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BERLIN Mittwoch

7. September 1932

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Nr. 422

B 203

49. Jahrgang

Weg mit der Sozialreaktion!

Der AfA. Bund gegen das Papen - Programm AfA.- Bund

Nach eingehender Beratung hat der AfA­Bundesvorstand zu den wirtschafts- und sozial­politischen Maßnahmen der Reichsregierung mit folgender Entschließung Stellung genommen: Das Wirtschaftsprogramm der Reichsregierung widerspricht grundsätzlich dem Verlangen der Gewerk­schaften nach einem Umbau der Wirtschaft und ausreichen­der öffentlicher Arbeitsbeschaffung. Es steht aber auch durchaus im Gegensatz zu der zuletzt vom Reichspräsidenten auf das Telegramm der Gewerkschaften abgegebenen Er­klärung ,,, daß die Lebenshaltung der deutschen Arbeiter: schaft gesichert und der soziale Gedanke gewahrt bleibt". Die Lebenshaltung der deutschen Arbeitnehmer wird durch diese Notverordnung nicht gesichert, fondern unerträglich geschmälert,

der soziale Gedanke nicht gewahrt, sondern alle sozial­politischen Errungenschaften der letzten 14 Jahre aufs schwerste gefährdet. Es ist mit den Grundsätzen der Reichsverfassung nicht in Einklang zu bringen, wenn sich die Reichsregierung unter Berufung auf den Art. 48 die Vollmacht geben läßt, alle verbürgten Rechte der Ar­beitnehmer in Sozialversicherung und Arbeitsrecht, in Fürsorge für Arbeitslose und Kriegerhinterbliebene zu ändern oder aufzuheben. Zwar erklärt die Reichsregie­rung, das Tarifrecht grundsätzlich aufrechterhalten zu wollen, tatsächlich aber wird die Unabdingbarkeit der Tarifverträge durch Ausnahmebestimmungen aufge­hoben. Zwar erklärt die Reichsregierung, die De flationspolitik nicht mehr fortsetzen zu wollen, tat­sächlich aber wird durch den Lohn- und Sozialabbau die Massenkaufkraft weiter gedrosselt. Der Versuch der Reichsregierung, die Wirtschaftskrisis durch

Steuergeschenke an die Arbeitgeber und durch Lohnabbau bei den Arbeitnehmern zu überwinden, muß daher auf den schärfsten Widerstand der Gewerkschaften stoßen.

Das Experiment mit den Steueranrechnungsscheinen ist nicht ohne Gefahr für Währung und Finanzen. In einem Augenblick, in dem der öffentliche Haushalt noch nicht ausgeglichen ist, werden für die Unternehmer die Steuern im voraus gesenkt. Statt der Finanzierung eines ausreichenden Arbeitsbeschaffungsprogramms wer den Milliarden aus öffentlichen Mitteln zur Entlastung

der privaten Unternehmen eingesetzt.

Vergeblich warten Erwerbslose und Sozialrentner auf eine Tat der Regierung, die das ihnen durch die Juni- Notverordnung zugefügte Unrecht wieder gutgemacht. Vergeblich warten alle Angestellten und Arbeiter auf eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung auf gesetz­licher Grundlage. Dieses Programm bürdet in ein­seitiger Weise

alle Opfer den Angestellten und Arbeitern auf in der Annahme, damit dem Privatkapitalismus wieder aufhelfen zu können. Zugleich aber treibt die Regierung eine Handelspolitik, die praktisch zur Ab­schnürung vom Weltmarkt führt, und eine Lohnpolitik, die eine neue starke Schrumpfung des inneren Marktes zum Gefolge haben muß. Angesichts dieser wirtschaft. lichen Tatsachen und angesichts der herrschenden inner politischen Unruhe, die durch solche Maßnahmen noch ver­schärft wird, bedeutet die Verordnung ein Experiment ohne Gewähr dafür, daß Deutschland an einer möglichen Belebung der Weltwirtschaft teilnimmt.

Die Gewerkschaften fordern von den Parteien, die sich im Wahlkampf für die Arbeitsbeschaffung und gegen den Lohnabbau, für die öffentliche Kontrolle der Wirtschaft gegen die Zerstörung der sozialen Rechte ein gesetzt haben, daß sie ihre Mehrheit im Reichstag be­nußen, die Regierung zur Aufhebung dieser Notverord. nung zu zwingen.

Brandunglück im Laubengelände

Ein Toter, eine Schwerverletzte, Pferde und Schweine verbrannt

Aber erst die Aufräumungsarbeiten gaben einen erschütternden Ueberblick über den Umfang des Brandunglücks.

3m Often Berlins , auf dem Grundffüd Landsberger, nahm sofort sechs Schlauchleitungen in Betrieb und durch auf Allee 99/103, wütete in den heutigen frühen Morgenstunden ein opfernde Arbeit konnte noch größeres Unheil verhindert werden. Großfeuer, das ein Todesopfer gefordert hat. Der Bewohner Nach mehrstündigem Wassergeben gelang es, die Flammen zu einer Laube wurde von dem Feuer überrascht und fam in den löschen. Flammen um. Eine Frau, die in einer benachbarten Laube wohnt, fonnte im letzten Augenblick von der Feuerwehr gerettet werden. Mit schweren Brandverlegungen mußte die Frau ins Krankenhaus am Friedrichshain gebracht werden. Außer­dem wurden ein Pferd, mehrere Schweine, zwei Hunde und zahl­reiches Kleinvieh ein Opfer des Flammenmeeres, das mehrere Wohn­lauben, Stallungen und Bretterschuppen völlig einäscherte.

Auf dem langgestreckten Grundstück Landsberger Allee 99/103, das einer Möbeltransportfirma gehört, hatten sich einige Händler mit ihren Familien in Wohnlauben niedergelassen. Die leichtge bauten Holzhäuser mit anschließenden Stallungen und Schuppen anden ziemlich dicht beieinander. Gegen 3.39 Uhr, als alles im tiefsten Schlafe lag, begannen die Hunde plöglich laut zu heulen. Die Tiere hatten Brandgeruch gewittert und versuchten sich von ihren Ketten zu befreien. Ein Bewohner wurde auf die Hunde aufmerksam und als er aufstand, um nach dem Rechten zu sehen, entdeckte der Mann starken Feuerschein. Eine benachbarte Wohnlaube und mehrere Schuppen brannten be reits lichterloh und der Wind trieb die Flammengarben auf die übrigen Holzbauten. In wenigen Minuten war die kleine Wohn­kolonie alarmiert. In der ersten Aufregung, wobei zunächst nur alles darum ging, das nackte Leben zu retten, achtete niemand auf den andern. Einige Bewohner versuchten noch ihr Vieh zu retten, was aber nicht mehr gelang. Das Feuer griff wie rasend um sich und als die Feuerwehr mit zwei Zügen an der Brandstätte eintraf, gab es kaum noch etwas zu retten. Der ganze Wohnlauben­und Schuppenkomplex stand in hellen Flammen. Dem Brandherd entströmte eine ungewöhnlich heftige Strahlenhize. Die Feuerwehr

Hinausgeworfen!

Bracht setzt Leyden und Klausener vor die Tür. In der Dienstagausgabe des Hugenbergschen Tag" meldet der sattsam bekannte deutschnationale Landtagsabgeordnete Bord, seines Beichens früherer Polizeioffizier, neue Forderungen auf hinaus wurf politischer Beamter an. Er tut das in einer so ausfällig frechen Sprache, daß man von jedem Handbewegung beiseite schieben würde. Borck spricht unter anderem Minister erwarten müßte, daß er solche Anmaßungen mit einer von einem ,, Ministerialdirektor, der stets um die

Herren der SPD. und des Zentrums schwänzelte, wider besseres Einsehen den Gewerkschaften alle Wünsche erfüllte und der nun treu und loyal zum neuen Kurse stehe". Er spricht von Beamten, die äußerlich vor dem Reichskommissar vielleicht friechen, hinten herum aber gegen ihn regelrecht Sabotage treiben".

Wen Bord mit diesen Aeußerungen meinte, konnte man viel­leicht erraten, aber nicht mit positiver Gewißheit aussprechen. Wie wir heute aber aus guter Quelle hören, wird der stellvertretende Reichskommissar Dr. Bra cht noch im Laufe des heutigen Tages den bisherigen Ministerialdirektor Klausener, den Dezernenten für Polizeifragen im preußischen Ministerium des Innern, zur Dis position stellen, und auch der kommunalpolitische Direktor von Leyden wird das gleiche Schicksal erleben!

Aus den Trümmern einer niedergebrannten Laube wurde die verkohlte Leiche des 55 Jahre alten Händlers Ferdinand Richter hervorgezogen.

unter den anderen rauchenden und schwelenden Schuttmassen ent­deckten die Feuerwehrbeamten ein verbranntes Pferd, zwei tote Wachhunde, zwei Schweine, zahlreiche Kaninchen und Hühner.

Eine 59 Jahre alte Händlerin Emilie Böber verdankt ihr Leben dem tatkräftigen Eingreifen der Feuerwehrleute und einiger Nachbarn. Die Unglückliche, die bereits schlimme Brandwunden er­litten hatte, wurde aus ihrer brennenden Laube gerettet und durch einen Krantenwagen der Feuerwehr sofort ins Krankenhaus geschafft.

Die Entstehungsursache des Feuers ist noch nicht bekannt. Die Kriminalpolizei hat die Untersuchung bereits aufgenommen.

Nach Aussagen der Bewohner des Wohnlaubengeländes ist es wahrscheinlich, daß der Händler Richter seine Wohnlaube selbst in Brand gestedt hat und damit den Herd zu dem Schaden­feuer legte. Er hatte schon mehrfach die Absicht geäußert, die ganze Laubenkolonie in Brand zu stecken und sich das Leben zu nehmen. Man nimmt an, daß er sich in seiner Remise nach Anlegung des Brandes erhängt hat, zumal sich schon vorher Anzeichen von Geistesgestörtheit bei ihm zeigten. Da die Remise ganz heruntergebrannt ist und die Leiche völlig verkohlt war, konnte die Todesursache nicht festgestellt werden, so daß man keine Bes stätigung über die Richtigkeit der Aussagen der Mitbewohner er­halten konnte.

Bracht hinausgetan zu werden, wenn Herr Bord den, eisernen Besen" fordert.

Was den kommunalpolitischen Dezernenten Herrn von Leyden anlangt, so gilt er als der theoretische und praktische Urheber der sogenannten Verwaltungsreform, die mit einem Striche zahlreiche Landkreise beseitigte und neuerdings auch durch Not­verordnung das ganze preußische Verwaltungssystem ,, vereinfachte". noch vor wenigen Tagen durfte er diese Reform" vor Pressever­tretern eingehend begründen. Jetzt darf er, wie der Mohr, der seine schon lange auf Beförderung warten! Schuldigkeit tat, seiner Wege gehen und anderen Platz machen, die

Als Nachfolger des Ministerialdirektors Klausener ist ein

attiver Offizier aus der Reichswehr in Aussicht ge­

nommen. Man will durch diese Verbindung der Reichswehr mit der preußischen Polizei gewisse Pläne ihrer Verwirklichung näherbringen, die feit längerer Zeit hinter den Kulissen sputen.

Börsenhausse gebrochen.

Die Spekulanten steigen aus.-- Starte Kursverlufte.

Die heutige Börse brachte zum erstenmal feit vielen Wochen einen Rückschlag, der nach der beispiellofen Kurs. steigerung der letzten Tage freilich erwartet werden mußte. Die Großspekulanten find offenbar ausgestiegen, d. h. sie haben verkauft und die Gewinne mitgenommen. Auf der anderen Seite scheint auch dem Publikum das Kaufen jetzt schon zu riskant geworden zu fein. Jedenfalls spricht man von start zurückgegangenen Publikums aufträgen. Auf den Kurstafeln waren schon zu Beginn der Börse Minuszeichen zu sehen. Der Verlauf war dann sehr uneinheitlich, doch überwogen auf allen Märkten die Kursrückgänge ganz entschieden.

Ministerialdirektor Klausener ist enragierter Zentrums­mann und stellt als Vorsitzender der Katholischen Aktion" eine besondere Nummer dar. Er ist seit Jahren im Ministerium beschäftigt, und republikanische Beamte haben vielfach an seiner durchaus nicht immer flaren Auffassung Anstoß genom­men. Wie man sagt, ist Klausener der eigentliche Bater, ja vielleicht rüdgänge gegenüber den gestrigen Schlußkursen von 3 bis sogar der Verfasser der Badehosenverordnung, die 5 Pro 3. Montanwerte gingen teilweise um 6 bis 8 Proz. zurüd. uns unter dem Namen Brachts beschert wurde. Aber selbst diese J. G. Farben sanken von 107% auf 103%; Siemens ging von 146 Aftion gegen den ,, Kulturbolschewismus im Freibad " auf 140% zurück; Gelsenkirchen von 43 auf 37, AEG. von 48 bewahrt ihn nicht davor, von seinem fatholischen Glaubensgenossen auf 45%; Reichsbantanteile von 136% auf 133%.

Auf dem Aktienmarkt ergaben sich durchschnittlich Kurs­