Prinzipienfrage und Einzelwünsche.
Während der Zeit des neuen ,, Vorwärts"-Berbots ist, wie die meisten unserer Leser inzwischen erfahren haben dürften, der angekündigte diplomatische Schritt erfolgt, durch den Deutschland insbesondere von Frankreich die
Anerkennung des Prinzips der Gleichberechtigung
in der Wehrfrage erstrebt.
Dieser Schritt steht nunmehr im Mittelpunkt der internationalen Diskussion. Eine Stellungnahme wird allerdings schon dadurch erschwert, daß das deutsche Memorandum, dessen Ueberreichung ursprünglich geheim bleiben sollte und nur durch eine
nicht veröffentlicht
werden dürfte. Damit ist den weitesten Kombinationen sowohl über seinen tatsächlichen Inhalt wie auch über das wirkliche Berhandlungsziel Deutschlands Tür und Tor geöffnet. Das ist um so bedenklicher, als das Thema überaus heitel ist und mannigfaltige Probleme außen- und innenpolitischer, insbefondere auch finanzieller Art in sich schließt. Einstweilen wird in Berlin offiziell versichert, daß teine Einzelforderungen bisher erhoben worden sind, und daß die Angaben Pariser Blätter hierüber falsch find; es werde lediglich um das auf der Genfer Abrüstungskonferenz bisher nicht zugestandene Prinzip der Gleichberechtigung gerungen. Gegen dieses Bestreben fann von sozialdemokratischer Seite natürlich nichts eingewendet werden: schon Hermann Müller hat als Kanzler dieselben Forderungen erhoben, selbstverständlich mit dem Ziel der gleichmäßigen Ab rüstung. Die Reichsregierung versichert, daß sie nach wie vor, auch bei ihrem neuesten Schritt, die Gleichberechtigung in der Abrüstung verfolge.
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Allerdings ist das offenbar nur noch theoretisch gemeint, denn praktisch glaubt man in der Wilhelm- und in der Bendler straße längst nicht mehr daran, daß die Vertragsmächte bereit seien, die Gleichberechtigung in dem Sinne zuzugestehen, daß sie ihrerseits nach demselben Muster abrüsten, das sie in Versailles geschaffen und Deutschland auferlegt haben. Der Verlauf des ersten Abschnittes der Abrüstungskonferenz läßt leider diese Skepsis berechtigt
erscheinen.
Die Reichsregierung geht davon aus, daß sie Anspruch insbesondere auf gleiche Sicherheit
habe wie die anderen Mächte und die deutsche Wehrmacht daher solche Waffen besitzen dürfte, die ihr bisher durch den Friedensvertrag untersagt worden sind, die aber nach den eigenen Beschlüssen der Abrüstungskonferenz leinen offensiven, sondern einen defen fiven Charakter haben. Selbst wenn diese Waffen gemeint sind z. B. Flugzeuge, Tanks, Flugabwehrgeschütze und dergl.- nicht ausdrücklich in dem deutschen Memorandum genannt worden sind, so ist wohl kaum ein Zweifel daran, daß das der Sinn des deutschen Schrittes ist. Das geht übrigens aus verschiedenen Erflärungen des General von Schleicher in jüngster Zeit deut lich hervor. Es ist aber, wie gesagt, nicht möglich, sich über die Tragweite der deutschen Wünsche auf ,, Umbau" der Reichswehr ein flares Bild zu machen, solange sich die Regierung in Schweigen hüllt. Wir bezweifeln sehr, daß sich diese Taktik der Scheindiplomatie lichen Diskussionen, die der deutsche Schritt in der Weltpresse ausgelöst hat, wird alle Beteiligten alsbald zwingen, sich konkreter zu äußern als bisher.
en Aufreizende Urteile.
SA. spielt Polizei. - Arbeiter kommen in den Kerfer!
Hirschberg i. Schl., 2. September. ( Eigenbericht.) In Schmiedeberg( Riesengebirge ) befindet sich seit dem Mai 1932 das Arbeitsdienstlager der SAI. Die Lager: infassen wurden ständig von Nationalsozialisten angepöbelt. Am 8. Juli gegen Abend fam es in Schmiedeberg zu einem heftigen 3usammenstoß zwischen Hirschberger Erwerbslosen und auswärtigen Nationalsozialisten, die angeblich zu einem Sturmappell nach Schmiedeberg wollten. Nach diesem Zusammenstoß umstellten Schmiedeberger und auswärtige SA. mit etwa 150 Mann ohne Grund die Wohn- und Schlafräume des Arbeitsdienstlagers der SAI. Die Nationalsozialisten nahmen eine drohende Haltung gegen das Lager und die Passanten ein. Sie sperrten mit SA. Sperrfette die Zugänge zu dem Arbeitslager ab und maßten sich so Polizeibefugnisse an. Die Arbeitslagerinsassen verDie Arbeitslagerinfassen verhielten sich indessen diszipliniert. Nur aus diesem Grunde tam es vor dem Arbeitsdienstlager und darin selbst zu feinem Zusammenstoß. Schmiedeberger Arbeiter waren über die Umstellung des Lagers fehr erregt und es sammelten sich in der Nähe Gruppen dieser Arbeiter an.
Gegen 22 Uhr ging die SA.- Sperrfette gegen die Arbeiter vor. Es entstand eine erhebliche Schlägerei und da die Kommunalpolizei machtlos war, mußte auswärtige Schupo eingreifen und fonnte erst zu später Nachtffunde die Ruhe in Schmiedeberg wieder herstellen.
Bei dem Zusammenstoß hatte es erhebliche Verletzte auf beiden Seiten gegeben. Diese Vorfälle standen jetzt vor dem Hirschberger Sondergericht zur Verhandlung. Auf der Anklagebant faßen Schmiedeberger und auswärtige Arbeiter, unter ihnen acht An gehörige der Eisernen Front und vier kommu nisten. Ein einziger Nationalsozialist war ebenfalls angeklagt. Die Anklage wurde einseitig gegen die Arbeiter gerichtet. Der SA. Sturmführer Schwarz aus Schmiedeberg, der die Umstellung des Lagers angeordnet und geleitet hatte und ein als Nationalsozialist bekannter Ortspolizist erschienen bei dem Prozeß als Kron
schen Sachverständigen des Quai d'Orsay seien der Ansicht, daß der Bölferbund für das deutsche Verlangen nicht zuständig sei, da es sich um eine Revision des Versailler Vertrages handle, der vor der Gründung des Bölkerbundes abgeschlossen wurde. Auch die Abrüstungskonferenz sei angeblich nicht zuständig, weil sie nicht über eine Aufrüstung Deutschlands , also über einen Gegenstand Beschluß fassen fönnte, der mit ihrem Programm im Widerspruch stünde. Es bleibe also nur der weitläufige Weg diplomatischer Kanzleiverhandlungen, wobei Frankreich zur besseren Geltendmachung seiner Einwände sämtliche Unterzeichner des Versailler Vertrages hinzuziehen will. Inzwischen dauert das
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zeugen gegen die Arbeiter. Den Angeklagten war schwerer Landfriedensbruch und teilweise schwere Körperverletzung sowie verbotener Waffenbesig vorgeworfen. In zweitägiger Berhandlung traten gegen die parteiischen Nazizeugen zahlreiche unbeteiligte 3eugen auf, die unter Eid bekundeten, daß der Anlaß der großen Schlägerei dadurch gegeben wurde, daß der Nazipolizist Ludwig aus Schmiedeberg dem SA.- Führer Schwarz zu
gerufen hatte:
,, Machen Sie mit der SA. was Sie wollen!" und daß daraufhin Schwarz den Befehl gab:„ SA., Sperrkette bilden, SA. vor!" Das Gericht gestand den Nationalsozialisten das Recht zu, das Lager zu umstellen, um es angeblich später von der Polizei nach Waffen durchsuchen zu laffen und stützte sich im übrigen nur auf die Nazizeugen, die der Staatsanwalt ausgesucht hatte, um die angebliche Schuld der | Arbeiter erweisen zu können, trotzdem während der ganzen Verhandlung eins gegen eins stand. Ergebnis des Prozesses:
Der einzige angeklagte Nationalsozialist erhält wegen gefähr= licher Körperverlegung die gesetzliche Mindest strafe von drei Monaten Gefängnis.
Von den übrigen Angeklagten werden verurteilt: Gewert. schaftssekretär Robert Ehner, Hirschberg, Stadtver ordneter Leder, Schmiedeberg, und der Kommunist Ba san, Schmiedeberg, zu je einem Jahr 6 Monaten Gefängnis wegen schweren Landfriedensbruchs. Der Arbeiter Hirschfeld, der mit einem Messer gestochen haben soll, aber selbst schwer ver legt wurde, erhält zwei Jahre Zuchthaus und drei Jahre Ehrverluft. Die übrigen angeklagten Arbeiter werden zu drei bis neun Monaten Gefängnis verurteilt. Vier Angeklagte, denen selbst die Nazizeugen nichts nachweisen konnten, wurden freigesprochen.
Die Erregung über dieses Urteil ist bei der Arbeiterschaft des Hirschberger Tales sehr groß. Die Nachricht davon verbreitete sich bereits am Abend wie ein Lauffeuer durch alle umliegenden Ortschaften. Die Erregung ist verständlich, da von der Staatsanwaltschaft gegen die schuldigen Nationalsozialisten nicht das geringste unternommen wurde.
umlagert und zum Teil tätlich angegriffen hat. Wahr ist vielmehr, daß am 19. April 1932, dem Tage der Tat, eine zahlenmäßig weitaus geringere Menschenansammlung, die nur zum Teil aus Nationalsozialisten, im übrigen aus Neugierigen bestand, von der Polizei zerstreut worden ist. Dabei hat die Menge als solche keinen Angriff gegen die Polizeibeamten unternommen. Lediglich eine einzelne Person hat bei Beginn des Vorfalls einem nicht angeklagten Polizeibeamten einen Schlag mit einem Stock in den Nacken versetzt, weil der Beamte einen Schüler geohrfeigt hatte.
Es ist weiter unrichtig, daß mehrere Polizeibeamte nachweisen tonnten, man habe sie von hinten überfallen und mit Schlagwerkzeugen bearbeitet. Nicht einmal die Polizeibeamten selbst haben derartiges behauptet.
führten.
"
Es ist unwahr, daß randalierende Frauen den Beamten an den wird lange burchführen lassen, denn die 3. T. schon le idenschaft gegen die deutsche Forderung an. Die Blätter werfen Deutschland Hals gesprungen find, sich an ihnen festgehängt und versucht haben, vor, daß seine Forderungen nicht nur mit dem Friedensgedanken die Verhaftung von Insultanten" zu verhindern. Nur die Bedes Bölkerbundspaktes und des Locarno - Paktes, sondern auch mit gleiterin eines Passanten" hat versucht, diesen mit einem vorge dem Kellogg - Baft in Widerspruch stünden. Entweder hat der Wille haltenen Handtoffer vor Schlägen zu schützen, die einige angeklagte Deutschlands zur Wiederaufrüftung überhaupt keine praktische Be- Polizeibeamte gegen den gänzlich unbeteiligten Mann von hintenher deutung- erklärt der„ Temps " oder aber nur die, daß in Deutschland der Krieg nicht mehr als ein Verbrechen gegen jede menschliche Moral, sondern als ein Instrument zur Erreichung der Das Journal des nationalen Ziele angesehen werde." Debats" macht darauf aufmerksam, daß Deutschland mit seiner Forderung nur seine alten Verstöße gegen die Entwaffnungsbestim mungen des Versailler Vertrages legalisieren laffen wolle. Die
Geschieht das, so wird auch die Möglichkeit geschaffen sein, zum Verhalten der Regierung in dieser schwierigen und gefährlichen Frage kritisch Stellung zu nehmen. Als Maßstab der Kritik wird dabei für uns der Grundsatz gelten, daß das gleiche Recht Deutschlands unbedingt Anerkennung verdient, daß aber ein neues Rüstungswettrennen unvermeidlich zur Selbstvernichtung Europas führen müßte, und darum auch um des deut schen Volkes willen auf das entschiedenste bekämpft werden muß.
Paris , 2. September. ( Eigenbericht.) Der Präsident der Republik Lebrun fehrt am Sonnabend aus dem Sommerschloß Rambouillet nach Paris zurück, um den Vorfih in einem Ministerrat zur Prüfung des deutschen Moraforiums über die militärische Gleichberechtigung abzuhalten. Die Dienststellen des Quai d' Orsay haben das deutsche Schriftstück inzwischen eingehend durchgeprüft, anscheinend aber ohne zu irgend einem Entschluß gekommen zu sein.
Wie verlautet, wird die französische Regierung eine ausführ liche sachliche Antwort auf das deutsche Dokument vorläufig nicht geben. Sie wird sich lediglich mit der Empfangs bestätigung begnügen. Die Pariser Presse behauptet, daß Frank reich zunächst auf das Ergebnis seiner
diplomatischen Rundfrage in Washington , London , Rom , Prag , Warschau usw.
,, Liberté" meint, daß durch das neue Mißtrauen nach der deut schen Demarche die Donaukonferenz von Strefa und die Weltwirtschaftskonferenz zu einem sicheren Mißerfolg verurteilt feien.
Ein Schreckensurteil oder nicht?
Der Landgerichtspräsident von Dortmund sendet uns folgende Berichtigung unter Bezugnahme auf§ 11 des Pressegeseges:
,, Unter der Ueberschrift Ein Schreckensurteil. Drafonische Gefängnisstrafen gegen Schupobeamte." bringt der Vorwärts" in feiner Ausgabe vom 12. August 1932 über eine Verhandlung gegen 8 Schupobeamte, die vor der Dortmunder großen Straffammer stattfand, einen Bericht, der das Verhandlungsergebnis völlig entstellt wiedergibt und nicht unwidersprochen bleiben kann. Zur Aufklärung ist folgendes festzustellen:
Es trifft nicht zu, daß eine aufgehegte vielhundertköpfige natiowarten wolle, bevor es weitere Schritte unternehme. Die juristi nalsozialistische Menge ein leberfallfommando von 22 Polizisten
5167/32
Polizeibeamte haben bei dem Vorfall mehr als 60 Personen mißhandelt. Von den Mißhandelten hat keiner die Polizei angegriffen, feiner Widerstand geleistet und auch nicht einer sich geweigert, polizeilichen Räumungsverfügungen Folge zu leisten. Perfonen, die für das Reichsbanner Flugblätter verteilten, find von der Menge nicht mißhandelt worden; eine Verteilung von Flugblättern
durch Angehörige des Reichsbanners ist an dem betreffenden Tage in der Gegend des Tatortes überhaupt nicht erfolgt."
In Vertretung. gez.: Claaßen.
( Gewerkschaftliches siehe 2. Beilage.)
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