Abschied von Heinrich Schulz . Ein Kämpfer gegen politische Barbarei. Gestern wurde der verstorbene Genoste Heinrich Schulz im Krematorium Wilmersdorf eingeäschert. Eine große Zahl von Leid- tragenden erwies ihm die letzte Ehre. Der Parteivorstand der Deutschen Sozialdemokratie war durch seine Mitglieder vertreten, die Genossen aus Wilmersdorf , deren nächster Kampfgefährte Hein- rich Schulz gewesen ist, waren fast alle erschienen. Doneben sah man die Vertreter von Kunst und Wissenschaft, die zu fördern Heinrich Schulz immer bemüht war. Rote Banner waren über dem Sarge erhoben, zu dem die schmerzgebeugten Angehörigen des Toten geleitet wurden. Beethooensche Musik bildete den Ausklang der Trauerfeier. Dann nahm für die Sozialdemokratische Partei Genosse Arthur Crispien dos Wort.„Heinrich Schulz , vom Tod bezwungen, mußte seinen Platz verlassen. Es war kein Platz der Ruhe, des Zufriedenseins und des Genießens. Es war ein Platz in der vordersten Front des kämpfenden Proletariats. Aus der sozialistischen Welt erhielt Hein- rich Schulz die Kräfte, die ihn befähigten, Kämpfer, Fichrer und Lehrer der Sozialdemokratie zu sein. Wie jeder aktive Sozial- demokrat, gab Heinrich Schulz unserer Bewegung bleibende Werte. In dem, was er zur Bereicherung der sozialdemokratischen Bewegung beitrug, bleibt er lebendig unter uns." Noch einmal rollte vor dem geistigen Auge der Trauergemeinde das Leben des Genossen Heinrich Schulz ab: wie er in der frischen Jugend Sozialdemokrat wurde, wie er als junger Lchrer aus dem Staatsdienst ausschied, um mitzuwirken, daß den Todfeinden des klassenbewußten Proletariats eine Macht entgegenstellen werde, die von einem Willen beseelt, nach einem Ziel strebend, den Gegnern geistig ebenbürtig, ja überlegen ist. Heinrich Schulz sagte sich, die schönen, die edlen Werte der menschlichen Arbeit werden den Unter- drückten vorenthalten. Das soll nicht sein! Am Anfang der sozial- demokratischen Bewegung müssen auch Wissen und Bildung stehen. Diesem Ziel gilt seine Arbeit, ihm gibt er sich hin, begeistert, stolz und trotzig nach seinem Wort aus dem„Bekenntnis eines Erwachen- den", das er 1892 schrieb:„Mag die Bourgeoisie mit Fingern aus mich weisen, mich als Gefallenen, Geächteten schelten und behandeln, mag mein Körper Hunger oder Durst leiden, nichts wird imstande sein, mir mein großes Ideal, mein Lebensziel zu verdunkeln. Ich habe den Kampf begonnen— ich werde ihn durchkämpfen." Diesim Bekenntnis ist Heinrich Schulz treu geblieben bis zur letzten Stunde! Er hat sich durchgeschlagen für sein Ideal als sozialistischer Schrift- steller und Redakteur, und er nahm seine Lehraufträge von der Sozialdemokratie entgegen. 1905 war es, als er in Bremen über Kunst, Wissenschaft und Klassenkamps sprach und das Wort von der sozialistischen Bildungsarbeit prägte, das heute Allgemein- gut geworden ist. 1998 war dieses Problem wichtiger Verhandlungs- gegenständ auf dem Parteitag von Mannheim . Heinrich Schulz referierte neben Klara Zetkin , und die Folge war die Einsetzung eines Zentral-Bildungsausschusses. Es folgte die Parteischule, deren Lehrer Heinrich Schulz war. Er hat den Begriff der Arbeiterbildung zur Geltung gebracht im Gegensatz zur sogenannten allgemeinen Bildung, zur kapitalistischen Bildung. Schon aus dieser Zielsetzung heraus mußte er auch zu einem Bahn- brecher und Führer in der sozialistischen Jugend- bewegung werden, und unsere Jugend wird ihn immer zu ihren Besten zählen. Crispien behandelte dann die Tätigkeit des Genossen Schulz als Staatssekretär und Leiter der kulturpolitischen Abteilung im Reichs- nünisterium des Innern. Gerade hier vergoß er nicht, daß bei der wachsenden politischen Bedeutung der Sozialdemokratie auch der Kampf um die geistige Befreiung des Proletariats immer mehr in den Vordergrund treten müsse. Dann sagte Crispien :„So stand Heinrich Schulz 40 Jahre lang in einem aufreibenden, ununter- brochenen Ringen. Auch ihm blieben die Bitternisse gegnerischer Niedertracht nicht erspaxt. Bolschewistische und nationalsozialistische Menschenjäger fanden sich in Gemeinschaft gegen Heinrich Schulz zusammen. Wie er darunter litt,— nicht um seiner selbst, sondern um seiner Angehörigen willen— weiß, wer ihm nahestand!" Mit einem Appell an die alten Mitstreiter und an die jungen Kämpfer, die alle an dem Beispiel und an dem Wirken von Heinrich Schulz gelernt haben, in seinem Geiste weiterzuarbeiten, schloß Crispien: ..wir wollen nach den Worten von Heinrich Schulz „mehr noch als früher in der sozialistischen Bildungsarbeit, aller Unkultur und politischen Barbarei zum Trotz. Politik und Bildung zu vereinen bestrebt sein, durch geistige Arbeit, die die Berhältnisse des Lebens durchdring» und sich umseht in praktischen Kampf bis zum Sieg wahren Menschentums." Für den Sozialistischen Kulturbund und die sozialistischen Lehrer widmete Genosse Alexander Stein sprach für die Deutscher K u n st g e m e i n j ch a f t dem toten Reichzausschusses für sozialistische Bildungsarbeit und des später be- gründeten Sozialistischen Kulturbundes hat Heinrich Schulz sein organisatorisches Talent und seine Fähigkeit entfaltet, den neuen Strömungen im gesellschaftlichen Leben nachzuspüren und Menschen au, den verschiedenen proletarischen Organisationen zusammenzu- führen, sie zu vereinige» zu einheitlichem solidarischem Wirken. Dem ist mancher praktischer Erfolg beschieden gewesen. Wichtiger war aber die aus diesem Wirken entspringende Erkenntnis, daß die politisch« und wirtschaftliche Massenbewegung des Proletariats kulturell untermauert werden muß, daß sie den ganzen Menschen ersassen muß. daß es neben politischen und wirtschaftlichen Werten auch geistige Werte und Persönlichkeitswerte zu erobern gilt."„Wir danken ihm im Namen der vielen Tausenden, denen er den Weg zur sozialistischen Erkenntnis gebahnt hat." Genosse wolsgang Heine sprach für die Deutsche K u n st g e in e i n s cha s t dem toten Heinrich Schulz den Abschiedsgruß.„Die Schassung der Deutschen Kunstgemeinschast war der Gipfel dessen, was. Heinrich Schulz getan und geleistet hat. Es entsprang seinem eigensten, persönlichsten Leben. Sein Streben war die Herstellung eines von innen kam- wenden Zusammenhanges zwischen der Kunst und dem ganzen Volk. Der deutschen Kunst, den deutschen Künstlern und dem deutschen Volke ein Förderer zu sein, war sein Ziel. Eugen Spiro dankte dem Förderer der Künstler im Namen der Künstler der Deutschen Kunstgemeinschast Er betonte, wie rein das Streben von Heinrich Schulz , das von vielen verkannt wurde, im Interesse der deutschen Künstler gewesen sei. Professor Amsel rühmte als Vertreter des Deutschen Stenographenbundes den Schöpfer der deutschen Einheitskurzschrift. Werner Schle- s j n g e r sprach ein kurzes, ergreisendes Schlußwort im Namen der engeren Freunde von Heinrich Schulz . Dos Ave Verum von Mozart ertönte, von einem Streichquartett gespielt. Während dze Fahnen sich senkten und der zweite Satz aus Beethovens Appajsionata, die Heinrich Schulz liebte, erklang, ver- sank der Sarg mit der sterblichen Hülle des toten Freundes.
Alie Regierungskunsi. C3m Zeichen des Goethe-Jahres.)
»Wir speisen Jahr um Zahr voraus. Die Schweine kommen nicht zu Fette/ Verpfändet ist der Pfühl im Bette Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.*
Zaust II. Teil, I. Akt. Am Hose des Kaisers.
Nazi-Llntersuchungstheater. Anschuldigungen gegen Schupo- Razi-Zeugenaussagen brechen zusammen.
Im sogenannten Polizei-Untersuchungsausschuß des Preußischen Landtags wurde die Zeugenvernehmung über die angebliche Mißhandlung von Nazis durch Polizeibeamte fortgesetzt. Die Ab- ficht, die die Nazis damit verfolgen, ist, von dem heimtückischen Ueberfall auf den Reichsbannerkameraden abzulenken, die Polizei einzuschüchtern, und auf diese Weise ihren Schlägern Bei- stand zu leisten. Der Verlaus der Zeugenvernehmung war kläglich für die Nazis. Es ergab sich, daß die meisten Aussagen der Nazizeugen nicht st i m m t e n, die von der Polizei aus einer SA.-Kaserne nach dem Ueberfall auf Wölsel herausgeholt worden
Der Führer des Ueberfallkommando«, Oberwachtmeister G r o ß k o p s, schildert dann, wie das Kommando von dem Kranken- Pfleger Senftleben alarmiert worden sei, wie man den schwerverletzten Relchsbannermann oussanh und wie Zuschauer erzählten, die Täler seien zum wcddingplah gelausen. sie hätten blaue Hosen und weiße Hemden an. Als erster von den SA.-Leuten wurde Be st mann eingeholt und aus dem Wogen des Ueberfallkommandos mitgenommen, auf dem bereits der schwerverletzte Reichsbannermann Wölsel lag. Da Zuschauer erklärten, die Täter seien in das SA.-Heim ge- flüchtet, fuhr Grohkopf deshalb dorthin. An der Tür hat nach seinen Angaben K r i n g gestanden. Großkops will zusammen mit dem Wachtmeister Rudolf in das SA.-Heim hineingegangen sein, wo dann außer Kring noch die. drei anderen SA.- Leute fe st genommen wurden. Ein Herr Lindenberg habe sich unterwegs als Zeuge gemeldet, er habe angegeben, er sei von Kring mit der Pistole bedroht worden. Aus diesem Grunde habe er alle Insassen des Heims als tatoerdächtig betrachtet. Das Ueberfallkommando fuhr dann zunächst zur Rettungsstelle, um den Schwerverletzten abzuliefern. Auf dem Revier habe Kring gesagt, er sei geschlagen worden. Später auf der Ueberfallwach« habe Großkops seine Leute gefragt:„Hat jemand Widerstand gehabt oder hat jemand geschlagen?" Darauf hätten die Beamten mit Rein geantwortet. Damit sei für ihn die Sache erledigt gewesen.(Lachen bei den Rsoz.) 3n seiner Gegenwart sei niemand geschlagen worden. Abg. Engel(Rsoz.): Der SA.-Mann, der die Tür öffnete, erklärt, der erste Beamte, der eintrat, habe ihm sofort eins aufs Auge geknallt. Zeuge: Das ist nicht wahr: denn das hätte ich sehen müssen, vor mir ging nur Rudolf hinein. Aus wiederholtes Befrage» durch den Abg. H e n z e(Nsoz.) bleibt der Zeuge dabei, er hätte es sehen müssen, wenn der vor ihm gehende Wachtmeister Rudolf den öffnenden SA-Mann geschlagen hätte. Es folgten nun versuche des Naziabgeordneken hinkler. den Beamten anzuschnauzen, zu disqualifizieren und einzuschuchiern und seine Aussagen zu verdrehen. Der Zeuge läßt sich nicht einschüchtern. Ein anderer nationolsoziaiistischer Abgeordneter möchte wissen, welcher Partei der Zeuge angehört. Abgeordneter M e tz i n g e r(Z.) widerspricht dieser Frage jedoch: Rein, das inter - esjiert uns nicht! Die Entscheidung über die Zulässigteit der Frage soll in einer nichtösfentlichen Sitzung getroffen werden. Der Vorsitzende fragt nun die Nazizeugen Sagert, Wolter und Wie m er, ob sie von Großkops geschlagen worden seien. Der Zeuge Wolter will daraufhin den Zeugen Großkopf als den Beamten mit der Maschinenpistole wiedererkennen, der den Wiemer geschlagen habe. Großkops erwidert darauf: Das stimmt nicht, ich habe die Maschinenpistole über- Haupt nicht gehabt. In nichtöffentlicher Sitzung wurde dann die Frage noch der Parteizugehörigkeit des Zeugen Kroßkopf von den Fragestellern zurückgezogen. In der Nachmittagssitzung werden weiter die Beamte» vom Ueberfallkommando vernommen. Wachtmeister Rudolph gibt eine Schilderung der bereits bekannten Vorgänge. Der Zeuge Sagert, der hierauf dem Beamten gegenüber- gestellt wird, kann nicht sagen, ob er derjenige sei, der ge- ichlagen habe. Der Zeuge Wiemer bekundet, daß derjenige, der geschlagen habe, eine Mütze trug. Nach den Aussage» der Beamten kommt dafür nur der Kroftsahrer in Frage. Dieser habe aber das Lokal nicht als erster betreten, wie behauptet worden sei. Wachtmeister Wolzin, der Majchinenpistolenschütze, hat das
Lokal mit durchsucht. Cr fand im Bett eine scharf geladene Pistole, die beschlagnahmt worden sei. Bei der Gegenüberstellung des Wachtmeisters Welzin mit den Zeugen Sagert, Wolter und Wiemer erklärt der Zeuge Wolter, der Beamte, der ihn geschlagen habe, habe ein ganz auffälliges Gesicht gehabt, das er sofort wiedererkennen würde. Er habe eine gespaltene Nase gehabt.— Oberwachtmeister G r o ß k o p f erklärt darauf, daß es sich dann nur um den Wachtmeister Szodenmg handeln könne, der gegenwärtig beurlaubt sei.— Der Vorsitzende behält sich vor, den Wachtmeister Szadening für eine spätere Sitzung zu laden. Abg. Engel(Nsoz.): Auf der Wache soll ein Beamter ge- äußert haben:„Bielleicht haben Sie sich an dem Wagen gestoßen!" Zeuge Sagert: Jawohl, das war dieser hier(auf Rudolph weisend). Wachtmeister Rudolph: Ich war ja gar nicht auf der Wache. (Heiterkeit.) Der Uebersallwagen wurde von dem Kraftwagens llhrer C z.i« m u He ws k i gelenkt. Dieser bekundet als Zeuge, er habe als erster den Wagen.verlassen und verhindert, daß die Tür des SA.-Heims geschlossen wurde. Zu diesem Zweck habe er mit beiden Händen«inen Herrn im blauen Anzug ergrissen, der die Tür zu- machen wollte, und ihn den anderen Beamten übergeben. Dann habe er sich wieder auf den Führersitz gesetzt. Der Zeuge Wiemer bestreitet unter Berufung aus seine Eigenschaft als Chauffeur, daß das möglich gewesen sei. Der Wagen habe Rechts st euerung gehabt und habe gegen die Fahrt- richtung gehalten. Abgesprungen sei der Beamte, der links neben dem Fahrer saß: dieser habe ihn verhaftet. Cziemnijewski erwidert jedoch, der Wagen habe Linkssteuerung. Auf Fragen des Abg. Engel(Rsoz.) erklärt auch Cziem- n i j e w s k i, er wisse nichts davon, daß die Beamten jemand miß- handelt hätten. Der eine Festgenommene, der neben dem Wagen hergelaufen sei, hätte schon vorher an den Zähnen geblutet. Es sei auch möglich, daß die Zivilpersonen, die den Täter ja vorher oerfolgt hätten, diesen geschlagen hätten. Abg. Henze(Rsoz.): Das ist doch ein komischer Täter, der hinter dem Uebersallwagen her- läuft! Zeuge: 3a, der war auch komisch. Entweder handelte er noch im Blutrausch oder im Alkoholrausch. Durch telephonische Anfrage ist inzwischen festgestellt worden, daß der Wagen des Ueberfallkommandos Links st euerung hat, daß sich also der Zeuge Wiemer geirrt hat. Dann werden noch zwei Zeugen vernommen, die sich am Morgen des 12. Juli in der Nähe der Stelle aufgehalten haben, wo in der Chousseestraße der Zusammenstoß zwischen dem Reichs- bannermann und einige» Nationalsozialisten stattgesunden hat. Der Chauffeur Kühn sagt aus, er sei mit seinem Wagen durch die Chausseestraße gefahren, als' er plötzlich laute Hilferufe hörte, einen Mann am Boden liegen und andere davonlaufen, sah. Mit einem anderen des Weges kommenden Kraftwagen habe er d i e Davonlaufenden verfolgt. An der Verfolgung habe sich auch ein älterer Herr mit einem Hund beteiligt. Gleich darauf sei auch das Uebersallkommando gekommen. Cr habe die Verhaftungen genau verfolgt. Die verhosteten seien selbst aus den wagen geklettert, von INißhandlungen habe er nichts gesehen, obwohl er dicht neben dem Wagen stand. Schimpsworte seien auch nicht von den Poltzeibeamlen. sondern von den herumstehenden Zivilisten gefallen. Hierauf wird noch einmal der Untersuchungsgesangene Kring vorgeführt, der aus Befragen erklärt, daß ihm die Zähne bereit» während der Verfolgung von einem im Verhandlungsraum nicht anwesenden Ehaussenr mit einer Kurbel eingeschlagen worden seien. Bei seiner Verhaftung sei ihm in brutaler Weise der Arm nach hinten gedreht worden. Als er den Beamten zur Rede ge- stellt habe mit der Bemerkung, er würde das im Dritt?» Reich zu Protokoll geben, habe er einen Faustschlag ins Gesicht erhalten. Bei einer Gegenüberstellung mit den anwesenden Polizeibeamten erklärt der Zeuge Kring, daß sich der Beamte, der ihn geschlagen habe, nicht darunter befinde. Der Vorsitzende schlägt daher vor, die Untersuchung noch nicht abzuschließen, sondern sie fortzusetzen, wenn der beurlaubte und der erkrankte Polizeibeamte zur Verfügung stehen. Auch soll dann ent- sprechend einer Anregung des Abg. Iiirgcnfen(Soz.) der verletzte Reichsbannerkamerad Wölsel vernommen werden. Am Freitag will der Ausschuß die Untersuchung der Vorfälle anläßlich des Auszugs der Stagerrat-Wache in Berlin beginnen.