Einzelbild herunterladen
 

Nr. 599* 49.Iabrgang

1. Beilage des Vorwärts

Vonnersiag, 25. August 4952

Die Toten an die Lebenden: Die Niobe-Katastrophe muß geklärt werden.

Die Beisetzung für die Opfer de»«Jtiobe'-Unglütf» ist beendet. Da» Schiff ist gehoben, besichtigt, untersucht. Run hat die Oessent- lichkeit da» Recht und die Pslicht, Antwort zu verlangen aus die entscheidende Frage: war die Katastrophe wirklich onvermeid- bar, also höhere Gewalt? Oder wäre sie bei grötzerer see- männischer Kenntnis und grötzerer seemännischer Vorsicht zu vermeiden gewesen? Die Einzelheiten zur Beurteilung dieser Frage sind bisher der Oeffentlichkeit nicht unterbreitet worden. Es ist höchste Zeit, daß dies jetzt geschieht. Denn nach dem dürftigen Material, das bisher über den Verlauf der Katastrophe veröffentlicht worden ist, wäre es mindestens möglich, daß Unkenntnis oder falscherSchneid" die Schuld an dem Tode so vieler junger Menschen trügen. Kein Führer eines Segelschiffes, dem nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Mannschaft anvertraut ist, kann sich daraus heraus- reden, daß er die tatsächliche Gewalt einer Gewitterbö vorher unterschätzt habe. Die Stärke einer Gewitterbö ist nur in den seltensten Fällen mit einiger Sicherheit im voraus abzuschätzen, es ist vielmehr fast stets mit der Möglichkeit eines orkanartigen, durch seine Plötzlichkeit doppelt gefährlichen Windstoßes zu rechnen. Mit Recht wird deshalb jedem jungen Segler eingeschärft, daß er bei aufziehender Gewitterwand entweder Segel zu bergen und vor Anker zu gehen hat oder bei größerem Vertrauen in die eigene Kraft wenigstens Sturmsegel zu setzen hat oder daß er, wenn er sich zu beidem etwa im Rennen nicht entschließen kann, mindestens die gesamte Mannschaft an Deck und nach Luv zu beordern hat. EineWetterkatastrophe", von der vorgestern der Chef der Marine gesprochen hat, undhöhere Gewalt", gegen die seglerische und seemännische Kunst ohnmächtig ist, kann nur in zwei Fällen anerkannt werden: wenn ein Schiff unter Vollzeug ohne jedes vorherige Anzeichen plötzlich von einer oder Windhose gepackt wird, der es unter Vollzeug nicht gewachsen ist. oder wenn eine sich vorher ankündigende so stark wird, daß das Schiff weder unter Sturmsegeln noch beiliegend(also z. B. unter halber Motor- kraft dem Wind entgegen auf der Stelle treten) sie abzuwettern vermag. Möglich, daß bei demNiobe"-Unglück einer dieser beiden Fälle vorlag aus den bisherigen Veröffentlichungen geht es aber jedenfalls nicht hervor. Und deshalb sollte die Marineleitung im allseitigen Interesse sofort eine detaillierte Darstellung der Kata- strophe, ihrer Ursachen und insbesondere der zu ihrer Abwehr ge- trossenen Maßnahmen geben. Für den Seemann zerfallt die Totalfrage nach der Vermeid- barkeit des Unglücks, also nach der Schuld der Führung am Unglück, in eine Reihe von Einzelfragen, die bisher noch nicht oder wenigstens noch nicht mit genügender Klarheit beant- wartet sind: 1. Welche Zeit lag zwischen dem Aufziehen des Gewitters und dem Einsetzen der? 2. Welche Segel wurden während dieser Zeit geborgen? Welche standen noch beim Einsetzen der? Gerefft oder unge- refft? 3. Für welche Windstärke war diese Besegelung geeignet? 4. Wie war der Kurs des Schiffes vor der?

ö. Wurde durch rechtzeitige Kursänderung dem zu erwartenden Räumen(breiteren Einfallen) der, das dem Führer aus Theorie und Praxis bekannt sein muhte, Rechnung getragen? Oder fiel die dwars(quer) ein? 6. Gab der Führer nach dem Einfallen der das Kommando zum Luven oder zum Abfallen? 7. Warum war bei der zu erwartenden schweren Gewitterbö nicht die gesamte Mannschaft an Deck? 8. Waren nicht nur die Niedergänge, sondern auch die Luken geöffnet?

Die Europaflieger in Paris . Weitere Landungen. Massot ausgeschlossen. pari», 24. August. von den Teilnehmern am Europarundflug trafen am Mittwoch der Deutsche h i r t h um 10.36 Uhr und der Tscheche Kieps um 10.23 Uhr in Orly ein. In der Gesamtwerlung liegen die beiden Polen Z wirko und Kar pinski an erster und zweiter Stelle. Ihnen folgen p o ß an dritter, der Schweizer A r e H an vierter. hirth an fünfter, I unck an sechster und M o r z i k an siebenter Stelle. Der Sporlausschuß des Aeroklubs von Frankreich hat den Europaflieger M a f f 0 t wegen feines unsportlichen verhalten» für die Dauer von drei Iahren ausgeschlossen. Im Laufe des Mittwochnachmittag trafen aus dem Flughafen Orly der Pole Giedgowd um 13.15 Uhr, Stein um 13.18, C u n 0 um 14.49 Uhr, Osterkamp um 15.11 Uhr, Änderte um 16.03 und Pasewaldt um 16.11 Uhr ein. Das schlechte Wetter, das zwischen Lyon und Stuttgart herrscht, hat eine Reihe der Teilnehmer am Weiterflug gehindert. Die polnische Maschine 0 1, die in Lyon aufgegeben hatte, ist in direktem Flug wohlbehalten in Orly eingetroffen. Ein Schaden am Fahrgestell hat den Führer veranlaßt, aus die weitere Teilnahm« zu verzichten.

Die gehobeneNiobe" zwischen den Hebeschiffen. Wir wiederholen: die Oeffentlichkeit hat ein Recht, Ant- wort auf diese Fragen zu verlangen, damit sie sich selbst ein Urteil darüber bllden kann, ob die Katastrophe vermeidbar war oder nicht, ob insbesondere alle Vorsichtsmaßnahmen, zu denen ein verant- wortungsbewußter Seemann und Kapitän beim Annahen einer in ihrer Stärke nicht abzuschätzenden Gewitterbö verpflichtet ist, recht- zeitig getroffen waren oder nicht. Es wird damit zugleich die weitere Frage beantwortet werden, ob die Auswahl und die segle- rische und seemännische Ausbildung der Offiziere, denen die Führung eines Schulschiffes anvertraut wird, in der deutschen Marine aus- reichend ist oder nicht.

Aenderungen in der Giaaisloiterie. Anzahl der Lose um 300000 herabgesetzt. Seit einiger Zeit macht sich in der Preußisch-Süddeutschen Staatslotterie bemerkbar, daß ein bedeutend geringere Anzahl Lose als früher abgesetzt werden. Während bis zum Jahre 1930 bei jeder Ziehung die volle Zahl der Lose 800 000 Stück abgesetzt werden konnte, ging der Vertauf seit 1931 ständig zurück, so daß bei der letzten Ziehung über 300000 Lose unverkauft blieben. Die Verwaltung der Staatslotterie hat sich aus diesem Grunde entschlossen, eine wesentliche Herabsetzung der Losanzahl vorzunehmen. Die Anzahl der Lose wird auf 500 000 herabgesetzt, das entspricht übrigens etwa der Zahl vor dem Kriege. Zu einer Herabsetzung des Lospreises konnte man sich allerdings nicht ent- schließen, trotzdem man sich in interessierten Kreisen gerade davon einen besseren Absatz oersprach. Die Staatslotterie glaubt jedoch, daß die Herabsetzung des Lospreises, die eine wesentliche Verwinde- rung der Gewinnchance mit sich bringen mühte,, keinen größeren Anreiz bedeuten würde und die Nachteile für alle Beteiligten die Vorteile bei weitem überwiegen würden. In Zukunft wird aller- dings, da 300 000 Lose wegfallen, nicht mehr in zwei Abteilungen gespielt werden, fondern nur noch in einer. Der Gewinnplan bleibt im Prinzip derselbe, der Prozentsatz der Gewinne zu den Losen wird sich nicht verändern. Vor allem hofft man mit dieser Maßnahme, die zum ersten Male bei der 41. Ziehung in Kraft treten wird, die sogenannten Lagergewinne zu beseitigen. Diese Gewinne auf unverkaufte Lose, die also der Staatslotterie selber zufallen, haben sehr zur Verärgerung des Publikums beigetragen. Sie sind jedoch bei dem bestehenden System der Lotterie unver» weidlich,, sobald Lose unverkauft bleiben. Nach der Einführung de» neuen Planes hofft man, wieder alle Lose abzusetzen und so auch alle Gewinne dem Publikum zuzuführen.

Landkreise an Reichsregierung. Unzureichende Entlastung durch die Notverordnung. Der Präsident des Deutschen Landkreistages . Dr. von S t e m- pel, wurde bei der Reichsregierung vorstellig, um über die Aus­wirkungen der letzten Notverordnung in den Landkreisen hinzu- weisen. Er betonte dabei die Gefahren, die für die Finanzen der Landkreise dadurch entstehen, daß die Notverordnung nicht d i e Entlastung gebracht habe, die man von ihr erhoffte. Entgegen der in der Oeffentlichkeit und auch in den maßgeben- den Regicrungskreisen vertretenen Auffassung, daß die Wohlsahrts- Hilfeverordnung vom 14. Juni 1932 den Landkreisen den Ausgleich ihrer Haushalte in nennenswertem Umfange ermöglicht habe, muß der Landkreistag an Hand zahlreicher Berichte aus allen Teilen Deutschlands feststellen, daß die Finanzentlastung der ländlichen Be- zirksfürsorgeverbände durch die Juni-Notverordnung völlig unzu- reichend ist. Die durch die Wohlfahrtserwerbslosenfürsorge besonders stark belasteten Landkreise bedürfen dringend weiterer Hilfe. Darüber hinaus muß durch Erhöhung der Reichsmittel und Aenderung des Verteilungsschlüssels denjenigen Landkreisen geholfen werden, die wie z. B. in Preußen durch die Uebertragung des Gemeindeanteils an die Krifenfürforge entgegen den Absichten der Reichsregierung eine erhöhte, über die Reichsdototionen vielfach hinausgehende, neue finanzielle Belastung erfahren haben. Hinzu kommt, daß die Zahl der Wohlsahrtserwerbslosen in den Landkreisen, und zwar auch in rein ländlichen Gebieten selbst in den Sommermonaten, in denen man mit Rücksicht auf die Erntearbeiten einen Rückgang der unterstützten Zahl erhofft hatte, weiter stark zugenommen hat.

Velg'sche und französische Schüler in Verlin. DieDeutsche Liga für Menschenrechte" hat, trotz der politischen Schwierigkeiten, es ermöglicht, daß auch in diesem Jahre der Austausch deutscher, belgischer und französischer Schüler durchgeführt worden ist. Insgesamt wurden 120 deutsche Schüler nach Belgien und Frankreich ge- schickt und es kamen etwa die gleiche Anzahl Belgier und Franzosen nach Deutschland zurück In Berlin wo sich 60 Belgier und Franzosen befinden, hat

man die Möglichkeit gehabt, den Schülern öffentliche Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Als Abschlußveranstaltung findet in der Karl-Marx-Schule eine Aufführung eines kleinen Theaterstückes statt, das von einer jungen Vorkämpferin für den Frieden verfaßt und von jungen Austauschschülern selbst gespielt wird. Das Orchester der Karl-Marx-Schule wird ebenfalls mitwirken und Oberstudiendirektor Karsen wird in dieser, am Sonnabend, dem 27. August, stattfindenden Veranstaltung die jungen Schüler begrüßen. Gefängnisurteil gegen die Tänzerin. Marianne Winkelstern soll 5000 Mark Buße zahlen. Die verkehrsableilung des Schöffengerichts Berlin-Milte ver- urteilte die Tänzerin Marianne Winkel st ern wegen fahr- lässiger Tötung des Ingenieurs Rudloff zu drei Monaten Gefängnis und den kosten des Verfahrens. Gleichzeitig wurde jedoch der Angeklagten eine Bewährungsfrist von drei Iahren gegen eine Buße von 5000 Mark an die Staatskasse bewilligt. Das Gericht stellte fest, daß die Geschwindigkeit der Angeklagten erheblich höher als 40 Kilometer gewesen sein müsie. Mit dieser Geschwindigkeit durch«ine belebte Straße und sogar über eine Kreuzung zu fahren, bedeute schon an sich eine Fahrlässig- k e i t. Besonders verpflichtet, ihre Geschwindigkeit herabzu- mindern, sei die Angeklagte gewesen, als sie gesehen habe, daß Fuß- gänger den Fahrdamm überschritten. Notwendig wäre zur Ver- meidung eines solchen traurigen Unglücksfalles eine Schritt- gefchwindigkeit gewesen, denn Autofahrer müßten sich immer be- wüßt sein, daß sie sich in einem für Pasianten gefährlichen Werk- zeug auf der Straße bewegen. Trotz aller Milderungsgründe hätte das Gericht eine Freiheitsstrafe verhängen müssen, da bei einem Vergehen, bei dem ein Menschenleben zu Tode kommt, eine Geld- strafe nicht den Strafzweck erfüllen würde.

Staatlicher Raitensänger. Die thüringische Regierung stellte einen Rattensänger staatlich an, da er sich durch besonders tüchtige Leistun- gen ausgezeichnet hatte: es war iym gelungen, in kurzer Zeit mehr als 10 000 Bisamratten zu fangen und zu töten.

Cxmissions- Tragödien. Widerstand gegen Gerichtsvollzieher und Polizei. Dem Schnellgericht wurde gestern der Erwerbslose Oskar G. vorgeführt, der als Anführer einer Demonstration zur Verhinderung einer Exmission von der Polizei festgenommen worden war. Am Sonnabend vergangener Woche sollte in der R 0 st 0 ck e r Straße 40 ein Mieter zwangsweise von. Gerichtsvollzieher aus seiner Wohnung entfernt werden, weil er längere Zeit mit der Miete im Rückstand war. Der Angeklagte hielt auf den Höfen der benach- borten Häuser Ansprachen, in denen er die Bewohner aufforderte, sofort herunterzukommen und die Exmission unmöglich zu machen. Tatsächlich sammelte sich auch eine große Menge an, so daß der Gerichtsvollzieher und die wenigen anwesenden Polizeibeamten zunächst machtlos waren und die Amtshandlung nicht durchführen konnten. Der Angeklagte wurde wegen Aufforderung zum Wider- stand gegen die Staatsgewalt trotz feiner bisherigen Unbestraftheit zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt. Gestern Nachmittag ereignete sich in der B e r g st r a ß e 5 6 in Neukölln ein ähnlicher Fall. Dort sollte ein Mieter exmittiert werden, worauf sich von dem benachbarten Arbeitsnachweis eine größere Gruppe Arbeitsloser noch der Wohnung begab, um die Ex- Mission zu verhindern. Als das herbeigerufene Ueberfallkommando die Ansammlung zerstreut hatte, konnte der Gerichtsvollzieher seines traurigen Amtes walten. Autobusunglück in Tirol. Ein Toter, zwanzig Verletzte. Innsbruck , 24. August. Auf der Reschenbachstraße bei Mals ereignete sich ein schweres Autobusunglück, das ein Menschenleben und 20 Ver» letzte forderte. Ein Württemberger Autobus aus Ravensburg mit 21 Fahrgästen kam über den Reschenbach-Paß ge- fahren, um noch vor Abend Meran zu erreichen. Auf der jäh ab- fallenden Strecke bei Sankt Vallentin auf der Heide bemerkte der Wagenführer, daß die Bremse versagte. Kaltblütig lenkte er den schweren Wagen gegen einen Allecbaum, in der Hoffnung, dieses Hindernis werde den unvermeidbaren Sturz über die Straßen- böfchung aufhalten. Der Autobus knickte den starken Baum um und stürzte dann am Straßenrand um. Alle Fahrgäste wurden heraus­geschleudert. Einige kamen unter das Auto zu liegen. Wie durch ein Wunder blieb der Chauffeur unverletzt. Vier der am schwersten oerletzten Personen mußten in das Spital nach Mals eingeliefert

'er wichhgsten Röhren j�Q�ypn u. PenNioöen) ____