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Nr. 429 49. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 11. Geptember 1932

Flugins bessere Land

Vor einigen Tagen haben die Störche ihre sieben Sachen gepackt; sie sind abgezogen nach dem Süden. Es müssen ihnen wohl die Tage zu kurz und die Nächte ein wenig zu kühl ge­worden sein. Vielleicht, denn der ganzen Berliner Gegend haben sie ja ohnedies schon seit langem die Freundschaft gekündigt. Die aus dem Zoo sind noch die treuesten. Aber während die Störche wenigstens noch ,, Ade" sagen und am Tage ihre meite Reise beginnen, verschminden die kleinen Vögel ganz plötzlich eines Nachts. Am Abend zuvor hatten noch die Schwalben wie immer ihre Kreise über den Dächern gezogen, es sollte das letzte Mal gewesen sein: als der Mond auf­

ging, traten sie die Fahrt ins Morgenland an. Und den Schwalben folgte der Kuckuck, dem Kuckuck die Lerche, einer nach dem anderen verließ bei Nacht und Nebel Feld und Wald, bis die Kraniche in Kürze den Reigen beschließen werden, den vor einigen Tagen die Störche begannen. Bei uns blieben die Spatzen. Trotz der 100 000 Autos, die in Berlin fahren, und obwohl doch seit der Abschaffung der Pferdebahn für die Spatzen die Wirtschaftskrise in Permanenz besteht. Die anderen sind in ein besseres Land gezogen. Gut haben's die Vögel.

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Das große Rätsel. Es weht ein tiefes Geheimnis um den Vogelzug. Denn keine der landläufigen Vorstellungen reicht aus, um dieses Rätsel der Natur zu flären. Nahrungsmangel soll es sein, der die Vögel nach dem Süden ziehen läßt sagen die einen. Dabei ziehen doch die Bögel ausgerechnet in den Tagen der Fülle von uns( die Tage der Fülle beziehen sich nur auf die Vögel, nicht auf die Menschen), und zum Zeitpunkt des Aufbruchs erreichen sie ihr höchstes Körper­gewicht. Der September deckt den Vögeln noch allemal den Tisch. Nun fagen die anderen das Licht verringert sich, die Wärme nimmt ab und da die Vögel zu den temperaturempfindlichsten Wesen gehören, fliegen fie nach dem Süden. But, diese Erklärung. Aber marum fliegen die jungen Vögel zuerst ab, warum drängen die jungen Störche vor den Alten zum Aufbruch? Ausgerechnet jene Grünschnäbel, die erst einen einzigen Sommer bei uns verlebt haben und die Unbilden des Winters überhaupt nicht fennen? Und warum hüpfen in diesen Tagen die Stubenvögel so unruhig umher und schlagen mit den Flügeln gegen die Sprossen ihrer Käfige. Dieselben Stubenvögel, die doch weder Nahrungs­forgen noch unter Temperaturabnahme zu leiden haben. Ja, gegen über dem Phänomen des Bogelzugs versagen eben alle hausbadenen Weisheiten, dafür aber hat die Wissenschaft neuerdings dieses inter­effante Thema auf die Tagesordnung ihrer Forschungsarbeit gesetzt. Mit den Vogelwarten Roffitten und Helgoland hat man in Deutschland zwei Zentralpunkte zur Erforschung des Vogelzugs geschaffen. Ein ganzer Troß von freiwilligen Helfern ist dabei Mit­arbeiter: so wurden von 1929 bis 1931 nicht weniger als 2318 oft preußische Fischreiher von der Reichswehr in Ortelsburg beringt. 250 von diesen Reihern fand man inzwischen bereits in Algerien und Portugal wieder! Die Freiburger Studenten beringten im Vor­jahr 173 Störche in Südbaden, die man in Frankreich und Spanien wiederfand und in der Lüneburger Heide wurden 800 Saatträhen mit Ringen versehen und was ergab sich? Diese gefiederten Spitz­buben fand man in England wieder, fie waren einfach auf Winter­reise gegangen!

Fahrpläne mit Haltestellen.

Die meisten Menschen denken nun, die Vögel sausten wie die Wilden durch die Luft, um nur ja in zwei oder drei Tagen in Afrifa zu fein. In Wirklichkeit läßt sich niemand mehr Zeit als die Bögel. Es liegen zum Beispiel bereits die Ergebnisse über den diesjährigen Frühjahrszug der Gartenrotschwänze vor. Diese bunten Gesellen saßen Anfang März noch in Algerien , Mitte März hatten sie es glücklich bis zu den Pyrenäen geschafft und selbst im April hockten verschiedene immer noch in der Gironde . Durch die Ringe fann man beinahe einen Fahrplan für den Vogelzug auf ffellen. Es ergab sich nämlich folgendes:

war unterwegs brauchte dazu tägl. Durchschn. 1800 km 42 km

Rotschwanz Nr. 1

43 Tage

9

1820

30

61

"

.

"

"

"

12.. 1170

40

29

"

"

"

23

"

24

1050 1000

11

95

"

"

"

6

167

"

"

"

Also nur Nr. 24 hatte etwas Eile. Man muß sich das mit dem Vogelzug nun so vorstellen, daß die Strede Offfee- Oberitalien

tam im vorigen Jahr so verhungert an, daß sich die Vögel sofort auf an den Dorschangeln gebliebenen Fischreste stürzten und alles wegfraßen, eine Nahrung, die sie unter normalen Umständen niemals zu sich nehmen würden. Kommt dann gar mal ein Wetter­umschlag, daß der Wind dreht oder es regnet, dann verliert der Spizenflieger die Orientierung und der ganze Schwarm findet den Tod in den Wellen. Wasservögel oder überhaupt Vögel, die schwimmen können, haben es natürlich bei Meerflügen besser. So faßen im letzten Frühjahr Sumpfhühner auf der Ostsee und ruhten sich aus. Friede zwischen Adler und Storch.

( rund 1000 Kilometer) schnell mit ein paar Nachtflügen zurückgelegt wird. Dann raften die Bögel aber erst ein paar Tage in Ober­ italien zur Futtersuche und wenn sie dabei von den italienischen Vogelstellern nicht gefangen und aufgegessen werden, dann sehen sie ihre Reise nach Afrika nur noch gemächlich von Ort zu Ort fort. Dabei halten die Vögel aber ganz bestimmte Flugstrecken ein. Die Hauptstrecken von Europa nach Afrika führen über Gibraltar , Sardinien , Sizilien und den Bosporus . Also immer über Meer­engen. Daß dabei bestimmte Gebiete ihre Stammfundschaft haben, ist geradezu phantastisch: unsere Finken machen immer Raft auf dem von Zypressen bewachsenen Friedhof von Skutari, die Kraniche fliegen nur über Gallipoli, die Rohrweihen nur über das Marmara Meer und die Wachteln nur über Rumelien . Das sind Beobach jungen Störche zuerst fliegen, woher kennen sie eigentlich den tungen einer Bogelzug- Expedition, ausgesandt im Auftrage der Not­gemeinschaft deutscher Wissenschaft.

Der Tod in den Wellen.

Ueberhaupt die Meere. Hier liegen von der Seefischereistation Neufuhren wertvolle Bekundungen vor. So ist es den Lerchen, Finken, Staren, Goldhähnchen, Bach stelzen und Rotke hlchen nur bei schönem Wetter und günstigem Wind unter allergrößter Anstrengung möglich, mit Raft auf Bornholm die Neufuhren etwa 60 Kilometer weit zu der sogenannten Dorschbant Strede Rügen - Schweden zurückzulegen. Die Dorschfischer, die von hinausfahren, beobachten in jedem Herbst Lerchen, die so todmüde find, daß sie sich aufs Meer ſetzen wollen, aber in die Wellen geraten und ertrinken. Nicht anders ergeht es den Buchfinken und den Goldhähnchen. Die Vögel schaffen kaum die Offfee, wieviel weniger das Mittelmeer ! Einmal tam ein Zug Stare in die Kuhrische Nehrung. Sie setzten sich sofort in die Segel der Fisch futter und ließen sich an Land fahren. Als die Kutter längst fest­gemacht hatten, saßen sie immer noch da. Ein Schwarm Finken

Suche nach dem Frauenmörder

Bisher fein greifbares Ergebnis.

Die Suche der Berliner Kriminalpolizei nach dem Frauenmörder vom Tempelhofer Ufer hat bisher zu keinem greifbaren Ergebnis geführt. Die Beamten der Mordkommission sind un­unterbrochen mit Ermittlungen beschäftigt. Die Verneh mungen haben bisher keinen Anhaltspunkt ergeben, der sich auf die Persönlichkeit des Mörders beziehen

könnte.

Todessprung einer Nervenfranken.

In der Mirbachstraße 65 ereignete sich gestern nachmittag ein aufregender Vorfall. Die 31 Jahre alte Frau Elli D., die bereits wegen eines schweren Nervenleidens in einer Anstalt interniert war, erlitt abermals einen Anfall. Die Unglückliche riß das Fenster ihrer Küche auf und sprang aus dem 4. Stowert auf den of hinab, wo sie tot aufgefunden wurde.

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Seltsam ist das mit den Flugstraßen der Zugvögel. Wenn die Flugweg der Alten? Rätsel über Rätsel! Aber dennoch berichtet die Expedition nach der großen Zugstraße am Bosporus , es ist ein unvergeßlicher Anblick und einzigartig in seiner Schönheit, wenn über den Bosporus Schar um Schar von Adlern rauscht, in trauter Fluggemeinschaft mit Bussarden und... unseren Störchen. Während des Vogelzugs herrscht nämlich in der Vogelwelt Waffen­stillstand und ein sonst nie gekanntes Gemeinschaftsleben felbst der einsamsten Adler! Nur der beste Flieger, der Gänsegeier, der nie einen Flügelschlag in seinen Segelflug einschaltet, zieht allein. Den Raubvögeln und als Letzte ziehen Anfang November die Sperber Anfang machen Mitte September die Störche zusammen mit den durch. Fünf Minuten lang umtreift regelmäßig jede Schar den Tschamlidscha, einen Berg bei Konstantinopel , dann geht es weiter

fein Mensch hat ergründen können, wo sich diese Vogelschwärme die Küste Kleinafiens entlang, aber nicht übers Meer. Und noch wieder auflösen und in welcher Einöde wohl der Waffenstillstand zwischen Adler und Storch ein Ende haben mag. Vielleicht wird des Vogelzuges zu enthüllen. es den Wissenschaftlern gelingen, eines Tages auch das Geheimnis

Die Spatzen bleiben bei uns.

Da machen es sich die Proletarier der Vogelwelt, unsere Spatzen nicht so schwer. Sie bleiben im Lande und ernähren sich redlich. Sie fizen in Sibirien und sie fizen in Aegypten . Seit 1850 auch in USA . Damals brachte ein Schiff das erste Paar hinüber und 1881 mußte die Einfuhr von Sperlingen nach den Bereinigten Staaten von Nordamerika verboten werden. Von Chikago bis Galveston hatten sie alles ragekahl gefressen und alle anderen Vögel verjagt, selbst Pfirsich- und Weinbauern gingen durch die Spazzen zugrunde. Seitdem heißen sie drüben auch nur noch das Spatzengesindel. Die Rebensart nicht gut Kirschen essen" stammt übrigens aus der Zeit Friedrichs II. und hat die Spazen als Urheber. Damals fraßen die Spaßen in Sanssouci alle Kirschen weg. Deshalb fezte Friedrich II. für jeden abgelieferten Spazenkopf zwei preußische Dreier als Belohnung aus. Nach ein paar Jahren Spaßenmord hatte man etwa 1000 Taler ausgegeben und wenn die Spazen auch weg waren, so nahmen jetzt die Insekten überhand und von den Kirschen hatte man erst recht nichts. So gab man die Spaßenverfolgung auf. Ihnen ist doch nicht beizukommen. Das haben weder die Straßenbahn noch die Automobile geschafft. Nicht einmal nach Afrika fahren sie, sondern bleiben gemütlich am Nettel­bedplay

Mr

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