Berlin SW 68, Lindenftr. 3. In der Tageszeitung„Vorwärts" Nr. 381, 19. Jahrgang, vom 11. August 1932 befindet sich im chauptblatt auf der 1. Seite ein Artikel„Zurück zum Recht!" In diesem Arttkel wird im Absatz 2 davon gesprochen, daß die„Reichsregierung unter der Firma einer angeblich„überparteilichen Regierung" eine Politik der Peitschenhiebe gegen die republikanisch gesinnte, verfassungstreue Bevölkerung ge- ttieben habe, während sich gegenüber den gewalttätigen Feinden der Staatsordnung eine würdelose Liebedienerei breitmachte". Ferner wird in den letzten 3 Absätzen u. a. ausgeführt,„auch eine national- sozialistische Parteiregierung könnte ihre Macht kaum noch einseitiger anwenden, als das die bisherige deutschnationale Parteiregierung getan hat." Der Artikel schließt dann mit den Worten:„Schluß mit dem zweierlei Recht, mit der einseitigen Begünstigung faschistischer Staatsfeinde und der Menschenjagd auf aufrechte Republikaner!" In diesen Ausiich rangen wird den Mitgliedern der Reichsregie- rung der Vorwurf einseitiger Parteiregierung gemacht. Sie ver- stoßen daher gegen den Z 6 Absatz 1 Ziffer 2 der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten gegen politische Ausschreitungen vom 11. Juni 1932 und würden mich zu einem Verbot des„Vorwärts" berechtigen. Wenn ist diesmal von einem Verbot der Zeitung noch absehe, so geschieht das in der Erwartung, daß Sie sich fortan größter Zurückhaltung befleißigen. Ich verwarne Sie aber nachdrücklichst und mache darauf auf- merksam, daß Sie bei einem weiteren Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen unnachsichtlich mit einem längeren Verbot zu rechnen haben. Melcher. Dies also das Neueste! Geht es so weiter, so wird sich die republikanische Presse in der Deutschen Republik bald
das lange geheimgehaltene Aktenstück der Regierung Tardieu über die deutschen Geheimrüstungen und die systematischen Der- flöße gegen die versailler Militärbestimmungen ausschlage« werde. Er werde bei allernächster Gelegenheit in der Kammer mit unwiderleglichen Aktenstücken beweisen, daß Deutschland 1. widerrechtlich den Großen General st ab wiederher- g e st e l l t habe, 2. eine höhere Zahl Soldaten in der Reichswehr ausgebildet habe als Versailles erlaube, 3. die B e- w a f f n u n g der Reichswehr willkürlich geändert und 1. die Fabrikation verbotener Waffen wiederaufgenommen habe._
Schanghai nach Budapest . Ehepaar Ztaegg soll lebenslänglich eingekerkert bleiben. Schanghai . 19. August. Nach fiinfzehnmonatiger Untersuchungshast sind zwei Europäer, Paul Nonlens und seine Frau, die sich als schweizerische Staatsangehörige Ruegg bezeichneten, wegen kommunistischer Propaganda zum Tode verurteilt worden. Die Strafe wurde auf Grund der allgemeinen Amnestie sofort in lebenslängliche Einkerkerung umge- wandelt. Wenn diese chinesischen Machthaber auch nicht ganz die blutdürstige Roheit des„christlichen" Horthy-Kurses in Ungarn erreichen und die Rueggs nicht auch zu Blutzeugen der Lehre Lenins gemacht werden, so bleibt doch lebenslange Kerkerstrafe für bloße Propaganda ein Tiefpunkt reaktiv- närer Rachejustiz. Dabei ist es noch sicher, daß nur die Proteste zahlreicher Größen des europäischen Geisteslebens neben dem wochenlangen Hungerstreik der Rueggs die Todes- strafe abgewandt haben.
Admiral Zenker gestorben. Der frühere Chef der Reichsmarine- leitung, Admiral Zenker, ist am Donnerstag in einer hiesigen Klinik gestorben.— Zenker war von 1921 bis 1928 Chef der Marine- leitung und reicdle nach der Lohmann-Phoebus-Filin- Affäre," für die er sich vor dem Reichstag mitverantwortlich erklärt hatte, sewen Abschied ein.
wird„verwarnt"! „längeren Verbot". nach der kaiserlichen Kriegszensur zurücksehnen, die nicht nur angemessene Umgangsformen zu wahren wußte, sondern auch, was die Uebersteigerung des Machtgefühls betrifft, die augenblicklichen Machthaber Prsußen-Deutsch- lands in keiner Weise erreichte. Nach§ 6 Abs. 1 Ziffer 2 der Notverordnung vom 11. Juni 1932 können Zeitungen verboten werden, wenn in ihnen„leitende Beamte des Staates beschimpft oder böswillig verächtlich gemacht werden". Eine solche„böswillige Per- ächtlichmachung" erblickt der Polizeipräsident Melcher schon in dem„Vorwurf einseitiger Partei- r e g i e r u n g", den wir gegen die Reichsregierung erhoben und sachlich begründet haben. Der Polizeipräsident Melcher möchte uns auf den Glaubenssatz verpflichten, daß die gegenwärtige Reichsregierung„überparteilich" ist. Das lehnen wir auf das allerentschieden sie a b. Wir lehnen es ab, der Regierung ihre angebliche„Ueber- Parteilichkeit" zu attestieren in dem Augenblick, in dem sie— um nur ein Beispiel herauszugreifen— die Taten der S A., die der Major von Stephan, aufgedeckt hat, öffent- lich zu bagatellisieren versucht. Will Herr Melcher vielleicht behaupten, die Regierung würde dieselbe gleichmütige Hal- tung einnehmen, wenn es sich um K o m m u n i st e n statt um Nationalsozialisten handelte? Die Kritik, die wir an der Regierung übten, gründete sich auf nachweislich wahre Tatsachen. Die Vor- würfe, die wir gegen sie erhoben haben, mögen ihr peinlich sein— aber die Drohung mit einer gewaltsamen Unter- drückung der Kritik ist das allerfchlechteste Mittel, sie zu ent- kräften.
Oollfus-Konfusion. Einspruch des Bundesrates- Gefahr im Nationalrat. Wien , 19. August.(Eigenbericht.) Der Bundesrat, bestehend aus proportional gewählten Ver> tretern der Landtage— und infolgedessen sitzen jetzt auch einige Hakenkreuzler drin—, hat auf Antrag seines Außenausschusses Einspruch gegen die Ratifizierung des Lausanner Abkommens erhoben. Den Ausschußantrag begründete der Sozialdemokrat General a. D. Körner. Der Abfall eines Teils der Heimwehrleute vom Regierung?- block gab Anlaß zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Christ- lichsozialen und Heimwehrfaschistcn. Auf Provokationen der Haken- kreuzler antworteten die Sozialdemokraten gehörig. Ob im Nationalrat die Einstimmenmehrheit für Lausanne und die Regierung D o l l s u s erhalten bleibt, ist zweifelhast. Der groß- deutsche Abg. Vinzl hat durch seine Krankmeldung die Opposition um eine Stimme verringert, ein großdeutsches Blatt hat diese Krankmeldung als einen Druckerfolg der Regierung(ausgeübt durch Wirtschaftsverbändc, denen Binzl seine Aufstellung zu verdanken hatte) hingestellt. Binzl hat zwar erklärt, auf sein Mandat zu verzichten, aber er hat nachträglich tele» g r a p h i e r t, daß er sein Mandat weiter ausüben werde. Das hat gewaltige Aufregung im Regierungslager hervor- gerufen, und man berät fieberhaft, ob man Binzl wieder zulassen könne. Bon seinem Nachfolger erwartet man nämlich, daß er für Lausanne stimmen werde, obgleich die Klubparole der Großdeutschen auf Ablehnung lautet. Gras Reventlow erklärt im„Reichswart" die von einer Kor- respondenz aufgestellte und von uns wiedergegebene Behauptung, in der NSDAP , fei gegen ihn wegen seines Bekenntnisses zum � Sozialismus ein Verfahren im Gange, für unrichtig. Der Prozeß Dr. weiß gegen„Angriff". Im Beleidigungs- prozcß des früheren Berliner Polizeipräsidenten Dr. Weiß gegen den nationalsozialistischen„Angriff" ist neuer Verhandlungstermin auf den 2. September, 9 Uhr vormittags, anberaumt worden. Lord Kylsanl auf freien Fuß gesetzt. Der englische Wirtschafts- führer Lord K y l s a n t, der frühere Borsitzende des Royal Mail. der im vorigen November wegen Veröffentlichung falscher Börsen- Prospekte zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt worden war, ist inzwischen auf freien Fuß gesetzt worden.