Nr. 425• 49.Iahraang
2. Beilage des Vorwärts
Freitag, 9. September 1932
QJLMLVCHUHS Gilgi stürzt durch die Straßen, sie muß zu Pit, ihm erzählen, mit ihm reden. Ob man
der Täschler nicht ein bißchen helfen könnte? Sie ist eine armselige Kreatur, gewiß— und wahrscheinlich ist nichts mehr an ihr zu retten. Mit langen Schritten überquert Gilgi den Neumarkt. Die große Normaluhr zeigt elf, jetzt ist Pit nicht mehr zu Hause, der spielt jetzt in einer dreizehntklassigen Kneipe
As» erste, ira» sie sieht... in einer Rheingasse Klavier . Da wird man Hingehn und warten, bis er fertig ist. Gilgi ist auf dem Heumarkt angelangt, vor ihr liegt der Rhein . Sie schwenkt rechts in die Seitenstraßen. Dufte Gegend. Enge Gassen, schmale, gebrechliche Häuser. Sie kommt auf den Älttn Markt, ein Zauber- Haftes Stückchen Mittelalter liegt vor ihr, aber Gilgi hat weder sonst noch heute sonder- liche Vorliebe für Mittelalter. Sie biegt in eine Gasse ein, die hinunter zum Rhein führt. Lintgasse. Hier muß es sein, wo Pit spielt. Sie kennt diese Gegend kaum. Die Gasse verengt sich zr�m Rhein zu. Wenn man die Arme ausbreitete, könnte man mit den Fingerspitzen beide Häuserseiten berllh- ren. Irgendwo patrouilliert ein Schupo, aus einem Fenster winkt ein wasserstoffgelber Frauenkopf, ein paar junge Burschen schien- dern mit sichtlichem Zuhausegefühl auf und ab. Gilgi rennt ratlos bis ans Ende der Gasse, sie muß das Lokal übersehen haben— Frühstücksstube— das kann's nicht sein. Sie kehrt um. Läuft schneller, als ein Junge ihr eine kräftige Schweinerei zuruft. Da— Weinstube! Sie stößt die Tür auf. Gott sei Dank— das erste, was sie sieht, ist Pits roter Haarschopf. Da sprach der Marabu, der weise Ma- rabu... sie tippt ihm mit dem Zeigesinger auf die Schulter:„Ich möcht' dich sprechen, ich warte, bis du fertig bist." Pits Gesicht verrät weder Staunen noch Freude... mein liebes Mädel, mach beim Küssen deine Augen..„kann zwei Uhr werden", brummt er, ohne auch nur sekundenlang die Finger von den Tasten zu lassen... es sprach der Marabu, der... Gilgi setzt sich an einen Ecktisch. Trübselige Bude! Von der Decke hängen wcißrote Papierfransen herunter, über dem Klavier baumeln ein paar rote Lampions hin und her. Vor der Bar räkelt ein dicker Glotzkopf, in der Ecke, Gilgi gegenüber, sitzen zwei Reisende, einer hat ein Mädchen auf dem Schoß... da sprach der Maro... Die beiden Reisenden schreien vor Lachen, wahrscheinlich weil das so dazu gehört, und weil sie morgen sich und anderen erzählen wollen, daß sie sich glänzend amüsiert haben. Unterm Tisch liegen verbeult und mißachtet zwei schwarze Musterkoffer. Ein Mädchen kommt hinter der Bar vor, fragt Gilgi leidlich wohlwollend, was sie möchte.„Tasse Kaffee." Gibt's hier nicht. Das Billigste, was sie haben kann, ist Port- wein. Also Portwein. Furchtbar, wieviel Geld sie heute ausgegeben hat! Sie fängt an, unruhig zu werden, was soll sie hier die ganze Zeit machen? Noch drei Stunden! Sie kramt aus ihrem Köfferchen ein paar Butterbrote vor und fängt an zu essen, weniger aus Hunger als aus Langeweile. Pit spielt das Lied von der Mösch—... wie kütt die Mösch, die Mösch, die Mösch... die beiden.Reisenden singen mit. auch die Bardame singt Ein Lampion geht vor Be- geisterung aus, durch den Raum weht ein Lüftchen Lokalpatriotismus. En Mösch höht en dä Bösch— ach, wenn
se doch als Wigger flöch— die Mösch, die Mösch, die Mösch... Gilgi schreibt in ein kleines Notizbuch. Eingaben— Ausgaben. Ordnung muß sein. Besonders in Geld- fachen. Süße, kleine Krämerseele!" sagt Olga, wenn Gilgi mitunter eine halbe Stunde überlegt, wofür sie fünfzig Pfennig ausgegeben hat. Olga hat nie eine Ahnung, wofür ihr Geld draufgegangen ist. Sie hat kein System und kein Einteilungsvermögen. Wenn Gilgi an Olgas Finanzen denkt, wird ihr schwindlig. Richtig seekrank wird sie, wenn sie Olga von Geld sprechen hört. Ein- nahmen— Ausgaben. Mariechen, Mariechen, hür op mich... Dä Engelbäät is keine Mann für dich... Bums, die Tür sauft auf, ein kunterbuntes Wesen fegt rein, fliegt an Gilgis Tisch:„Se jestatten doch, Fröl- lein?", schreit zum Bü- fett rüber:„Iib mirn Schnaps und fünf Zi- garetten!" Das kunterbunte Wesen sieht betrübt aus. Gilgi bietet ihm eine Zigarette an. Sie packt ihr Notizbuch wieder in den Koffer, kaut an ihrem Butterbrot und besieht sich die bunte, kleine Nutte.„Is nichts los", seufzt die, und Gilgi weiß nicht recht, ob das nun allgemein
oder nur bezüglich des Lokals gemeint ist. „Wo kommen Sie denn her?" Gilgi ant- wartet nicht. Die Nutte hat ein Korallen- kettchen um den Hals, ihre Strickjacke ist an den Ellbogen sauber gestopft— ob sie das selber getan hat?— sie hat die breiten, schmutzigen Fingernägel dick mit Nagellack beschmiert, sie hat kein Gesicht, so wenig wie Fräulein Täschler ein Gesicht hatte. Mariechen, Mariechen, hür op mich. Was gehn mich solche Menschen an, denkt Gilgi. Jeder is da, wo er hingehört. Wenn einer so'n Dreckpamps aus seinem Leben macht, ist's seine eigne Schuld.„Iott, jetzt hätt ich's als wieder bald verjefsen", lacht die Nutte,„jerad' wollt ich mein Arm wieder aufstützen, aber denn jeht die Jacke an den Ellbogen immer jleich kaputt." Sie legt die Arme vorsichtig auf den Tisch wie ein braves Kind in der Religionsstunde.„Draußen is kalt", sagt sie. Gilgi nickt. ,. Willst? en Butterbrot?" fragt sie unsicher und freundlich und deutet auf das Päckchen vor sich. „Iott. wennde jenug hast." Die Nutte nimmt sich eine Stulle, Gilgi legt auch die nächste vor sie hin, die Nutte hat sie mit dem Finger berührt, das ist ihr eklig. En Mäd- chen so schön wie du— dem steht ne Ka— va— lö— res zu... Die Nutte kaut, sie kann nur links kauen, rechts im Backenzahn hat sie ein großes Loch. „Könnt ich mir noch nicht machen lassen, hach, mieser Beruf, den man hat." „Warum hasten dir ausgesucht?" fragt Gilgi. „Hab' ich mir eijentlich janich ausjesucht." „Dann such' dir doch jetzt'nen bessern." Gilgi hat das dunkle Empfinden, daß ein Mädchen, das seine Strickjacke sauber stopft. nicht Straßendirne zu sein hat. Die Nutte zuckt die Achseln:„Iott, man is nu' mal dabei, was soll man machen?" Daraus weiß Gilgi keine Antwort. Nur nicht die Nase so hoch tragen, nur nicht immer denken, es wäre so ganz und gar eignes Verdienst, wenn man was Besseres ist. Wenn die Krons sie nun nicht adopiert hätten, wenn sie von der Täschler aufgezogen worden wäre, hinten in der Thieboldgasse, wenn sie — man lieber gar nicht dran denken--- (Fortsetzung folgt.)
Erinnerungen an Herdt Hon 3>ietro Hllascagni
An die Lichtgestalt Giuseppe Verdis knüpfen sich einige meiner schönsten Erinnerungen, und zeitlebens muß ich dem Verleger Ricordi dankbar sein, daß er mich dem Unsterblichen vorgestellt hat. Kurz nach der Uraufführung der„Cavalleria rusticana " war es,.n Mailand , wo ich im Hotel Milano abgestiegen war, im Appartement, das für gewöhnlich Verdi bewohnte. Aus einem spontanen Entschluß heraus hatte ich gerade dieses Zimmer gewählt. Dort logierte auch Verdi, hatte etwas von schicksalshafter Vorbedeutung für mich und stärkte mich seelisch. Natürlich beeilte ich mich sofort wieder, mein Quartier zu räumen, als die Ankunft des Meisters bekannt wurde. Ich wollte aber unbedingt in seiner Nähe bleiben und zog daher in ein benachbartes Zimmer. Eines Tages nun erschien Giulio Ricordi bei mir und sagte:„Kommen Sie, ich werde Sie Verdi vorstellen." Zitternd folgte ich ihm. Verdi!... Man muß es nur verstehen, was es für einen jungen Komponisten hieß, einem Verdi vors Angesicht zu treten! Kaum hatte er mich erblickt, drückte er mir die Hand mit großer Herz- lichkeit. Was mich sofort an ihm faszinierte, das waren feine Augen. Fast sah man sie nicht, so tief lagen sie unter den buschigen Brauen in den Höhlen: aber man fühlte ihre Gestalt. Es waren zwei lebhafte, durchdringende, inquisitorische Augen, Augen von jener Art, die auch das zu entziffern verstehen, was der andere als Ge- heimnis bewahren möchte. Verdi konnte aber auch reizvoll lächeln: jene Befangenheit schwand da beim Ankömmling sofort und man fühlte sich wie von einer magischen Kraft zu ihm empor- gehoben. Im allgemeinen wortkarg und reserviert, hatte er eine wohltönende, sympathische Stimme und sprach nur mit großer Ueberlegung. Doch was er sagte, das war schwergewichtig wie Gold. Einmal fragte er mich lächelnd, ob mich die Kritiker gut behandeln. Verwirrt durch diese un- erwartete Frage, fand ich nicht sofort die Antwort. Verdi aber verstand recht wohl, was ich nicht sagte. Und immerzu lächelnd, rief er:„Ja, ja, lieber Mascagni , um geschätzt und geliebt zu sein, muß man eben erst alt werden." Was er da fest- gestellt hatte, war durchaus keine Phrase: es war nur die einlache Erinnerung an seine per- sönlichen Erlebnisse. Eines Tages, zu einem späteren Zeitpunkt, schien er mir noch etwas oertraulicher und wohl- wollender zu fein: er begehrte da zu wissen, welche Stoffe ich für meine nächsten Werke ausersehen hätte. Und ohne erst eine Antwort abzuwarten, sagte er mir daß es ihm bekannt wäre, ich denke an den„König Lear"„Wenn die Sache richtig ist", setzte er fort,„kann ich Ihnen sagen, daß ich ein sehr umfangreiches Studienmaterial zu diesem .
monumentalen Werk besitze und daß ich glücklich wäre, es Ihnen zu geben, um Ihnen auf diese Weise die schwere Arbeit zu erleichtern." Eine tiefe Rührung ergriff mich, als mir der geniale Meister all diese großen Dinge in so schlichter Weise vorbrachte. Im ersten Moment war ich ganz außerstande, eine Antwort zu geben, denn ich fühlte, wie meine Kehle zusammenge- preßt war: dann aber überwand ich mich und fragte mit bebender Stimme:„Maestro, und warum haben S i e nicht den„König Lear" in Musik gesetzt?" Verdi schloß für einige Sekunden die Augen, vielleicht, um sich zu erinnern, vielleicht aber auch, um zu vergessen. Dann aber sagte er langsam und leise:„Vor der Gewitterszene, in der König Lear auf der Heide steht, bin ich zurückgeschreckt!" Ich sprang van meinem Sitze, die Augen weit aufgerissen und sicherlich bleich wie die Mauer. Also er, der Gigant des Musikdromas, war vor dieser Szene zurückgeschreckt... und ich.. ich... Mein„König-Lear"-Plan war für alle Zeit damit erledigt. So sehr es auch Verdi vermied, über sich selbst und über seine Werke zu sprechen, so rege war sein Interesse für die Kunst im allgemeinen. Die Tiefe seiner geistigen Kultur kam in solchen Ge- sprächen zu unvergeßlichem Ausdruck. Und er lernte auch noch, lernte immer. Eines Tages blieb ich vor seinem Klavier stehen, aus dessen Notenständer eins der Werke Bachs aufgeschlagen lag. Verdi bemerkte es, näherte sich mir und sagte:„Das, ja das muß man studieren. Und es gefällt mir,, daß es gerade die Werke Bachs sind, die Sie in den Konzerten Ihres Konservatoriums ausführen lassen." Es stimmte. Dem Meister waren auch meine Programme geläufig. Nach den ersten Aufführungen der„Cavalleria rusticana " wurde eine Legende in die Welt gesetzt, die allgemein Glauben fand. Man sagte, Verdi habe nach dem Durchlesen der Partitur meines Werkes ausgerufen:„Jetzt kann ich zufrieden sterben!" Der Wahrheit zuliebe sei festgestellt. daß Verdi niemals diese Worte gesagt hat, die sicher von einem Enthusiasten stammen, der nur ungenau über eine freundliche Episode Bescheid wußte. Wie es sich in Wirklichkeit damit oer- hielt, erzählte mir Giulio Ricordi , Verdis Ver- leger. Eines Abends, in Sant' Agata war es, befanden sich dort als Gäste Verdis Ricordi, Boito und noch zwei andere Herren. Zu einer bestimmten Stunde— es war immer die gleiche, denn Verdi lebte genau wie die Uhr— zog sich der Meister in seinen Schlofraum zurück. Die anderen blieben noch im Salon, plauderten und spielten Karten. In Sant' Agata hatte der
Meister ein Klavier in seinem Zimmer. Wer die Villa Verdis besucht hat, wird sich ohne Zweifel an dieses Instrument erinnern: es steht entlang jener Wand, in der sich die Tür zu der schlichten Kammer befindet, wo Verdi zu schaffen pflegte. Einige Zeit war bereits vergangen und Verdi hätte wohl schon zu Bette sein müssen. Da ver- nahmen die Gäste plötzlich den Widerhall einiger Akkorde. Komponierte der Meister? Zu dieser Swnde? Beunruhigt näherten sich Ricordi und Boito ganz leise dem Schlafzimmer und horchten. Wenige Töne genügten, um zu wissen, daß Verdi am Klavier saß, mit dem Lesen der„Cavalleria rusticana " beschäftigt. Die Partitur war ihm auf sein Verlangen von Giulio Ricordi gebracht worden.„Am nächsten Morgen"— nun lasse ich Ricordi sprechen—„fand ich den Meister allein im Park seiner Villa unter den Riesenbäumen, deren Schweigen für ihn von einer so furchtbaren Beredtheit war. Wir wechselten einige Worte. Dann aber, als wir in sein Zimmer zurückgekehrt waren, wies er auf die Partitur der„Cavalleria" und sagte:„Es ist also nicht wahr, daß die Tradition der italienischen Melodie ein Ende ge- funden hat!" Dies war die Anerkennung Verdis für meine Oper, und kein anderes Lob hätte mir jemals wertvoller sein können.,
Dolksgericht Nicht mit der Kühle des Historikers, der an die Geschichte herantritt wie der Mediziner an eine zu sezierende Leiche, behandelt Dr. Eugen Fischer - B a l i n g, rühmlich bekannt nicht nur durch sein Werk„Die kritischen 39 Tage", in„V o l k s g e- r i ch t"(bei Rowohlt, Berlin ) seinen Vorwurf. Vielmehr sagt der Untertitel des Buches„D i e Deutsche Revolution von 1918 als Erlebnis und Gedanken", worum es geht. Ein Zeitgenosse jener Ereignisse, und zwar ein denkender Zeitgenosse, keiner, der ein mit Haken- kreuzen geziertes Brett vor der Stirn trägt, macht sich und seinen Lesern klar, wie damals alles ge- kommen ist. Diese Schilderung, wahrheitsgetreu, den Tatsachen gerecht werdend, aber warmherzig, unmittelbar, vom Fluidum eigenen Erlebens um- webt, wirkt überzeugender, als es eine aus der Distanz geschriebene„objektive" Darstellung ver- möchte. Wer sich in diese Seiten vertieft, erlebt alles mit: den dumpfen Ungeist des preußisch. deutschen Kommiß im Frieden, den„Geist von 1914", die Enttäuschung derer, die bei Kriegsaus- bruch an das einige Volk von Brüdern geglaubt hatten, die Wirkungen der Blockade, den Hunger, den Schleichhandel, das Treiben der Schieber und Kriegsgewinnler, und wieder den Hunger, die feindliche Uebermachl, das Schrumpfen der eigenen Kräfte, das Annexionsgeschrei der Vaterlands- parteiler, die Verblendung der Obersten Heeres- leitung und zum dritten den Hunger. Und den Zusammenbruch. Sicher sordert manche Aussas- sung zum Widerspruch heraus: in der berühmten Augustnacht von 1789 gaben die Feudalherren ebensowenig ein Vorrecht auf, wie der verspätete Achtundvierziger Ledebour ein„rechtgläubi- ger" Marxist" ist, und auch zu Fischers An- schauung von„Klassenkampf" und„nationaler Gemeinschaft" ließe sich einiges sagen. Aber „Volksgericht" ist ein Werk aus einem Guß, an dessen Einzelheiten man nicht mäkeln soll. Nirgends kommt so scharf wie hier das System der Lüge heraus, mit der deutsch - land gefüttert und vergiftet wurde. Weil„die oben" das Volk gering einschätzten, im Grunde verachteten, mußte ihm die Wahrheit vorenthalten werden. Selbst die Wirklichkeit des Krieges war durch ein ideales Scheinbild zu ersetzen:„Von Mühsal, Seelenqual und Widerwillen durfte nichts bekannt werden. Die Heimat sollte nicht hören, daß wir im August 1914 in der Mittagsglut neben stinkenden Leichen und Kadavern unsere Feldsuppe löfselten, nicht, daß unsere Leute im Feuer zittern, schreien und verzweifeln konnten, nicht, daß das Gefühl menschlicher Gemeinschaft mit dem Mann drüben, auf den geschossen wurde, unausrottbar fest saß. Das hätte die in der Hei- mat zum Nachdenken darüber bringen können, wie es draußen eigentlich zugehe, und ab man nicht so bald wie möglich ein Ende finden sollte". Daß schließlich nach diesem Ende des Mordens und Duldens nicht nur die Arbeiterschaft rief, sondern auch die Schichten, die heute das tückische Märchen vom„Dolchstoß und von den„No- nemberverbrechern" kritiklos nachplappern, hebt Fischer gebührend hervor:„Vielleicht war beim kleinen und mittleren Bürger die Abneigung gegen den Krieg im stillen noch leidenschaftlichck als bei den organisierten Arbeitern", und vom Herbst 1918:„Im Kleinbürgertum und bei der Masse der Bauern zitterte der Boden nicht min- der. Alle wollten Frieden." Endlich unterstreicht Fischer auch mit ge- ziemender Deutlichkeit, was mit dem schweren Entschluß von Weimar , den Gewaltsrieden nicht abzulehnen, trotz allem gewonnen wurde:„Es wird der ewige Ruhm der Revo- l u t i o n sein, daß sie in dem Augenblick, in dem der Feind ins Land gebrochen wäre, dem Hasard- spiel des Krieges ein Ziel gesetzt, die tobenden Massen der Feinde an der Grenze festgebannt und das Reich, wenngleich unter Verlusten, er- halten hat." So ist es. Aber wird dieses wahre, kluge und packende Buch in einem so rettungslos oerhetzten Volt nicht tauben Ohren predigen? Hennann Wendel.