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Zugeknöpft bis zum Hals. Beamter muh schwitzen und schweigen.

Ob die Hitzeperiode bereits ihr Ende erreicht hat, das kann man nicht wissen. Es sieht nicht so aus. Aber selbst wenn sie zu Ende sein sollte, dann dürfen die nachfolgenden Ueberlegungen trotzdem auf ein wenig Beachtung Anspruch erheben. Warum müssen bei dieser furchtbaren Hitze die Schupo- b e a m t e n, die Straßendienst haben, heute wie vor 50 Iahren ihre dicke Stoffhose anhaben, und noch dazu als modernste Errungen- schaft, den schweren Lederhelm, vom Volk ganz richtigDunstkiepe" genannt. Warum? Als einzige Konzession die auch noch unkleidsame gelbliche Litewka. Warum keine weißen Hosen, keine weiße Litewka, keine weiße Schirmmütze. Und nun erst die Briefträger. Diese wahrhaft bedauernswerten Beamten müssen mit der aus schwersten dicksten Stoffen gefertigten Dienstkleidung, einer schweren Tuchmütze und als drittem der schweren Tasche treppauf treppab laufen. Der Schweiß bricht ihnen in Strömen von der Stirn, aber das darf niemand merken. Von einem, der weiß, wie es im Postbetrieb zu- geht, erhielten wir eine Zuschrift, in der es heißt: Es ist in den letzten, abnorm heißen Tagen täglich passiert, daß Briefträger, die ihren Rockkragen etwas öffneten, um sich auf diese Weise Kühlung zu verschaffen, von den Auf- sichtsbeamten, die die Briefträger und andere im Außendienst be- findliche Postbeamte auf den Straßen kontrollieren, gemeldet wurden und sich dann auf dem betr. Postamt entweder beim Stellenvorsteher oder imWiederholungsfalle" beim Amtsoorsteher selbst verantworten muhten. In den meisten Fällen ist ipit einerWarnung" bzw. einemVerweis" zu rechnen. Erlaubt sich aber von den geplagten Briefträgern einmal jemand auf die großen Strapazen seines Berufs hinzuweisen, so wird er an- gedonnert, daß sein Verhalten(also das Oeffnen des Rockkragens) gegen dieDienstzucht"' verstößt und infolgedessen geahndet werden muß." Und wie mit der Schutzpolizei und den Postschaffnern, so ist es mit den Straßenbahnschaffnern und den U- B a h n- A n- gestellten. Auch sie haben dicke Dienstkleidung an, bei der dem leichter Gekleideten schwül und übel wird, wenn er sie nur ansieht. Die Antwort, warum das alles, ist in Preußen so einfach. Weil überall in den oberen Dienststellen gewisse Herren als Vorgesetzte fungieren, die den allergrößten Wert darauf legen, daß der Beamte immer als Beamter auftritt. Dienstkleidung wie zu Großvaters Zeiten mit Schnürchen, Börtchen, Sternchen und Kinkerlitzchen. Dienstkleidung sagt man, Uniform meint man. Der ununiformierte Beamte könnte sich ja mal als Mensch fühlen, der uniformierte darf

das nicht. Uniform, das heißt, scharfe Disziplin, Augen rechts, immer rechts, Hacken zusammen. Und überall, wo der Beamte im Dienst ist, da ist für chn, und mögen es 40 Grad Hitze fein, der Kasernen- Hof. Und überall schleicht unsichtbar ein Herr Vorgesetzter oder ein Herr Kontrolleur herum und achtet darauf, ob die Beamten auch vorschriftsmäßig erscheinen Und wenn selbst in dem letzten Jahr- zehnt etwas besser geworden war, jetzt weht ein anderer Wind. Der preußische Schneid hat sich von seiner Ohnmacht erholt und trumpft auf. Die Beamten und Angestellten aber täten gut, wenn sie eine solche Tortur nicht in schweigender Wut hinnähmen, sondern ihre Organisationen so ausbauten und stärkten, daß sie als alleinige zentrale Gewerkschaften mit den vorgesetzten Behörden verhandeln könnten. In Amerika sitzen Richter, Anwälte und Staatsanwalt, wenn es gar so heiß ist, in Hemdsärmeln und walten ihres Amtes. In Deutschland würde man lieber einen Schlaganfall hinnehmen, ehe man sich von seinerDienstkleidung" oder heißt es hier Amts­robe? trennt. Damit der Verkehr nicht leidet... Der Rot gehorchend ist die vor kurzem endlich erfolgte R e g u- lierung des Blücherplatzes, der mit seiner doppelten Kurve den Verkehr aufs äußerste erschwerte, vom Bezirksamt Kreuzberg auf Kredit" vorgenommen worden. Die erforder- lichen Pflastersteine hat das Bezirksamt Treptow , das über ein großes Lager dieser nützlichen Dinge verfügt, leihweise zur Ver- fügung gestellt. Es will mit der Bezahlung warten, bis der Käm- merer Mittel für Kreuzberg freigeben kann. Die nicht unerheblichen Kosten für die Verlegung der elektrischen Leitungen, die notwendig geworden war, hat zunächst die Bewag übernommen und sie ge- stundet. Es besteht nämlich Ungewißheit darüber, ob bei Aende- rungen der Straßen und Plätze durch Umbau die Stadt oder die Bewag die Kosten für die Verlegung der elektrischen Leitungen zu zahlen hat. Bei diesem Streite handelt es sich mittlerweile nun schon um mehr als 3,8 Millionen Mark Kosten, die be- greiflicherweise weder die Stadt noch die Bewag tragen möchte. Damit die Sicherheit des Verkehrs inzwischen nicht leidet, hat die Bewag auch im Falle Blücherplatz die Kosten vorläufig über- nommen.

Schätze in Seen und Flüssen. Jährlich 3 Millionen Zentner Süßwasserfische. Am Sonntagvormittag erregte auf dem Müggelsee ein Dampfer die Aufmerksamkeit zahlreicher Wassersportler und Schwimmer, die von allen Seiten neugierig herbeigeeilt kamen, um dem seltsamen Treiben zuzusehen. Reben dem Dampfer fuhr noch ein Begleitboot, von dem aus an verschiedenen Stellen des Müggelsees Proben über Wasser- und Bodenbeschaffenheit gemacht wurde. Denn es handelte sich bei diesen Maßnahmen keineswegs um die Bergung eines Verunglückten, wie von den schwimmenden und bootfahrenden Zuschauern zunächst angenommen wurde, sondern um einen Vortrag mit fischereibiologischen Vorführungen. Professor Dr. W u n d s ch, der Direktor der preußischen Landesanstalt für Fischerei in Friedrichshagen , sprach au Bord des Dampfers, der von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft für Forstschutz und Naturkunde(Arso) besetzt war. über das Thema Schätze der Binnengewässer". Ueber die Bedeutung der Binnenfischerei ist man sich vielfach noch ganz im unklaren. Manchmal wird sogar behauptet, die Binnenfischer seien nur noch Spekulanten aus Entschädigung. Di« Binnenfischerei ist aber gor nicht so unwesentlich: sie bringt im Jahre ungefähr 12 5 bis 150 Millionen Kilogramm Fische auf den Markt, was etwa einem Rohertrag von 125 Millionen Mark entsprechen würde. Bemerkenswert ist weiterhin auch noch, daß im Gegen- satz zur Seefischerei der Konsum an Süßwasserfischen fast vollständig von deutschen Fischereien bestritten wird, während nur ein Drittel des Seesischbedarfs von deutschen Fahrzeugen gefangen wird. So werden z. B. in Berlin während der Wechnachtszeit etwa

QisHisi'S Herrmann BVlostar; . Anfa. (Schluß.) Anja wankte einen Augenblick stand dann wieder, neigte sich tiefer vor dem Alten, stieg über die Hockenden hin- weg und ging aufgerichtet aus der Tür. Niemand folgte ihr, auch ihre Eltern nicht, jeder war still, ein Kind fühlte das Grauen und begann zu weinen, die Mutter hielt ihm den Stock hin, es küßte ihn und war still, Anjas Mutter schluchzte ganz, ganz leise, vielleicht war es auch ein fernes Seufzen des Windes... Endlich stand auch ich auf, grüßte durch ein Nicken, das erwidert wurde, und ging der Verstoßenen nach. Ich gehe hinüber in das Haus von Anjas Eltern. Es ist dunkel darin und kalt. Ich fühle es mehr, als ich es sehe, daß Anja darin ist. Später erst sehe ich, daß sie auch ihr Kind hier gelassen hatte. Ich räume die Asche beiseite, die den glimmenden Holz- kloben vorm Verlöschen schützt, und entfache durch eifriges Blasen das Feuer. Ich wage nicht, zu Anja hinüberzusehen, die neben chrem Kinde sitzt. Eine halbe Stunde geht schweigend hin. Einmal nur höre ich, wie Anjas Zähne vor Frost aufeinandsrschlagen. Da gehe ich zu ihr, nehme ihre Hand und ziehe sie zum Feuer. Sie weint nicht. Sie hat ein Gesicht wie aus Stein, mit Schicksalsrunen darin. Nach einer Weile kommt ein Kind und bringt einen Krug mit Wein und ein Stück gebratenen Schafsfleisches. Das Kind stellt das Essen vor mir hin nicht von Anja.. Der brutale Geruch des Fleisches ist mir unerträglich. Ich stelle es in die fernste Ecke. Anja sieht mich dankbar an, steht auf und füllt einen Becher mit Wein, reicht ihn mir mit einem herzzerreißenden Lächeln hin. Ich trinke ein wenig. Das Kind hat sich längst wieder hinausgeschlichen. Manchmal glaubt man im Sausen des Windes Klänge

30 000 Pfund Karpfen verbraucht, von den«n nur 10 Proz. aus dem Ausland eingeführt werden. Die fruchtbarsten Gewässer sind in den Flachlandschasten der Tiefebene zu finden. Die kallen und tiefen Bergseen sind meist unfruchtbar. Am günstigsten sind die Gewässer, in denen sich auf dem Grunde schwarzer Faul- schlämm bildet. Dort leben besonders zahlreich die niederen Tiere, aus denen hauptsächlich die Nahrung unserer Nutzfische besteht. Wichtig ist natürlich auch, ob genügend A t e m l u f t für die Fische vorhanden ist und ob das Wasser auch im Sommer genügend Sauer st off enthält. Alle diese Dinge wurden durch Unter- suchungen festgestellt, die am Sonntag vor den Teilnehmern der Vortragsfahrt demonstriert wurden. Man erfuhr dabei auch viele andere interessante Einzelheiten, so z. B., daß der Müggelsee einen Jahresertrag von 600 bis 7 00 Zentner Fische ergibt.

Gewitter über Mecklenburg . ZV Gebäude eingeäschert. Schwerin , 22. August. Am Sonntagabend und in der Nacht zum Montag sind über beide Mecklenburg wieder, und zwar innerhalb einer Woche zum zweitenmal, außerordentlich schwere Gewitter nieder- gegangen. Nach den bisher vorliegenden Meldungen sind etwa 30 Wohnungen und Wirtschaftsgebäuo« durch Blitz- schlag in Brand gesetzt worden. In B r e s e g a r d bei Ludwigslust hat ein Wirbelsturm verschiedene Gebäude abgedeckt. Dreistöckiger Autobus mst Hundeabteil. In Rom wurde ein 88 Personen fassender dreistöckiger Autobus mit extra eingebautem Hundeabtell in Verkehr gestellt.

von dunklen Stimmen und Akkorde von Tamburitzas und langgezogene Summtöne von einer Guzle zu hören. Ich ahne, daß sie drüben in ihrem strengen Trotz das Fest- Programm durchführen. Auch Kolotanz vor dem Hause gehört dazu. Das aber, scheints, tun sie diesmal doch nicht. Als ich mich einmal herabbeuge, fallen aus meiner Tasche die Briefe aus Deutschland . Es fällt mir mit einem wieder ein, daß ich heute Weihnachten feiern wollte, beim Lesen dieser Briefe ich habe sie darum noch nicht geöffnet. Aber ich blicke auf Anja ich will ihr das nicht antun. Sie aber, deren Gesicht immer schmerzhaft zuckt, wenn sie einen Laut von drüben zu hören glaubt sie nimmt die Briefe, reicht sie mir hin wie eben den Wein, sagt leise: Lies. Lies mir vor." Wie seltsam... ich soll ihr Briefe vorlesen, Briefe über- setzen aus dem Deutschen , aus einer fernen, westlichen, weihnachtlichen Welt... Ich wage es nicht. Es scheint mir sinnlos, albern. Darum öffne ich zunächst das Päckchen, das bei meinen Sachen in der Ecke lag. Ich muß schlucken, wie ich es öffne. Obenauf liegen Tannenzweige... Die winzigen Zweige forme ich zu einem Kreis auf dem Boden der Hütte, so, daß das Feuer sie nicht versengt. In diesen Kreis lege ich die Briefe und die Kleinigkeiten, die sich im Päckchen finden. Wieder kommen Klänge aus dem Hause drüben.Lies doch", bittet Anja,bitte, lies doch!" Nun begreife ich, daß ich diese Klänge mit meinem Lesen zudecken soll. Also lese ich sehr laut, es hallt bohl wider die Steinmauern. Da sehe ich, daß Anja eingeschlafen ist, aufs letzte ae- schwächt vom Uebermaß der Angst, des Muts, des furcht- baren Erlebens... Und ich: was soll ich tun? Bei ihr bleiben? Ich halte es für meine verdammte Pflicht in diesem Augenblick. Aber gerade, daß sie mich bat, die Briefe zu lesen gerade das hat mich wieder heimisch gemacht in jener fernen Welt, zu der ich nun einmal gehöre, und in die ich doch zurückkehren werde, irgendwann, heute zum ersten- mal möchte ich sagen können: bald. So werde ich denn viel- leicht räumlich noch bei ihr bleiben, bei der Verstoßenen dort, aber innerlich ist eine tiefe Kluft entstanden zwischen mir und ihr...

Eheversprechen ziehi immer noch. Auf der Jagd nach einem frechen sjeiratsfchVindler. Die Kriminalpolizei ist zur Zeil aus der Suche nach einem ganz gerissenen Gauner, der sich mir dem Heiratsschwindel be- schästigt und sich als Arzt an der Berliner Charits aus- gibt. Der Betrüger hat schon zahlreiche Frauen und Mädchen ge- schädigt. Der Mann, der früher einmal irgendwie in der Charüe ee- wesen sein muß, hat sich von seinem dortigen Ausenthalt her die Namen und Spezialgebiete einzelner Aerzte und dabei insbesondere der Assistenzärzte gemerkt Bei seinen Bekanntschaften, die er seit März d. I. machte, gab er sich aus als Dr. Auler, Dr. Boben, Dr. Eschenbach usw. Entweder benutzt er den vollen Namen. oder ändert ihn ein wenig ab. Er erklärt dann, im Institut für Krebsforschungen. Psychiatrie usw. tätig zu sein, weist die Frauen darauf hin, daß seine Eltern sehr reich seien und erzahlt ihnen außerdem Wunderdinge von se-ner Täligkcü als Arzt Er paßt sich den Frauen, die aus allen Gesellschafts schichten stammsn. sehr gut an. Der einen oersprach er 10 000 Mark und nahm ihr dafür ein paar Brillantringe und anderen«chmuck ab. Hausangestellten prellte er um ein paar hundert Mark. Es war ihm alles ganz egal. Unter dem Ehcversprechen ent- lockte er seinen Opfern alle-. Unter seinen Bekannt- schaften gab es jedoch einige Mißtrauische. Wenn diese sich in der Eharite nach dem Arzt erkundigten, so erfuhren sie. daß tatsächlich ein Mediziner des jeweiligen Namens tätig ist. Telephonische Anrufe verstand der Betrüger rechtzeitigabzubiegen". Er er- klärte den Frauen, daß es den Chefarzt störe und sagte:Liebes Kind, ich melde mich schon!" Das tat er so lange, bis er genug erbeutet hatte: dann verschwand er. Der Bursche hatte sogar häuiig die Frechheit, sich von der Charit.5 abholen zu lassen Bei der Polizei häuften sich jetzt die Anzeigen gegen den Schwindler. Er wird beschrieben als etwa 1,78 groß. 35 bis 38 Jahre alt, mit-"nein Schmiß auf der linken Wange, etwas krummen Beinen und Hamburger Dialekt sprechend. 4- Flugzeugzusammenstoß in polen . Zwei Offiziere getötet. Posen, 22. August. Während der Beisetzung eines vor einigen Tagen verunglückten polnischen Fliegerleutnants stießen zwei über dem Friedhof kreisende Flugzeuge zusammen und stürzten ab. Die Apparate, zwei neue schwere Eindecker, wurden zerstört. Von den Piloten, zwei polnischen Offizieren, war der eine auf der Stelle tot: der andere verstarb auf dem Transport zum Festungslazarett.

Nazis gefähröen Funkausstellung. Einige unglaubliche Vorkommnisse aus der Funkousstellung halten manche Leute vom Besuch ab und drohen, daß viele Aus- stellerfirmen sich in Zukunft, wenn die Ausstellungsleitung keine Gewähr für ungestörten Verlauf nimmt, sich nicht mehr an der Ausstellung beteiligen. Bereits die Eröffnungsfeierlichkeit wurde von den Nazis gestört. Sie haben im Ausstellungsgelände selbst zwei Stände, einen für SA.- Schallplättchen, den anderen für ihre MonatsschriftDeutsch der Rundfunk". Beide Stände sind mit Trupps von Nazis in Uniform besetzt, die häusig auch in geschlossenen Gruppen durch die Gänge marschieren. Aus den Ständen werden Schallplatten gespielt, die sür Andersdenkende ver- letzend und schwer beleidigend sind. Die Stände sind mit Haken- kreuzfahnen provozierend behangen. Auf dem einen stehl eine Sammelbüchse mit einem Hakenkreuz und eine große Photo- MontageJuden sehen dich an". Die Besucher, unter denen sich auch viele Ausländer befinden, besonders auch unter den Ein- käufern, die vielfach dem Judentum angehören, geben ihrer Eni- rüftung unverhohlen Ausdruck, so daß es nur eine Frage der Zeit zu sein scheint, wann es zu Tätlichkeiten kommt. Der Stand des Volks funk" in der Halle VIII erregt das besondere Mißfallen der Nazis, die in der Nähe einen Beobachtungsposten stationiert haben und regelmäßig geschlossene Vorbeimärsche der Notverord- nungsuniformen veranstalten. Wie wir hören, hat eine Reihe von Ausstellern bereits Beschwerde bei der Ausstellungsleitung eingelegt._

3n Prag wurde ein Verein gegrüdet, dessen Hauptsorge der Kampf gegen die österreichische GrußformelKüß' die Hand' bildet...

Ich sehe wieder auf meinen kümmerlichen Kranz aus Zweigen. Draußen weht Balkanwind, neben mir träumt Balkanleid, aber es ist doch eben Weihnachten, ich kann nicht widerstehen, der Kranz ist schuld... Ich greife zu Bibian und klimpre ganz leise, summe ganz zart, damit Anja nicht aufwacht:Stille Nacht, heilige Nacht ..." Aber sie wacht doch auf.Was singst du da?" Ah, nicht viel... deutsche Lieder..." Sing lauter, sing sie mir vor, bitte!" Und ich singe, und ich suche ihr die Texte ungefähr zu übersetzen. Anja hört andächtig zu, aber neben ihr schläft ihr Kind, in diesem leeren öden Haus, verstoßen, verlassen von allen ein unselige Maria mit dem Kinde... da, da endlich füllen sich langsam ihre Augen mit Tränen, und dann bricht der Kummer heraus, in langem, erlösendem Weinen, sie liegt auf den Steinen, ich halte ihren Kopf, in dem das große, qualvolle Leid ist, und aus meinem Hirn kann ich doch den widerlich winzigen, selbstsüchtigen Gedanken nicht loswerden, wie sich das gestalten soll zwischen mir und dieser Frau, die mich braucht, und der ich fremd bin, unheimlich fremd aus tiefiter Bestimmung... Mitten im Weinen hört sie plötzlich auf, richtet sich auf, nimmt mit schneller Hand die letzten Tränen vom Gesicht, blickt ins Leere:Spiele noch." Ich spiele sehr lange. Durchs Rauchloch im Schindeldach kriecht ein erster, grauer Schein. Sie betrachtet ihn auf- merksam. Morgen werde ich zurückgehen", sagt sie.Zurück ins Sägewerk." Und als ich erschrecke, mit Kopfschütteln, schmerz- lich, aber sicher lächelnd:Nicht zurück zum Jnschenjer. Nie mehr... In mir ist Erleichterung und Scham, ist Mitleid und große, große Achtung vor diesem Menschen Anja, der in meinen kleinen Gefühlen las und mich frei gibt... Ich nehme die Briefe aus dem Kranz, sorgsam, als wären es Schriftzüge aus feinstem, gesponnenem Glas. Das Schimmern aus dem Rauchloch ist zum hellen Schein ge- worden, er fällt gerade auf den Kranz. Anja packt schon ihre Sachen..,