Cine unfaßbare Llngeheuerlichkeii! Das Wirtschafisprogramm der Reichsregierung./ von kriti r-rnov.
Genosse Fritz Tornow hat in der„Gewerkschastszeitung". dem Organ des ADGB. , gegen das Wirtschaftsprogramm der Reichsregierung mit vernichtender Kritik Stellung gs- nommem Wir entnehmen seinen Ausführungen folgendes: Die Aktion der Regierung besteht darin, daß die Unternehmer nach dem Verhältnis ihrer Steuerleistung und in Form einer Steuerrückerstattung Subventionen im Gesamtaus- maß von IM* Milliarden Reichsmark bekommen sollen. Eine Be- Ziehung zur Arbeitsbeschaffung besteht ausschließlich in der Ein- b i l d u n g der Regierung, daß die Unternehmer mit diesem Geld zusätzliche Arbeit ins Werk setzen würden. Da aber dafür weder auf der Jnvestitionsseite, noch— solange die Kaufkraft für Konsumgüter nicht gewachsen ist— auf der Verbrauchsgüterseite eine Absatzmöglichkeit besteht, dürfte es bei der bloßen Einbildung bleiben. Um überhaupt noch etwas zu tun, sind dann die beson- deren Subventionen für nachgewiesene Neuein st ellungen hinzugefügt worden. Die Unternehmer sollen für jeden neu eingestellten Arbeiter eine staatliche Subvention von 4 0 0 Mark bekommen. Außerdem sollen sie bei Neueinstellungen berechtigt sein, die Löhne ihrer ge- samten Belegschaft unter den Tarifsatz zu senken, und zwar pro- zentual um so tiefer, je mehr Neueinstellungen sie vornehmen. Lediglich das„Existenzminimum" soll eine untere Grenze bilden. So will es der„Änkurbelungsplan". Dieser Plan ist eine unfaßbare Ungeheuerlichkeit. In der gegenwärtigen Situation, nachdem durch immer wiederholte allgemeine Lohnsenkungen die Massenkaufkraft— und damit der Absatzmarkt und die Gesamtwirtschast— weitgehend zerstört worden ist» wäre es wahrhaftig schon schlimm genug, wenn die Regierung, statt auf eine Stärkung der Kaufkraft bedacht zu sein, noch zu weiterem Lohnabbau ermuntern würde. Was aber geschieht hier? Die Reichsregierung inszeniert unter den Unternehmern einen regelrechten Wettbewerb für den Lohnabbau. Sie seht dafür aus allgemeinen Steuermilteln hohe Geldprämien aus. nicht nur für die Sieger, sondern für jeden, der an dieser schmachvollen Konkurrenz der volksoerelendung teilnimmt. Die Papen -Regierung ruft den Unternehmern zu: Bereichert euch am Lohnabbau und der Staat wird euch dafür noch extra in bar entlohnen! Für fe 400 Rl.. die der Unternehmer vom Staate empfängt, darf er um eine gewisse Punktzahl das Lohnniveau in seinem Betriebe senken. Das ist eine Idee/ wie sie s e l b st in den ausschweifendsten lohn- politischen Phantasien des rückständigsten Unternehmer- t u m s bisher noch nicht zutage gefördert worden ist... Die berühmte automatische Krisenüberwindung im kapitalistischen System besteht bekanntlich darin, daß im Verlauf der Krise einmal wieder ein Bedarf und eine Möglichkeit für neue Investitionen entsteht. Dann kommen in den Produktions- Mittelbetrieben wieder Arbeiter in Beschäftigung, die dadurch Kauf- kraft erwerben, ohne selbst Konsumgüter herzustellen. Aus diese Weise kommt es zu Neueinstellungen auch in der Versorgungswirt- schaft, was dann rückwirkend wiederum die Bedingungen für die Investitionswirtschaft weiter verbessert. Zum Unglück für die kapi- talistische Wirtschast ist es heute so, daß durch die voraufgegangenen Ueberinvestitionen in absehbarer Zeit, auch nach Ueberwindung der Kapitalnot, neue Investitionen in nennenswertem Maße nicht mög- lich sind. Deshalb der einzige Ausweg, durch ö f f e n t- kiche Investitionen die festgesahrene privatwirtschaftliche Auto- matik der Krisenüberwindung zu ersetzen. Das ist der Volkswirt- schaftliche Sinn der Arbeitsbeschaffungspläne. Und nun kommt die Regierung Popen, tut nichts für direkte Arbeltsbeschaffung, konstruiert aber einen sicheren ZNechanis- mus, um die Reubildung von Kaufkraft zu verhindern. Dadurch wird der volkswirtschaftliche Sinn der Ar- b e i t« b e sch a f fu n g in einen kompletten Unsinn verwandelt. Wenn der Regierung die Aufgabe gestellt worden wäre, die Arbeitsbeschaffung ins Werk zu setzen, aber unter allen Umständen eine Belebung der Wirtschaft zu verhindern, dann müßte es ihr der Neio lassen, daß sie für dieses scheinbar nicht leichte Problem ein« geradezu geniale Lösung gefunden hat... Vermutlich ist die Regierung zu ihrer Idee durch das Mißverstehen der bekannten Unternehmerbehauptung gekommen, man könne zusätzliche Arbeitsaufträge hineinbekommen, wenn für diesen Fall das Recht auf niedrigere Löhne zugebilligt würde. Es liegt auf der Hand, daß in der Volkswirtschaft nicht dadurch schon ein Plus entstehen kann, daß einzelne Unter- nehmer durch den Sondervorteil billigerer Löhne anderen Unternehmern die Aufträge wegzuschnappen in der Lage sind. Ernsthaft könnten deswegen für eine solche Be- trachtung nur wirklich zusätzliche Export auftrüge in Frage kommen, die ohne eine Lohnsenkung ausfallen würden. Praktisch liegt es allerdings so, daß eine Exportsteigerung durch Lohndumping mit handelspolitischen Gegenmaßnahmen der Einfuhrländer verhin- dert werden würde, und daß in der Binnenwirtschast diese Methode — abgesehen von allem anderen— nicht angewendet werden kann, ohne die Tendenz zu allgemeiner Lohnsenkung und damit oerbun- dener Einschrumpfung des inneren Marktes wirksam zu machen. Herrn v. Papen genügt es, daß sich der einzelne Betrieb zusätzliche Arbeit verschafft. Die Prämie wird auch dann bezahlt und das Recht auf Lohnsenkung erworben, wenn die„zusätzlichen" Aufträge den Konkurrenten im eigenen Lande abgenommen werden, und da durch die planmäßige Verhinderung von neuer Kaufkraft eine vermehrte Güternachfrage nicht entstehen kann, wird praktisch in der Regel nur dieser Fall vorliegen. Visher schon war das Auskaufen und Stillegen von Konkurrenzbetrieben, um deren Aufträge auf den eigenen Betrieb zu übernehmen, häusig ein rentables Geschäft. Um wieviel mehr muß das erst der Fall fein, wenn der Staat die Betriebsschlächterei durch Subventionen auch noch planmäßig fördert.
Man kann mit Sicherheit annehmen, daß in er st er Linie die modernen, technisch gut ausgerüsteten Be- triebe von der Möglichkeit profitieren werden, mit Hilfe der Subventionen und der Lohnsenkung die Aufträge auf Kosten der anderen Betriebe zu oermehren. Die technisierten Betriebe leiden ja unter den wachsenden Kapitalkosten bei sinkendem Umsatz. Ihre Konkurrenzfähigkeit steigert sich deshalb, solange die Kapazität noch nicht voll ausgenutzt ist, nicht proportional, sondern progressiv mit der Steigerung des Umsatzes.... Wenn Aufträge von einem technisch weniger entwickelten auf einen technisch hochentwickelten Betrieb übergehen, so bedeutet das aber nicht eine bloße Umlogerung der Beschäftigung, sondern im Rahmen der Volkswirtschaft eine Vernichtung von menschlicher Arbeitstätigkeit. Der Arbeiter, der in einem technisch hochstehenden Betriebe neu angesetzt wird. erzeugt das Mehrsache an Produkten als ein Berufskollege in einem technisch rückständigen Betriebe. Tausend neue Arbeiter in modernen Großbetrieben müssen mehrere tausend Arbeiter aus der Sphäre der rückständigen Betriebe i n d i e Arbeitslosigkeit stoßen, wenn der volkswirtschaftliche Aus- tragsbestand im ganzen unverändert bleibt. Und um diesen Effekt zu erreichen, sollen 700 Millionen Mark aus öffentlichen Steuermitteln aufgewendet werden? Die Regierung hat über diesen Plan die Ueberschrift gesetzt: Arbeitsbeschaffung und Verminderung der Arbeitslosigkeit! Man stelle sich nur einmal praktisch diese groteske Sachlage vor: Diejenigen Unternehmer, denen es gelingt, den anderen die Aufträge abzujager», bekommen außerdem vom Staat eine Barprämie von 400 Mark für jeden neueinge st eilten Arbeiter und da- zu noch das Recht, ihrer gesamten Belegschaft den Lohn unter den Tarifsatz zu kürzen. Die anderen aber, denen die Aufträge abgenommen wurden und die dadurch schon in eine bedrängte Lage geraten sind, erhalten zum„gerechten Aus- gleich" nicht nur keine Subvention, sondern sie bleiben gegenüber der stärkeren Konkurrenz auch noch mit d«n höheren Tariflöhnen verhaftet. Man faßt sich an den Kopf und glaubt, einer Sinnestäuschung verfallen zu sein. Die Regierung kann doch nur die tatsächlich aus den Arbeitsbeschaffungsplänen anfallende zusätzliche Arbeit, unmöglich aber generell die Gesamtwirtschast meinen? Aber nein, in diesem Falle würden ja nur die neueinzustellenden Arbeiter
unter die Lohnkürzung fallen, während ganz unzweideutig die Gesamt belegschaft genannt ist, und zwar ohne Unterschied der Betriebe und ohne nach den Ursachen der Mehrbeschästigung zu fragen. Der Plan ist so sinnwidrig, daß man der Regierung wohl zubilligen muß, daß sie>hn in seiner praktischen B«deutung nicht erkannt hat. Schon nach der ganzen Mentalität des Gesamt- kabinetts läßt sich ja nicht gut annehmen, daß es bewußt den Bern ich tungskampf der technisierten Großindu- strie gegen das Mittel- und Kleingewerbe fördern wollte. Ebensowenig kann man der Regierung nach der prekären politischen Situation, in der sie sich besindet, zutrauen, daß sie b e- wüßt die Ankurbelungsmöglichkeiten für die Gesamtwirtschaft aus der Arbeitsbeschaffung ausmerzen wollte. Soweit mangelnde Er- kenntnisse eine Entschuldigung sind, sei sie dem Kabinett Papen zu- gebilligt. Aber genügt das zur Rechtfertigung seiner Taten? Württemberg gegen papen. Gegen die vernichtenden Folgen der 400«Mark-Prämie. Die Pressestelle des würtlembergischen Staalsministeriums beschäftigt sich mit der von der Reichsregierung in ihrem wirtschaftsprogramm ausgeworfenen Frage, wonach allen Unternehmern, die eine Reueinstellung von Arbeitern vornehmen, eine Prämie von 400 W. für jeden Arbeiter und ein 3ahr gewährt werden soll, und erklärt dazu, daß in solcher Ausmachung die Prämie diejenigen Unternehmungen schädigen würde, die in durchaus sozialer Weise den Stamm ihrer Arbeiterschaft, insbesondere durch Kurzarbeit, zu halten gesucht hätten. Sie würde die Unternehmungen einseitig begünstigen, die rücksichtslos rationalisiert und ihre Arbeiterschaft entlassen hätten. Bei der gerade in Württemberg seit langem und in weitestem Waße durchgeführten Kurzarbeit würde die Maßnahme der Reichsregierung in ihrer zunächst geplanten Form gerade in Württemberg großen Schaden mit sich bringen. Das Staatsministerium habe sich deshalb an den Reichskanzler und den Reichsarbeitsminister mit dem Ersuchen gewandt, die voraussehungen für die 400-Mark- Prämie so zu gestalten, daß diese Schädigungen und einseitigen Begünstigungen nicht eintreten könnten.
In Deutschland vermehrt sich das Angebot von Geld. In den ersten drei Augustwochen hatten die Kreditrückzahlungen bei der Reichsbank die Inanspruchnahme von Krediten zum Juliend« erheb- lich übertrosfen. Der R e i chs b a u k aus w e i s zum August- ende zeigt eine Inanspruchnahme, die als normal zu bezeichnen ist. Die Handelswechsel haben sich um 228,9 aus. 3008, 9 Millionen, die Bestände an Reichsschatzwechseln um 33.1 aus 38,9 und die Lombard- darlehen um 114,9 auf 207,4 Millionen Mark vermehrt. Daß die Banken mehr Kredite genomemn haben al» sie brauchten, zeigt die Zunahme der zinsfreien Gelder auf Girokonto um 54,6 auf 407,6 Millionen Mark. Der Notenumlauf stieg um 200,0 auf 3816,9, der an Ren- tenbankfcheinen um 18,4 auf 410,9 Millionen Mark. Zum vier- ten Male zeigt sich im R e i ch s b a n k a u s w e i s eine Vermehrung der Gold- und Devisenbestände. Die Goldbestände nahmen um 0,16 auf 768,3, die Bestände an deckunge- fähigen Devisen um 13,3 auf 156,8 Millionen Mark zu. Die Noten- deckung durch Gold und Devisen hak sich freilich durch die größeren Ultimokredite gegen die Vorwoche von 25,2 auf 24,2 Proz. ver- ringert. Oiskontsenkung am-19. September? Die Lage auf dem deutschen Geldmarkt ist schon längst für eine Diskontsenkung, d. h. für eine allgemeine Kreditverbilligung reif. Dieser stand bisher die gesetzliche und international oerankerte Be- stimmung entgegen, daß der Diskontsatz 5 Proz. nicht unterschreiten darf, solange die Gold- und Devisendeckung weniger al» 40 Proz. beträgt. Die Reichsregierung verhandelt mit den Lausanner Ver- tragspartnern, um trotzdem eine Diskontsenkung durchführen zu können. Am 19. September findet in Basel eine Sitzung des Verwaltungsrats der Bant für internationale Zahlungen statt, deren Zustimmung für die Diskontsenkung er- forderlich ist. Man erwartet allgemein, daß nach dieser Verwaltungs- ratssitzung das Reichsbankdirektorium den Reichsbankdiskont von 5 auf 4 Proz. wird herabsetzen können.
Die Lebenshaltungskosten im August. Amtlich wird mitgeteilt: Die Reichsindexziffer für die Lebenshaltungskosten(Ernährung, Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Bekleidung und„Sonstiger Be- darf") beläuft sich für den Durchschnitt des Monats August a u f 120,3 gegenüber 121,5 Proz. im Vormonat; der Rückgang beträgt somit 1,0 Proz. An dem Rückgang sind Haupt- sächlich die Bedarfsgruppen Ernährung und Bekleidung beteiligt. Es sind zurückgegangen die Indexziffern für Ernährung um 1,8 auf 111,8 Proz., Bekleidung um 0,8 auf 115,3 Proz. und sonstiger Bedarf um 0,2 auf 165,1 Proz. Die Indexziffer für die Wohnung ist mit 121,3 unverändert, die Indexziffer für Heizung und Be-
leuchtung mit 134,3 nahezu unverändert geblieben. Innerhalb der Gruppe Ernährung sind hauptsächlich die Preise für Gemüse und für Kartoffeln zurückgegangen. Zur Wende der Konjunktur. Hat Wägemann die Melodien zu Popens schauerlicher Wirtschastsmusik geliefert? Wohlwollende Beurteiler nennen Popens Wirtschaftsprogramm die Verwirklichung einer kühnen konjunkturpolitischen Idee. Ge- hindert durch das Verbot des„Vorwärts", müssen wir die inzwischen veröffentlichte Konjunkturprognose des Institut» für Kon- junkturforfchung wenigstens in groben Zügen nachtragen, wobei der Leser erkennen wird, daß wahrscheinlich Professor Wage- mann, der bekanntlich mit dem Reichswirtschastsminister Warm- bald verwandt ist, als der geniale Anreger von Popens Wirt- schaftsprogramm angesprochen werden darf. Bei der Beurteilung der weltwirtschaftlichen Ge- s a m t l a g e kommt das Konjunkturinstitut zu dem Ergebnis, daß die Weltwirtschaft als Ganzes sich nunmehr anschicke, das Krisen- ties zu überwinden. Es stützt seine Auffassung aus die Tatsachen, daß die Welthandelspreise fast allgemein anziehen, die Rohstoff- oorräte im ganzen nicht mehr zunehmen, der Mengenumsatz im Welthandel wahrscheinlich stabil geblieben sei, die Kapitalmärkte, besonders in England und Amerika , sich beleb? hätten und in den überseeischen Rohstoffländern die Konsolidierungstendenzen an- gehalten hätten. Für Deutschland ist die Prognose örheblich weniger g ü n st i g; die ganze Formulierung ist außerdem so erfolgt, als ob die Regierung zu Maßnahmen aufgefordert werden müsse. Das Institut schreibt:„Die Voraussetzungen für einen durchgreifenden Wirtschaftsaufschwung nach den Regeln der alten Kon- junkturautomatik sind, obzwar in Teilen der Weltwirtschast in greifbare Nähe gerückt, für Deutschland noch immer nicht ge- geben. Denn eine Erhöhung der Investitionstätigkeit aus pri-
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