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Alte Tierfabel.
Der SZl.-Haje und der Stahl­helm Swinegel hatten einst einen Vettlaus nach einem fernen Sessel verabredet. Wer gewann, sollte Diktator im Tierreich werden.
Der Hase lief, als ginge es ums Leben. Der schlaue Swinegel aber halte vorher seine Zrau aus den Sessel ge­seht, die in gleicher Uniform von ihm nicht zu unterscheiden war.
Als der Hase atemlos ankam. da sah der Swinegel bequem im Sessel und lachte:Zck biin oll hier." Da siel der Hase vor Schrecken um und rief:Das ist ja gegen die Verfassung!"
Kinderpistole und Hundepeitsche. Drei Monate Gefängnis für ein Kinderspielzeug.
In der Reihe der politischen Urteile notieren wir eine Ent> scheidung des Schöffengerichts Hameln  . Vor den Reichstags- wählen hatte in Hameln   eine stark besuchte Versammlung der SPD.  stattgefunden� bei der die Polizei im Vorraum des Saales die Ver- sammlungsteilnehmer nach Waffen durchsuchte. Es wurde aber nichts gefunden. Rur   ein Gemüsehändler R., der beim Eintreten sah, dah eine Wafsendurchsuchung stattfand, gab unaufgesor- d e r t eine sogenannte S ch r e ck s ch u ß p i st o l e ab. Er hätte sich ebenso gut und völlig ungehindert wieder entfernen und das Instrument in seiner nahegelegenen Wohnung ablegen können, was er im Vollgefühl seiner Unschuld unterließ. R. wurde aber wegen verbotenen Waffentragens unter Anklage gestellt. Im Termin war die beschlagnahmte Pistole nicht zur Stelle, obwohl sie sich bei den Akten befinden sollte. Der Beamte, dem R. die Pistole übergeben hatte, sagte aus, daß sie äußerlich einem Browning ähnlich gesehen habe, in Wirklichkeit aber ein harmloses Sinderspielzeug mit Zünd- plättchenbetrieb gewesen sei. Das Gericht erkannte gemäß Antrag des Staatsanwalts gegen N. auf drei Monate Gefängnis, indem es erklärte: Die Waffe" sei zwar an sich ungefährlich gewesen, aber doch durch ihr Aussehen(!) geeignet. Schrecken und Unruhe zu erregen,(ve- sonders, wenn mau sie in der Tasche trägt!)
Zufällig am gleichen Tage hatte das gleiche Schöffengericht gegen einen Nationalsozialisten, den wegen seiner Gewalttätigkeiten bekannten SA.-Mann Kalusche, zu verhandeln. Dieser hatte während einer Münchmeyer-Versammlung im gleichen Vorraum, in dem sich auch die Sache mit der Kinderpistole abgespielt hat, provokatorisch mit einer großen Hundepeitsche in der Hand gestanden. Gegen die Wegnahme dieser Hundepeitsche durch die Polizei leistete Kalusche Widerstand. Vor Gericht behauptete Kalusche, es fei keine Hundepeitsche, sondern eine Reitpeitsche gewesen, er lerne gerade Reiten! Das Gericht glaubte dies willig. Die Polizeibeamten, die ihn entwaffnet hatten, beschimpfte K. vor Gericht in flegelhaftester Weise, ohne daß der Gerichtsvorsitzende eingriff. So sagte er von einem Polizeikommisfar, daß dieserwie ein wild gewordener Floh herumgesprungen" sei. In diesem Falle erkannte das Gericht, dah die Reitpeitsche keine Waffe fei. E.ijk konnte auch nicht, obwohl, offen getragen,Schrecken und Unruhe erregen", wie die in der Tasche getragene Schreckschuß- pistote. Nur wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt erhielt Kalusche 80 Mark Geldstrafe! Die Regierung Pape» und der Reichskommissar Bracht sind sehr empfindlich, wenn an den Urteilen der Justiz Kritik geübt wird. Wir haben das auch gar nicht nötig, denn jeder, der diese beiden vom gleichen Gericht und am selben Tage gefällten Urteile liest, kann und wird sich ohne jede Anleitung das Not» wendige dazu denken.
Theorie des Staatsstreiches. Parteien- verfassungswidrig. Die Verfassungskonflikts im Zusammenhang mit der Reichstagsauflösung hoben eine Fülle staatsrechtlicher Deduktionen hervorgerufen. Unter diesen Deduktionen be- findet sich eine von ganz besonderem Kaliber, die aus folgen- der Meldung des Conti-Büros hervorgeht: Reichstagsprästdent G ö r i n g verwahrt sich in seinem zweiten Briefe an den Herrn Reichspräsidenten   vom 13. September dagegen, daß die Reichsregierung die Parteien nicht als vollgültige Repräsentanten des deutschen   Volkes anerkenne. Er behauptet,daß die Organisation des politischen Lebens verfassungsgemaß parteimäßig ihren Ausdruck findet" und daßdie politische Willensbildung der Nation sich verfassungsmäßig nur durch Par- teien dokumentieren" könne. Eine Reichsregierung, die die politischen Parteien ausschalte oder vernichte, handele gegen Geist und Sinn der deutschen   Reichsversassung." In informierten Kreisen stellt man demgegenüber fest, daß diese Behauptung in krassem Widerspruch zu Wortlaut und Sinn der Reichsverfassung steht. Die Verfassung kennt nicht nur keine Parteien, sondern verurteilt sogar im Art. 130 deren Einfluß auf die Staatsgeschäfte(Die Beamten sind Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei"). Vor allem aber bestimmt Art. 21, daßdie Ab- geordneten Vertreter des ganzen Volkes, nur ihrem Gewissen unter- werfen und an Aufträge nicht gebunden sind". Abgeordnete, die diesem Grundgesetz nicht entsprechen, sondern sich den Befehlen ver- fassungsmähig nicht verantwortlicher Parteiführer unterstellen, sind also nicht Vertreter des ganzen Volkes und handeln gegen die Ver- fassung. Parteien oder Parteikoalilionen, die sich als selbständige Herr- schaflsgebilde zwischen Regierung und Volk einschalten, find verfassungswidrig. Ein Reichstag, der in fest organisierte Par­teien aufgespalten ist. kann daher nicht den Anspruch erheben, legaler und einheitlicher Repräsentant des Volkswillens im Sinne der Verfassung zu sein. Cr vermag nur, der Regierung gegenüber den verschiedenen ein» ander bekämpfenden Willensrichtungen im Volke Ausdruck zu geben. Verfassungsmäßiger Vertreter des ganzen Volkes ist jedoch der Reichspräsident, der sich überdies durch seinen besonderen Ver» fossungseid zum Dienst an der Gesamtheit des Volkes ausdrücklich verpflichtet hat: während die Unverantwortlichkeit der parte!» gebundenen Abgeordneten schon darin in Erscheinung tritt, daß diese keinen derartigen Eid leisten." Diese Rabulistik anonymer Verfassungsfeinde liefert ge- wissermaßen eine Theorie des Staatsstreichs. Ein Reichstag ist nurlegal", wenn er keine Parteien kennt, so lautet diese Theorie. Gibt es in der ganzen Welt ein Parlament ohne Par- teien? Ist historisch und staatsrechtlich Parlament und Partei- wesen zu trennen? Die Verfassung von Weimar nennt die Parteien nicht, aber sie wäre ohne die Voraussetzung von Parteien unsinnig gewesen. Das verfassungsmäßig verankerte Verhältniswahl» recht ist ohne Parteien sinnlos und nicht durchführbar. Dieseinformierten Kreise" verfolgen das Ziel. zu beweisen, daß der Reichstag eigentlich ein Fremdkörper in der Verfassung sei, sie verfolgen mit einem Worte das Ziel des Staatsstreichs. Wer find dieseinformierten Kreise"?
GA.-provokaiionen vor Eondergerichi. 13 Angeklagte in Breslau  . Sreslao, 14. September.  (Etgenbericht.) vor dem hiesigen Sondergericht begann am Mittwoch der Prozeß gegen 13 Angeklagte, die sich am 10. Zuli, dem Tage der blutigen Zusammenstöße in Ohlau  , des Landfriedens- bruchs, des Aufruhrs, der Sörperverlehung, des Verstoßes gegen das Schuhwossengejeh sowie des Widerstandes gegen die Staats­gewalt bei einem Zusammenstoß zwischen Reichsbannerleuten und Kommunisten auf der einen Seite und Rat'onalsozlalistcn auf der anderen Seile in Santh schuldig gemacht haben. Die Angeklag- tea gehören nur zum Teil der Eisernen Front an. vier bekennen sich zur Rationalsozialistischen Partei, einige sind Kom­munisten und Parteilose. Am Sonntag, dem 10. Juli, nachmittags 6 Uhr, passierte ein Zug von Demonstranten auf Rädern und Wagen die Stadt Kanth  . Er kam von Gmschwitz, wo ein Roter Tag stattgefunden hatte, und wollte sich nach Rackschütz begeben. In der Nähe des Kanther Postamts standen an einem Eiswagen etwa 15 bis 20 Na- tionalfozialisten. Nach der übereinstimmenden Aussage der Angeklagten beider Parteien hatte der Führer des Zuges gerufen: »Nicht provozieren, weiterfahren!" Als schon ein Teil des Zuges die Gruppe der Nationalsozialisten passiert hatte, kam es zum Zusammenstoß. Sofort erhob sich eine wilde Schießerei. Die Verhandlung soll ergeben, ob auch von feiten der Demonstranten geschossen worden ist. Fest steht jedenfalls, daß der Führer der Kanther SA., der sich unter den Ange- klagten befindet, mit einem Revolver mehrere Schüsse abge- g e b e n h a t. In das Arnoldsche Haus, in das sich die National- sozialisten zurückgezogen hatten, drangen Angehörige des Zuges ein. Auch wurden die flüchtenden SA.-L«ute durch die Stadt ver- folgt: es gab auf beiden Seiten Verwundete. Der Reichsbanner- mann Erdmann Tilke erhielt einen Bauchschuß, an dessen Folgen er starb. Zu der Verhandlung, die unter dem Vorsitz des Land- gerichtsdirektors Kempf vor dem Breslauer Sondergericht statt- findet, sind 38 Zeugen geladen. Die Verhandlungsdauer ist auf drei Tage festgesetzt._
Neuwahlen in Hessen  . SPD.   beantragt Auflösung des Hessischen Landtags  . Darmstadl, 14. September. Die sozialdemokratische Fraktion hat im Landtag folgenden Antrag eingebracht: Der Landtag wolle beschließen: Für den Fall einer Reichstagsneuwahl ist der S. Hessische Landtag gemäß Art. 24 der hessischen Verfassung auszulösen. Die Neuwahlen zum Heffischen Landtag sollen zusammen mit den Reichstagswahlen stattfinden. Ferner, wird beantragt, den Landtag alsbald einzu- berufen, um eine Entscheidung über den Antrag herbeizuführen.
Henri Guilbeaux  , der 1919 in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde und sich nun der Justiz gestellt hat. bestritt bei seiner Ver- nehmung, daß er Frankreicks Interessen abträglich« Anstel   im Aus­lände oerösisntlichl habe und gab seiner Ueberzeugung Ausdruck, daß er aus oer Schweiz   aus Verlangen Clemenceaus aus­gewiesen worden sei und betonte zum Schtutz. daß er sich künstig lediglich seinen literarischen Arbeiten widmen wolle.
Interalliierter Zahlungsplan? Ziestzahlung von eimr Milliarde an Amerika Tie amerikanische Hearstpresse läßt sich auS London  melden, daßeuropäische Sachverständige" gegenwärtig damit beschäftigt seien, einen Plan für die Ablösung der interalliierten Kriegs- schulden" auszuarbeiten. Ter Plan soll sich eng an die in Lausanne   vereinbarte Lösung der Reparationsfrage anlehnen. Aehnlich wie in Lausanne   eine einmalige deutsche Schlußzahlung vereinbart wurde, die durch eine internationale Anleihe aufgebracht werden soll, wollen die europäischen   Länder ihre Kriegsschulden an die Per- einigten Staaten durch eine Schlußzahlung von einer Milliarde Dollar lgegenüber einer Schuldsumme von 11 Milliarden Dollar) ablösen und den Ablösungsbetrag durch eine internationale Anleihe aufbringen. » Zur Beurteilung dieser Meldung muß man beachten, daß die Hearstpresse den Charakter einer ausgesprochenen Sensationspresse trägt. Die Meldung ist auch ganz unbestimmt. Es geht aus ihr nicht hervor, wer dieeuropäischen Sachverständigen" sind und wer sie beauftragt hat. Andererseits ist seit dem Boung-Plan eine innige Verquickung der interalliierten Zahlungen mit den Repara- tionen eingetreten, die zu einem wichtigen und nicht leicht zu be- seitigenden weltpolitischen Faktor geworden ist. Diese Verbindung wurde ja saktijch auch von Amerika   durch das Hoover-Iahr an- erkannt und man könnte es daher verstehen, daß den Schuldnern Amerikas   daran gelegen ist, die Regelung, die sie mit Deutschland  vereinbart haben, gegenüber Amerika   auszuwerten. Abzuwarten ist vor allem, wie sich die amerikanische   Oefsentlichkeit zu diesem Versuchsballon der Hearstpresse stellt.
Nazi-Mordpest in Oesterreich  . Schießerei in Wiener  -Tleustadt. Wien  , 14. September.  (Eigenbericht.) 3n der österreichischen Industriestadt Wiener- Neustadl haben sich in der Nacht zum Mittwoch blutige Zusammeu- stöße zwischen sozialdemokratischen Arbeitern und hakenkreuzlern zugetragen. Drei Nationalsozialisten und zwei Arbeiter wurden schwer verletzt. Die hakenkreuzler hatten Trupps ousgesandt, um sozialdemokratische Plakate von den wänden zu reißen. Einige Arbr'.kar stellten einen solchen Trupp zur Rede. Die Hakenkreuzler begannen sofort eine wüste Schießerei gegen die Arbeiter, die dann auch geschossen haben sollen. Die niederöfierreichische Landesregierung beabfichkizk für ganz
Niederösterreich   ein allgemeines Aufmarsch- und ver- sammlungsverbot zu erlassen, um weiteren Zusammen- stötzen die Möglichkeil zu nehmen. Ein Schießaufruf des Wiener   Gauleiters. Wien  , 14. September, Der Gauleiter der Nationalsozialistischen   Partei, Frauen- feld, hat einen Aufruf erlassen, in dem es u. a. heißt:Wir proklamieren hiermit die Pflicht der Notwehr! Kein Parteiangehöriger darf einen Gegner angreifen. Diez würde seinen Ausschluß aus der Bewegung noch sich ziehen(!). Selbst aber angegriffen, hat er sich rücksichtslos zur Wehr zu setzen, sonst ist er nicht wert,«in Nationalsozialist zu sein. Auch die Gefahr einer Freiheitsstrafe bei U e b e r f ch r e i t u n g der Notwehr wiegt gering gegen die Gefahr, sein Leben zu verlieren oder zum Krüppel zu werden. Lieber einige Monate eingesperrt als ein Krüppel zu sein."
Moratorium in Rumänien  . Begleitmusik zur Strefakonferenz. Bukarest  , 14. September.  (Eigenbericht.) Die seit Jahren heftig umkämpfte Frage der En t s ch u l d u n g der Landwirtschaft, die die letzte Regierung Jorga durch das berüchtigte Umschuldungsgesetz zu lösen versuchte, das jedoch den Protest der rumänischen Gläubigermächte hervorrief, hat plötzlich eine unerwartete Wendung genommen. Im Einvernehmen mit dem zur Zeit in Bukarest   weilenden Finanzsachverständigen des Völker- bundes hat die Regierung dem Parlament eine dringliche Vorlage zugehen lassen, die die Erklärung eines Moratoriums von 1H Jahren für alle landwirtschaftlichen Gläubiger vorsieht. Während dieser Zeit sollen Gläubiger und Schuldner oersuchen, zu einer gütlichen Einigung über ihr Schulden- Verhältnis zu gelangen. Das lH jährige Moratorium wird weiterhin auch allen jenen Banken zugute kommen, deren Portefeuilles min- bestens 40 Proz. landwirtschaftliche Wechsel aufweist. Das in Kraft befindliche und viel umstritten« landwirtschaftliche Umschuldungsgesetz wird eine radikale Abänderung erfahren. Im übrigen aber wird seine Anwendung während der Dauer des Moratoriums, also 1)4 Jahre, außer Kraft gesetzt. Bei den Mehrheitsverhältnissen im Parlament ist die Annahme der Regierungsvorlage gesichert.
Die Budapester Polizei hat von 200 demonstrierenden Kom- nninisten 48 verhaftet: ein Bäckerzchilfe erhielt aus einem Polizei- reuolver einen Bauchschuß, vorher soll dem Schutzmann der Säbel entrissen worden sein. Wirtschastsverbändler, die vor den aus- känd-ffchen Sachverständigen demonstrieren wollten, wurden mit G-umnri knüppeln ausemandergeschlagea.