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3lr.395 49. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Dienstage 23. August 1932

Gcneralanshirm der Mucker Was ist eine anstößige Badehose?

Hebet öffenkliches Baden hat der preuhische kommisia- tische ZMnistet des Innern, Dr. Stacht, untetm 8. August folgenden Rundetlah an alle Polizeibehötden getichtet: Zur Abwehr der gesundheitlichen Nachteile, die das Leben und di« Arbeit in den Großstädten mit sich bringt, ist in neuerer Zeit immer nachdrücklicher der Ruf nach Sonne, Luft und W a f f e r erhoben worden. Die vorhandenen Badeanstalten reichen nicht aus, um insbesondere an heißen Tagen allen denen Raum zu bieten, die chrem Körper die Heilkraft von Sonne, Luft und Wasser dienstbar machen zu wollen. Diese Bestrebungen sind zur Hebung der Volksgesundheit durchaus zu begrüßen. Bedauerlicherweise hat das Badeleben aber teilweise Entartungserscheinungen gezeitigt, die im Interesse der öffentlichen Sittlichkeit nicht gutgeheißen werden können. Lediglich zur Beseitigung dieser Mißstände habe ich die nochstehend wiedergegebene Poltzeiverordnung erlassen, die in der Preußischen Gesetzsammlung veröffentlicht ist. Die Badepolizeiverordnung hat folgenden Wortlaut: Auf Grund der§§ 14, 25 und 33 des Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni 1931(GS. S. 77) wird für das Land Preußen folgende Polizeiverordnung erlassen:§ 1. Das öffentliche Nacktbaden oder Baden in anstößiger Badekleidung ist verboten. Als öffentlich im Sinne dieser Bestimmung gilt das Baden, wenn die Badenden von öffentlichen Wegen oder Ge- wässern aus sichtbar sind.§ 2. Im und am Wasser ist jedes Ber - halten zu unterlassen, das in sittlicher Beziehung AergerrÄs zu geben geeignet ist.§ 3. Es ist verboten, nur mit einem Badeanzug bekleidet, öffentliche Gaststätten zu betreten oder sich in diesen aus- zuhalten, es sei denn, daß die Gaststätten nur vom Badestrand oder den Badeeinrichtungen aus zugänglich sind.§ 4. Die nachgeord­neten Polizeibehörden können weitergehende Bestimmungen erlassen. § 5. Gegen die Nichtbefolgung der Polizeiverordnung wird hier- mit die Festsetzung von Awangsgeld bis zu 159 Mk. angedroht. § 6. Diese Polizeiverordnung tritt am Tage nach ihrer Beröffent- lichung in Kraft. Berlin , den 18. August 1932. Der Minister des Innern. Mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt. Dr. Bracht. Zu dieser Polizeiverordnung bemerkt Bracht weiter: 1. Die Polizeioerordnung betrifft jede Art von Baden, be< sonders auch das sogenannte L u f t b a d e n. 2. Das Verbot des Z 2 bezieht sich nicht nur auf ein Verhalten, an dem im Einzelfall Aergernis genommen wird, sondern auf jeden Fall, an dem von vernünftigen Menschen Aergernis genommen werden kann. 3. Mit Rücksicht darauf, daß die Polizeibehörden gegen die durch die Badepolizeiverordnung verbotenen Dinge bisher nur wenig ein- geschritten sind, ist die Polizeiverordnung z u n ä ch st in der Weise durchzuführen, daß ihr Inhalt zur Kenntnis der in Frage kommenden Personenkreise, besonders der betroffenen gewerblichen Unternehmer, Vereine und dergleichen gebracht wird. 4. Die Entscheidung darüber, welche Badekleidung als a n st ö ß i g anzusehen ist, überläßt Bracht bis auf weiteres dem pflichtgemäßen Ermessen der Ortspolizeibehörde. * Die Badepolizeiverordnung des mit der Wahr- nehmung der Geschäfte des preußischen Ministers des Innern be< oustragten Oberbürgermeisters Dr. Bracht bedeutet einen Rückfall in Anschauungen, die bei den Menschen von heute als längst über- holt, ja geradezu als unmoralisch angesehen werden. Zudem sind die Anordnungen so unbestimmt gehalten, daß sie den einzelnen Polizeibeamten vor geradezu unlösbare Aufgaben stellen. Der§ 1 spricht davon, daß Baden in anstößiger Badekleidung verboten ist. Wir fragen Herrn Dr. Bracht: Was ist eine an- stößige Badekleidung? Im§2 wird gesagt, daß jedes Verhalten zu unterlassen sei, dasin sittlicher Beziehung Aergernis zu geben geeignet ist". Wir fragen Herrn Dr. Bracht wiederum: Was ist geeignet in sittlicher Beziehung Aergernis zu geben? Unter Nr. 2 des Kommentars zu dieser Bade­polizeiverordnung heißt es, daß das Verbot sich nicht nur auf ein Verhalten, an dem im Einzelfall Aergernis genommen wird, beziehe, sondern auf jeden Fall,an dem von vernünftigen Menschen Aergernis genommen werden kann". Wir fragen Herrn Dr. Bracht zum dritten: Wer und was ist ein vernünftiger Mensch? Herr Dr. Bracht beantwortet diese Fragen zum Teil in Nr. 4 seines Kommentars. Hier heißt es:Die Entscheidung darüber. welche Bodekleidung als anstößig... anzusehen ist, will ich bis auf weiteres dem pilichtmäßigen Ermessen der Ortspolizeibehörde überlassen.. Die Entscheidung darüber, was eine an- stoßige Badekleidung ist, was in sittlicher Beziehung Aergernis ZU geben geeignet ist und woran von vernünftigen Menschen Aergernis genommen werden kann, liegt also im Ermessen eines jeden preußischen Polizeibeamten jeden Grades, soweit er in

der Sichtweite von öffentlichen Gewässern tätig ist. Der Willkür und dem Muckertum, die wir überwunden glaubten, sind durch diese Badepolizeiverordnungen Tür und Tor geöffnet. Ein reaktionärer Polizeibeamter kann aus Grund dieser Verordnung zum Tyrann des Badestrandes werden. Herr Dr. Bracht hat in der Einleitung zu seiner Verordnung gesagt, daß an sich der Wunsch nach Lust und Licht, der die weitesten Kreise der Bevölkerung beseelt, be- grüßenswert ist. Wenn Herr Dr. Bracht die Berechtigung dieses Wunsches anerkennt, wie kann er dann zu einer Verordnung kommen, die ein wirklich frisches und freies Bade-

vsk �Kekiiell unseres neuen Romans GILGI EINE VON UNS beginnt morgen. Der Roman wird bereits verfilmt. Er erscheint als TK.-Fiim im Verleih der Paramount . Die Hauptrolle der Gilgi hat Brigitte Helm übernommen. Die männliche Hauptrolle spielt Gustav D i e s s I. DerVorwärts" veranstaltet im Anschluß an den Roman ein Preisausschreiben dessen nähere Bedingungen Ende August be­kanntgegeben werden.

leben unmöglich machen muß? Wir sind der Ansicht: es gehört schon ein hohes Maß von Unsittlichkeit dazu, an einem Menschen, der leicht und gesundheitsgemäß gekleidet ist und einen möglichst großen Teil seines Körpers der Luft und der Sonne darbietet, etwas Unsittliches zu finden. Für den anständigen, d. h. für den wirklich vernünftigen Menschen hat der menschliche Körper nichts Unsittliches, für den Unanständigen ist aber auch die kleinste Andeutung'gewisser von der Natur mit- gegebener Körperteile unanständig. Bade im Gehrock. Die Badeverordnung ist kaum erlassen, und schon haben sich ihre Folgen gezeigt. In K l o st e r aus H i d d e n s e e sind gestern sämtliche Badegäste, die im Badeanzug zum Strand gingen, von dem Landjägermeister aus Grund der Brachlschen Verordnung festgestellt und notiert worden. Es handelt sich um etwa 39 Personen. Unter ihnen war ein junges Mädchen, di« über den Badeanzug sogar einen Bademantel gezogen hatte. Sie wurde aufgeschrieben, weil der Wind in ihren Mantel gefahren war, so daß man ihre Beine sehen konnte. Es ist klar, daß die Badegäste auf diese Schikane hin mit der Drohung ge- antwortet k�aben, sofort abzureisen. Wenn sie über genügend Geld verfügen, werden sie vielleicht außerhalb Preußens die Erholung finden können. Für das neue Preußen ist tatsächlich jedem Erholungsuchenden anzuraten: Bade im Gehrock!

200 000 waren in den Freibädern. Wenn auch die Hitzewelle der letzten Tag« den Strand- und Freibädern durch Hunderttausende von Badebesuchern einen Aus- gleich für die bisher wenig günstige Badesaison brachte, so zeigte sich doch, daß am Sonntag der Besuch gegenüber dem Vorsonntag zurück- blieb, da mancher Berliner bei der Hitze die Fahrt scheute und zu Hause bliebe. Der Wassersportplatz Plötzensee zählte am Sonn- tag 37 999, das Strandbad Wannsee 35 999, Müggelsee 25 999, Lübars und Orankesee mehr als 12 999 und das Flußbad Lichtenberg lowi« das Volksbod Jungfernheide

weit über 7999 Badegäste. Insgesamt hatten die städtischen Strand- und Freibäder am Sonntag einen Besuch von 299 999 Erholung- suchenden aufzuweisen. Die letzte Woche ergab für die Freibäder mit 659 999 Badenden die Höchstziffer in diesem Jahre. Seit der Eröffnung wurden mehr als 3 899 999 Gäste gezählt.

Die Beisetzung derNiobe"- Opfer. Keine Toten mehr an Bord des Schiffes. Die Beisetzungsfeier für die Toten derNiobe" wird am Dienstag, dem 23. August, von 1617 Uhr, aus Kiel auf sämtliche deutschen Sender übertragen. Wätz- rend der Feier spricht der Chef der Marineleitung. Ad- miral Dr. h. c. R a e d e r. Wie die Marinestation der Ostsee mitteilt, sind in der vcr- gangenen Nacht die am Sonntag noch nicht leergepumpten Räume derNiobe" gelenzt worden. Es handelt sich dabei im Vorschiff um die Artillerie- und Steuermannsräume und im Achterschiff um die Abteilung, die den Proviant-, den Zimmermanns- und den Akku- mulatorenraum und die Heizkessel für die Warmwasserversorgung umfaßt. Alle Räume des Schiffes sind einer neuen Durch- s u ch u n g unterzogen worden, weitere Tote wurden jedoch nicht gefunden. Es steht also fest, daß von den 69 vermißten Angehörigen der Besatzung derNiobe" 35 ihr Grab in der Ostsee gefunden haben. Während der Nacht wurden olle Räume genau beobachtet und festgestellt, daß der Schiffskörper dicht hält. Am Montag vor- mittag um 19.39 Uhr wurde dieNiobe" von dem SchlepperC a- pella" aus der Heikendorfer Bucht ins Marinearsenal nach Kiel geschleppt. Eine genaue Besichtigung aller Räume derNiobe" durch eine Gerichtskommission und die Marineschiffsuntersuchungs- behörde ist erfolgt. Im Arsenal wurde sofort mit der Aufnahme des Nachlasses der Toten derNiobe" begonnen. Die Reichsmarine bereitet alles vor, um den Toten derNiobe" die letzte Ehre zu erweisen. In der Kapelle des Garnisonfried- Hofs stehen unter dem grünen Schmuck der Lorbeerbäume und Palmen 24 Särge. Kesselexplosion in Mannheim . Arbeiter und Lehrling getötet. Mannheim , 22. August. Eine folgenschwere Kesselexplosion ereignete sich Monlagnach- mittag auf dem Gelände der E st o l- A.- G., Friesenheimer Straße IZo. Zwei Arbeiter waren mit der Prüfung eines von ihnen repa­rierten Kessels beschäftigt, als dieser explodierte. Ein aufgeschweißter Deckel war bei der Druckprobe abgesprungen. Der bei der Arbeil beschäftigte Vorarbeiter Ludwig h a n m a ck und der 14jährige Lehr­ling Robert M i n k l e r wurden etwa 89 Meter weit fort­geschleudert und aus der Stelle getötet.

Aus der Suche nach dem Mörder. lOOD Mark Belohnung auSgeseht. Die Polizei gibt bekannt, daß für die Aufklärung des Mordes an dem 16jährigen Kurt Schöning eine B e- lohnung von 1999 Mark ausgesetzt worden ist. Die Untersuchung hat ergeben, daß der Tod zweifellos auf Grund der Verletzungen durch Verbluten eingetreten ist. Bei der Arbeit d�r Mordkommission, die von der Berliner Suchhundstreise unterstützt wurde, ergab sich eine Spur. Einer der angesetzten Spürhunde fand eine Fährte, die im Kreise um den Tatort herumführte und dann auf einem Wege endete, der zum Bahnhos Finkenkrug führt. Während ein Teil der Beamten der Mordkommission draußen in Falkensee weilte, begannen andere in Berlin mit den Nach- forschungen. Vom Sonderdezernat für homosexuelle Vergehen ist der Mordkommission ein Beamter beigeordnet worden. Kurt Sch. hat nach den bisherigen Feststellungen fast ausschließlich in der Friedrichstadt verkehrt und sich nur wenig um die Kreise in Berlin W. gekümmert. Man erfuhr, daß er sehr gern Auto und Motorrad fuhr und Anschluß an Automobilisten gesucht hatte. Es konnte aber noch nicht festgestellt werden, mit wem er zusammen war. Kurt Sch. hatte sich bisher immer seinem 19jährigen Bruder Werner, der von Beruf Zeichner ist, anvertraut. Werner Sch., der zur Zeit unauffindbar ist, ist für die Mordkommission bei der Aufklärung des grauenhaften Verbrechens ein wichtiger Zeuge.

Der Präsident des Landgerichts 11 Berlin, Geheimer Ober- justizrat H u m b e r t, ist am Sonntag, wie jetzt erst bekannt wird, im 58. Lebensjahre gestorben, und zwar an den Folgen einer Angina pectoris.

lfm diese wertvolle. Cigarelle dein Raucher stets in unveränderter güte liefern zu können, müssen wir darauf verzichten, unserer Juno Zugaben wie UJerimärken, Guischeine oder Stickereien beizufügen. «Josetti hat nur das eine Ziel: Durch beste Tabake den Kenner dauernd zufrieden zu steilen!

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