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Rr. 393 49. Jahrgang

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3. Beilage des Vorwärts

Der Wein

Ungarische Dorfgeschichte von Geza Gardonyi

Ein Sonntagmorgen. Imre Baracs stard in Hemdärmeln im Hausflur und sonnte sich. Er betrachtete die Kirchengänger. Auch sein Hund saß dort beim Zaun und blickte gleich seinem Herrn mit ernster Ruhe zwischen den Latten auf die Straße hinaus. Die Leute grüßten zu Baracs hinein, besonders die Frauen und Mädchen. Wie hätten sie auch gleichgültig an einem Haus vorbeigehen können, in welchem der Witmer einer noch lebenden Frau wohnte. Vielleicht wollten sie in seinem Gesicht forschen, ob er sich kränkt? Oder Aus­schau halten, ob sie etwa plöglich auch die Frau dort im Hausflur erblicken werden?

Auf dem Lande ist es etwas ganz ungewohntes, daß zwei Menschen auseinandergehen, wenn der Priester sie einmal ver­eint hat.

Baracs erwiderte jeden Gruß nur mit einem stummen Nicken. Als auch der letzte Kirchgänger an dem Haus vorbeigekommen war, warf sich Baracs Ranzen und Mantel um und rief zu seiner Mutter in die Küche hinein:

,, Mit dem Essen brauchst du dich nicht zu beeilen!" ,, Wohin gehst du denn?"

Ich will mir den Jancsi ansehen."

Die alte Frau zog die Hand aus dem Teich und starrte ihren

Sohn an:

,, Den Jancsi?"

Ja", gab der Mann ernst zurüd. Ich fann den Buben nicht pergeffen."

,, So bring' ihn nach Hause. Versöhne dich mit der Frau. Sage ihr, nur ich sei an allem schuld."

Baracs schüttelte den Kopf.

,, Nein. Mit der Frau werde ich mich in diesem Leben nicht mehr versöhnen."

Er ging zu den Gärten hinunter, wandte sich dann am Ende des Dorfes nach rechts und bog zur Straße ein. Der Hund folgte ihm in größerer Entfernung. Er mußte, daß ihn sein Herr sofort zurüdjagen würde. Aber Imre Baracs blidte nicht zurüd. Er schritt auf der Straße zwischen den Afazienbäumen dahin. Jetzt war er oben auf dem Hügel. Von hier aus fonnte man den Turm des Nachbardorfes sehen. Aber Imre blickte nicht auf, er mollte nichts sehen. Als Bräutigam hatte er auf dem Hügel immer zu fingen begonnen; jezt verspürte er zum Singen feine Lust.

-

Beim Ortseingang fäumten Schlehenbüsche die Landstraße ein. Imre brach einen Ast ab und steckte ihn in seinen Ranzen, wo ein rotäugiges Kaninchen hocte, das er seinem Buben mitbringen wollte. Möge das Tier etwas zum Knabbern haben.

Als sich Baracs einmal umwandte, erblickte er den Hund. ,, Oh, du Hundsvieh! Wirst du sofort zrückgehen?"

Der Hund lief mit eingezogenem Schweif etwa zwanzig Schritte zurüd. Dann verzögerte er aber seinen Lauf, schaute zurück und blieb stehen. Vielleicht wartete er darauf, daß sein Herr es sich dennoch überlegen und ihn zurückrufen werde. Wer vermag zu missen, welche Gedanken in einem solchen Fall ein Hundehirn be= schäftigen?

Ein Monat war es schon her, daß sich Baracs von seiner Frau, besser gesagt: die Frau von Baracs, getrennt hatte. Die Mutter trug die Schuld daran. Sie hatte den Hals des kleinen Jancsi mit einem dicken Tuch eingewickelt, um ihn vor dem Wind zu schützen. Der Wind hatte ihm wohl nichts angehabt, dagegen hatte das Kind eine Halsentzündung davongetragen. Die junge Frau behauptete, das Tuch wäre schuld an der Halsentzündung gewesen. Die Mutter fuhr die Schwiegertochter zornig an. Ein Wort gab. das andere. Die beiden Frauen legten die Hände auf die Hüften: der Streit war fertig.

Imre Baracs kehrte eben vom Gastmahl heim, das der Pfarrer anläßlich der Fertigstellung seines neuen Pfarrhofes veranstaltet hatte. Der Hausherr wurde beim Anblick der zwei streitenden Frauen ganz betroffen, dann erhob er ohne viel Ueberlegung den Stock gegen seine Frau, als er von ihr ein grobes Wort seiner Mutter gegenüber hörte.

Der Schlag brachte die junge Frau ganz aus der Fassung. Sie lief ins Zimmer hinein, legte eilig ihre Sonntagsfleider an, nahm ihr Söhnchen bei der Hand und stürzte davon, ohne sich auch nur ein einzigesmal umzudrehen.

Die Leute im Dorf redeten Baracs zu, die Frau wieder zurück­zuholen, es sei doch so schade um sie, denn sie war ein sehr fleißiges, ordnungsliebendes Geschöpf. Wegen einer solchen Kleinigkeit.. Du warst betrunken," meinte auch der Herr Pfarrer ,,, du warst zweifellos der schuldige Teil. Die Frau weiß, daß du nicht zu trinken pflegst, aber sie schämt sich, zu dir zurückzukehren."

,, Also Wein werde ich wahrlich nie wieder trinken; die Kehle soll mir eintrocknen, wenn ich auch nur je einen Tropfen zu mir nehme", entgegnete Imre. ,, Wahr ist aber auch, daß kein guter Hund feinen Herrn verläßt."

Nach etwa zwei Wochen hielt ein Wagen vor dem Hause des Baracs. Der Onkel der Frau, ein schweigsamer, gleichgültiger

Walther C. F. Lierfe:

Maschinen

Die Aftie fällt, die Aftie steigt. Maschinen wissen nichts davon, Und was der Lebensstandard zeigt und ob zu wenig Arbeitslohn, Maschinen wissen nichts davon.

Der Mensch hat Geist, und der erfindet: Maschinen werden flug gebaut, damit der Mensch sich nicht so schindet. Doch einer gerbt des andern Haut, Maschinen werden flug gebant,

Maschinen sparen Zeit und Geld. Maschinen fönnen nichts dafür, daß Geldgier sie im Rasen hält. Geld ist nicht Leben, ist Papier . Maschinen fönnen nichts dafür. Maschinenräder wuchten schwer, Maschinenkolben holen aus.

Der Mensch hat feine Menschheit mehr, fie sieht, sie horft im Armenhaus. Maschinenkolben holen aus.

Mensch, der den ganzen Tag nur seine Pfeife rauchte und die Wolfen betrachtete, stieg vom Bod herunter. Imre Baracs dachte, er fomme, um Berföhnungsversuche einzuleiten. Mit funfeinder Augen fragte er ihn:

,, Was wollen Sie?"

,, Die Truhe und das Bett."

Da der Alte weder Verföhnungsvorschläge noch Vorwürfe machte, sagte auch Imre nichts mehr. An den Flurpfosten gelehnt, sah er wortlos zu, wie der Mann die mit Tulpen verzierte Truhe das rosagefärbte Bett auf den Wagen lud. Die Mutter war eben in der Kirche. Imre half nicht beim Aufladen.

Als sich der Alte wieder auf den Kutscherbod sezte, bewegte sich Imre, als ob er etwas sagen wollte. Doch der Alte knallte mit der Peitsche und fuhr ohne Gruß davon.

Alle Beziehungen mit der Verwandtschaft waren abgebrochen. Seither hatte Imre Baracs über die Frau weder Gutes noch Schlechtes erfahren.

Nun schritt er entlang der Gärten dahin. Er wollte nicht, daß man ihn sehe. Einmal blieb er sogar stehen und schlug mit seinem Stock gedankenlos einen vertrockneten Distelstrauch auseinander. auch sieht," überlegte er, soll man nicht glauben, daß ich mich etwa schäme, oder was." Mit der Pfeife im Mund wollte er an dem Haus vorbeigehen und nicht einmal einen Blick auf dasselbe werfen. Im Dorf war es still. Baracs wäre es ganz angenehm gewesen, wenn sich aus dem Haus seiner Frau ein Hund auf ihn gestürzt hätte, um ihn einen Hieb mit dem Stod versetzen zu können. Aber dort gab es keinen Hund.

Es ist wahrlich nichts Seltenes, daß ein Bauer sein Weib schlägt. In dieser Ehe ereignete es sich aber jetzt zum erstenmal. Die Frau war daheim von ihren Familienangehörigen auf Händen getragen worden, denn sie war die einzige Tochter gewesen. Auch| Dann ging er wieder weiter. Er schritt stolz aus. ,, Wenn man mich Baracs bekam sie erst zur Frau, als er hoch und eilig gelobt hatte, nie mehr Wein oder Branntwein zu trinken. Denn Baracs hatte das närrische Naturell, nach dem geringsten Genuß von Alkohol gleich zu raufen. Da schlug er auf jeden los, der ihm eben in den Weg tam. So entsagte er denn lieber ganz dem Trinken und lebte mit seiner Frau, die er sehr liebte auch tatsächlich in friedlichem Glüd. Aber bei der Einweihung des neuen Pfarrhofes mußte auch er auf das Wohl des Pfarrers trinken. Seit fünf Jahren hatte er keinen Schlud Wein zu sich genommen, er schmedte ihm auch fürwahr recht gut.

-

Er ging bis in die Mitte des Dorfes, drehte sich dann um, als müßte er sich die Pfeife anzünden, aber zwischen den beiden zu fammengelegten Handflächen schielte er die Straße hinab.

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Sonntag, 21. August 1932

,, Kein Bekannter hat mich gesehen", überlegte er zufrieden. ,, Aber warum zum Teufel spaziere ich hier auf und ab. Ich bin doch zu meinem Buben gekommen. Mein Kind bleibt mein Kind."

Sich dieser Art ermutigend, fehrte er wieder um, blieb vor dem Haus stehen und stützte sich, die Pfeife rauchend, auf seinen Stoď. Damit wollte er ausdrücken, daß er entschlossen sei, jedermann ent­gegenzutreten, aber hineinzugehen hatte er nicht die Absicht. Sein Jancsi wird schon herauskommen, er wird ihn dann zu sich rufen. Aber Jancsi ließ sich nicht blicken.

Indessen nahm Imre Baracs das Haus genau in Augenschein. Es war noch alles so, wie vor sechs Jahren. Schon beim Kommen hatte er einen Haufen Steine am Straßenrand bemerkt. Warum sollte er sich nicht darauf setzen? Diese gehörten nicht zum Haus der Frau, auch ein Vogel setzt sich dorthin, wo es ihm beliebt!

Währenddessen war die Pfeife ausgegangen. Baracs stopfte sie wieder. Und wie er so dem Hause gegenüber saß und seine Pfeife stopfte, blickte er die Straße entlang. Also, was sah er da? Seinen unfolgsamen Hund, der ungefähr fünfzig Schritte von ihm entfernt inmitten der Straße saß und ihn beobachtete.

,, Also siehe", sagte Baracs zu sich selbst, ein Hund verläßt seinen Herrn nicht. Neger, fomm!"

streichelte seinen Kopf. Es tat ihm wohl, nicht allein zu sein. Doch

Der Hund fuhr auf und war im Nu bei seinem Herrn. Baracs

der Hund witterte plöglich zum Haus, im nächsten Augenblid mar er auch schon über dem Straßengraben drüben und zur Küchentür hinein.

Eben kam der fleine Jancsi zur Tür herausgelaufen. Er hatte neue Stiefel an und auch einen neuen Spenzer. Er hätte ja eigent­lich auch ohne Spenzer herausfommen fönnen, aber sein Bater sollte ſehen, was das Kind alles hat.

Der Hund lief auf den Buben zu und leckte ihm das Gesicht. Jancsi aber nahm das Tier um den Hals und drückte es an sich. Baracs schaute mit stummer Freunde zu. Er wartete, bis sich die Freude des Jungen gelegt hatte und er, vom Hund umhüpft, zu ihm fam. Dann nahm er den Knaben auf den Schoß.

,, Bater", stammelte das Kind hocherfreut.

Während Baracs sich mit dem Kind unterhielt, bemerfte er, daß für den Hund ein mächtiger Knochen zur Tür herausgeflogen fam. Der Bub glitt vom Schoß hinunter und packte die schmielige Hand des Baters:

Komm hinein, Bater!"

,, Nein," entgegnete Imre Baracs düster, ich bin nicht darum gefommen."

,, Romm nur."

Während sich das Kind vergeblich bemühte, den Vater hinein­zuzerren, erschien ein Schatten in der Tür und das leise Rauschen eines Frauenrods wurde vernehmbar. Baracs hörte es, aber er blickte nicht auf.

Imre", begann eine ihm mohlbefannte, untertänige Frauen­ftimme, fomm hinein, du fannst mit deinem Gohn auch drinnen Sprechen."

Ich will nicht", gab der Mann rauh zurück. Ich bin nicht her= gefommen, um hineinzugehen."

Er erhob den Kopf und steckte die Pfeife in den Mund. Trogig blickte er auf die Frau.

Und als er sie so ansah, bemerfte er erft, mie hübsch dieses Beib, seine ehemalige Frau, mar! Es gab feine zweite folche im ganzen Ort. Aber einerlei. Eine Frau, die ihren Mann verlassen fonnte, gleicht einem blühenden Ast, der vom Stamm abgebrochen und zu Boden gefallen ist. Es lohnt sich nicht, ihn aufzuheben Diese Gedanken gingen Baracs durch den Kopf.

,, Ich weiß," erwiderte die Frau gesenkten Blickes ,,, ich weiß, daß du nicht zu mir gekommen bist. Ich rufe dich ja auch nicht deshalb hinein, sondern nur, damit uns die Leute nicht sehen.

Eben fam man aus der Kirche. Die Frau legte die Hand auf die Schulter des Mannes.

Nun," sagte Baracs zu seinem Buben gewendet ,,, willst auch du, daß ich hineingehe?" ,, Natürlich", antwortete dieser lebhaft. Die Mutter hat ja auch schon eine Flasche Wein auf den Tisch gestellt."

" T

( Aus dem Ungarischen überseht von 2. Neusch a.)

Unser neuer Roman. Irmgard Keun , eine junge Schrift­stellerin, die sich schnell einen Namen gemacht hat, gibt in ihrem Roman Gilgi, eine von uns " eine Darstellung der jungen Generation von heute. Sie selbst hat das Leben einer Steno typistin ausgekostet und kann aus eigener Erfahrung reden, wenn sie diesen typischen Beruf schildert. Neben dem Berufserlebnis wird Die erste Liebeserfahrung Gegenstand der Darstellung. Das Schwer. gewicht ruht auf dem außerordentlich fachlich und lebendig heraus­gearbeiteten Einzelschicksal, das bis ans Tragische grenzt.

Im Anschluß an den Roman, der übrigens bereits mit Brigitte Helm und Gustav Dießl in den Hauptrollen verfilmt wird, veranstaltet der Vorwärts" ein Preisaus. fchreiben, dessen Bedingungen Ende August bekanntgegeben werden.

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Arbeiten auf dem gesamten Rundfunkbereich von 200-2000 Metern Präzisions- Eichung nach Wellen Metern und Sende- Stationen

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