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BERLIN  Freitag 23.September 1932

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Der Abend

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Nr. 450

B 217

49. Jahrgang

Sondergerichte vorm Landtag

Sozialdemokratie fordert Nachprüfung der Urteile

Im Landtag fand heute wieder eine Amnestiedebatte statt. Die Sozialdemokratische Partei   hat dazu einen An­trag eingebracht, der eine Nachprüfung der Urteile der Sondergerichte und weitgehende Begnadigungen fordert. Der Antrag wurde vom Genossen Kuttner begründet, der die Praxis der Sondergerichte scharf geißelte und dabei vor allem auf das unhaltbare Urteil gegen den Reichsbannermann Max Rothe verwies.

Der Antrag wurde vom Landtag angenommen. Harzburger Schimpfduell.

Präsident Kerrl   eröffnet die Sigung um 10.15 Uhr. Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt Abg. Rube( Natfoz.) folgende Erklärung ab: Ich stelle fest, daß ich mit dem Abg. Steuer nie über die Persönlichkeiten der nationalsozialistischen Kandidaten für den preußischen Ministerpräsidenten gesprochen habe und daß es eine objektive und subjektive Unrichtigkeit des Abg. Steuer ist, daß, wie er hier im Hause und auch draußen in der Deffentlichkeit im Lokalanzeiger" behauptet, ich ausgerechnet Herrn Dr. Bracht als Ministerpräsidenten der Nationalsozialisten für Preußen ge nannt hätte.

Abg. Koch( Dnat.) meist darauf hin, daß in der gestrigen Sigung gegenüber dem Abg. Steuer aus den Reihen der national­jozialistischen Fraktion der beleidigende Zuruf Judenjunge" gefallen fei.( Heiterkeit rechts.) Wir weisen diesen Vorwurf aufs allerschärfste zurüd und erwarten, daß die Fraktion den Zwischen rufer veranlassen wird, diesen Ausdruck mit Bedauern zurückzu­nehmen.

Abg. Steuer( Dnat.): Tatsächlich habe er gesagt, daß der Abg. Kube ihm erzählt habe, ein Oberbürgermeister einer westlichen Großstadt sei als Ministerpräsidentschaftskandidat in Aussicht ge= nommen. Als der Redner dann seine Ausführungen fortjent, ertönen von den Nationalsozialisten und namentlich vom Abg. Rube stürmische Protestrufe.

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Präsident Kerrl entzieht dem Abg. Steuer das Wort, als er sagt: Der Abg. Rube lügt, wenn er

Abg. Kube( soz.) stellt fest, daß er das unforrigierte Steno­gramm des Abg. Steuer noch gestern abend nachgelesen habe. Als der Redner von einer lügnerischen Behauptung des Abg. Steuer spricht, wird er vom Präsidenten zur Ordnung gerufen. Was den Zuruf Judenjunge" angehe, so nehme er feinen Anstand, für seine Fraktion zu erklären, daß dieser Zuruf bedauert und nicht aufrechterhalten werde. Aber wenn die Deutschnationalen derartige Zurufe zum Gegenstand der Kritik von der Tribüne des Hauses machten, dann müsse man von dieser Stelle auch eine Bemerkung

Der Kotau war noch tiefer

Was die preußischen Nazis schluckten.

Zu unserem gestrigen Bericht über die Annahme der Beamten­anträge im Preußischen Landtag ist noch folgendes nachzutragen:

Die Nazis haben nicht nur für ihren eigenen An trag gestimmt, der die Beamten zum Gehorsam aufforderte, so lange die kommissarische Regierung die Verfassung respektiert, son­dern sie haben auch noch für den folgenden Antrag des 3entrums gestimmt:

,, Der Landtag   spricht den Beamten Dank und Anerkennung aus. Gleichzeitig gibt er der Erwartung Ausdruck, daß die preußischen Beamten auch fernerhin ihre dienstlichen Obliegen­heiten getreu der bewährten Berufstradition des preußischen

In der Aeltestenratssitzung, über die hier berichtet wurde, führte dann auch der deutschnationale Abgeordnete Bord in sehr sanftem Tone Beschwerde über das Benehmen der Nazis, die den deutsch­nationalen Redner am Sprechen verhindert hatten. Darauf er­flärte der nationalsozialistische Abgeordnete Lohse: Die Freifrau von Watter hat uns Nationalsozialisten infam beschimpft. Die Freifrau von Watter kann von Glück sagen, daß sie eine Frau und fein Mann ist. Sonst hätte sie nämlich von uns Maulschellen be­zogen, daß sie vierzehn Tage lang das Bett hätte hüten müffen." Angenehme Brüder, angenehme Umgangsformen!

Beamtentums zum Besten von Staat und Bolk unparteiisch und Der Sturm auf das Volkshaus!

gewissenhaft erfüllen werden."

Die kommissarische Regierung Papen- Bracht hatte auf die An­nahme dieses Antrages besonderen Wert gelegt und sie mit zur Voraussetzung einer Beilegung des Konfliktes gemacht. Die Nazis haben also folgendes fertig gebracht:

Sie haben zusammen mit den kommunisten die Beamten zum Ungehorsam gegen Papen- Bracht aufgefordert und sich hinterher bei ihnen dafür bedankt, daß sie trotzdem gehorcht haben!

Ritterliches Harzburg.

Freifrau von Watter soll Prügel friegen.

Aus der gestrigen stürmischen Landtagssigung verdient eine Episode Erwähnung, die gleichermaßen die Ritterlichkeit der Nazis mie die Brüderlichkeit von Harzburg   kennzeichnet: Als der Deutsch­nationale Steuer zum zweiten Male von den Nazis am Sprechen perhindert wurde, machte die deutschnationale Abgeordnete Frei­frau von watter einen erregten Zwischenruf. Sie rief: ,, Von diesen Schweinen ist ja nichts anderes zu erwarten!"

der deutſchnationalen Abg. Frau von Watter aufs schärfte Goebbels   friegt einen Orden.

zurückweisen, die die Nationalsozialisten Sch meine" genannt habe.( Stürmische Pfuirufe bei den Nationalsozialisten, die sich in erregten Rundgebungen gegen die Deutschnationalen wenden.)

Einschreiten gegen die Wanzenburg.

Auf Antrag des Abg. Winzer( S03.) wird ein auf fozial­demokratischen Antrag zurüdgehender Beschluß des Wohnungsausschusses angenommen, der sich mit den Mietverhält­nissen der alten Stadtvogtei am moltenmarkt zu Berlin   beschäftigt. Der Reichskommissar wird darin ersucht:

1. Den Vertrag zwischen dem Fiskus und den Schippa­nowstischen Erben zum frühesten Termin zu lösen,

2. Mittel bereitzustellen zur anderweitigen Unterbringung der in nicht mehr instandsetzungsfähigen Wohnungen untergebrachten Mieter,

3. die Polizei anzuweisen, die Schippanomstischen Erben zur schnellsten Herstellung eines polizeimäßigen Zustandes zu zwingen,

4. Herabsehung der Mieten auf die durchschnittliche Höhe, wie sie dem Pachtvertrag entspricht, mindestens aber um 50 Proz., 5. bei etwaiger späterer Weiterverpachtung des Gebäudes im Vertrage die Nuzung als Wohnraum auszuschließen und

6. dem Landtag bis zum 1. November von dem Veranlaßten Bericht zu erstatten.

Weiter wird ein Antrag des Beamtenausschusses bestätigt, der den Reichskommissar ersucht, bei der Durchführung der Verordnung über die Neugliederung von Landkreisen dafür zu sorgen, daß die ausgesprochenen Kündigungen von Angestellten der Landkreise und Amtsgerichte sofort rückgängig gemacht werden, im Einvernehmen mit den Angestelltenräten und Gewerkschaften die Unterbringung in anderen Stellen durchgeführt wird und Dauer­angestellte gegen ihren Willen nur unter Bewilligung der gesetz­lichen Ruhegelder entlassen werden. Ausscheidende Angestellte sollen auf eine Abfindungssumme Anspruch haben.

Das Haus tritt dann in die Tagesordnung ein.

Fort mit den Sondergerichten!

Als erster Punkt stehen zur Beratung die Anträge der Kom= munisten, des Zentrums und der Nationalsozialisten auf Straf= unterbrechung für politische Gefangen e. Verbunden ( Fortsegung auf der 2. Seite.)

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Anläßlich seiner hervorragenden Dementis wurde Joseph Goebbels   mit der ,, blattvergoldeten Ente" ausgezeichnet.

Landfriedensbruch  - Prozeß vor dem Sondergericht.

Ciegnitz, 23. September.  ( Eigenbericht.)

In der kommenden Woche wird am Liegnizer Sonder gericht wieder ein großer Landfriedensbruch- Prozeß verhandelt. Am Abend des 22. Juli tamen gegen 10 Uhr am Bunzlauer Volkshaus vier Lastkraftwagen mit Angehörigen der Stan­darte 54, Sturmbanner 2, Lauban   der nationalsozia= listischen SA. auf der Rückkehr von der Liegnizer Hitler  = Kundgebung vorbei. Vor dem Volkshaus hatten sich Kommu­nisten und Reichsbannerangehörige angesammelt, die die National­sozialisten angeblich mit Gejohle begrüßt haben sollen. Von den Lastkraftwagen wurden die Rufe erwidert und es flogen Wurf­geschosse. Die Nationalsozialisten verließen die Lastwagen und stürmten in das Volkshaus, so daß sich sowohl vor dem Volkshaus, als auch im Flur eine furchtbare Schlacht entspann. Der

Torhüter des Volkshauses,

der 52jährige Reichsbannermann Joseph Schreiber, erhielt 2 Schüsse in die Brust

und wurde noch am Kopfe durch Schlagwerkzeuge verlegt. Er wurde sterbend ins Volkshaus gebracht. Außerdem wurden 15 bis 20 Personen verlegt. Die Nationalsozialisten nahmen ihre Verletzten auf den Autos mit. Am Volkshaus wurden die Fenster­scheiben zertrümmert. Bunzlauer und Görlizer Polizei stellte dann die Ruhe wieder her. Wegen dieser blutigen Vorfälle wurde nun gegen 26 Personen Antlage erhoben, und zwar wegen Landfriedensbruchs, Raufhandels mit Rädelsführerschaft, Verübung von Gewalttätigkeiten usw. Zu der Verhandlung, die mehrere Tage in Anspruch nehmen wird, sind bis jetzt etwa 35 Zeugen geladen.

Der Liegniger Regierungspräsident hatte für die Ermittlung des Mörders des Reichsbannermannes Schreiber 1000 Mark Belohnung ausgesetzt. Angeklagt sind 19 Nationalsozialisten und fieben Reichsbannerleute.

Hansson bildet die Regierung.

Rein sozialdemokratische Regierung zustandegekommen. Stocholm, 23. September.  ( Eigenbericht.) Am Donnerstag hielt die schwedische Sozialdemokratie zur Feier des Wahlfieges im Stocholmer Konzerthaus   einen Festabend ab. 3m Berlauf des Abends machte Per Hansson die Mitteilung, daß eine rein sozialdemokratische Regierung 3 u standegekom­men sei. Die Ministerliste werde noch am Freitag veröffentlicht.

Spanien   soll vermitteln.

Damit Deutschland   in die Konferenz zurückkehrt. Paris  , 23. September.  ( Eigenbericht.)

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Der Sonderberichterstatter des Petit Parifien" in Genf   teilt mit, daß das Büro der Abrüstungskonferenz eine außereuro­päische Macht ersucht hätte, mit Deutschland   wegen seines Ver­zichts auf weitere Mitarbeit in dem Büro zu konferieren und es zur Rückkehr aufzufordern. Diese außereuropäische Macht wahr­scheinlich ist an Japan   gedacht hat das ihr gestellte Anfinnen angesichts ihrer schwierigen außenpolitischen Lage jedoch für den Augenblic abgelehnt. Man soll daraufhin das gleiche Ersuchen an den spanischen Delegierten zur Abrüstungskonferenz gerichtet haben, der ihm wahrscheinlich entsprechen wird.

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