Morgenausgabe
Nr. 441
A 215
49. Jahrgang
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Teils
Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Sonntag
18. September 1932 Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.
Hentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlan
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Wahltag: 6. November!
Amtlich wird mitgeteilt: Das Reichskabinett beschloß am Sonnabend, dem Reichspräsidenten den 6. November 1932 als Termin der Neuwahlen zum Deutschen Reichstag vorzuschlagen.
Der fünfte Wahltag.
Für Freiheit und Arbeit! Innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist, auf den 6. November, hat das Kabinett Papen die Neuwahlen zum Reichstag angesetzt.
Zum fünften Male werden Deutschlands Wähler im Jahre 1932 an die Urne gerufen, wenn man von kleineren Stimmkämpfen absieht, die in einzelnen Landesteilen stattfanden.
Zweimal hat die Regierung Papen die Stimme des Volkes mißachtet, zweimal hintereinander das Ergebnis der Reichstagswahlen ignoriert. Wird dem neu zu wählenden Reichstag ein anderes Schicksal beschieden sein?
Wie war es möglich, daß ein Recht des Volkes, das bei allen Kulfurvölkern als höchstes und wichtigstes geachtet wird, so widerstandslos beiseite geschoben werden konnte in einer Zeit, wo das politische Interesse zu nie gekannter Lebhaftigkeit erwacht ist?
Es war nur möglich, weil das Volk. weil die Wähler selbst es freiwillig schon halb aus der Hand gegeben hatten. Indem sie ihre Stimme für Parteien abgaben, die offen erklärten, daß sie die Staatsbürgerrechte mit Füßen treten würden, wenn fie zur Macht gelangen, ging die demokratische Verfassung ihrer Niederlage entgegen.
,, Der Reichstag ist eine Schwahbude, ein Haus der Korruption und des Volksbetruges, weg mit ihm!" riefen die Helden vom Hakenkreuz, und heute können sie sich nicht laut genug entrüsten, weil andere Herren ihr Rezept zu befolgen versuchen.
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Der Parlamentarismus ist das Feigenblatt des Kapitalismus, eine unbrauchbare, stumpfe Waffe für die Kämpfe des Proletariats" riefen die Anhänger des Sowjetsterns von der anderen Seite, und heute schon merken sie, wie der eigene Kampfboden unter ihnen wegsinkt in dem Grade, in dem die Rechte des Parlaments beschnitten wurden.
Der Reichstag sollte und soll die Nokverordnungen beseitigen- aber wer hat die Rechte dieses Parlaments für wertlos und das ganze Institut für überflüssig erklärt, als es noch funktionierte? Dieselben Parteigruppen, die heute seine Ohnmacht
nicht laut genug beklagen können! Wer also will, daß die Volksvertretung wieder die Vertretung des Volkes werde, deren Stimme gehört, deren Beschlüsse geachtet werden, der sorge für einen Reichstag, der seine eigenen Rechte wahrt, der
wundert sich, daß das Wohl der Arbeitslosen und| Sowjetstern die gleiche Wirkung haben, so entgegender Rentner, der Angestellten und der Ar- gesetzt auch ihre Absichten sind, der schlägt sich selber beiter, der Mühseligen und Beladenen nicht von nieder. Kasten und Klassen, die über ihm stehen, wahrgenommen werden kann, sondern nur von ihm selbst?
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Je schwächer der Reichskag, die Volksvertretung, die Demokratie um so stärker der Lohndruck, die Gehaltsabzüge, die Rentenkürzungen, die Herabsetzung der Arbeitslosenunterstützung.
Die Herren" sorgen für sich selbst, für den Unternehmer, für den Kapitalisten, für die Besitzenden, und wer den Herren die Staatsführung überläßt, indem er sich antiparlamentarischen, antidemokratischen Gruppen anschließt, die heute unter dem Hakenkreuz wie unter dem
Darum geht es bei der Wahl am 6. November! Wird zum dritten Male ein Reichstag mit antiparlamentarischen Mehrheiten gewählt, dann ist nicht nur unser Staatsbürgerrecht für lange Zeit verloren, sondern es sind auch alle Aussichten für Wiedergutmachung der wirtschaftlichen Verschlechterungen verschüttet.
Nie hat der deutsche Wähler so um Volksrechte und Volkswohl, um Freiheit und Arbeit gestritten wie bei dieser Wahl- drum gilt keine Müdigkeit, keine Zermürbung, die der mächtige Gegner so gerne sähe, sondern verdoppelter Eifer, verdoppelte Kraft!
Zehn Wochen trennen uns noch, wir formieren die Reihen, wir prüfen die Waffen, wir stürmen vor
für Freiheit und Arbeit!
Herriot über deutsche Rüstungen.
Paris , 17. September. ( Eigenbericht.)
Der Auswärtige Ausschuß der Kammer hat am Sonnabendnachmittag einen Bericht Herriots über die aus wärtige Lage entgegengenommen, der sich vor allem auf das deutsche Militär- Memorandum und die französische Antwortnote be30g. Die Ausführungen Herriots machten großen Eindrud auf die
Rommissionsmitglieder, die den Standpunkt des Ministerpräsidenten
einstimmig billigten.
Herriot soll in der Sitzung u. a. gesagt haben: Ich bin so= wohl der Mann des Völkerbundspaktes wie des Versailler Vertrages. Niemals habe ich eine Unterhaltung angenommen und werde auch keine annehmen, die nicht in den in Kraft befindlichen Berträgen vorgesehen ist. Ich bin nicht der Mann für private Berhandlungen, daher werde ich auch die Konferenz ablehnen, die uns
vorgeschlagen worden ist. Denn ich fühle mich in keiner Weise be= rechtigt, als Mandatar von Nationen aufzutreten, die man mit Unrecht die kleinen Nationen nennt. Diese haben nach meiner Ansicht an allen Verhandlungen teilzunehmen, die sie interessieren."
Die Anspielung Herriots auf eine Konferenz bezieht sich auf eine englische Anregung, nach der die vier Großmächte Deutsch land , England, Frankreich und Italien über die deutsche Forderung auf militärische Gleichberechtigung verhandeln sollten.
Der nationalistische Abg. Soulier fragte den Ministerpräsi
wähle nicht Abgeordnete, die ſelbſt der Meinung find, erste Wahlkundgebung
daß die Parlamente in die Wolfsschlucht gehören.
Denn nun hat es sich auch dem Einfältigsten offenbart, daß es sich dabei nicht um politische Rechte allein, sondern auch um seine Eristen 3, seinen Lohn, seine Rente, seine Unterstützung, sein ganzes wirtschaftliches Leben handelt.
Wer wundert sich, daß die Gesellschaft der „ Herren", daß der Diktator, daß die ,, Autorität“ nicht weiß, wo dem armen Mann der Schuh drückt? Wer
Musikalische Darbietungen des Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold, Fahneneinmarsch der Sportler. Redner: Otto Wels und Paul Löbe . Kasseneröffnung 17 Uhr. Eintrittspreis 50 Pf., für Erwerbslose( Vorzeigung der Stempelkarte) 10 Pf. Die Banner- und Fahnenträger treffen sich bereits um 19 Uhr in der Vorhalle des Sportpalastes.
| denten im Verlauf der Beratungen, ob er nicht die Absicht habe, das von der französischen Regierung zusammengestellte Aftenstück über die deutschen Geheimrüstungen den Teilnehmern an den bevorstehenden internationalen Verhandlungen zu unterbreiten. Herriot soll darauf erwidert haben:
Ich habe mich dieses Aftenstückes bereits England gegenüber bedient. Ich bin nämlich der Meinung, daß man, anstatt mit Beschuldigungen und Anspielungen vorzugehen, in einer solchen Frage ein offenes Spiel spielen muß, und ich füge hinzu, daß die Enthüllungen auf die betreffenden Personen einen großen Eindruck gemacht haben, denen ich sie unterbreitet habe."
Herriot machte schließlich noch einige Mitteilungen über die Fabrikation von Kriegsmaterial in Deutschland und erklärte, daß er sich vorbehalte, im gegebenen Augenblick das fragliche Aktenstück den Signataren des Völkerbundspaktes zu unterbreiten,
fragen.
Die Herriot zugeschriebenen Erklärungen stimmen in ihrer Tonart nicht mit denen überein, die er am Sonnabend dem Botschafter von Hoesch gegenüber gemacht hat. Aber es geht aus ihnen hervor, daß Herriot Verhandlungen, an denen alle interessierten Mächte beteiligt sind, nicht ablehnt.
Hoeschs Abschied von Herriot .
Paris , 17. September. ( Eigenbericht.) Der deutsche Botschafter von Hoesch stattete am Sonnabendvormittag Ministerpräsient Herriot einen Besuch ab, um ihm von seiner Ernennung zum Botschafter in London und der Ernennung Roesters zu seinem Nachfolger in Paris offiziell Kenntnis zu geben. An diese Mitteilung schloß sich eine herzlich gehaltene persönliche Aussprache, in der Herriot seinem Bedauern über das Scheiden des Botschafters Ausdruck gab und Erinnerungen
an ihre Zusammenarbeit in Paris auffrischte.
Dieser persönlichen Unterredung folgte ein eingehender Meinungsaustausch über den gegenwärtigen Stand der deutsch - französischen Beziehungen und besonders über die französische Antwortnote auf das deutsche Memorandum in der Frage der mili