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Nr. 443 49. Jahrgang

Beilage des Vorwärts

Dienstag, 20. September 1932

Arbeiternot- Mittelstandstod!

haben wir nicht einen einzigen Pfennig Geld, denn am Ende jeden Monats sind die Taschen leer. Wir haben vorige Weihnachten schon wenig zu essen gehabt, aber dieses Jahr haben wir gar nichts. Nun bitte ich doch sehr dringend, ein wenig für uns zu sorgen. Wir sagen, wenn die Sozialdemokratie doch die Mehrheit bekommen würde, dann bekämen wir doch ein bißchen mehr Unterstützung.

Ladenbesitzer mit knurrendem Magen. - Kein Umsatz mehr. Bir wollen ja nicht ohne Opfer ſein, aber dieſe Notverordnung

Der Reinickendorfer Industriebezirk leidet mit am schwersten, einem städtischen Betrieb und bekommt Ruhegeld, der Abzug ist unter der Krise. Innerhalb dieses Bezirks wiederum wütet die Krise ungeheuer. Er ist über dreißig Jahre im Dienst gewesen, hat in Tegel beinahe verheerend. Die Belegschaften der Großmetall- 14 und 16 Stunden arbeiten müssen; jetzt ist er frank. Der Ab­werke ringsum sind dezimiert, wenn nicht ganz verschwunden. Ob zug beträgt gegen 80 Mart. Das Reich zieht 6 Mark ab, jezt Borsigwalde , Wittenau , Waidmannsluft oder Hennigsdorf , faum steht die Bürgersteuer vor der Tür. Wir fragen uns alle Tage, daß noch irgendwo ein Schlot qualmt. So steht auf dem Tegeler was bloß noch werden soll. Und wir wundern uns nicht, daß sich Wochenmarkt ein Kurzwarenhändler, ein alter Mann, der es jedem so viele Leute in unserem Alter das Leben nehmen. Wir bitten fagt, daß er seit vier Wochen fein warmes Mittagessen mehr gehabt Sie so sehr, sorgen Sie doch ein wenig für uns. Zu Weihnachten hat. Von vier Schrippen täglich muß er sich ernähren. Unglücklicher­weise wohnt er in Tempelhof , so daß sein bescheidener Gewinn fürs Fahrgeld drauf geht.

Dann schickt ein Ladeninhaber aus Tegel dem ,, Borwärts" eine Aufstellung über seinen ,, Etat". Er schreibt dazu, daß er völlig am Ende ist; wenn er immer noch die Miete bezahlt hat, diesmal kann er es nicht mehr. Ebenso wird er die Steuern schuldig bleiben müssen. Er will durchaus dem Staate geben, was des Staates ist, aber er hat ja feinen Umfah. Der Mann war früher Ingenieur, infolge eines Leidens ist er pensioniert und mit Hilfe eines Kredits machte er sich ein Zigarrengeschäft auf. Sein ganzer Umfaz im Monat August 1932 betrug 202 Mart. Davon berechnet er sich 18 Proz. Gewinn, so daß er aus dem Geschäft eine Einnahme von 36,36 Mt. hat. Dazu kommt die Monatsrente der Reichsversicherung für Angestellte im Betrage von 63,40 Mt., und da auch diese beiden Beträge noch nicht reichen würden, hat er ein Zimmer vermietet. Das bringt ihm 38 Mt. ein, so daß er im August 1932 über 137,76 Mt. verfügen konnte.

An Ladenmiete zu zahlen hat der Mann 42,60 Mt. Dazu kommt die Wohnungsmiete in Höhe von 36 Mt. Umsatzsteuer hat er 5,25 Mr. zu zahlen gehabt, dann waren dringende Schulden zu tilgen, das

machte 15 mi. und so blieben dem Manne, deſſen Laden äußerlich

einen netten, sauberen Eindruck macht, für das nackte Leben

38,91 Mr. im ganzen Monat. Dieser Mann macht gar keinen Hehl daraus, daß ihm der Magen knurrt; er hat einfach Hunger. So sehr er sich mit seiner Frau einrichtet und auf alles Verzicht leistet, aber es geht nicht. Mit 38 Mt. fann man nicht ein Ladengeschäft aufrecht erhalten. Zudem sinkt der Umsatz immer weiter. Daß jemand mal 10 Zigaretten fauft, ist zu einer großen Seltenheit ge= worden, nicht einmal einen Groschen haben die Leute, sondern sie kommen in den Laden und bitten um eine Zigarette für 5 Pfennig. Unter diesen Mmständen sind natürlich keine Umsätze zu erzielen. Und von einigen Ausnahmen abgesehen, geht es diesen Leuten in dieser nördlichen Industrie- Ecke nicht anders. Von den Wohlfahrts­geldern der Erwerbslosen werden Kartoffeln, Brot und Heringe ge tauft und dann ist Schluß.

Arbeiternot ist heute auch des Mittelständlers Tod. Daran werden gerade die kleinen Geschäftsleute denken müssen, wenn in einigen Tagen Hitlers Werber abermals zu ihnen kommen werden. Der Weg mit Hitler tann nur noch weiter ins Verderben führen.

Hilferufe der Hilflosen.

uns eingehen, geben wir nachstehend den Brief einer Frau Aus den vielen Zuſchriften Verzweifelter, die täglich bei wieder, der das furchtbare Elend der von Papen gepeinigten Sozialrentner glaubwürdiger kennzeichnet, als der gewandteste Schriftsteller es fun tönnte. Die Frau schreibt uns: Unterzeichnete erlaubt sich, ar Sie ein paar Zeilen zu schreiben. Zeitung zu lesen sind wir nicht mehr in der Lage, da wir dieselbe nicht mehr bezahlen können. Meinem Mann und seinen Kollegen wird ja dermaßen viel abgezogen, daß man sich nicht mehr fatt essen kann. Wenn das Geld am Ersten kommt, bezahlt man die Schulden, ein paar Tage geht es dann mit dem Essen, und die letzten drei Wochen geht es weiter bei Kartoffeln und Mehlstippe. Es muß doch alles bezahlt werden, Miete, Sterbekasse usw. Auch fönnen wir uns nicht einen Zentner Kohlen Vorrat kaufen. Ab­gerissen ist man auch, etwas Neues zu kaufen, daran können wir nicht denken. Das Elend ist jetzt zu groß, der Hunger geht weiter. Also nichts im Bauch und auch nichts auf dem Bauch, das ist ja furchtbar, und der böse Winter steht vor der Tür.

Werte Redaktion, wir fragen uns: als die Sozialdemokratie noch das Zepter mit in der Hand hatte, weshalb brauchten wir da nicht zu hungern? Sie haben doch immer für uns eine offene Hand gehabt und haben auch immer für uns gesorgt, haben uns immer was zugelegt; trotzdem alles sehr teuer war, fonnte man es doch noch bezahlen. Aber bei diesem Regime müssen wir ja mehr hungern als während des Krieges. Mein Mann war in

Josetty

JUNO

Stets frisch

Immer gleich­gute Mischung

Doppelmord und Selbstmord

Familientragödie im Kreis Sangerhausen

Aus Halle wird gemeldet:

Der arbeitslose 30jährige Schlosser Otto attung aus Blankenheim ( Kreis Sangerhausen), der dort bei seinen Schwieger­elfern zur Miete wohnt, war Anfang voriger Woche von den Eltern seiner Frau, die die Scheidungsklage gegen ihn angestrengt hatte, aus dem Hause verwiesen worden.

nimmt uns ja nicht weniger als alles. Wir haben von keiner Seite einen Pfennig, find auf uns allein angewiesen. Kinder haben wir nicht, also niemand, der für uns sorgt. Dieses schreibe ich im Namen der Kollegen und ihrer Frauen. Mit solidarischem Gruß A. R.

Die Frau merkt in ihrer Not, was so viele nicht begreifen: Je weniger Einfluß die Sozialdemokratie im Reichstag hat, um so schlechter wird das Einkommen der Rentner. Jeder Tag legt für diese Entwicklung Zeugnis ab.

nicht vors Sondergericht gehöre. Schließlich fand er einen Ausweg, indem er meinte, der Oberwachtmeister könne die Verlegung möglicherweise beim Fallen erhalten haben. Das Gericht verurteilte den jungen Menschen, über den der Fürsorger der Stadt Berlin Ehrhardt eine recht günstige Aussage machte, wegen Bettelns zu einer Woche Haft, wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu drei Monaten Gefängnis. Die Bewilligung einer Bewährungsfrist sollte von der Stellungnahme der Fürsorge. behörde abhängig gemacht werden. Hoffentlich fällt sie so aus, daß der Gestrauchelte wieder zum ordentlichen Leben zurückfinden fann.

Schupos begraben ihren Kameraden. Das Begräbnis des erschossenen Oberwachtmeisters.

Am Sonnabend abend gegen 18 Uhr erschien kattung plök­lich wieder im Hause und drang in die Wohnung der Schwieger­eltern ein, wo sich auch seine Frau befand. Ohne ein Wort zu ver­lieren, 30g er einen Revolver und verletzte seinen Schwiegervater, den Berginvaliden Brandt, durch einen Revolverschuß schwer. Die Familienangehörigen flüchteten. Kattung konnte aber seine Frau zurückhalten, und nach einer erregten Auseinandersetzung hörten die Eltern hinter der von Kattung abgeschlossenen Tür zwei Schüsse fallen. Da man nicht in das Haus eindringen fonnte, alarmierte man die Landjägerei, die das Haus umstellte und mit Aerten die Hoffür wieder drei Schüsse. Man fand die beiden Eheleute mit durchschoffe- ſtahls festnehmen wollte, in der Mansfelder Straße erschossen nen Schläfen tot auf. Die Eheleute Kattung hinterlassen einen schul­pflichtigen Knaben.

öffnete. Als man in das Innere eindrang, fielen im Schlafzimmer

Am Sondergericht vorbei.

Bettelei mit Widerstand gegen die Staatsgewalt.

§ 3 der Notverordnung vom 9. Auguft besagt: Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer einen Polizeibeamten, der sich in der rechtsmäßigen Ausübung des Amtes befindet, fätlich angreift und wenn durch die Tat eine Körperverletzung des Angegriffenen verursacht worden ist. Ein 19jähriger Bursche, ein Fürsorgezögling, war gestern in Moabit in Gefahr, ins 3uchthaus zu kommen. Der Jugend­richter hatte sich geweigert, die Sache abzuurteilen, da ein Sonder­gerichtsfall vorliege.

Die Polizei säuberte in den letzten Tagen die Straßen von Bettlern. Diese Unglücklichen, die die Mildkätigkeit ihrer besser elenden Unterstützungsfäßen nicht auskommen können, sollen sich gestellten Volksgenossen in Anspruch nehmen, weil sie mit den in Zukunft von den Straßen fernhalten. Man vergißt dabei ganz, daß das Betteln nicht zuletzt ein Bentil gegen Abgleiten ins Kriminelle ist. Unter den Festgenommenen befand sich auch der gestrige Angeklagte.

Als Fünfzehnjähriger verlor er seine Mutter, der Vater hatte feine Zeit, ihn zu beaufsichtigen, der Junge geriet in schlechte Ge­sellschaft, schraubte in den Treppenhäusern die Glühbirnen ab, kam in Fürsorge. Als es in der Prügelanstalt Waldhof bei Templin nicht mehr auszuhalten war, lief er davon, wurde in Berlin auf­gegriffen und nach Struweshof gebracht. Auch von hier türmte er. Er fand Arbeit, wurde aber von der Polizei aufgestöbert und in die Anstalt zurückgebracht. Wieder lief er aus der Anstalt davon und schlug sich nun mit Betteln durch.

Am 12. September beobachteten zwei Schupobeamte in 3ivil, wie er verschiedene Leute anbettelte. Sie stellten ihn fest. Er folgte ihnen anstandslos. Während der eine Beamte sich noch mit dem Angebettelten befaßte, versuchte der Festgenommene auszu­rücken, der Beamte faßte ihn jedoch beim Rock, beide kamen zu Der Fall, der Schupo erhielt dabei eine Wunde am Knöchel. Bursche hatte also Widerstand geleistet, den Beamten tätlich angegriffen und durch die Tat eine Körperverlegung verursacht.

In der Verhandlung vor dem Schnellschöffengericht fragte sich der Staatsanwalt ähnlich wie der Jugendrichter, ob die Sache

Gestern nachmittag ist der 36jährige Schupooberwachtmeister Otto Tiegs vom 152. Polizeirevier in Wilmersdorf unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Wagner- Friedhof in Lichten berg beigesetzt. Der Beamte war in der vorigen Woche von einem

46 Jahre alten Metallarbeiter, den er wegen eines Fahrraddieb­

worden.

Neben den Angehörigen des Schupos erwiesen Polizeipräsident Dr. Melcher, Oberst Gen als Vertreter des Kommandeurs Boten sowie zahlreiche Offiziere und Beamten dem Toten die letzte Ehre. Vor der Kapelle, in der unter zahlreichen Kranz- und Blumenspenden der Sarg aufgebahrt war, hatten eine große Zahl von Schupobeamten aller Dienstgrade Aufstellung genommen. Auf­fallend stark war auch die Anteilnahme der Bevölkerung an der Trauerfeier. Nach den Worten des Geistlichen wurde der Sarg von Beamten des 152. Reviers zur Gruft getragen. Eine Abteilung Schupobeamter nahm seitlich des Grabes Aufstellung und aus Karabinern ertönte ein dreimaliger Ehrensalut als letzter Grik an den dahingegangenen Kameraden.

Bold

Protest gegen Geschenke an Hausbesitzer.

Der Bund Deutscher Mietervereine e. V., Sik Dresden, hat in einer Telegrammfolge an die Reichsregierung darauf werden, ohne daß durch entsprechende Mietsenkungen den Mietern hingewiesen, daß dem Hausbesitz durch die Steuergutscheine und Reparaturzuschüsse erhebliche Zuwendungen gemacht gegenüber ein Ausgleich geschaffen wird. Zur geplanten Zins­senkung verlangt der Bund, daß diese auf den gesamten Realkredit in Stadt und Cand ausgedehnt werde und daß folgerichtig daraus eine Mieffenfung verordnet werden müsse.

Das Gespenst der Kinderlähmung.

Breslau , 19. September.

Im Laufe der vergangenen Woche sind bei der Behörde sechs neue Fälle von spinaler Kinderlähmung zur Anzeige ge= bracht worden. Eine Frau im Alter von 23 Jahren ist der Krankheit erlegen.

Verkehrsposten angefahren und verletzt.

Bei der Regelung des Verkehrs an der Ecke der Wilhelm- und Leipziger Straße wurde gestern Nachmittag der Verkehrsposten, der Polizeihauptwachtmeister Schwarz vom 16. Polizeirevier in der Voßstraße, von einem DKW.- Wagen, dessen Fahrer nicht auf das Signal geachtet hatte, angefahren und zu Boden geworfen. Der Verkehrsposten trug leichte Quetschungen davon und mußte auf der Rettungsstelle ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, konnte aber von dort aus wieder nach Hause entlassen werden.

Diese 3 Tatsachen

Volles Format

sind das Fundament für Juno,

auf ihnen beruht die Freundschaft, die unzählige Raucher mit dieser Marke verbindet.

Beste Tabake, ausgeglichene Mischung und volles Format bestimmen ihren Wert.

Juno

gibt so unendlich viel,

daß der Ausschluß von Wertmarken, Gutscheinen und Stickereien selbstverständlich sein muß.

Die Qualität der Juno sichert ihr die Treue der Raucher!

Josetti

JUNO

o/ Mrund

6 STUCK 209

Ком

LINON