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BERLIN  Donnerstag 22.September 1932

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Der Abend

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Nr. 448

B 216

49. Jahrgang

Bombenfreund wieder frei

Nazi- Schloßherr als..nervenkrank" haftentlassen

Königsberg, 22. September.

Wie die Justizpressestelle mitteilt, ist der gegen den Rittergutsbesiger Albert bpn Perbandt. Pomedien erlassene Haftbefehl wegen Begünstigung der Königsberger   Unruhestifter heute aufgehoben wor den. Von Perbandt wurde wegen Verschlimmerung eines seit längerer Zeit bestehenden Nervenleidens aus der Untersuchungshaft entlassen. Von einer Aufrecht­erhaltung des Haftbefehls und der Ueberführung von Verbandts in eine Nervenklinik auf Kosten der Staatskasse ist abgesehen worden, weil ihm lediglich das Vergehen der Begünstigung zur Last gelegt wird.

Landtag steuerlos!

Razis laffen ihren Harzburger Freund nicht sprechen!

Im Preußischen Landtag tam es heute um% 1 Uhr zu einer höchst amüsanten Szene. Es standen um diese Zeit Anträge zur Beamtenfrage zur Beratung. Bekanntlich handelt es sich dabei um den bekannten Kniefall der Nationalsozialisten vor dem Staatstommiffar Bracht. Der nationalsozialistische Antrag verlangt unter allerhand verklausulierten Wendungen, daß die Beamten dem Staatskommissar gehorchen sollen. Die Deutsch nationalen haben dagegen einen flar und deutlich formulierten Antrag eingebracht, der die Nazis zwingen soll, vor dem ganzen Land Farbe zu bekennen.

Als der deutschnationale Abg. Steuer, der Adjutant Hugenbergs, zur Begründung dieses Antrages die Redneriribüne betrat, schickten sich die Nationalsozialisten zu geschlossenem Auszug aus dem Saal an. Bon der Linken erschallten höhnische Zurufe: ,, Der Harzburger Käse läuft auseinander."

Ein Teil der Nazis blieb darauf im Saal, vollführte aber solchen Lärm, daß Steuer nicht sprechen tonnte. Nach einigen vergeblichen Klingelzeichen verließ der Nazipräsident Kerrl   seinen, Stuhl und hob damit die Sigung auf.

Auf der Linken erregte das Schauspiel stürmische Heiterkeit. Nach fünf Minuten eröffnete Präsident Kerrl   die Sigung von neuem und erteilte Steuer das Wort. Wiederum vollführten die Nazis solchen Lärm, daß Steuer sich nicht verständlich machen konnte, miederum mußte der Präsident Kerrl   nach einigen zaghaften Beruhigungsversuchen, durch das Gebaren seiner Fraktion veramaẞt, seinen Stuhl verlassen und die Sigung aufheben! Es fiel übrigens auf, daß Kerrl, der gestern den kommuniffen Kasper wegen des Scherzwortes Bracht- Kerri sofort von der Sitzung ausschloß, gegen feinen einzigen feiner tobenden Parteigenoffen mit Ordnungsmaßnahmen vorging! Bei der dritten Sigungseröffnung tann Steuer end die Nazis haben geschlossen den Saal nerlassen. Steuer vergießt bittere Tränen über den Undank der Harzburger Brüder. Er, Steuer, habe doch als erster den Antrag mil unterschrieben, daß Hitler   in Preußen reden durfte!( Stürmische Zurufe links: Undant ist der Welt Lohn!")

lich reden

-

die Abwehr der Berliner   Metallarbeiter gegen un­

Der Schloßherr von Pomedien.

Er gewährte den Königsberger   Mordbuben Unterschlupf.

,, Reich mir die Hand, mein Leben, fomm auf mein Schloß zu mir! Und sollt' es etwas geben, so bin ich frank dafür!"

Wann wollte Papen reden?

Untersuchung über die Vorgänge bei der Reichtagsauflösung

die Klärung der Reihenfolge der Zeugen vor. Es entspann sich eine fängere Debatte, als deren Abschluß ein Antrag Frank II ange­nommen wurde. Danach wird sofort zu dem innerhalb der ge= jeglichen Fristen liegenden nächstmöglichen Termine die gericht­liche Ladung der Mitglieder der Reichsregierung erfolgen, inzwischen aber wird mit der Vernehmung der erschienen Zeugen begonnen.

Der lebermachungsausschuß des Reichstages,| zunächst in geschlossener Sizung unter Ausschluß der Deffentlichkeit der sich durch seinen Beschluß vom 14. September als Unter fuchungsausschus tonstituiert hatte, trat heute vormittag 11 Uhr zusammen. Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärte der Oberregierungsrat Dr. Radlauer von der Reichspressestelle, der bisher die offiziöse Berichterstattung über die Ausschüsse besorgte, daß er seine vorgesetzte Behörde gebeten habe, ihn zur Disposition zu stellen, weil eine weitere Tätigkeit angesichts der Führung der Reichspolitik durch die Reichsregierung sich mit seiner politischen Ueberzeugung nicht vereinigen lasse.

Der Vorsitzende des Ausschusses, Genosse Löbe, formulierte die Untersuchungsaufgabe des öffentlich tagenden Unter­suchungsausschuſſes in zwei Punkten: 1. zu welchem Zeitpunkt hat fich der Reichskanzler zum Wort gemeldet? und 2. zu welcher Zeit erfolgte die Ueberreichung der Auflösungsurkunde und wie verhielt sich der Reichstagspräsident dazu?

Nach dieser Beschlußfassung wurde die Deffentlichkeit wieder hergestellt und der deutsch   nationale Abgeordnete Lawer= renz( Schriftführer) als erster Zeuge vernommen.

Der Zeuge Lawerrenz fagte aus, nach seiner Erinnerung habe

sich der Reichskanzler vor dem Beginn der Abstimmung zu Worte gemeldet, während die Zeugen Abg. Schwarz( 3.) und Abg. Linder( Nazi), beide Schriftführer des Reichstages, aussagten, daß die Wortmeldung erst nach dem Beginn der Abstimmung er­

folgt ſei.

Wieder Hausfestimmung. Pfandbriefe gewinnen bis zu 3 Prozent. Nach der Flaute der letzten Tage und nachdem gestern noch gerechte Lohnkürzungen, perstimmt" hatte, tam heute das Börsenschiff wieder vor günstigen Wind. Die Festigkeit der New­Yorker Waren und Effektenbörsen, eine Mitteilung über wachsende Löbe teilte dem Ausschuß mit, daß er die Vertreter der Reichs­Dann begann die Vernehmung des Reichstagspräsidenten Sparkasseneinlagen, die gestrige Diskontsenkung und die von der regierung und den Reichstagspräsidenten zunächst nicht in der Form Göring  , die zur Stunde noch andauert. Göring   gab eine zu­Reichsbahn bekannt gegebenen Arbeitsaufträge wirkten start an- der Strafprozeßordnung, sondern durch persönlichen Besammenhängende Darstellung. Er habe den Beginn der Abstimmung regend. Das Publikum ist überall mit kleinen Aufträgen im Markt. fuch geladen habe. Die Reichsregierung habe geltend gemacht, bereits verkündet gehabt, dann sei vom Abg. Torgler( Komm.) der Die Börse hat fest begonnen, und die Tendenz schien fest zu bleiben. daß sie es im Interesse der Klärung der vom Ausschuß zu unter- 3uruf gekommen: ,, namentlich", dem er zugestimmt habe. Auf dem Aktienmarkt ergaben sich durchschnittliche Gesuchenden Vorgänge für zweckmäßig halte, wenn zunächst die un­winne von 2 bis 3 Proz. JG.- Farben standen um% 1 Uhr 101 beteiligten Zeugen, also nicht Reichsregierung und Reichstags nach gestern 98, Siemens u. Halste 138 nach 134, Bemberg sogar präsident, sondern die Journalisten, Schriftführer des Reichstags 71 nach gestern 66 Proz. Gelsenkirchen   war von 41 auf 43 Proz. erhöht, Rheinstahl non 66% auf 69%.

Pfandbriefe und Renten waren und bleiben sehr feft. Bei den Pfandbriefen ergaben sich Kursgewinne bis zu 3 Proz.

usm. vernommen werden.

Da sich eine längere Geschäftsordnungsdebatte an die Mit teilung des Borsigenden zu schließen begann, nahm der Ausschuß

Nur um den Bruchteil einer Sekunde später

habe der Reichskanzler ein Wortgerufen, das er, der Reichs­tagspräsident, ebenfalls für das Wort namentlich" gehalten habe. Später sei ihm mitgeteilt morden, daß der Reichsfanzler durch seinen Zuruf habe um das Wort bitten wollen und dabei das Wort amtlich" gerufen habe. Der Staatssekretär Plan of habe sich