Einzelbild herunterladen
 
Bracht und der Landtag. Kommissar-Regierung brüskiert Gemeindeausschuß. Ueber den Beschluß des Gemeindeausschusses des Preußischen Landtags   äußerte sich der kommissarische Innenminister Dr. Bracht dem Chefredakteur des WTB. gegenüber dahin: Die so gut wie einstimmige Ablehnung der Mahnahmen der kommissarischen Staatsregierung über die Zusammenlegung von Landkreisen und die Aufhebung von Amtsgerichten habe ihn in keiner Weise überrascht. Schon in wesentlich ruhigeren Zeiten seien die Aenderungen von Gemeinde- und Kreisgrenzen beim Par- lament auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten gestoßen. Er er- innere nur an die unerhörten Kämpfe wegen des Umgemeindungs- gesetzes im rheinifch-westfälischen Industriegebiet im Jahre 1S29. Von einer wesentlichen Benachteiligung der Bevölkerung könne keine Rede sein. Am Orte der aufgehobenen Amtsgerichte, deren Richter und sonstiges Personal nicht mehr voll zu beschäftigen gewesen seien, würden in Zukunft Gerichtstage abgehalten, die der Bevölkerung fast in allen Fällen den Weg zum neuen Gerichtssitz ersparten. Was den Publikumsoerkehr mit den Landratsämtern anlange, so seien die allenthalben erhobenen beweglichen Klagen darüber, daß die Kreiseingesesienen nunmehr zum Teil sehr viel weitere Wege zum Landratsamt hätten, maßlos übertrieben. Es werde dabei übersehen, daß das Landratsamt nicht soviel Laufkundschaft" habe, wie dies von den Gegner der Reform be- hauptet werde und daß die Einzelfälle im wesentlichen bei den kreisangehörigen Gemeinden und Städten bearbeitet werden. Im Zeitalter des Kraftwagens hätte sich im übrigen die Praxis heraus- gebildet, daß der Landrat über alle wichtigen Fragen, an denen er als staatlicher Beamter oder als Leiter der Selbstverwaltung mitzuwirken habe, an Ort und Stelle mit den Beteiligten ver- handele. Die Zusammenlegung von Kreisen, deren Zuschnitt im Zeit- alter des Telephons und der modernen Verkehrsmittel eben zu klein sei, sei der erste und notwendige Schritt für eine Derwaltungsreform gewesen. Rechtlich habe sich die kommissarische preußische Staatsregierung vor folgender Situation befunden: Die Notverordnungen des Herrn Reichspräsidenten vom 24. August 1931 und vom 6. Oktober 1931 hätten den Landes­regierungen das Recht und die Pflicht auferlegt, alle zur Aus- gleichung der Haushalte erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Auf dieser Grundlage habe dann die frühere preußische Regierung bereits am 23. Dezember 1931 die Verminderung der Zahl der Landkreise und die Aufhebung von 60 Amtsgerichten grundsätzlich angeordnet und zwar mit Wirkung vom 1. Oktober 1932 ob. Dieses Programm fei indesien von ihr nicht mehr durchgeführt worden und daher habe die kommissarische preußische Regierung vor der Entscheidung gestanden, entweder mit diesen Sparmaßnahmen Ernst zu machen oder die Sparverordnung der früheren preußischen Regierung insoweit aufzuheben, zum mindesten die Durchführung über den 1. Oktober 1932 hinaus zu ver- schieben. Da die in den Fachministerien bereits vorbereiteten Maß- nahmen über die Zusammenlegung von Landkreisen und Amts- gericht im wesentliche» das Richtige getroffen hätten, so seien sie zum letztmöglichen Zeitpunkt in Kraft gesetzt worden. Unebenheiten. insbesondere bezüglich der Grenzziehung im einzelnen, ließen sich immer noch ausgleichen. An eine Aufhebung dieser Maßnahmen im ganzen sei nicht zu denken. Er halte es auch für ausgeschlosien, daß irgendeine künftige preußische Regierung, die von Verantwortungsgefühl ge­trogen fei. sich dazu entschließen würde. Auch ein Beschluß des Landtags würde die kommissarische preußische Staatsregierung von der Erkenntnis der Notwendigkeit der Maßnahmen nicht abbringen und sie zu einer Aushebung der Verordnungen nicht veranlassen können.
Schwarzbrauner
Verhandlungen zwischen Nazis und Zentrum.
Gemeindewahlen in Sachsen  . Dresden  , 27. August.(Eigenbericht.) Wie wir erfahren, finden in ganz Sachsen   am 13. November die Gemeindewahlen statt. Die Meldung wird auf Anfrage von der Regierung bestätigt.
DieTelegraphen-Union" bringt folgende Meldung, die mit Nachrichten aus anderen Quellen weitgehend überein- stimmt: Obwohl von feiten der Nationalsozialisten wie auch von feiten des Zentrums über die Verhandlungen zwischen beiden Parteien offiziell noch nichts verlautet, wird in unterrichteten Kreisen versichert, daß man sich bezüglich der allgemeinen politischen Linie grundsätzlich be- reits geeinigt habe. Diese Einigung beziehe sich so- wohl auf Preußen wie auch auf daS Reich. Selbst über die Person eines etwaigen Kanzlers sei eine Eini- gung erzielt worden, die aber vorläufig noch nicht ge- i nannt wird. Der Name Brüning wird neuerdings wieder für das Außenministerium genannt, das ihm nach seinem Ausscheiden als Kanzler bekanntlich der Reichs- Präsident schon zugedacht hatte, das aber Brüning da- mals unter der Kanzlerschaft von Papens abgelehnt hatte. Man spricht jetzt ernstlich von einer Kombination Schleicher Brüning S t r a ß e r. Bezüglich des Reiches liegen die Tinge so. daß be- kanntlich der Reichspräsident den Reichskanzler zu ernennen hat. Es würde also darauf ankommen, Reichs- Präsident und Reichsregierung, sobald die zwischen Ratio- nalsozialisten und Zentrum vereinbarte Grundlinie dies eben ermöglicht, umgehend wissen zu lassen, daß der Reichstag eben doch nicht arbeitsunfähig sei, sondern daß eine Mehrheit vorhanden sei, die bereit wäre, einen durch das Vertrauen des Reichspräsidenten ernannten Kanzler Parlamentarisch   zu unterstützen. Es würde sich also auch in diesem Falle um keine Koalition, sondern wieder um eine Präsidialregierung handeln. Man scheint damit zu rechnen, daß aus einer solchen Sachlage möglicherweise Reichskanzler von Papen von sich aus die Konsequenzen ziehen würde. Im übrigen legt man offensichtlich Wert darauf, die Grundlagen für eine Parlamentarische Zusammenarbeit ohne Kampfeinstellung gegenüber den tragenden 5iräften der jetzigen'Regierung zu schaffen. Was Preußen angeht, so hört man, daß die Ver- Handlungen noch nicht abgeschlossen sind, doch besteh« Aussicht darauf, daß man sich auf eine neutrale Persön- lichkeit als Ministerpräsidenten einigen könne. Man nennt hier den Namen Goerdeler   offenbar in der Hoff- nung, auf diese Weise auch den Deutschnationalen   ent- gegen zu kommen. Goerdeler   gilt übrigens durchaus als ein Verfechter der Aufhebung des Dualismus zwischen Preußen und dem Reich. Der preußische Ministerpräsident könnte bei einer Neubildung des Reichskabinetts, wie sie von Zentrum und Nationalsozia- listen demzufolge angestrebt wird, als Reichsminlster auch im Reichskabinett vertreten sein. Da die Verhandlungen zwischen Nazis und Zentrum mit der größten Heimlichkeit geführt werden, läßt sich der innere Wert solcher Meldungen nicht ohne weiteres erkennen. Grober Unfug ist jedoch das Geschwätz von einerGewerk-
en- ung
schaftsregieruna", der auch führende Gewerkschafter, die poli- tisch in der Sozialdemokratie organisiert sind, zugehören sollen. Einer schwarzbraunen Bürgerblockregierung geg über wäre für die Sozialdemokratie die Oppositionsstellv von selbst gegeben! Ivos fährt zu Hindenburg  . Am Montag werden der Reichskanzler, der Reichsinnen- minister und der Wehrminister bei dem Reichspräsidenten   in Neudeck eintreffen. Es steht fest, daß auf der Konferenz, der auch Staatssekretär Meißner beiwohnt, außer dem Wirt- schaftsprogramm auch noch weitergehende Pläne erörtert
Die nationale Konzentration-
' werden, besonders solche, die sich auf das Verhältnis zum Reichstag und auf das n a ch der Reichstagstagung beziehen. Die Gerüchte über weitreichende Angriffe auf den Kern der Weimarer Verfassung   erhalten jetzt wieder neue Nahrung. In diesem Zusammenhang ist besonders interessant, daß das ' Zentrum einen Vertreter wahrscheinlich den Abg. I o o s nach Neudeck entsenden wird, um den Reichspräsi- denten, der sich von der politischen Zentrale fernhält, über die Möglichkeiten zu informieren, durch Verhandlungen zwischen Zentrum und Nazis eine, wenn auch beschränkte, Arbeits- fähigkeit des Reichstags zu schaffen. Oer Weg des Zentrums. Stuttgart  . 27. August.(Eigenbericht.) Unter der Ueberschrist:W as will das Zentrum?" ver- öffentlicht das Landesorgan des württembergischen Zentrums am Sonnabend einen längeren Artikel, der, wie es selbst sagt, den Sinn einer etwaigen Zusammenarbeit zwischen Zentrum und Nationalsozialisten auszcigen soll. Ob die Versuche zur Herbeiführung einer solchen Zusammen- arbeit von Erfolg sein werden, lasse sich noch nicht sagen. Die Ver- Handlungen gingen weiter, und«s sei noch keine Möglichkeit oerbaut. Vor allem habe sichdie praktische Form der Zu- sammenarbeit" zwischen den beiden Parteien zur Stützung einer Regierung noch nicht herausgebildet. Doch dürfe es heute schon als seststehend betrachtet werden,daß es zu keiner Koalitionsregierung alten Stils kommt". Diese werde schon durch die Verschiedenheit der inneren Einstellung beider Parteien zum Parlamentarismus verhindert. Es sei ausgeschlossen, daß sich die Nationalsozialisten mit der Er- scheinungsform des Parlamentarismus seit 1918 abfinden. Das Zentrum hingegen hoste, daß derAnschauungsunterricht", den die Regierung Brüning bezüglich des Parlaments und seiner Rechte gegeben habe, auch die künftige Einstellung befruchten werde. Auf jeden Fall gehe dos Zentrum davon aus, daß eine Zusammenarbeit von Zentrum und Nationalsozialisten im Reich unter einem ähnlichen Regime erfolgt wie unter Brüning  . Die starke Position, die in den letzten Jahren dem Amt des Reichspräsidenten zugewachsen ist, brauchte nicht beseitigt zu werden, soweit nicht die unerläßlichen Rechte des Parlaments und die Vorschriften der, Reichsverfassung davon berührt werden. Der Artikel wendet sich sodann lebhast gegen die In den letzten Tagen in gegnerischen Blättern geäußerte Unterstellung, daß das Zentrum bei seinem Bemühen um ein« Verständigung mit den Nationalsozialistennur aus Machtstreben" handele. Es hält dem entgegen, daß diese Aenderung der Taktik für das Zentrum, dessen scharfe Kampfesstellung zu den Nationalsozialisten bekannt sei, eine ganz ungeheuer schwere Belastung" wäre. von der noch nicht gewiß sei. wie es sie ertragen werde. Um einer Machtposition willen nimmt man nicht alle die Wagnisse und Gefahren in kauf, die im Gefolge eines Zu- sammenarbeiteus mit den Nationalsozialisten austreten würden." Di« jetzig« Regierung dürfe unter keinen Umständen durch das Fehlen einer parlamentarischen Mehrheit zu r e i n d i k- tatarischen Maßnahmen getrieben werden.Angesichts dieser Gefahren fühlt die Zcntrumspartei ihr Verantwortungs- bewuhtsein aufs stärkste angesprochen", zumal nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Hitler   und der Reichsregierung kein anderer Weg mehr offen geblieben und es sehr gewagt sei, alles auf die eine KartePräsidialregierung mit dem Vertrauen des Herrn Reichspräsidenten" zu setzen.
papen antwortet Kerrl. Preußenregierung fühlt sich nur dem Reichspräsidenten verantwortlich. Herr von Papen hat jetzt das Schreiben des Landtagspräsidenten Kerrl, in dem dieser auf die Jnnehaltung der Versassung(II) drängte, beantwortet. Herr von Popen legt in seinem Antwortschrelben nochmals Nach- druck aus die Versicherung, daß die kommissarische Preuhenregierung sich für ihre Handlungen nur dem Reichspräsidenten   und nicht demPreußischenLandtagverantwortlich fühlt. Herr von Papen gibt zu,daß das Fehlen einer dem Landtag   verant- wortlichen Regierung in Preußen ein höchst unerwünschter Zustand ist", für dessen Beseitigung die Voraussetzungen jedoch noch nicht gegeben(?) seien. Das von Herrn Kerrl gewünschte Eingreifen des Reichspräsi- denten in der Richtung, die Aenderung der Geschäftsordnung des Landtages durch Notoerordnung für nichtig zu erklären, lehnt Herr von Papen gleichfalls ab. Hier sei vielmehr für die beteiligten preußischen Stellen der Weg über den Staatsgerichtshof gegeben. Man darf gespannt sein, was Herr Kerrl  , der Tolerierer des Papen  -Kabinetts und neue Hüter der Verfassung, nach dieser Ab- fuhr nunmehr unternehmen wird.
oder:grundsätzlich neue Ari der Staatsführung'.
Die Wahl des Reichstagspräsidenten. Kommunisten wollen für einen Sozialdemokraten stimmen. Die Telegraphen-Union meldet: In Uebereinstimmung mit der kommunistischen   Reichstags- fraktion hat der Zentralausschuß derKommunistischen Partei einen Beschluß gefaßt, der sich für die Ausschaltung der Nationalsozialisten bei der Wahl des Reichstagspräsidiums einsetzt. Die Kommunisten werden im ersten Wahlgang für ihren eigenen< Kandidaten stimmen. Sollte in diesem Wahlgang der national- sozialistische Kandidat durch das Verhalten des Zentrums nicht ge- wählt werden, so wollen die Kommunisten im zweiten Wahlgang ihre Stimme für den sozialdemokratischen Kan- d i d a t e n abgeben, um die Wahl eines Nationalsozialisten zum Reichstagspräsidenten zu verhindern. In dem Beschluß wird weiter gesagt, daß die Kommunistische Partei   durch diese Maßnahme nicht im mindesten ihren Kampf gegen die Führer der Sozialdemokratie abzuschwächen gedenke.