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Gechart-Haupimann-Feier. Nose Scrni»* im Deutschen   Theater. Als Präludium las Eugen Klopfer   mit schlichter Ehrfurcht ein Gedicht von Max Herr mann(neben Franz Jung, dem wüsten, der behagliche Rebell aus Reiße in Schlesien  ): es hießDie Hauptmonn-Welt" und gab Einblick in die Schöpfung, die Ger  - hart Hauptmann, ein Wort Albrecht Dürers erfüllend, aus der Vielfältigkeit unseres irdischen Seins herausgerissen hat. Dann wurdeRose Bern d". das ehern gefügte, durch die Zwangs- läufigkeit des Geschehens überwältigende Schauspiel von des Weibes Leid und Einsamkeit vorgeführt: ein Stück grausamer Natur, ge- sehen durch versöhnende Menschlichkeit. Dem anwesenden Dichter, der demnächst das siebente Jahrzehnt vollendet, wurde die Genugtuung, daß der inzwischen zehnmal verpönte Naturalismus alle Schablonen des spanisch oder germanisch gestiefelten Geistes, alles Rätselpathos und alle Akrobatik deutungsreicher Mystik überdauert. Die Rose Bernd   wird noch leben, wird Menschen erschüttern und entsühnen, wenn ganze Bibliotheken ichsüchtiger Abstraktion vergessen sind. Werk und Aufführung, die Karl Heinz Martin  , von dem Maler Ernst Schütte   unterstützt, auf pralle, saftige, trittfeste Erde stellte, auf Heimatboden, mitten hinein in den Alllag, zeigten am scheinbar Bedeutungslosen, an einem Bauernmädel und dessen all- täglichem Schicksal: Art und Sinn der Welt. Rose Bernd  , die ihr ganzes junges Leben lang geschuftet hat, Kartoffeln gebuddelt, den Vater verpflegt und die kleine Schwester gewartet, Rosla, Rosine  , hinter der die Männer her sind, deren gesundes Blut trächtig fein möchte gleich dem Acker, die schweifend dem angestaunten Herrn sich öffnet, dann mutterklug den Weg sucht, ihr schlimm empfangenes Käglein ins achtbare Bett zu bringen, unterwegs aber vom wissenden Wüstling gehegt und genotzüchligt wird, Rose Bernd  , die an solcher Verwirrung zerfällt, die aus Scham zur Meineidigen, aus Hilsslosigkeit zur Kindesmördcrin wird, in Todesnot zur Anklägerin wider Gott   und Gerechtigkeit, bekam durch Paula Wessely  , eine Wienerin, die zum ersten- mal in Berlin   auftrat, leuchtende Gestalt. Vor Jahren, ach so vielen Jahren, wurde Rose Bernd   von Else Lehmann  , später von Lucie Höflich   gespielt: das waren Hand- feste Frauensleute, deren Fleisch blühte, deren Schluchzen aus tönendem Brustraum kam, deren Zusammenbruch wie ein Erdrutsch geschah, deren Seele sich in den großen Linien des Freskos aus- drückte. Paula Wessely  , nach äußerer und innerer Figur mehr ein demütiges, hündchentreues Heilbronner   Kätchen, mehr Ottegebe, dos Kind, das den mieselsüchtigen Ritter gesund streichelt, läßt die überall zupackende Rose, die einen Weizensack mühelos auf den Dachboden trägt, zunächst nicht recht glaubhast erscheinen. Doch gewinnt sie schon hier unsere erstaunende Ausmerksamkeit durch die Unberührtheit ihrer Natur. Mehr pslanzenhast als fleischlich scheint sie nicht aus der Bühne, sondern draußen auf dem Felde, zwischen Gras und Blumen, zu stehen. Dann aber bekommt sie den Wuchs reifen Kornes und schließlich den Trotz und den Widerstand stürm- gepeitschten Knieholzes. Noch unter der Axt stöhnt sie, wie nur Bäume stöhnen. Neben diesem wundersamen Erdgeschöpf konnten sich nur Eugen K l ö p f e r, der den Maschinisten Streckmann, den brutalen, aber doch empfindsamen Kraftmenschen klar geädert hinstellte, Gertrud E y s o l d t als die gelähmte Frau des leichtblütigen Guts- besitzers und Leutnants Flamm, die kindsberaubte Priesterin der Mutterschaft, und vielleicht noch Eduard o. W i n t e r st e i n als Roses frommer, aber lebensblinder Vater würdig behaupten. Albert Hörrmanns Flamm war in jeder Beziehung zu sauber gebügelt, zu sehr Oberfläche, zu wenig der Mensch mit seinem Widerspruch, den Hauptmann gesehen hat. Auch Matthias W i e m a n n, der christ- gläubige Buchbinder, Roses getreuer Bräutigam, der, ohne sich be- trogen zu fühlen, Vater des Herrschoftskindes sein will, konnte nicht überzeugen. Stellenweis« verwechselte er Ergriffenheit mit Veitstanz Indessen, über allem, auch über dem Unzulänglichen, strahlte warm und innig Hauptmanns große Kunst, die dos Volk, den Weber und den Bauern, dorthin stellt, wo ehedem Ritter und Bürger standen. Kodm Breuer.
Heldengeist und Frömmigkeit. Zwei Tage Berliner   Iunkstunde. Sonnabend! In derI u g e n d st u n d e" der Berliner  F u n k st u n d e erzähltEin oller S e e b ä r". Auf den draht- losen Wellen schaukelt in der letzten Zeit ein bißchen viel heitere Heldenmarine? Ja, die Aufrüstungsbegeisterung soll schließlich nicht nur für das Landheer und seine Waffen geweckt werden, und die Soldatenspiele unserer Jugend brauchen doch auch einige Ab- wechslung. So ein paar amüsante Sekadetten- Geschichten und eine als spannendes Abenteuer ausgemachte Seeschlacht geben da manche gute Anregung und erregen rechtzeitig den Wunsch, diese reizvolle Wirklichkeit kennen zu lernen. Sonntag: Er war von Kopf bis Fuß auf Heiligkeit eingestellt. Eine Stunde Morgenfeier, 40 Minuten Bach- Kantate, eine Stunde Gu st av-Adolf- Kundgebung(für alle deutschen   Sender, so daß ein Entfliehen nur durch Ausschalten des Apparates möglich war), 40 Minuten geistliche Volks- musik. Als Teilnehmer an der Guftav-Adols-Feier wurden be- sonders hervorgehoben die Abordnungen der S t a h l h e l m l e u t e und der N a t i o n a l s o z i a l i st e n, außerdem die Studenten in Wichs: die 5zörer, die dieser. Sendung lauschten, durften sich ge- hobenen Herzens zu diesem Publikum zählen. Die restliche Pro- granimzeit der Berliner   Funkstunde wurde in der Haupt- suche mit Sportreportagen und Bildung ausgefüllt.D e r zerbrochene Krug" von K l e i st, der erst am Freitag- abend über die Sendebühne ging, wurde am Sonntagabend durch- aus unverftändlicherweife wiederholt. Auch«ine die akustischen Wirkungen besser erfassende Regie als die Gert F r i ck e s hätte dieses Werk, das mit Ausnahme der Krug-Beschreibung der Frau Marthe in jedem Augenblick das Bühnenbild gebieterisch fordert, nicht zum Sendespiel ummodeln können. Es war überslüssig, für diese Veranstaltung, die man sich vielleicht in den Anfangsjahren des Rundfunks als einmaligen Versuch hätte gesallen lassen, ein Heer von ausgezeichneten Schauspielern auszubieten. Zu unserer Kritik über die Hamburger Morgen- s e n d u n g vom vorletzten Sonntag schreibt uns der Hamburger  Sprecher, daß er in seinem Bericht gesagt habe:Wir erkannten die portugiesische Flagge", so daß also diese, und nicht die Schweine und der Dreck bereits das gekaperte Schiff identifiziert hatte. Wir geben dieser Zuschrist Raum, obgleich sie an unserer Gesamtcinstellung zu dieser Sendung nichts Wesentliches ändert. Splitterfreies Glas wird Gesetz. 34 000 Menschen wurden im letzten Jahre in Amerika   durch Automobilunfölle getötet. Hiervon sind nicht weniger als 45 Proz. dadurch ums Leben gekommen, daß sie sich beim' Unfall schwere Verletzungen durch splitterndes Glas zuzogen. Als erster Staat hat Michigan   ein Gesetz erlassen, wonach splitterfreies Glas sür Automobile obligatorisch wird, und zwar inüssen die öffentlichen Verkehrsmitlel bis 1033. die übrigen Kraftfahrzeuge bis spätestens 1. Januar 1934 mit splitterfreiem Glas ausgestattet sein.
3)er&emd der Jemen  £ewteu Sin tBlick in Goebbels   Siebensimmerwohnung Diese Photographie ist entnommen dem BucheHitler  , wie ihn keiner kennt". Verfasser des Buches ist Heinrich Hosfmann, der sich bezeichnet als Photoberichterstatter der Reichsleitung der NSDAP.   In dem Buche Hofsmanns tragt dieses Photo die Unterschrist:Im Hauie des Berliner   Gauleiters erholt sich Hitler   von den Anstrengungen der Berliner   Verhandlungen."
Die Berliner   SA.-Leute, die seit einigen Wochen chren Ehef so furchtbar gegen dieseinen Leute" toben hören, können hier einen Blick tun in das Milieu, in dem sich ihr Führer selber bewegt. Der große Flügel(Marke Bechstein?) bildet das Hauptinventarstück des vollkommen stilecht und stilrein gehaltenen Musiksalons, an dessen Wänden Gemälde   alter Meister hängen. Durch die geöftnete Flügel- tür blickt man in einen zweiten großen Raum, dessen Wände mit
Gobelins bekleidet sind, da Anstrich oder Tapeten für Herrn Goebbels  offenbar nicht genügen. Die von Professor Schulze-Naumburg   per- sönlich eingerichteten Räume(die Siebenzimmerwohnung befindet sich am Reichskanzlerplatz in Berlin  -Westend  ), sowie die Toiletten der Damen atmen Vornehmheit, Reichtum und Luxus. Von diesem sichern Port aus läßt es sich wunderbar auf diefeinen Leute" und dieMarxisten" schimpfen!
Borussizismus im Gchiller-Theater Walter Erich Schäfer  :Der-15. Oktober."
Der berühmte Historiker Hans Delbrück  , ein königstreuer Preußenpatriot, war auch ein ehrlicher Mann. Er wandte sich des- halb gegen eine bestimmte Art der Geschichtsschreibung, die er die borussizistische nannte. Darin bestände sie, daß die Erforscher der Wahrheit im Bemühen um gute Wirkung und Gesinnung die vorsichtige Kritik am historischen Dokument vergäßen. Delbrück  bringt ein Beispiel, das insbesondere die borussizistische Ausdeutung der Freiheitskriege von 1313 beleuchtet. In einem Memoir, versaßt von Herrn v. Wrangel, Flügeladjutanten Friedrich Wilhelms III., wurde erzählt, der Prcußenkönig habe schon 1812 den Vernichtung?- kämpf gegen Napoleon   beschlossen, mit genialer Hellsichtigkeit den Aufbau des preußischen Volksstaates und Volksheeres ausgedacht und so vor dem Weltgericht der Weltgeschichte das Recht erworben, als unbestrittener Erlöser Preußens und Deutschlands   aus dem Fron- zosenjoch gelten zu dllrsen. In Wirklichkeit aber, so stellt Delbrücks Ehrlichkeit und Gelehrsamkeit fest, war alles, was dieses königliche Verdienst bestätigt, eine Fälschung, In das Original der Wrangelschen Aufzeichnung schmuggelte nachträglich ein Unbekannter mit greisenhafter Handschrift den Hymnus auf den König. Di« meiste» Geschichtsforscher hätten den Betrug weder gesehen noch sehen wollen. Grotesk nennt Delbrück   diese Borussizisten auf den Universitätskathedern. Ein solcher Borussizist unter den Bühncnschriftstellern ist der junge Dramatiker Walter Erich Schäfer  . Seine Liebe zum deutschen   Volk verführt ihn das Volk zu betrügen. Die Sachsen  , die Bayern  , die Hessen  , die Westfalen und Württemberger, die von Napoleon   zu den Preußen überliefen, waren ja weltenweit davon entfernt, klar und sehnsüchtig an deutsche Einigungspolitik zu denken. Das leugnen nicht einmal die Wahrheitsfreunde von der Hitlerfchen Raffe. Höchstens, weil diese Heeresmajscn wüteten, da sie von ihren Führern verlassen und verkauft waren, weil sie sich ängstigten, von den verbündeten Russen, Oesterreichern und Preußen noch mehr niederkartätscht zu werden, als sie es schon waren, boten sie in den Oktobertagen der Leipziger Völkerschlacht   den Verbündeten ihre Füsilierknochen an. Vor allem: kaum ein Spur von dem deut- schen Einigungsideal, kaum eine Spur von ernsthaftem Verständnis für die Klugheit und den Patriotismus solcher Männer wie Frei- Herr vom Stein, Scharnhorst und Gneisenau, die auch der deutsche  Sozialist August Bebel   als die Meister deutschen   Ausbaues pries. Der Dramatiker Schäfer will aber um jeden Preis wahr haben, daß im Oktober 1813 Napoleons   deutsche   Hilfsvölker schon längst fanatische Preußenpatrioten sind. Da sie es sind, zieht sich die Tra- gödie um den württembergischcn Obersten Bauer zusammen. Er hat als französischer Ossizier den preußischen Jägerleutnant Fa- bricius zum Tode verurteilt, denn, verkleidet als Fuhrmann, war der Preuße zu dem Bauerschen Regiment gekommen, um die Na- poleonssöldner den Kaiseradlern abspenstig zu machen. Fabricius wird ertappt. Oberst Bauer dekretiert: Erschießung des Preußen. Dann aber empfiehlt er den Landsmann der Gnade des franzöfi- schen Generals. Der General lehnt ab. Der Oberst meutert. Der General fordert den Degen des Obersten. Das ganze Regiment meutert mit dem Obersten und für ihn. Der französische   General befiehlt dem Obersten, die Aufrührer zu bändigen. Der General beschwört den Obersten, den der Napoleonfahne geleisteten Cid nicht zu brechen und sich an der Spitze des Regiments gegen die Preußen zu rehabilitieren. Doch der Oberst zerbricht den ihm wiedergereichten
Degen. Das Bauersche Regiment stürmt zu den Preußen. Jetzt ist der Oberst glücklich, die Pistole gegen die Stirn zu entladen. Er weiß: das Regiment wird Rache nehmen gegen Frankreich  , das ihn, den Obersten, in den gräßlichsten Gewissenskonflikt trieb. Zentrum des Trauerspiels ist die große Szene des Kriegs- gerichts. Und hier entlarvt sich sofort die Knabenhaftigkeit des Dichters. Die Franzosen sind nur charakterisiert als lächerliche Puppen, die Deutschen   aber als prachtvolle Kernpatrioten, Frech und dumm wie Bohnenstroh sind die Franzosen  , schon durch die militärische Maskengarderobe als Gigerln kostümiert, die Deutschen  dagegen bis zum letzten Füsilier und Zoll Elitesoldaten. Bösewichter ohne Herz nur bei.den Franzosen  , bei den Deutschen   dagegen ech- teste? Heldentum, Gutgläubig opfert der Dichter feinen Verstand der Schwarz- weiß-Tendenz auf, und sein Publikum folgt ihm begeistert. Der borussizistische Geschmack, von dem musterhaften Patrioten Hans Delbrück   als grotesk und gemeingefährlich entlarvt, hat sich eben augenblicklich der Gelehrten und der Dichter bemächtigt. Wir sind also glänzend rückwärts gekommen. Der Regisseur Dietrich K e n t e r hat gedämpft, gegliedert, ästhetischen Takt, vorzüglichen Theatersinn bewiesen. Er hat nur nicht die gröbsten Dummheiten des Textes ausgemerzt(ein Füsilier verspricht 1813 z. B., vom Galgen eine Ansichtskarte zu schicken, das ist edelster Balhornstil 1932). Den tragischen Obersten spielt Heinrich H e i l i n g e r, ein außerordentlich interessanter Schau- spieler. Er ist vom imponierenden Schlag der schweren Helden- väter. Die dunkle Stimme beseelt jedes Wort, auch das banalste. Der Ausdruck des Auges, die Mimik des ganzen Gesichts, die was- sioen Bewegungen sind nicht so leicht zu vergessen. Aber auch die anderen Künstler es gibt nur Männerrollen in dem Kriegsstück beweisen den sicheren Theaterblick des Regisseurs. Es sind das vor allem die Herren Firner, Grellmann, Kronburger, Heuser. Strömer und v. Alten. dlax Hockclori. Maskenball" undSiegfried" neu besetzt. Maskenball" in der Lindenoper, präzise zehn Tage vor der Premiere der Neueinstudierung des gleichen Werks in Charlotten- bürg trotzdem? oder vielleicht gerade deshalb? wer kann es wissen? ein Beitrag jedenfalls zu dem mit Recht so beliebten Kapitel: Berliner   Musikpolitik. Patzak ist uns als Oratorien- und Liedersänger längst rühmlichst bekannt, er enttäuscht auch auf der Bühne nicht und erfreut(als Ricardo) durch Stimmaterial und -kultur, durch sein Aussehen und seine Spielintelligenz. O l c z e w s k a mimt die U l r i c a als leise lächerliche, sehr mondäne Hexe, singt freilich grandios zu grandios, viel zu pompös und viel zu wenig charakteristisch. Theodor H o r a n d(für den erkrankten Schlusnus eingesprungen) ist ein sehr passabler Rene, Lotte Schöne ein graziöser, eleganter Page. In der CharlottenburgerSiegfried"-Jnszenierung singt Wil­ helm Rode   jetzt den Wanderer: prachtvoll im Schauspielerischen, in der Geste, der Bewegung, der geistigen Gestaltung: stimmlich allerdings ohne die alte Kraft, die frühere Fülle, den einstigen Glanz. Paul Hartmann ist ein sehr glaubhafter Siegfried: eckig, unge- lenk, überaus kraftvoll aber in Statur, Stimme und Gehaben, w.