1932
Der Abend
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Nr. 442
B 213
49. Jahrgang
Das vorläufige Endergebnis der Wahlen zur Zweiten Kammer ergab für die Konservativen 563 742 Stimmen gegen 692 434 im Jahre 1928, Bauernbund 351 055( 263 501), Liberale 40 859 ( 70 820), Freisinnige Volkspartei 247 092( 303 995), Sozialdemokraten 1013 176( 873 931), Schwe dische Kommunisten 130 882( 151 567), Internationale Kommunisten 73 508, Nationalsozialisten 14 845. Es sind somit gewählt:
58 Konservative( 15 Sige verloren)
36 Bauernbund( 9 gewonnen)
4 Liberale( unverändert)
20 Freisinnige Volkspartei ( 8 verloren)
104 Sozialdemokraten( 14 gewonnen) 6 Schwedische Kommunisten( 2 verloren)
2 Internationale Kommunisten( 2 gewonnen).
Regierung zurückgetreten.
Stocholm, 19. September. Die Regierung Hamrin hat heute im Kronrat dem König ihr Rücktrittsgesuch eingereicht. Der König hat die Demission angenommen.
Kerri bei Hindenburg . Einspruch gegen den„ Reichskommissar". Reichspräsident von Hindenburg empfing Montag vormittag im Beisein Bapens den Landtagspräsidenten Kerri, der dem Reichspräsidenten an Hand einer gleichzeitig überreichten Aufzeichnung die Auffassung des Preußischen Landtags über die Einsehung eines Reichstommissars für Preußen und des von diesem bisher geübten Verfahrens darlegte.
Papen - Schleicher- Politik führt zur Isolierung
Der Weg der deutschen Außenpolitik geht in die| für eine neue Ententepropaganda gleich waggonweise liefern. Isolierung. Die englische Note gegen die deutsche Die Hoffnung aber, daß in Herrn Mussolini der deutRüstungspolitik ist nur für diejenigen eine Enttäuschung, die schen Elsa ein neuer Lohengrin erstehen könnte, fann nur durch öffiziöse Stimmungsmache irregeführt worden sind. der hegen, der das Jahr 1915 noch nicht denkend mitNoch die Berliner Montagsblätter reproduzieren Stimmen erlebt hat. der Londoner Sonntagspresse, ganz besonders die des großen Schaumschlägers Lloyd George , die für den deutschen Standpunkt außerordentlich sympathisch" sind. Aber schon ruft Otto Kriegt bei Hugenberg: Der Feind steht draußen!" Und: Der englische Standpunkt ist für Deutschland sehr ernst. Sich das verheimlichen zu wollen, würde eine Gefahr für die deutsche Außenpolitik bedeuten."- Dem letzteren fann man nur zustimmen mit dem Hinzufügen, daß auch der Standpunkt Italiens von jenem Englands gar nicht weit entfernt ist.
Was ist der Inhalt des Schreibens, das der britische Botschafter gestern der deutschen Regierung überreicht hat? England findet den deutschen Entschluß, sich von der Abrüstungskonferenz bis auf weiteres fernzuhalten ,,, unklug" und ,, unzeitgemäß". Es nennt ihn eine befristete Herausforderung" und warnt vor der Auffassung, daß die englische Regierung einer Mißachtung verträglicher Bestimmungen Unterſtügung gewähren oder moralischen Beistand leisten" fönnte. Als Ziel der Abrüstungsfonferenz wird angegeben ,,, bei den stark gerüsteten Staaten
In der Hugenberg- Presse ist man so pfiffig, aus dem Ganzen eine Wahl parole zu machen. ,, Feinde ringsum, mag es sein!" Man hofft auf neuen Zuzug für die deutschnationale Regierungspartei und auf einen soliden Bürgerblock mit Nazis und Zentrum. Das ist, vom Standpunkt ge= riffener Wahlbetrüger aus, vielleicht gar nicht so übel erdacht. Daß damit die außenpolitischen Probleme nicht gelöst find, ja daß im Gegenteil ein nationalistischer Bürgerblock nur noch tiefer in die Sackgasse hineinführen muß, versteht sich von selbst, spielt aber für die Drahtzieher der ,, nationalen" Reaktion nicht die allergeringste Rolle.
Deinliche Ueberraschung in der Wilhelmstraße. An zuständiger Berliner Stelle verhehlt man nicht die pein. liche Ueberraschung, die das englische Memorandum für die Reichspolitik darstellt. Man erblickt in diesem Dokument den Beweis dafür, daß die englische Regierung in den letzten Tagen eine
Massenfundgebung in Leipzig . ie größtmögliche herabjegung, bei den schwach ge eigenen Angaben kürzlich der engliſchen Regierung unterbreitet hat,
Otto Wels enthüllt nationalistische Pläne.
Leipzig , 19. September. ( Eigenbericht.)
3n Leipzig veranstaltete die Eiserne Front am Sonntag eine gewaltige kundgebung mit dem Führer der Sozialdemofratischen Partei Otto Wels als Redner. Wels, dem stürmische Ovationen dargebracht wurden, sprach vor etwa 15 000 Menschen. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen äußerte er sich über die Borgeschichte der Reichstagsauflösung und enthüllte dabei Tatsachen, die allgemeines Aufsehen erregten. Wels führte u. a. aus: Die Nationalsozialisten hätten die Absicht gehabt, mit Hilfe des Artikels 43 der Reichsverfaffung einen Streich gegen Papen zu führen. In diesem Artikel der Reichsverfassung sei bestimmt, daß der Reichspräsident auf Antrag des Reichstags durch Boltsabstimmung abgesetzt werden kann. Dieser Beschluß des Reichstags erfordere eine Zweidrittelmehrheit und durch ihn würde dem Reichs präsidenten die fernere Ausübung seines Amtes untersagt werden. Hitler habe darauf gerechnet, mit Hilfe des Zentrums, der KPD. and unter Umständen jogar mit Hilfe der Sozialdemokratie eine solche Mehrheit zu finden. Die Folge wäre gewesen, daß durch ein Reichsgesetz auf Grund des Artikels 51 der Reichsverfassung mit einfacher Mehrheit ein Nachfolger hätte bestimmt werden können. Hitler hätte dabei die Hoffnung gehabt, mit Hilfe dieser einfachen Majorität das Ziel zu erreichen, das ihm im Präsidentenwahlkampf nicht beschieden gewesen sei. Weil von Papen in dem Wettlauf mit Hitler Sieger geblieben sei, sei der Plan Hitlers von vornherein gescheitert.
Die Kundgebung wurde zu einer gewaltigen Demonstration für Demokratie und Völkerfrieden und gestaltete sich zugleich zu einem flammenden Bekenntnis der Leipziger Arbeiterschaft zu dem Parteiführer Otto Wels.
rüsteten Staaten jedenfalls feine Vermeh rung."
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Diese fachlich gar nicht mißzuverstehende Stellungnahme wird in einige rein platonische Komplimente für den deut schen Anspruch auf Gleichberechtigung eingemidelt. Offenbar soll erreicht werden, daß Deutschlands Gleichberechtigung theoretisch anerkannt wird, daß sie aber praktisch durch ein neues Versprechen Deutschlands kompensiert wird, mit seinen Rüstungen im Rahmen des Vertrages von Verfailles zu bleiben. Von Deutschland wird erwartet, daß es sich unter solchen Voraussetzungen an der Abrüstungstonferenz wieder beteiligt.
In Paris hat man den englischen Schritt gegen die deutsche Rüstungspolitik mit einem Jubel aufgenommen, der verständlich ist. Denn die englische Note übersieht aus politischen Gründen absichtlich, daß der französische Mili tarismus an den neu erwachten Ansprüchen seines deut schen Bruders Schuld trägt. Sie findet Worte der Kritik nur für Berlin , nicht für Paris . Damit schwindet jede Hoffnung, daß es für Deutschland möglich sein könnte, im Streit um die Rüstungen England gegen Frankreich auszuspielen. Es zeichnen sich im Gegenteil die Umrisse einer englischfranzösischen Einheitsfront deutlich am politischen Horizont ab.
Ueber die juristische und die moralische Seite der Angelegenheit sagt die englische Note mancherlei. Aber wichtiger ist die macht politische Seite. Deutschland ist im Begriff, sich in weltpolitische Verwicklungen zu begeben, in denen es allein gegen einen Bund mächtiger Gegner steht. Daß Belgien , Polen , die Tschechoslowakei usw.
erhebliche Schwenfung im Sinne des französischen Standpunktes vorgenommen habe. Ueber die Gründe dieses Frontwechsels ist man sich jedoch nicht im flaren, man glaubt auch nicht, daß das Material über deutsche Geheimrüstungen, das Herriot nach seinen dabei eine ausschlaggebende Rolle gespielt habe. Jedenfalls scheine der Hauptbeweggrund der englischen Regierung zu sein, daß sie um jeden Preis die Genfer Abrüftungsfonferenz retten wolle. Diese Schwenfung in der englischen Stellungnahme, scheine sogar im eigenen Lande überraschend gewirkt zu haben, wie aus den fritischen Kommentaren der maßgebenden Londoner Blätter verschiedenster Parteirichtungen hervorgeht.
Jedenfalls, so wird weiter versichert, werde die Reichsregierung, deren Standpunkt in dem Absagebrief an den Vorsitzenden der Abrüstungskonferenz, Henderson, festgelegt sei, ihre Saltung nicht ändern und auch der Bürofizung der Konferenz am 21. d. M. fernbleiben. Eine Beantwortung des englischen Memorandums. merde nicht erfolgen.
Bezüglich der Meldungen aus Paris , wonach Herriot im Auswärtigen Ausschuß erklärt habe, daß er eine
Untersuchung des Bölkerbundes gegen Deutschland megen militärischer Vertragsverlegungen beantragen werde, wird an zuständiger Stelle versichert, daß man einem solchen Schritte mit Ruhe entgegensehe, der allerdings geeignet wäre, die deutschfranzösischen Beziehungen erheblich zu verschärfen.
( Siehe auch 2. Seite.)
Bayerische Reformpläne. Schäffer gegen Notverordnung, aber für Verfassungsreform München , 19. September. ( Eigenbericht.)
Die politischen Parolen, die die Führer der Bayerischen Volks. partei in jahrzehntelanger Tradition jeden Herbst auf der Tagung des Bauernvereins in Tuntenhausen ausgeben, waren diesmal weniger auf Kampf als auf Kompromiß und Reformen abgestellt. Als Redner vereinigten sich diesmal das junge, und das alte der alte Bauerndoktor Heim.
Sechs Flieger tödlich abgestürzt eine deutsche Aufrüftung wünſchen, verſteht sich von ſelbſt: Element, der gegenwärtige Parteiführer Staatsrat Schäffer und
Flugzeug- Katastrophe in Italien
Aus Rom wird gemeldet, daß in der Nähe von Specia bei einem Uebungsflug zwei Militärflugzeuge in der Luft zusammengestoßen sind. Beide Flug zeuge stürzten in die Tiefe. Bei dem Absturz fanden sechs Militärflieger den Tod.
ein französisch- englischer Bund zur Aufrechterhaltung des bestehenden militärischen Kräfteverhältnisses würde in Europa eine sehr zahlreiche Gefolgschaft finden. Und Amerika gegen Deutschland aufzuputschen mit dem Alarm ruf, der deutsche Militarismus sei wieder los, ist für geschickte Propagandisten ein Kinderspiel das um so mehr, als ja SA., Stahlhelm und ,, nationale" Presse das Material
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Schäffer war es zunächst daran gelegen, die Aufregung in den eigenen Parteifreisen zu beschwichtigen, die wegen der Koalitionsverhandlungen mit den Nazis entstanden sind. Der Sinn der ganzen Besprechungen mit den Hakenfreuzführern fei gewesen, eine Barteidiftatur unmöglich zu machen und mit bestimmten Abmachungen die Kräfteverteilung so vorzunehmen, daß es einer einzelnen Partei nicht möglich sein sollte,