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BERLIN Donnerstag 8. September

1932

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Der Abend

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Zuchthaus aus Zwang

10 Pf.

Nr. 424

B 204

49. Jahrgang

Das Sondergericht Berlin gegen die Papen Verordnung

Einen interessanten Beschluß faßte heute die zweite Kammer des Sondergerichts unter Vorsitz von Landgerichtsdirektor Marsch­ner in einem zur Aburteilung stehenden unpolitischen Falle. Der Maurer Hermann Wiesemann hatte vor kurzem, am 24. August, in seiner Wohnung in Birkenwerder bei einem Streit Frau und Tochter mißhandelt. Als auf Veranlassung eines Nachbarn zwei Polizeibeamte den bedrängten Frauen zu Hilfe famen, wurden auch sie von dem wütenden Maurer beschimpft und geschlagen. Dieser Tatbestand, Widerstand gegen die Staatsgewalt und tätlicher An­griff gegen einen Polizeibeamten, unterliegt nach der Antiterror­notverordnung der Aburteilung durch das Sondergericht. Die Mindeststrafe für diesen Fall ist ein Jahr Zuchthaus.

Vor Eintritt in die Hauptverhandlung bat nun der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwait Liebknecht, das Sondergericht, den Haftbefehl gegen den Angeklagten aufzuheben, da doch die Inhaftierung des Angeklagten in diesem unpolitischen Fall nicht notwendig sei. Staatsanwaltschaftsrat Dr. Mittelbach schloß sich diesem Antrag mit der Begründung an, daß es in einem Fall mie dem vorliegenden nicht Sache des Sondergerichts oder der Staatsanwaltschaft sei, auf eine sofortige Bollstreckung des zu ver­hängenden Urteils hinzuwirken. Das Gericht habe keinen Anlaß, der Gnadeninstanz vorzugreifen, durch die allein das Urteil ab­geändert werden könne. Das Sondergericht entsprach diesen An­trägen und hob den Haftbefehl bereits vor der Verhandlung auf. Nach kurzer Beweisaufnahme über den eindeutigen Tatbestand beantragte der Staatsanwalt die Verurteilung des Angeklagten. Der Fall habe allerdings nichts mit dem politischen Terror zu tun, der durch die Verordnung des Reichspräsidenten bekämpft werden soll, aber an der Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus gebe es nichts zu deuteln, da bei dem Tatbestand des Angriffs gegen einen Beamten nach dem betreffenden Paragraphen der Verordnung feine politischen Beweggründe notwendig seien. Das Sondergericht müsse es daher dem Gnadenverfahren über­lassen, die Strafe in einer Weise zu mildern, die den tatsächlichen Berhältnissen entspreche.

Das Sondergericht verurteilte den Angeklagten wegen Ver­brechens nach§ 3 3iffer 3 der Verordnung des Reichspräsidenten gegen politischen Terror vom 9. August zu der Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus. In der Begründung sprach Landgerichts­direktor Marschner aus, daß Vergehen, wie das zur Aburteilung stehende, schon immer vorgekommen feien, und daß sie sonst nicht besonders tragisch genommen worden seien. Nunmehr sei es Auf gabe der Strafverfolgungsbehörden, zu prüfen, ob der Angeklagte eines Gnadenerweises würdig sei.

Hindenburgs Rückfehr.

Papen, Neurath und Göring bereits empfangen. Der Reichspräsident, der heute morgen aus Neudeck zurück­gefehrt ist, hat bereits am Vormittag zunächst den Reichskanzler und sodann den Reichsaußenminister zum Vortrag empfangen. Um 12.30 Uhr fand danach ein Empfang des Reichstagspräsidenten Göring statt. Diese Zusammenkunft war bisher nicht angekündigt worden. Unabhängig davon findet der Empfang des Reichstags präsidiums aljo Görings und der Vizepräsidenten durch

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Hindenburg , wie vorausgesehen, am Freitag statt.

Ruhe im Börsentempel.

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Aber es wird offenbar nur auf neues Einsteigen gewartet.

Nachdem gestern die Kursrüdgänge bis zum Börsenschluß angehalten hatten, war der heutige Börsenverlauf wesentlich ruhiger. Es wird offenbar nur kurze Zeit abgewartet, um wieder in das Hauffeschiff einzusteigen. Der Beginn der Börse war im Ver­hältnis zu gestern fest. Die Notierungen eröffneten mit 1 bis Proz. über den gestrigen Schlußkursen. Der Verlauf war un­ethheitlich, gegen 41 Uhr erwartete man aber eine feste Tendenz für den Schluß der Börse. Es liegen nämlich bei den Banten wieder neue Publikumsaufträge, vor, wenn diese auch kleiner und mit Rursbegrenzung für den Ankauf( Limite) persehen sind./

Auf dem Rentenmarkt haben sich die Abgaben ver ringert. Die Vorzugsanleihe der Reichsbahn blieb mit 82% im wesentlichen unverändert.

Postkarte genügt!

Leipzig , den 7. September 1932.

betr.: Verbot der Tageszeitung

Vorwärte".

Beschluß

des 4. Strafsenats des Reichsgerichts vom 6.September 1932.

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Geschäftsstelle

des 4.Strafsenats des Reichsgerichts

Wedekino.

Ministerial amtmann.

"

Die obenstehende Postkarte ging uns heute aus dem Reichs-| Papen- Regierung. Die lapidare Kürze dieses Kurzbescheids" gericht zu. Sie ist die Antwort auf eine ausführliche Beschwerde beleuchtet schlaglichtartig die herrlichen Zeiten, in die uns das gegen das letzte dreitägige Verbot des Vorwärts" durch die Kabinett der Barone geführt hat.

Schleicher Plan und Völkerbund

Deutsche Privatarmeen in der Rechnung

Paris , 8. September. ( Eigenbericht.)

Rabinettsrat ein nichtssagendes kommuniqué herausgegeben, in Die französische Regierung hat nach einem vielstündigen dem sie die Beratung der Antwort auf die deutsche Wehrdenkschrift unter laufende Angelegenheiten" aufzählt.

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Die Pariser Presse aber weiß zu berichten, daß die französische Antwort negativ ausfallen werde: Zunächst lehnt Frankreich jede Separatverhandlung mit Deutschland ab. Dann wird unter Berufung auf den Versailler Artikel 164 erklärt, daß Deutschland die Verpflichtung habe, sich in den Grenzen des Militär­statuts in Teil V. zu halten. Der Völkerbundsrat fann durch einstimmige Entscheidung eine Revision vornehmen.

Zum Schluß folgt eine fleine Polemik über das Dilemma Gleichberechtigung nach unten oder nach oben": Wenn Deutsch­ land die Gleichberechtigung nach oben, d. h. die Aufrüstung fordere, widerseßt es sich dem Bersailler Grundgedanken, der allgemeine A brüstung fordert. Berlangt Deutschland die Gleichberechtigung nach unten, dann muß es die Ergebnisse der Abrüstungskonferenz abwarten. Aber auch in diesem Falle darf es sich nicht das Recht herausnehmen, einseitig zu entscheiden, ob die Abrüftungs­konferenz weit genug gegangen fei..

franzöfifchen Antwort recht zufrieden, wenn auch einige lleber Selbst die nationalistische Presse ist mit diesem Inhalt der nationalisten ein glattes Nein gefordert hatten. Wie der Petit

Parifien" mitteilt, hat sich

Herriot noch einen diplomatijchen Drud in Reserve behalten; er will eventuell den Bölkerbund auf Grund des Artikels 213 anrufen und eine besondere Untersuchung über den Stand der legalen und illegalen Rüstungen in Deutschland beantragen. Die Presse der Radikalen Partei tritt nach dem Vorbild der Sozialisten auf das Entschiedenste für eine weitere Abrüstung Frankreichs ein. Die Ece Nouvelle" erklärt, daß das im Berjailler Vertrag vorgesehene Minimum der Rüftung leider noch nicht erreicht" sei. Die Republique" schreibt: Es liegt auf der Hand, daß wir nicht bei einem Nein stehenbleiben dürfen, so berechtigt es auch sein mag. Wir müssen der deutschen Forderung einen positiven Abrüstungsplan ent­gegensegen, und zwar den Plan Hoover- Herriot. Was Hoover fordert, ist die greifbare und gleichzeitige Abrüstung; was Herriot fordert, ist die internationale Kontrolle unter Berück fichtigung auch der irregulären halb militärischen Berbände."

Der sozialistische Parteiführer

Léon Blum fündigt der Regierung im Populaire" nochmals schärfste Opposition an, wenn sie etwa die Beibehaltung der französischen militärischen Ueberlegenheit durch Konzessionen an Deutschland erkaufen wollte.

" Wir wollen keine Aufrüstung Deutschlands , denn die Entwaffnung Deutschlands ist für uns der Anfang und die beste Garantie für die allgemeine Abrüstung. Wir fordern die Gleich. heit unter allen ehemaligen Kriegführenden durch ständige und progressive Verminderung aller Rüstungen."

Kommunistische Lügenhetze.

Die Rote Fahne " überschlägt sich.

Es ist immer dieselbe Geschichte! Die Sozialdemokratie fämpft gegen politische und soziale Reaktion, und die KPD. fämpft gegen die Sozialdemokratie!

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Um Papen , Hitler, Lohnraub, Verfassungsbruch kümmert bleiben nach wie vor die Sozialdemokratie und die Gemert­sich die Rote Fahne " höchstens nur nebenbei. Hauptfeinde bleiben nach wie vor die Sozialdemokratie und die Gewerk­schaften.

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat vom Reichs­tag die Aufhebung der Lohnraubverordnung gefordert. Die ,, Rote Fahne " weist in ihrem Leitartikel nach, daß das ,, Ar­beiterbetrug" und ,, Verrat" ist. Die kommunistische Fraktion hat denselben Antrag gestellt- aber das ist dann natür­lich nicht Verrat, sondern eine bolschewistisch- revolutionäre Heldentat.

In einem anderen Artikel bringt es ein Schmierfink fertig, folgenden Satz zu schreiben: ,, Schluß mit den ADGB.­Führern, die an der Durchführung dieser Verordnung mitarbeiten wollen!"

Wann wird endlich Schluß gemacht mit dem erbärm­lichen Verleumderpack, das die Arbeiter belügt und durch­einanderhezt?

Blättert man um, findet man folgenden Kernjazz: Stampfer und Wels sind mit der Aufrüstung Bapens und Schleichers hundertprozentig einverstanden."