1932
Der Abend
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Nr. 432
B 208 49. Jahrgang
Neue Verfassungskonflikte
Ueberwachungsausschuß zitiert Papen - aber er kommt nicht. Verfassungswidrige Haussuchungen im Reichstag
Am Dienstagvormittag trat unter dem Vorsitz des Abg. 2öbe( Soz.) der Ausschuß zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung zusammen. Seine Mitglieder und Stellvertreter, insgesamt 56 Abgeordnete, waren vollzählig erschienen. Für die Reichsregie rung nahm nur Ministerialdirektor Gottheiner teil. Zahlreiche Vertreter der Länder, darunter für die rechtmäßige preußische Regierung, der der Ministerialdirektor Dr. Badt, waren anwesend.
Abg. Löbe eröffnete die Sizung mit einer kurzen Schilderung der Borgänge, die am Montag zur Auflösung des Reichstags geführt haben. Zunächst erhält Ministerialdirektor Dr. Gottheiner das Wort. Er verlas folgende
Erklärung der Reichsregierung:
Die Reichsregierung hält daran fest, daß das Vorgehen des Reichstagspräsidenten in der gestrigen Sigung des Reichstags mit der Reichsverfassung und mit der Geschäftsordnung des Reichstags nicht vereinbar ist. Nach Artikel 33 Absaz 3 der Reichsverfassung haben die Vertreter der Reichsregierung das verfassungsmäßige Recht, auch außerhalb der Tagesordnung, d. h. auch nach Schluß der Debatte und zu jedem beliebigen Gegenstande das Wort zu ergreifen. Entgegen dieser Bestimmung hat der Reichstagspräsident trog wiederholter Wortmeldung dem Reichskanzler das Wort nicht erteilt, obwohl eine Abstimmung noch nicht begonnen hatte.
Infolge dieses Verhaltens des Reichstagspräsidenten mar der Reichstanzler genötigt, die Verordnung des Herrn Reichspräsi denten, die die Auflösung des Reichstags verfügte, in der Weise dem Reichstage zu übermitteln, daß er sofort nach der wiederholten Ablehnung der Worterteilung die Urkunde dem Reichstagspräsidenten übergab. Mit der Uebergabe der Urkunde trat die Auflösung in Wirksamkeit.
Ungeachtet dieser klaren Rechtslage hat der Präsident des Reichstags an den Reichskanzler in den gestrigen Abendstunden folgendes Schreiben gerichtet:
,, Der Präsident des Reichstags.
Journ.- Nr. I 23 41.
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Der Reichstag hat in seiner Sigung vom 12. September 1932 auf Grund der Anträge Torgler und Genossen Nr. 118, 119 und 44 der Drucksachen mit 512 bei 559 abgegebenen Stimmen beschlossen:
1. Die Verordnung des Reichspräsidenten zur Belebung der Wirtschaft vom 4. September 1932( Reichsgesetzblatt I S. 425) ist mit fofortiger Wirkung aufzuheben.
2. Die Verordnung der Reichsregierung zur Vermehrung und Erhaltung der Arbeitsgelegenheit vom 5. September 1932( Reichsgefegblatt I S. 433) erlassen auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten über Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialversicherung sowie zur Erleichterung der Wohlfahrtslasten der Gemeinden vom 14. Juni 1932, ist mit sofortiger Wirkung aufzuheben.
3. Der Reichstag entzieht der Reichsregierung v. Papen das Vertrauen. gez.: Göring ."
Die Reichsregierung ist jederzeit bereit, mit dem nach Artikel 35 der Reichsverfassung gestellten Ausschuß zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung zu verhandeln. Sie muß es jedoch ablehnen, in solche Verhandlungen einzutreten, ehe nicht der Reichspräsident fein Schreiben vom 12. September 1932- I 2341 zurückgezogen hat.
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Unmittelbar nach Abgabe der Erklärung verließ Ministerialdirektor Gottheiner unter dem Gelächter der Sigungsteilnehmer den Saal.
( Fortsetzung auf der 2. Seite.)
Pulververschwörung" im Reichstag
Polizei dringt ein, sucht Bomben und beschlagnahmt Bücher
Der Polizeipräsident teilt mit: ,, Auf Grund einer bei der Polizeischen Partei durchsucht. Der nach kurzer Zeit eintreffende Direttor eingegangenen zuverlässigen Nachricht hat in der letzten Nacht um der Reichstagsverwaltung, Geheimrat Galle , 23.30 Uhr der ftellvertretende Leiter der. Abteilung, Regierungs - erhob gegen die Durchsuchung energischen Protest und teilte raf von Werder , eine Durchsuchung im Reichstag angeordnet, mit, daß er die Angelegenheit heute bei den zuständigen Stellen des attentats vorlag. Die Untersuchung fonnte dem Herrn Reichs- Werder annehmen mußte, daß Gefahr im Verzuge war, hat er trotz da der dringende Tatverdacht eines Sprengstoff- Reichstages zur Sprache bringen werde. Da Regierungsrat von tagspräsidenten und dem Herrn Polizeipräsidenten vorher nicht ange- des Protestes von Geheimrat Galle die Durchsuchung weiter fortkündigt werden, da beide Herren fernmündlich nicht zu erreichen gefeht. Hinweise auf ein Sprengstoffattentat jind waren. Die Durchsuchung war um 1.30 Uhr beendet. Es wurden nicht gefunden worden. In den Fraktionszimmern der die Keller des Reichstags und die Fraktionsräume der Kommunisti - Kommunistischen Partei wurden zwei Zersehungsschriften. fowie ein Buch, das sich mit Eisenbahnen beschäftigf, beschlagnahmt. Der Polizeipräsident hat eine Untersuchung der Angelegenheit in die Wege geleitet."
Das Auflösungsdekret.
Das Auflösungsdekret unterscheidet sich in der Form sehr wesentlich von früheren Auflösungsdetreten. Aus dem Aussehen läßt sich erkennen, daß Herr von Papen offenbar im Besitz eines in Neuded ausgeftellten Blantoformulars für die Auflojung war, in das der Text der Begründung einzusetzen war.
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Auf Hennes des del 25 der Heissenhaltung licht den Richstag auf, mil auf, mit die Gefahr die Gefahr besteht,& ß Wasmandrung
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welen d. 12 bezt 1952.
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Hochstenzler.
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Die Zeile: Neuded, d. ist durchgestrichen und durch die Worte„ Berlin , d. 12. Sept. 1932" ersetzt worden.
Angesichts dieser Form des ftaatsrechtlich wichtigen und intereffanten Dokuments erhebt sich die Frage, ob die Formulierung der Auflösungsgründe dem Ermessen des Reichskanzlers überlassen war, und ob der Reichspräsident diese sonderbare, unzulängliche Begründung, die mit dem Sinn der Verfassung und den Rechten des Reichstag follidiert, ausdrücklich gutgeheißen hat.
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Bomben gesucht, aber drei Bücher mitgenommen, darunter wie gefährlich! ein Buch über Eisenbahnbau, das ist eine höchst merkwürdige Angelegenheit, bei der nicht einmal Herrn Melcher wohl zu sein scheint!
Schärffter Protest des Uleberwachungsausschusses.
In der Nacht von Montag zu Dienstag sind die Räume der fommunistischen Fraktion im Reichstag durch 40 Beamte der Kriminalpolizei durchsucht worden. Dieser Vorgang wurde vom Abg. Torgler( Komm.) in der Sigung des Ueberwachungsausschusses zur Sprache gebracht. Er erklärte dabei, die Reichstagsbeamten seien von Polizeibeamten gezwungen worden, sich an der Aktion zu beteiligen. Es seien im Fraktionszimmer die Schränke von den Reichstagsbeamten geöffnet und von den Polizeibeamten durchsucht worden, ebenso die Schränke in den kleinen Arbeitszimmern der kommunistischen Abgeordneten. Das Eindringen der Polizei fei ohne Genehmigung des Reichstagspräsidenten, dem die Polizeigewalt im Hause zusteht, erfolgt. Es sei nichts gefunden und nichts mitgenommen worden.
Präsident Göring erklärt, daß er von dem Vorgang nicht unter richtet worden sei. Die Polizei sei ohne seine Genehmigung ins Reichstagsgebäude eingedrungen.
Auf seine Vorstellung beim Polizeipräsidenten habe dieser erklärt, daß auch er von dem Vorgehen der Beamten nichts gewußt habe.
Regierungsrat von Werder habe die Aktion auf eigene Verantwortung übernommen. Nach der Darstellung Werders hätte der dringende Verdacht bestanden, daß das Reichstagsgebäude in die Luft gesprengt würde. Die Durchsuchung hätte dem Präsidenten vorher nicht angekündigt werden können, da er nicht zu erreichen gewesen sei. Der Präsident legte gegen das Vorgehen der Polizei schärfste Verwahrung ein und erflärte, er sei bereits mit der preußischen Regierung in Verbindung getreten, um die Bestrafung der Schuldigen zu verlangen. Er überlege auch, ob er sich wegen dieses Vorganges mit der Reichsregierung in Verbindung setzen solle.
Der folgende von den Kommunisten gestellte Antrag wurde sodann gegen die Stimmen der Deutschnationalen bei Stimmenthaltung des Zentrums angenommen:
„ Der Ausschuß stellt fest, daß die in der Nacht des 12. zum 13. September in den Büros der kommunistischen Reichstagsfraktion von der Kriminalpolizei durchgeführte Haussuchung ein eklatanter Bruch der Abgeordnetenimmunität ist. Der Ausschuß verlangt die fofortige Bestrafung der für die Durchführung Verantwortlichen."
Dienstag, 20. September, 1912 Uhr
und