Kommum'flifche Wahllügen. Wer hat schuld?- Die SPD . Die KPD. veröffentlicht ihren Wahlaufruf. Sie ist zwar nicht mehr, wie im letzten Wahlkampf, so unvorsichtig, die Sozialdemokratie zum„Hauptfeind" zu erklären, aber sie bleibt sich insoweit treu, als sie den Hauptteil ihres Angriffs und die gröblichsten Beschimpfungen gegen die Sozialdemo- kratie richtet. Offenbar setzt die KPD. ihre Hoffnung ausschließlich auf jene Massen, die, bar jeder politischen Bildung, sich ledig- lich von der Verzweiflung über ihre bittere Not leiten lassen, und verzichtet sie auf jene Arbeiter, denen die Fähigkeit zu denken noch nicht völlig verloren gegangen ist. Denn Be- hauptungen wie, die Sozialdemokraten kämpften„für die Ausbeuterklasse" und sie feien an aller Not und an allem Elend schuld, kann man nicht aufstellen, wenn man den Anspruch erhebt, von denkenden Menschen erkst genommen zu werden. Als die Sozialdemokraten noch Einfluß auf die Staats- gefchäfte hatten und Hermann Müller Reichskanzler war, da waren die Löhne besser, die Unterstützungen höher, und die Arbeitnehmer hatten eine ganz andere, stärkere Stellung in Staat, Gesellschaft und Betrieb als heute. An den furchtbaren Verschlechterungen, die seitdem ein- getreten sind, trägt nicht nur die Krise des Kapitalismus und der Vormarsch der Hakenkreuzler Schuld, sondern auch das sinnlose Treiben der KPD., die die Stellungen der Sozial- demokratie unterminierte, den Verteidigern der Arbeiterrechte in den Rücken fiel und dadurch die k a p i t a l i st i s ch e Offensive unterstützte. Natürlich macht der kommunistische Aufruf auch die Hindenburg -Wahl zum Gegenstand seiner Angriffe. Aber nachdem die KPD . ihren T h ä l m a n n aufgestellt hatte, blieb der Sozialdemokratie gar nichts anderes übrig, als die Hindenburg -KaNdidatur zu unterstützen, wenn sie nicht Hitler für sieben Jahre Reichspräsident und damit Alleinherrscher Deutschlands werden lassen wollte. Ohne die sinnlose Thälmann -Kandidatur hätte es keine Hindenburg -Wahl gegeben! Sehr unzufrieden ist die KPD. auch mit unserem Volksbegehren gegen den Sozialraub. Offenbar ist sie der Meinung.'daß man nur Volksbegehren gegen sozial- demokratische Minister gemeinsam mit Nazis und Stahlhelm machen darf, wie es die KPD. noch im vori- gen Jahr getan hat. Diese Leute, die jahrelang gemeinsam mit Hitler und Hugenberg für den Sturz Brauns und Severings arbeiteten, und die am Abend des 2g. Juli noch in ihren Versammlungen Beifall klatschten, als sie von den Ereignissen des Tages erfuhren, sie sind die letzten, die der Sozialdemokratie Vorwürfe machen dürfen, weil sie am 20. Juli nicht gewaltsamen Widerstand bis zum letzten geleistet hat. Wenn die Kommunisten wissen wollen, wer die Kampf- kraft der Arbeiterklasse schwächt, brauchen sie nur in den Spiegel zu sehen!_ Die Gchallplatie als Zeuge! Llntersuchungs-Ausschuß am 22. September. Die nächste Sitzung des Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung ist aus Donnerstag, den 22. September, vormittags 11 Uhr, angesetzt worden. In derselben werden wieder die Vorgänge in der Sitzung des Reichstags, in der die Auflösung er- folgte, behandelt werden. Dabei sollen die ersten Zeugenvernehmungen zur Feststellung des Tatbestandes, wann die Wortmeldung des Reichskanzlers und die Uebergwbe der Urkunde erfolgte, stattfinden. Außer den schon genannten Zeugen sind auch die vier in der Sitzung amtierenden Schriftführer sowie die Stenographen geladen, welche das amtliche Protokoll der Sitzung abgefaßt haben. Ferner soll der Versuch gemacht werden, an Handder von der Funkstunde aufgenommenen Schallplatten die Vorgänge zu rekapitulieren, soweit sie durch das gesprochene Wort und nicht durch unhörbare Gesten(Handaufheben oder Ueber- gäbe des Auflösungsschreibens) erfolgten. Es dürfte das erstemal sein, daß ein so objektiver und unbe- einslußbarer Zeuge, noch dazu bei einem staatsrechtlich so wichtigen Vorkommnis„verhört" wird. Die Frage, ob die Beteiligten selbst, Kanzler, Minister und Staatssekretär schoi� diesmal zur Vernehmung erscheinen, ist noch nicht entschieden. Jedenfalls ist geplant, auch Abgeordnete, Jour- nalisten und Tribünenbesucher, welche die Vorgänge beobachtet haben und sich selbst als Zeugen melden, zu verhören. An der staatsrechtlichen Wirksamkeit der Akte, die am Montag, dem 12. September, sich ereigneten, können die Feststellungen, auch wenn sie einwandfreie Resultate erbringen, nach der Entscheidung des Reichspräsidenten und der Ansehung des Termins für die Reu- wählen nichts mehr ändern. Die nationalsozialistifch-kommunistische Mehrheit, welche trotzdem die Untersuchung beschloß, will damit wohl nur den Streit zwischen dem Kanzler v. Papen und dem Reichstagspräsidenten Göring aufhellen.
Wirtschastsverbrecher Lahusen. Hauptverhandlung endlich in Sicht. Bremen , 17. September. (Eigenbericht.) Die Zuskizpressestelle teilt mit:„Das hauptoerfahren gegen die Gebrüder G. Carl und Heinz Lahusen ist am 16. Sep- tember 1332 wegen Konkursvergehens 8 240 Ziffer 3. Z 244 Son- kursordnung wegen Bilanzverschleierung und wegen sortge- sehter Untreue(§ 312 Handelsgesetzbuch.§ 266 Absatz 1 und 2 Strasgesehbuch) eröffnet. Es ist nunmehr mit einer baldigen Terminansehung zu rechnen." Es wird ein forensisches Schauspiel von besonderer Bedeutung werden, wenn die Hitler -Anwälte die seinen Lente von der Bordwolle verteidigen werdent
Von der Festwiese der Politik.
Beim Tauziehen um die Macht ließ der favori- sierte Schlußmann Görina vorzeitig da» Seil los und seht sich blamabel auf den hinlern.
An der Kletterstange gelang es dem Unternehmer- tum mit Hilfe einer Schiebung die hauptpreise zu erschnappen.
Im Topfzerschlagen blieb die kommunistische Presse unbestrittener Meisler.
Mandschukuo, ein zweites Korea . Werdender Welibrand im Fernen Osten. Banditen oder Patrioten? Dies«„Banditen" sind die B e w o h n e r der Mandschurei . Die Mandschurei ist zu 95 Prozent von Chinesen bewohnt.
Am 16. September,>-10 Uhr vormittags, überreichte General Nobuyoschi Muto, Japans Sondergesandter in der neuen mandschuri- scheu Hauptstadt Tschangtschun, das Protokoll, in dem das japanische Kaiserreich die Anerkennung des Staates Mandschukuo ausspricht. Damit ist der Krieg in Ostasien unvermeidlich geworden. In der Septembernummer der„Current History" vergleicht der be- kannte amerikanische Historiker Tyler Denell die Lage Ostasien « mit der Europas im Juli 1914. Sie unterscheide sich von dieser nur dadurch, daß zwischen den Schüssen in Serajewo und dem Kriegs- ausbruch ein Monat lag, während jetzt viele Monate, vielleicht auch noch Jahre vergehen können, bis es zum offsneu Ausbruch der Feindseligkeiten kommt. Japan marschiert. Als japanische Truppen Mitte September vergangenen Jahres Mulden besetzten, taten sie es angeblich, um geltenden Verträgen Respekt zu verschaffen. Die Regierung in Tokio beteuerte feierlich, sie wolle gar nichts anderes als chinesische Uebergriff« abivehren. Sei dieses Ziel erreicht, werde sie selbstverständlich die Mandschurei wieder räumen. Die japanischen Delegierten in Genf wünschten nichts sehnlicher, als daß das möglichst bald geschehen könne, waren allerdings„zu ihrem aufrichtigen Bedauern" gezwungen, darauf aufmerksam zu machen, daß man gut hie, sich in Geduld zu fassen. Die„Befriedung" des Landes zog sich nämlich in die Länge. Kaum war eine„Räuberbande" vernichtet, tauchten an anderer Stelle drei neue auf. Anstatt sich zurückziehen zu können, waren die friedliebenden Japaner genötigt, immer weiter vorzu- marschieren. Zum Glück fanden sie dabei die Unterstützung der be» sonnenen Elemente in der Mandschurei . In Mulden, Kirin, Tsitsihar , überall entstanden ganz spontan Komitees von wahren Patrioten, die nur darauf gewartet hatten, das verhaßte Joch der Nankinger Regierung abzuschütteln. Selbstlos stellte sich der Exkaiser von China zur Verfügung. Aus dem schlichten Henry Puyi , der sich bis dahin ausschließlich mit Tennis und English Woltz beschäftigt hatte, in welchen Künsten«r es nach dem Urteil von Kennern zu ansehnlichen Leistungen gebracht hatte, wurde der lebensläng- l i ch e Regent eines neuen Staates. Während sich Japan für die Heiligkeit der Verträge und den Frieden aufopfert«, entstand ganz ohne sein Zutun, ja zu seiner höchsten Ueberraschung, Mandschukuo... Noch bevor der Völkerbund recht zur Kenntnis genommen hatte, daß ihn der Krieg in Ostasien immerhin einigermaßen angeht, teilte die amerikanische Regierung am 7. Januar in einer Note China und Japan mit, daß sie kein« Situation, keinen Vertrag und kein Abkommen anerkennen werde, welche durch Mittel zustande kommen, deren Anwendung gegen den Pakt von Paris (den Kellogg - Patt) verstoße. Bekanntlich schloß sich der V ö l k e r b u n d im März nach langem Hin und Her diesem Schritt der amerikanischen Re- gierung an und beschloß gleichzeitig, eine Kommission, geführt von Lord L y t t o n, in die Mandschurei zu schicken. Sie sollte fest- stellen, ob China oder Japan im Recht« ist. Japan kümmerte sich um die Roten, Beschlüsse und Kommissionen nicht einen blauen Dunst. Sein« Soldaten marschierten immer weiter. Sie drangen nordwärts vor, bemächtigten sich der halbrussischen„O st chinesischen Eisenbahn" und eine Zeitlang schien es, als ob sie an der mandschurisch -russischen Grenze nicht haltmachen würden. Heute haben sie alle größeren Orte in ihrer Hand, allerdings ständig von „Banditen" bedroht.
95 Prozent der Bevölkerung lehnen die Spoltgeburt dieses neuen Staates mit leidenschaftlichem hasse ab. Auf ihrer Seile stehen die mehr als vierhundert Millionen im eigentlichen China . Von ihnen unterstützt kämpfen sie, ohne gerade eine von den Genfer Schneidermeistern anerkannte Uniform zu tragen, einen wüten- den Kleinkrieg. Sie haben Kirin umstellt, vor kurzem über- rumpelten sie beinahe Mulden, wo einige japanisch« Flugzeuge und ein« Radiostation drausgingen, sie überfallen japanische Posten, des- organisieren den Bahnverkehr, sprengen Brücken und lassen die Japaner keinen Augenblick zu Atem kommen. Die Chinesen haben vor Schanghai gezeigt, daß sie zu kämpfen verstehen, und in der Mandschurei müssen die Japaner zu ihrem großen Schmerz erfahren, daß die„friedliche Durchdringung" doch nicht ganz so einfach ist. Die gepreßten Soldaten des neuen Staates laufen in hellen Scharen zu den„Banditen" über. Imperialistische Methoden. Inzwischen richten sich aber die Japaner in der Mandschurei ganz häuslich ein. Jeder Mandschuminister hat eine Schar japanischer„Berater" um sich. Die Eisenbahnen sind von den Japanern übernommen worden. Seit Mitte Oktober leiten japanische Direktoren die beiden Regierungsbanken, die Grenzbank und d'- Bank der drei östlichen Provinzen. Die Japaner haben sich aller chinesischen Unternehmungen bemächtigt. die große Spinnerei in Mutden ist japanisch geworden, ebenso die großen Futschouwan-Kohlengruben, die bedeutendste Exportfirma Li Ta, und so weiter. Aus den gemischten, chinesisch-japanischen, Unternehmen sind die Chinesen hinausgeworfen worden. Der Vertrag, den Japan jetzt mit Mandschukuo schließt, macht dreißig Millionen Chinesen zu Untertanen des Mikado. Japan übernimmt den militärischen Schutz des neuen Staates nach außen: alle Bahnen werden der Verwaltung der japanischen Südmandschurischen Bahn unlerstellt: j a p a n i. s ch e Beamte überwachen die Eintzaltung der Verträge: japanische Bürger haben unbegrenzte Freiheit, sich niederzulassen. zu reisen und Handel zu treiben. Die Mandschurei soll noch dem Willen Japans zu einem zweiten Korea werden, heute noch„unter dem Schuh Japans ", morgen eine japanische Kolonie. Daß China sich damit niemals abfinden wird, braucht nicht erst bewiesen zu werden. Nicht einmal der käuflichste der Generale könnte derartiges wagen. Die Zeiten, da China Gebiete auf 99 Jahre „verpachtete", sind für immer vorbei. Selbst jene Militärmacht- Haber, die ein« Zeitlang mit den Japanern paktierten, waren ge- z wungen, gegen Japan zu kämpfen, wenn sie nicht vernichtet werden wollten. Der berühmte General M a, vorübergehend Kriegsminister von Mandschukuo, führt jetzt wieder Krieg in der Nordmandschurei: im Ieholgebiet hat sich der General Tang, einer der Mitunterzeichner der„Unabhängigkeitserklärung", neuerdings wieder von Mandschukuo abgewendet. Nicht aus nationalen Gründen, sondern weil es un- möglich ist, chinesische Truppen, und seien es auch nur hungernde Söldner, gegen China zu führen. Der ehemalige Herr der Mandschurei , General Tschang H s ü e> l i a n g, organisiert von Peking aus den bewaffneten
MU
�•'