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Beilage

Montag, 5. September 1932

Der Abend

Shalausgabe des Vorwärts

Die Pariser   Septembermorde

Zu ihrem hundertvierzigsten Jahrestag-- Von Hermann Wendel  

Die ersten Tage des September 1792, da in den Pariser   Ge­fängnissen das Blut in Strömen floß, haben sich der Großen Re­volution als Brand- und Schandmal aufgepreßt; mit Recht stellt Carlyle diese barbarischen Ereignisse der Bartholomäusnacht, den Armagnacmezeleien, der Sizilianischen Besper oder dem Aller­Schrecklichsten in den Annalen dieser Welt" an die Seite. Freilich haben auch die Feinde der Revolution, die über die wildesten Greuel der Gegenrevolution, die wüstesten Ausschreitungen des weißen Schreckens den Schleier des Schweigens breiten, alles getan, die Erinnerung an jene Greuelszenen recht frisch zu erhalten; was damals an Unheilvollem geschah, ward von ihnen ausgeschmückt, vergrößert und vergröbert, so daß heute, wie immer in solchen Fällen, die Legende die Wahrheit überwuchert. Aber wenn noch eben der Revolutionshistoriker Georges Lefebvre   bedauern durfte, daß eine zureichende kritische Studie über die Septembertage fehlt, wird diese Lücke jetzt durch eine Arbeit ausgefüllt, die Gérard Walter   unter dem Titel Les massacres de Septembre"( Die Septemberſchlächtereien) bei Payot in Paris   herausgibt. Auf Grund eines gewissenhaft durchackerten umfangreichen Materials strebt diese Untersuchung nur nach objektiver Wahrheit; ohne Für und Wider ist das Buch von der

leidenschaftslojen Nüchternheit und überzeugenden Sachlichkeit eines Seffionsprotokolls.

Vielleicht geht Walter zu wenig auf die Wochen vor den Septembermorden ein, die erst die Voraussetzungen für das Un­geheuerliche schufen. Da der Widerstand, den die Königsgewalt am 10. August in den Tuilerien teils geplant, teils geleistet hatte, allgemein als Ergebnis einer ruchlosen royalistischen Verschwörung galt, grollte seit diesem Tag die Volkswut gegen die wirklich oder vermeintlich Schuldigen; der Gedanke in die Gefängnisse einzu­dringen und die verhafteten Verschwörer vom 10. August" nieder­zumetzeln, lag drohend in der Luft. Das am 17. Auguſt eingesetzte Ausnahmegericht besänftigte die Rachegelüfte der Masse eine kurze Weile, aber daß diese unvollkommene Revolutionsjustiz auf beiden Beinen lahmte und überführte und ausgekochte Volksfeinde laufen ließ, führte der Meinung, das Volk müsse selber die Abstrafung seiner Widersacher in die Hand nehmen, neue Scharen von An­hängern zu. Aber was den Kessel zum Playzen überheizte, war doch der Krieg und nur der Krieg. Preußen und Dester­reicher rückten heran, die Feste Longwy   war gefallen, Verdun  stand vor der Uebergabe-; wehe den Revolutionären, wenn die Heere der Koalition Frankreich   überfluteten und Paris   besetzten! Zwar machten die Nationalversammlung und der revolutionäre Gemeinderat, Legislative   und Kommune, gewaltige Anstrengungen, der feindlichen Invasion einen Damm entgegenzuwerfen; das Bater­land war in Gefahr erklärt, Freiwillige wurden aufgeboten, der letzte waffenfähige Mann sollte an die Front. Aber saßen in Paris   nicht 30 000 Aristokraten? Braute sich nicht in den Ge­fängnissen eine Verschwörung zurecht? Würden, wenn alle Patrio­ten im Felde waren, die Royalisten nicht hervorbrechen, die Ge= fängnisse öffnen, die Greise nebst den Frauen und Kindern der Vaterlandsverteidiger abwürgen und das Lilienbanner auf Leichen haufen pflanzen? Wirre Ideen, aber mit schauerlicher Logik ergab sich daraus der Schluß, solcher Gefahr könne nur vorgebeugt wer den, wenn man in den Gefängnissen reinen Tisch mache.

Nicht wenige Historiker betrachten die Septembermorde als Folge eines sorgfältig ausgeheckten und systematisch durchgeführten teuflischen Planes; wenn Sybel   von dem Beschluß" spricht ,,, in ganz Frankreich   einen großen Mordschlag gegen die Widersacher der Demokratie zu richten", steht er nicht einmal heute allein, nur daß nicht jeder den gleichen Verantwortlichen sucht. Daß der be= rechnende Robespierre" den Anfang des Mordens mit Vor­bedacht auf den 2. September verlegt habe, ist Sybels Meinung; selbst ein verdienstvoller moderner Geschichtsforscher wie Ma­ thiez   versteigt sich zu der Behauptung, daß Danton   die Sep­tembermorde entfesselt" habe; verbreiteter ist die Ansicht Del= brücks, der Marat   den eigentlichen Anstifter dieses Massen­mordes" nennt, und von den revolutignären Behörden kommt durch­weg die Kommune am schlechtesten weg. Walter zeigt klipp

und klar

die Haltlosigkeit all dieser Bezichtigungen. Robespierres, Dantons, selbst Marats Schuld, die Schuld des Ministeriums, der Nationalversammlung und aller Aemter war rein passiv: sie ließen geschehen, was sie beim besten Willen nicht hindern konnten, schon weil ihnen Machtmittel nicht zu Gebote standen. Selbst mit dem Gemeinderat verhält es sich nicht viel anders. Wohl gedieh am 31. Auguſt im Kopf einiger weniger Mitglieder des Generalrats der Kommune die Idee, nicht etwa aus heiler Haut ein Blutbad unter den Gefangenen anzu­zetteln, sondern lediglich die Massen an sich zu fesseln, indem man ihrer Justiz" gegen die Verschwörer" freien Lauf ließ, aber um wieviel Eingeweihte es sich dabei handelte, ob um ein Dutzend oder nur um drei, vier, bleibt im Dunkel. Daß aber im Volk der Drang, sich selber" Recht zu verschaffen", den Siedepunkt erreicht hatte, erwiesen am 2. September, einem Sonntag und Festtag des Patriotismus, da die Sturmglocke hämmerte, die Alarmtrommel wirbelte und überall Werber die Freiwilligen aufriefen, die Be­schlüsse mehrerer Sektionen. Boran ging die durchaus zahme Sektion La Poissonière, deren Generalversammlung, wie die der anderen in Permanenz tagend, den Antrag annahm, alle zur Zeit in den Gefängnissen von Orleans   und Paris   festgehaltenen Staats­verbrecher vor dem Abmarsch der an die Grenzen eilenden Bürger zu Tode zu bringen; andere Sektionen, wie Lurembourg und Quinze- Bingt, schlossen sich an.

Aber ehe von dieser Seite unmittelbarer Anstoß kommen konnte, hatte das Volk

aus freien Stücken mit dem Morden begonnen.

In den ersten Nachmittagsstunden wurden zwanzig Geistliche, die den Bürgereid verweigert hatten und deshalb als besonders ge­fährliche Feinde der neuen Ordnung allen Haß auf sich zogen, aus dem vorläufigen Gewahrsam des Rathauses in. das Abtei- Gefäng­nis übergeführt. Als sich die Wagen mit den Gefangenen, von Nationalgardisten geleitet, durch eine erregte, mütende, murrende

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Menge schoben, kam es wie von selbst zu Beleidigungen, zu Stein­würfen, zum ersten Totschlag, und was noch lebte, wurde bei der Ankunft vor dem Gefängnis von Rasenden zerfleischt. Wie ein Raubtier, das Blut geleckt hat, warf sich die Menge danach auf 38 Schweizergardisten, Tuilerien- Verteidiger vom 10. August, und 38 Schweizergardisten, Tuilerien- Verteidiger vom 10. August, und machte sie erbarmungslos nieder. Zwei an Ort und Stelle ent­sandte Gemeinderatsmitglieder vermochten nichts auszurichten; die Masse hielt lediglich für eine Stunde mit dem Mezzeln inne, damit die Kommune das Verlangen: Wir wollen eine prompte Justiz!", anerkenne. Auf Vorschlag Billaud- Varennes faßte der Generalrat gegen Widerspruch den Beschluß, Kommissäre nach der Abtei zu schicken, um die Haftregister durchzusehen und dem Volke alle an der Affäre vom 10. August Beteiligten auszuliefern". Zu= gleich richteten die beiden Polizeiverwalter der Kommune, Panis und Sergent, nicht im Auftrag, sondern auf eigene Faust, an die Schlächter folgende Weisung: Im Namen des Volkes, Kame= raden, wird euch aufgegeben,

alle Gefangenen der Abtei ohne Unterschied zu richten, mit Ausnahme des Abbé Lenfant, der in Sicherheit zu bringen ist." Dieser Befehl entfettete nicht, wie man oft behauptet hat, das Morden, da sich längst die Leichen häuften; vielmehr diente er dazu, die Volksjustiz in eine gewisse Form zu bringen und das ganz planlose Hinschlachten zu zügeln. In der Tat trat unter dem Borsiz des Bastillenstürmers Stanislas Maillard eine Art Gericht zusammen, das jeden einzelnen Fall, wenn auch sehr oben= hin, prüfte und sich jeden Angeschuldigten zum Verhör vorführen ließ. Ueberzeugte sich die improvisierte Geschworenenbank von der Schuld, verfügte Maillard: Freilassen!", und der Unglückliche, in den Garten hinausgestoßen, endete sofort unter Säbelhieben und Pikenstößen. Ein für unschuldig Erkannter dagegen wurde unter lebhaften Rufen: Hoch die Nation!", unter Umarmungen und sogar Freudentränen der blutbesudelten Henker wirklich in Freiheit gesetzt.

Aehnlich ging es im Gefängnis La Force zu, wo allerdings das Gemezzel erst gegen Mitternacht begann; auch hier bildete sich. ein Tribunal unter Vorsitz Duval d'Estaings, den, nicht zu diesem Zweck, die Kommune als Kommissär hierher gesandt hatte. Auch hier gab es Verurteilungen und Abschlachtungen, darunter die der Prinzessin Lamballe  , Freundin Marie Antoinet= tens, auch hier Freisprüche und Entlassungen Ein Provinz geistlicher rettete seine Haut, indem er beteuerte, daß er ein Bauernsohn und der Sache des Volkes ganz ergeben sei, und der Abbé Flaust schwor den verlangten Eid auf Freiheit und Gleich heit, und kam so davon. Im Karmeliterkloster, mo nur

Geistliche, unter ihnen der als Gegenrevolutionär verschriene Erz bischof von Arles  , Dulau, den Tod fanden, leitete ein Delegier ter nicht der Kommune, sondern der Sektion des Luxembourg  , namens Violette die grauenhaften Operationen, die bei nur neun Verschonten in zwei Stunden beendet waren. Unmittelbar vor den Augen, aber kaum unter Mitwirkung des Komitees der Sektion der Sansculotten, ging dagegen am Abend des 3. Sep­tember die Hinmordung der Geistlichen vor sich, die im Seminar Saint- Firmin gefangen saßen. Etwas wie ein Gericht hatte sich auch im Bicêtre Gefängnis eingenistet, das anfangs viele Freilassungen anordnete; den Todgeweihten wurde, ehe man sie zur Erledigung in den Garten abschob, mit Kreide ein Kreuz auf den Rücken gemalt. Hier vollzog sich vielleicht das Haar­sträubendste und Entsetzlichste dieser Tage: Der Zuchtmeister der mit Bicêtre verbundenen Korrektionsanstalt für Jugendliche, Boyer, bat das Volkstribunal, auch über seine 55 3öglinge zu Gericht zu sitzen, und

lieferte 33 als unverbesserlich" den Schlächtern aus. Andere Gefängnisse waren Schauplatz von Mezeleien, ohne daß auch nur die Finger der Kommune oder der Sektionen sichtbar wurden: die Conciergerie, wo es den Schweizer   Offizieren

und den Assignatenfälschern ans Leben ging, das Chàtelet, der Sankt- Bernhards- Turm, wo 72 auf ihren Abtransport wartende Galeerensträflinge der Massenwut zum Opfer fielen, und in den Morgenstunden des 4. September das Frauengefängnis, La Salpêtrière  , wo sich im wesentlichsten Prostituierte be­fanden. Die später in die Welt gesetzte Legende, daß, aus nahe­liegenden Gründen hier die Jungen verschont und nur die Aelteren massakriert worden seien, zerstört Walter: von den 52 Frei­gelassenen zählten nur 13 weniger als dreißig und 16 mehr als fünfzig Jahre, von den 35 Abgeschlachteten nur 2 mehr als sechzig und 16 weniger als vierzig Jahre!

Die Massakers, die keineswegs in allen Gefängnissen zugleich begannen, dauerten achtundvierzig Stunden, vom 2. September, 3 Uhr nachmittags, bis 4 September um dieselbe Zeit; nur in La Force floß das Blut vierundzwanzig Stunden länger.

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Die Zahl der Opfer

nein!

wurde von den Schreibknechten der Gegenrevolution um ein Biel­faches übertrieben; man sprach von 2000 bis 3000, von 6000, von 8000, ja, von genau 12 852 Getöteten! Walter weist nach, daß die wahre Zahl sich auf 1100 belief. Im Gegensatz zu einer land­läufigen Meinung, die nur abgeschlachtete Royalisten und Priester kennt, tam mehr als die Hälfte dieser Ziffer, när ich 600, auf Verbrecher des gemeinen Rechts, die man als Spießgesellen oder Werkzeuge der gegenrevolutionären Verschwörung ansah; 300 waren Geistliche, 150 Verschwörer des 10. August" und 50 Schweizer­gardisten. Die Schlächter, die sich selber Rächer der Nation" tausten, schalt noch unlängst Alfred Stern in einer Darstellung der französischen   Revolution( Propyläen- Weltgeschichte) ein ge= dungenes, blutdürftiges und raublustiges Gesindel". Blutdürstig waren, trotz mancher Beispiele von Großmut, die Septembriseure gewiß und steigerten sich hier und da in einen wahren Blutrausch hinein; als gedungen konnten sie bis zu einem gewissen Grade auch gelten, da die Kommune sie für ihr schauerliches Handwerk zu entlohnen beschloß, aber raublustiges Gesindel" Walter tut dar, daß mustergültige Ehrlichkeit sie auszeichnete; was ihre Opfer an Papieren, Geld, Wertsachen bei sich trugen, wurde säuberlich bei den Sektionen abgeliefert; einige menige, die etwas für sich zu entwenden suchten, ließen ihre Kameraden ohne weiteres über die Klinge springen. Auch gehörten die Mörder, die man auf 150 bis 300 beziffert, durchaus nicht dem an, was so­zialer Hochmut die Hefe der Bevölkerung" zu nennen beliebt; schon Lenotre staunte, daß es durchweg Angehörige friedlicher Berufe, Handelsleute, Otstverkäufer, Schneider, Hutmacher  , Schuster, Uhrmacher, Goldschmiede, Barbiere waren; wenn Walter her­vorhebt, daß sich das Tribunal aus Männern zusammensetzte, die sich in ihrem Stadtviertel eines guten Rufes erfreuten, Kaufleuten, Unternehmern, kleinen Meistern", so stellt auch Lefebvre fest, daß sich unter den Massakrierern viele Kleinbürger befanden, und Michelet   führt einen wichtigen Grund für ihr Rasen und Rabiat­sein an: die gänzliche Stockung des Handels, die Bankrotte, die Schließung der Kramläden, Ruin und Hunger.

Aber der wesentlichste Grund war doch die Furcht. In

seiner Geschichte der Revolution, die sich scharf gegen jede unklare und feige Rechtfertigung jener Greuel kehrt, hat Jean Jaurès  es unterstrichen, hinzufügend, daß selbst, wenn sie sich in blut­triefender Brutalität entlade,

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die Furcht keine revolutionäre kraft

sei. Sicher, meint er, waren unter denen, die hinterhältig und unnüz mordeten, ehrenhafte, hingegebene und wackere Patrioten. ,, Aber nicht auf ihren Charakter kommt es an, sondern auf ihr Handeln. Ihr Handeln aber entsprang der Furcht und der blinden Wut, die die Furcht erzeugt. Darum ist ihr Handeln verächtlich und auch dumm, denn es hat der Revolution in der Welt und vor der Geschichte unendlich mehr geschadet, als es die Gefangenen, die man abmürgte, selbst auf freiem Fuß hätten tun können."

Wie Gordon

starb

Ein dunkles Kapitel aus der englischen Geschichte

Von Lytton Strachey  . dem glänzenden historischen Schriftsteller Englands, sind schon mehrere Werke in deutscher  Uebersetzung erschienen. Jetzt liegt ein neues Sammelbuch seiner Auffäße unter dem Titel ,, Geist und Abenteuer"( Berlin   1932, S.- Fischer- Verlag) vor. Der Band enthält seine Untersuchungen über Voltaire, Shakespeare  , Stendhal   und englische Historiker. Am wichtigsten ist aber der Aufsatz über das Ende des Generals Gordon.

Gordon war der bekannte englische koloniale Krieger, der in den achtziger Jahren im Sudan   von den Anhängern des Mahdi, des religiös- nationalen Führers der Eingeborenen, ermordet wurde. Die Mit- und Nachwelt hat sich oft gefragt, warum die englische  Regierung, an deren Spize damals Gladstone stand, Gordon im Stich ließ. Lytton Strachey   hat jetzt durch genaue Forschungen den Schleier des Geheimnisses gelüftet. Gordon war keine welt­historische Figur, und sein Schicksal brauchte uns heute nicht allzu sehr zu erregen. Aber gewisse Methoden der englischen Weltpolitik kommen hier mit unheimlicher Deutlichkeit zum Vorschein, zumal da Lytton Strachey   nichts beschönigt. Er flagt nicht gerade an, aber er schildert doch in leicht satirischer Form die Dinge, wie sie wirklich waren..

General Gordon   war eine merkwürdige Mischung von Mystiker, Bibelforscher, Abenteurer und Alkoholiker. Er stand immer auf den Vorposten der britischen Welteroberung. Er diente fremden Re­gierungen mie China   und Aegypten  , vertrat aber dabei immer die englischen Interessen. In den achtziger Jahren hatten sich die Engländer in Aegypten   festgesezt, aber es mar noch sehr zweifelhaft, ob sie diese Position gegen den Widerstand Frankreichs  und der anderen Mächte würden behaupten fönnen. Zugleich drohte ein Krieg mit Rußland   an der indischen Grenze. Der Sudan  , das ungeheure Land am oberen Nil, mar in jener Zeit

eine Provinz Aegyptens  . Da fam es zu dem großen Aufstand des Mahdi, und man sah bald, daß Aegypten   die rebellische Provinz nicht würde halten können.

Die englische   Regierung sah sich vor eine schwere Entscheidung gestellt. Solange die Aegypter den Sudan   beherrschten, regierten dort indirekt auch die Engländer. Triumphierte aber der Mahdi  , so war Englands Einfluß in Zentralafrika   vernichtet. Die ägypti= schen Truppen waren dem Mahdi nicht gewachsen; also hätte man eine englische Armee in den Sudan   schicken müssen. Indessen bei der gespannten internationalen Lage wollte das Ministerium Gladstone eine englische Armee für den Sudan   nicht hergeben; viel­leicht fehlten eines Tages die englischen Divisionen, die man nach Innerafrika geschickt hatte, bei der Verteidigung Indiens  .

Nun wußte man, daß General Gordon  , der früher einmal im ägyptischen Dienst im Sudan   kommandiert hatte, die dortige Lage optimistisch ansah. Er traute sich zu, den Sudan   auch ohne englische Truppen gegen den Mahdi zu verteidigen. Da kam das Ministerium Gladstone auf folgenden Ausweg: Gordon wurde der ägyptischen  Regierung zur Verfügung gestellt; er erhielt den Auftrag, dank seiner besonderen Lokal- und Personenkenntnis die ägyptischen Truppen aus dem gefährdeten Sudan   herauszuführen. Der geheime Gedanke der englischen   Regierung wat dabei folgender: Gordon würde, einmal im Sudan   eingetroffen, gar nicht den Rückzug organisieren, sondern den Kampf gegen den Mahdi aufnehmen. Wenn er Erfolg hatte, war alles gut, wenn er scheiterte, dann hatte er die Instruktion der englischen   Regierung übertreten, und er starb auf eigene Verantwortung.

So ist Gordon als Opfer des hochmoralischen" Gladstone und feiner Kollegen in Khartum   ums Leben gekommen.

Arthur Rosenberg  .