Morgenausgabe
Nr. 443
A 216
49. Jahrgang
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Teils
Vorwärts
Berliner Bolksblatt
Dienstag
20. September 1932
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E
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Hendersons Antwort.
Er glaubt an den Enderfolg der Konferenz.
Genf , 19. September. ( Eigenbericht.)
Der Präsident der Abrüstungskonferenz Arthur Henderjon hat am Montag auf die Absagenote Deutschlands an die Abrüftungskonferenz eine schriftliche Antwort erteilt, die gleichzeitig den übrigen im Büro der Abrüstungskonferenz| vertretenen Mächten zugestellt wurde.
Henderson bedauert Deutschlands Absage und widerlegt deren Begründung, daß angeblich in der Vertagungsentschließung vom 23. Juli bereits ein weit hinter den Bestimmungen des Verjailler Bertrages zurückbleibendes Konferenzergebnis feffgelegt sei. Er verweist dann auf die Formel der Entschließung, wonach eine allgemeine, fühlbare Abrüstung grundsätzlich beschlossen sei für die erste Etappe, ohne weitgehende Abmachungen in späteren Etappen auszuschließen. Außerdem lasse die Entschließung ausdrücklich den Weg offen für noch stärkere Abrüstungsvereinbarungen im zweiten Teil dieser Konferenz sowie für alle politischen Anträge. Darüber hinaus erinnert Henderson an seine Schlußrede vor der Abstimmung am 23. Juli, in der er eine große Ernte aus den monatelangen Borbereitungen vorausgefagt und erklärt habe, daß er den Vorsitz niedergelegt hätte, wenn er nicht vom kommen dieser Ernte überzeugt wäre. Er sei auch sicher, daß alle, die für die Entschließung gestimmt hätten, nach Genf zurückkehrten mit dem festen Entschluß, alles für eine gute Ernte und das Zustandekommen einer allgemeinen Konvention zur fühlbaren Herabjehung aller Rüstungen in der Welt zu tun. Dies sei heute noch seine tiefe und aufrichtige Ueberzeugung.
Er hoffe ernsthaft, daß Deutschland seine Entscheidung nochmals an Hand dieser Ueberlegungen prüfen und von neuem sobald wie möglich an den Arbeiten des Büros teilnehmen werde. Dies um so mehr, als ein längeres Fernbleiben Deutschlands die allgemeine Abrüstung schwer bedrohen könne.
Henderson hatte am Montagnachmittag mit dem Bizepräsidenten der Abrüstungskonferenz Politis und dem Berichterstatter Benesch eine Besprechung über das Programm der Tagung des Büros der Abrüftungskonferenz.
Amerifa mischt sich nicht ein.
Hohe Beamte des Staatsdepartements erklärten, daß der Streit um die deutsche Gleichberechtigungsforderung eine rein euro. päische Angelegenheit sei und daß die amerikanische Regierung eine Einmischung ablehne. Stimson lehnte jede Erklärung ab, sowohl über die englische Stellungnahme als auch über den Inhalt der Montagsbesprechung zwischen Herriot , Edge und Reed. Der Staatssekretär betonte lediglich, daß Edge feine Anweisungen bezüglich der amerikanischen Haltung gegenüber der deutschen Forderung erhalten habe. Reed habe zur Zeit feinen Auftrag, über Abrüftungsfragen zu verhandeln. In hohen amerikanischen Kreisen wird immer wieder betont, daß sich das amerikanische Intereffe in Europa auf die Abrüstung beschränke. Die amerikanische Regierung lehne es ab, in internationale Manöver verwideft zu werden.
Landtag als Reichstagserfaß.
Der neueste Nazidreh.- Der Reichskanzler soll im Landtag gewählt werden.
Ueber den Empfang des Landtagspräsidenten Kerri durch den Reichspräsidenten wird vom Pressedienst der NSDAP . ein Bericht ausgegeben. Er zeigt Kerrl in strahlender Beleuchtung als den Schüßer der Verfassung und Demokratie gegen Papen ganz nach dem Vorbild von Göring .
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Herr Kerrl hat danach Beschwerde geführt darüber, daß die kommissarische Verwaltung sich nicht auf die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung" beschränkt habe, sondern unter Ausschaltung des Landtags einschneidende Maßnahmen durchführe. So habe er seine Forderung nicht verstanden, daß der Reichspräsident einschreiten solle, der der Reichspräsident anordne, daß ein preußischer Ministerer habe vielmehr eine Notverordnung gewünscht, in präsident mit relativer Mehrheit gewählt werden
fönne.
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Nach diesen Darlegungen trug immer nach diesem Bericht Herr Kerri dem Reichspräsidenten den neuesten Plan der Nazis vor:
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,, Nach den Zeitungsmeldungen mußte er annehmen, daß die Reichsregierung und auch der Herr Reichspräsident besonders
welche der Dualismus beseitigt und eine Personalunion Preußen Gewicht darauf legten, eine Reichsreform durchzuführen, durch Mehrheit, die an sich dafür erforderlich sei, wäre im Landtag wohl faum zu finden. Wohl aber könne sich im Einverständnis mit der Mehrheit der Vertretung des preußischen Volkes, dem Landtage, ein gangbarer Weg dadurch ergeben, daß ein vom Preußischen Landtag gewählter Ministerpräsident zum Reichskanzler ernannt wird.
Da soll der Preußische Landtag als Reichstagsersatz dienen! In Preußen soll ein Ministerpräsident von Nazis und Zentrum gewählt werden, und dieser preußische Ministerpräsident soll dann Reichskanzler werden. Das ist eine neue Variante in der Fülle der Kombinationen, die die Nazis jetzt anstellen! Man fönnte es beinahe einen Dreh nennen! Der Bericht schließt:
,, Nach dem Vortrage des Herrn Landtagspräsidenten fand eine Aussprache statt, an der sich der Herr Reichspräsident sowohl, als auch der Herr Reichskanzler lebhaft beteiligten." Leider wird über die Aussprache nicht berichtet, und das
ist schade. Es wäre doch interessant zu wissen, ob Herr Kerri daran erinnert worden ist, daß er den Reichskom missar für Preußen gefordert hat, und was Hindenburg und Papen zu dem neuen Nazidreh gejagt haben.
Am Sonnabendabend sprach Gregor Straßer in den Leipziger Messehallen, die im Gegensatz zu früheren Kundgebungen nur halb gefüllt waren. Seine Ausführungen flangen hier wie am folgenden Tage auf dem nationalsozialistischen Aerzte- Kongreß wenig zu versichtlich. Straßer will gegen die Papen- Schleicher- Regierung nur deshalb den Kampf führen, weil sie Hitler um die Macht betrogen haben. Erst habe die Nazibewegung die Bapen- Schleicher toleriert und dann habe man Hitler fallen lassen. Als Straßer auf die Ber handlungen mit den Zentrumspfaffen" zu sprechen fam, wurde er von den Versammlungsbesuchern durch Zwischenrufe unterbrochen. der ersten Jahre zurückkehren. Wir werden in diesem Kampfe nicht nur in der Tonart zu dem Ideengehalt des Kampfes eine Sorte von Menschen verlieren, denen wir nicht nach zutrauern brauchen.
Die Verluste sieht Gregor Straßer also schon als sicher an aber etwas rätselhaft klingt die Mahnung von der Rückkehr zu früheren Methoden. Geht das gegen Göring und seinen Verfassungstraum? Geht das gegen die neue Legalität? Will Gregor zu seinem Bruder Otto zurück? In die revolutionäre Periode von 1923? Sehr sicher scheint er sich nicht zu fühlen, sonst wäre er wohl deutlicher geworden.
Der Wahltermin.
Der Reichspräsident, hat dem Vorschlag des Kabinetts zu gestimmt, den Wahltermin für die Reichstagswahlen auf den 6. November festzusetzen. Der Erlaß einer entsprechenden Berordnung steht bevor.
Politik mit Wunschgebilden.
Von einem besonderen Kenner der englischen Politik wird uns geschrieben:
Die Bestürzung in der Wilhelmstraße über die deutsche Diplomatie war wirklich davon überzeugt, daß das britische Memorandum ist zweifellos aufrichtig. Denn sich England gegenüber ihrer Aktion mindestens wohl= wollend neutral" verhalten, wahrscheinlich sogar aktivfördernd betätigen würde. Ohne diese Ueberzeugung wäre übrigens der deutsche Schritt gar nicht zu erklären, es sei denn ,, daß man der Reichsregierung einen geradezu sträflichen Leichtsinn unterstellen würde, wie ihn selbst die kaiserliche Diplomatie in der Vorkriegszeit zu Holsteins, Bülows und Kiderlen- Wächters Zeiten nicht an den Tag gelegt hat.
Wahrscheinlich hat man im Auswärtigen Amt sogar einen positiven Grund gehabt, auf eine mehr oder minder freundliche Einstellung der Foreign Office zu spekulieren. In gut unterrichteten Kreisen wird versichert, daß Macdonald während der Konferenz von Lausanne dem Reichskanzler von Papen, als dieser das deutsche Verlangen nach Gleichberechtigung in der Abrüstung zur Sprache brachte, geantwortet habe:„ Damit rennen Sie offene Türen ein!" Bon diesem Augenblick an war die Reichsregierung fest entschlossen, ihre große außenpolitische Aktion mit allen Konsequenzen in die Wege zu leiten. Denn was fonnte uns dabei schon viel passieren? Die Unterstützung durch England würde Italien erst recht ermutigen, uns gegen Frankreich zu sekunDieren, und auch Amerika würde sich dann wohlwollend ver= halten. Der große außenpolitische Erfolg, der dem Kabinett Papen endlich die fehlende innerpolitische Basis verschaffen würde, schien aus nächster Nähe zu winken.-
Und nun diese schroffe, abkanzelnde Antwort! In der Wilhelmstraße steht man vor einem Rätsel über die Gründe dieser plötzlichen Schwenkung in das französische Lager. Ist denn aber das Rätsel wirklich so schwer zu entziffern?
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Zunächst muß festgestellt werden, daß man in Berlin die Bedeutung des Konsultatiopattes, der am Ende der Konferenz von Lausanne zwischen England und Frankreich unterzeichnet wurde, erheblich unterschätzt hat. Man wollte eben nicht die unangenehme Tatsache zugeben, daß die alte„ ,, Entente cordiale " auferstanden war. Denn diese Erkenntnis hätte allzu leicht zu Vergleichen gereizt zwischen den außenpolitischen Erfolgen des Systems" und den diplomatischen Früchten der grundsäßlich neuen Staatsführung". So versicherte man hier, daß es sich bei diesem Baft um eine bloße Geste, um eine reine Formalität handle, so belanglos, daß auch Deutschland bedenkenlos von dem lich beizutreten. Daß aber damit schon ein erhebliches Hindernis für die geplante Aktion aufgebaut war, daß insbesondere diese neue Verpflichtung zu einem ,, offenen, gegenseitigen Meinungsaustausch über alle entstehenden Fragen" mit einer vertraulichen, rein deutsch - französischen Aussprache unvereinbar war, das begriff man hier anscheinend nicht. Denn man trieb jetzt Außenpolitik wie in den Zeiten des deutsche öffentliche Meinung über die wahre Meinung des Krieges nicht mit Realitäten, sondern mit Wunschgebilden. Und wie in den Zeiten des Krieges wurde auch die Auslandes, vor allem Englands, irregeführt. Diese Kriegspreffeamtsmethoden haben sich zu einem wahren politischen Krebsschaden ausgewachsen: wo immer ein ausländisches Blatt ein paar freundliche, schmeichlerische Wendungen über die Reichsregierung gebraucht, prompt werden sie durch die Nachrichtenagenturen ausführlich verbreitet. Die anderen, weniger freundlichen Stimmen des Auslandes werden entweder ganz unterschlagen oder mit einigen Worten abgetan. Denn sie könnten die Stimmung" im eigenen Lande beeinträchtigen. Es ist übrigens nicht einmal sicher, daß wenigstens die leitenden Persönlichkeiten des Reiches sie zu Gesicht bekommen. Dem Reichspräsidenten , dem Reichskanzler, dem Reichsaußenminister werden die angenehmen Aeußerungen des Auslandes bestimmt nicht vorenthalten. Aber die anderen?...
Recht Gebrauch machen könne, dieser Vereinbarung nachträg
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Zwischen den freundlichen Worten Macdonalds in den
Heute 1912 Uhr alles in den Sportpalast!