Den Verleumdern auf den Kerfen. Crispien und Oittmann gegen schamlose Verdächtigungen.
Die Genossen Arthur C r i s p i e n und Wilhelm D i t t» mann werden von der nationalistischen Verleumdungs» kumpanei mit besonderer Aufmerksamkeit beehrt. Sie hatten gegen eine besonders bösartige Verleumdung der Wochen- schrift„Fridericus" bereits eine saftige Berichtigung geschickt. Das Sudelblatt hielt die Verleumdung aber frech aufrecht. Darauf erhielt es jetzt die folgende neue Berichtigung: In Nr. 33 des„Fridericus", 4. Augustausgabe 1932, veröffentlichen Sie unter der Ueberschrist„Crispien und Dittmann" einen Artikel, in dem Sie unsere Berichtigung vom 15. August d. I. ab- drucken und die alten sowie neue unwahre Behauptungen ausstellen. Sie lassen Herrn Karl Felsen seine unwahren Behauptungen über unseren angeblichen Besuch im amerikanischen Spionagebüro in Chaumont im Jahre 1917 wiederholen und ihn dazu behaupten, wir hätten uns mit falschen Pässen und unter falschem Namen vor- gestellt. Wir erklären nochmals, daß wir niemals in Chaumont waren, nie mit Spionagebüros in Verbindung gestanden haben und setzen hinzu, daß wir nie mit falschen Pässen unter falschem Namen im Auslande gewesen sind. Wir stellen außerdem fest, daß wir uns von der sozialdemokratischen Redakteurkonferenz im September 1914 in Berlin ab während des ganzen Krieges überhaupt nicht gesehen sowie keinerlei Beziehungen miteinander unterhalten haben und daß erst vom Märzparteitag der USPD . 1919 ab, wo Crispien in den � Borstand der USPD . gewählt wurde, dem Dittmann bereits seit 1917 angehörte, unsere nähere Bekanntschaft und gemeinsame politische Zusammenarbeit datiert. Sie behaupten wahrheitswidrig, Dittmann habe„es verstanden, während des ganzen Krieges als unabkömmlich durchzuhalten". Dittmann wurde 1915 zum Kriegsdienst eingezogen und stand bei einer Landsturm-Pionierparkkompagnie in Ielowka vor Dünaburg . Sie behaupten, Dittmann habe in der ersten Berichtigung die „Dummheit" begangen, das„Geständnis" zu machen, Delegierter des Internationalen Sozialistenkongresses in Marseille 1925 gewesen zu sein. In Wahrheit hat Dittmann damit nur einen jederzeit aus dem Kongreßprotokoll feststellbaren Tatbestand erwähnt, den zu oerheimlichen er nie eine Ursache hotte. Sie behaupten, Dittmann habe„in der zweiten Instanz des sogenannten Magdeburger Prozesses genau das Gegenteil von dem beschworen, was er in der ersten Instanz mit feierlichem Eide be- kräftigt hatte". Es hat nie eine zweite Instanz des Magdeburger Prozesses gegeben und Dittmann hat nie das Gegenteil dessen be- schworen, was er vorher unter Eid ausgesagt hatte. Sie behaupten, Dittmann habe bestritten,„die Matrosen- meuteret mit angestiftet zu haben, obwohl der kriegsgerichtlich zum Tode verurteilte und durch Erschießen Hingerichtete Matrose Reich- pietsch ebenso das Gegenteil behauptete, wie es der mit Reich- pietsch gemeinsam zum Tode verurteilte, aber begnadigte frühere Oberheizer Sachse noch heute tut". Die Unwahrheit dieser Be- hauptung hat der vierte Unterausschuß des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Reichstags in seiner vom Admiral
Brüninghaus und vom Grasen Eulenburg mitgefaßten Resolution vom 1. März 1928 mit folgenden Worten festgestellt: „Ein Beweis dafür, daß führende Persönlichkeiten der USPD . die Absichten der Matrosen gekannt und gebilligt oder die Matrosen zu ihren Handlungen angereizt hätten, ist nicht er- bracht worden. Die in Frage kommenden Mitglieder der USPD . sowie die vor dem Ausschuß vernommenen Führer der Bewe- gung haben bestritten, daß ihre Handlungen von der USPD. oeranlaßt worden seien, ebenso der erschossene Matrose Reich- pietsch noch nach seiner Verurteilung zum Tode." Sie lassen Felsen behaupten, Crispien habe in Chaumont „da- mit geprahlt, es sei ihm ein leichtes, sich selbst für zwei Wochen von seiner Truppe zu entfernen, wenn er nur über genügend Geldmittel verfüge". Weder in Chaumont , wo er niemals ge- wesen ist, noch irgendwo anders hat Crispien eine solche, seine militärischen Vorgesetzten als korrupte, bestechliche und käufliche Subjekte diffamierende Aeußerung getan. Berlin , den 29. August 1932. Arthur Crispien . Wilhelm Dittmann . Die dreisten Verleumdungen entspringen der Spekula- tion, die Sozialdemokraten würden vor den Gerichten in kurzer Zeit vogelfrei sein, wie das offen in dem Artikel aus- gesprochen wird. Der große Enthüller des„Fridericus" sucht der auf der Hand liegenden Frage, weshalb er e r st jetzt, 14Iahre nach demKriege, mit seinen Behauptungen herauskomme, damit zu begegnen, daß er Angst gehabt habe, durch die„marxistisch beeinflußten Regierungen in eine Kerkerzelle gebracht" zu werden!„Nun aber kommt der Tag", setzt er bezeichnenderweise hinzu. Aber er vergißt zu sagen, warum er nicht schon 1917 im Kriege, wo er doch keine Angst vor„marxistisch beeinflußten Regierungen" zu haben brauchte, die Strafverfolgung von Crispien veranlaßt habe, wie es doch feine Pflicht war, wenn an seinen Behauptungen wirklich etwas Wahres wäre. Mit dieser Unterlassung beschuldigt er sich selber eines schweren Verbrechens. Wie gemeingefährlich die systematische Verleum- dungskampagne ist, erhellt weiter daraus, daß der a n g e b- liche Gewährsmann des„Fridericus" nunmehr auch den Genossen Dr. B r e i t s ch e i d— der ebenfalls zum Kriegsdienst eingezogen war— beschuldigt,„mehrfach persönlich im amerikanischen Spionagebüro vorgesprochen und ungeniert und regelmäßig in den Geschäftsräumen der Deut- schen Sozialrevolutionären Partei in Paris (offenbar ein Phantasieprodukt) verkehrt" zu haben. Wann endlich wird der Reichskommissar Dr. Bracht der Aufforderung der Genossen Crispien und Dittmann ent- sprechen und im öffentlichen Interesse gegen diese Verleum- düngen einschreiten? Oder liegt kein öffentliches Interesse vor, wenn bekannte Politiker fortgesetzt der ungeheuerlichsten Verbrechen im Kriege beschuldigt werden? Sollen Sozial- demokraten wirklich vogelfrei sein?
Immerhin...!
-Glut des Bürgerkriegs austreten"- schön gesagt! Aber wär'S nicht besser gewesen, sie gar nicht erst brennen zu lassen?
Abschied im Reichstag. l�öbe verabschiedet sich vom Reichstagspersonal. Reichstagspräsident L ö b e, der mit dem Zusammentritt des neuen Reichstags sein Amt als Präsident niederlegt, versammelte am Msntag nachmittag die Beamten und Angestellten der Reichs- tagsverwaltung um sich und verabschiedete sich von ihnen mit einer kurzen Ansprache. Cr dankte zunächst seinen Mitarbeitern für ihre treue Hilfe und fuhr dann fort:„Ich habe meinerseits versucht, stets ein gutes Einoernehmen zwischen uns herzustellen, uns als einen Körper ouszufassen, der an einer gemeinsamen Auf- gäbe wirkt, nicht in dem Verhältnis von Vorgesetzten und Unter- gebenen, sondern von Mitarbeitern an einer gemein- s a m e n A u f g a b e. Es gereicht mir zur besonderen Freud«, daß es mir während meiner Amtszeit gelungen ist, manche kleinen Fort- schritte sür diejenigen zu erzielen, die es am nötigsten hatten, eine Sicherung ihrer Existenz herbeizuführen, so daß sie nicht alljährlich das Gespenst der Entlassung und der Arbeitslosigkeit bedrohte. Wir trennen uns nicht gänzlich: ich bleibe als Abgeordneter hier und wir werden uns noch weiter begegnen. Ich wünsch« deshalb, daß wir weiter zusammenarbeiten können, ich möchte sagen, in der normalen Weise, wie es bis vor einigen Jahren möglich gewesen ist. Im übrigen wünsche ich jedem einzelnen von Ihnen Wohlergehen für Ihr weiteres Leben." Der Direktor beim Reichstage, Geheimrat Galle , sprach dem scheidenden Präsidenten den Dank des Personals aus. Er erinnerte daran, daß gelegentlich außerordentliche dienstliche Anfor- derungen an Beamte und Angestellte des Reichstags gestellt worden seien und daß sie sich seit zehn Iahren auch ein« wesentliche Be- schränkung ihrer Lebenshaltung hätten gefallen lassen müssen. Wenn trotzdem jeder gern seinen Dienst getan habe, so nicht allein in dem erhebenden Bewußtsein, an hervorragender Stelle der Reichsver- waltung arbeiten zu können, sondern auch weil Präsident Löbe ein Beispiel unermüdlicher Hingab« gewesen sei. Trotz außerordentlicher geschäftlicher Inanspruchnahme habe der Präsident sür alle ein freundliches Gehör gehabt, die mit Beschwerden zu ihm kamen, er habe mit Freundlichkeit und Nachsicht gelegent- liche Versehlungen gerügt. Das alles werde ihm unvergessen sein. Galle schloß mit den ausrichtigsten Wünschen für die Gesund- heit und die weitere Tätigkeit des Präsidenten Löbe, dem die Be- amten und Angestellten ein herzliches„Auf Wiedersehen" nachriefen.
Adolf I. empfängt. Gelöbnis der Razifraktion im„Kaiserhof". Wie Wilhelm II. einst den Reichstag im Weißen Saal, so empfängt jetzt Wolf I. bei jeder Reichstagseröffnung seine Fraktion im„Kaiserhof". Dort erschienen gestern die 239, und nach einer Huldigungsrede Fricks nahm der oberste Führer höchstselbst das Wort zu einer seiner beliebten Schwätzereien, in der er nochmals versicherte, daß der Sieg absolut gesichert und nur noch eine Frage der Zeit sei, der er niemals mit mehr Ruhe und Zuversicht entgegengesehen habe als heute. Weiter führte Hitler aus: Wenn er die Haltung einzelner Persönlichkeiten der Regierung auch zu würdigen wisse, so hätten sie doch alle außer einem (Schleicher! D. Red.) nur ihren Namen einzusetzen. Hinter der NSDAP , stünden aber 14 Millionen mit grenzenlosem Vertrauen (immer noch? D. Red.). Wenn man diese Selbsteinschätzung— wie Papen — als Zügellosigkeit bezeichne, so nehme die NSDAP , diese „Ueberheblichkeit " vor der Geschichte auf sich. Zum Beuchener Urteil sagte Hitler unter anderem:„Wer für Deutschland kämpft und lebt und stirbt, hat alles Recht: und wer sich gegen Deutschland wendet, hat gar kein Recht." Die Fraktion der 239 werde ein Beispiel grenzenloser Disziplin geben, ganz gleich, auf welcher Ebene sie fechten werde, kapitulieren werde sie nicht. In dieser Art ging es weiter, bis am Ende pflichtschuldig der Begeisterungssturm einsetzte. Dann legten der Fraktions- führer Frick und nach ihm jedes Mitglied das Gelöbnis in die Hand des Führers,„in unverbrüchlicher Treue und alle- zeit wie ein Mann hinter ihm zu stehen". TU. sagt:„Denkwürdige Sitzung!"
Zentrum gegen papen. Eine Entschließung der Reichstagsfrattion. Die Zentrumsfraktion des Reichstags nahm am Montag einstimmig eine Entschließung an, in der die Richtlinien gebilligt werden, die am 11. August von den Abgeordneten Ivos und Bolz dem Reichskanzler vorgetragen worden sind. Im Verfolg dieser Haltung fand auch die Sonntagsrede des Reichs- kanzlers in Münster über die Bemühungen des Zentrums grund- sätzliche Ablehnung. In einer dazu angenommenen Entschließung heißt es wörtlich: „In der klaren Erkenntnis, daß jede Regierung, ohne Mehrheit und Vertrauen in der Volksvertretung zu besitzen, notwendiger» weise auf eine abschüssige Bahn kommen muß, arbeitet die Zentrumspartei , unbekümmert um Drohungen und Einschüchterun- gen, ihrerseits mit an der Schaffung einer Regierung, die sich auf ein« klare Mehrheit des Parlaments stützen kann und gewillt ist, mit ihm zusammenzuarbeiten, geleitet von dem Ge- danken, daß es verfassungsmäßig unmöglich und für das Reich verderblich ist, eine Reichstagsauflösung nur deswegen zu befürworten und vorzubereiten, weil der gegenwärtigen Regie- rung die Mehrheit versagt bleibt." Auch die Zentrumsfraktion des Preußischen Landtags trat am Montagabend zu einer Sitzung zusammen, in der vor ollem auch die koalitionspolitische Lage in Preußen er- örtert wurde. Abg. Dr. Graß berichtet« über den Stand der mit den Nationalsozialisten geführten Koalitionserörterungen, die entgegen der ursprünglichen Annahme am Montag noch nicht zum Abschluß kamen, vielmehr am Dienstag fortgesetzt werden sollen Die Aussprache der Zentrumsfraktion soll gleichfalls am Dienstag weitergehen. Bsjchlüss« wurden bisher nicht gefaßt.
Orei Iabre für ein Menschenleben! „Untermensch" wird„ESetmenfch" und erschießt früheren Parteifreund' Flensburg , 29. August. In dem Prozeß vor dem Flensburger Sondergericht wurde am Montagnachmittag das Urteil gegen den früheren K o m m u- n i st e n, jetzigen Nationalsozialisten Kurdzel aus Wessel- buren gesällt. Kurdzel wurde wegen Totschlags an dem Kommuni st en Wiese zu einer G e f ä n g n i s st r a f e von drei Jahren sowie zur Tragung der Kosten des Verfahrens verurteilt. In der Urtellsbegründung heißt es u. a.: Kurdzel-
Tat sei vor dem Erlaß der Notverordnung zur Terrorbekämpfung begangen worden. Außerdem habe das Gericht nicht Mord, sondern Totschlag als Affekthandlung angenommen. Der Staatsanwalt hatte die Tat des Kurdzel als„feig und gemein" bezeichnet und zwölf Jahre Zuchthaus bean- tragt. An diesem Antrag gemessen, ist der jetzige„Edelmensch" sehr billig davongekommen.
Schießerei in Eharlottenburg. Mehrere Verletzte.- Razilokal ausgehoben. In der Rönlgenstraße in Eharlottenburg spielte sich kurz vor INilternacht eine wilde Schießerei zwischen Rational - sozialislen und Kommunisten ab. Mehrere an der Schießerei Beteiligte wurden schwer verletzt und durch das Städtische Reltungsamt ins Westend -Krankenhaus übergeführt. Als da» alarmierte lleberfall- komando in der Röntgenftraße eintraf, hatten sich die Ralionalsozla- listen in ihr dortiges verkehrslokal zurückgezogen. Die Sommu- nisten halten die Flucht ergrissen, und es war ihnen gelungen, im Dunkel der Seilenstraße zu entkommen. von der Polizei wurde das Raziverkehrslokal durch- sucht und dabei wurden zwei geladene Pistolen und mehrere Stich- sowie Hiebwaffen gefunden. Z5 anwesende Rational - sozialisten, zum größten Teil SA.-Leule, wurden festgenommen und der Politischen Polizei im Polizeipräsidium übergeben. Die Ramen und die Parteizugehörigkeit der Verlehlen stehen zur Stunde noch nicht fest.
Zinssenkung für Auslandskredite. R e w P o r k. ZS. August. Die amerikanischen Gläubiger Deutschlands haben den Zinsfuß für 200 Millionen Dollar von insgesamt 400 Millionen Dollar kurz- friftiger Kredite von 6 Proz. aus 5 Proz. herabgesetzt. Ost und West vom Pazifik . USA . und die Anerkennung der Sowjetunion . London . 29. August. Dem„Times"-Korrespondenten in Washington zufolge erwägt das Staatsdepartement eine ursprünglich von R a d e k in Ge- sprächen mit amerikanischen Militär- und Marinesachverständigen in Genf gemachte Anregung, wonach die Vereinigten Staaten eine Kommission nach Sowjetrußland schicken sollen, um die Frage der Anerkennung der Sowjetregierung zu prüfen: seiner- zeit sei der Anregung kein besonderes Gewicht beigelegt worden: aber jetzt hätten ihr die Ereignisse im Fernen Osten größere Bedeutung gegeben. In Genf habe die USA. -Delegation den Sowjetoertretern erklärt, daß, falls Sowjetrußland die Dritte Internationale preisgeben würde, die Vereinigten Staaten zur Anerkennung bereit seien. Die Frage des beschlag- nahmten amerikanischen Eigentums in Ruhland und die Frage der Bezahlung der Kerenski -Anleihen hätten keine Bedeu- tung mehr. Ruhland habe geantwortet, daß die Sowjetregierung keine Propaganda in USA treiben werde, aber eine Ab- schasfung der Kommunistischen Internationale sei unmöglich.