Der Abend
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Nr. 462
B 223
49. Jahrgang
Eine ungeheuerliche Bluttat spielte sich heute mittag in der Hermannstraße in Neukölln ab. einem vorangegangenen Wortwechsel zog der 18 Jahre alte Nationalsozialist Heinz Schüler aus der Hermannstraße in Neukölln einen Revolver hervor und schoß den 23 Jahre alten Kommunisten Willi Faltin über den Haufen. Ein völlig unbeteiligter Vassant wurde durch einen Kieferschuß gleichfalls schwer verlegt. Der Nazimordschüße wurde nach längerer Verfolgung durch die Straßen Neuköllns gestellt und fest genommen. Nur mit Mühe konnte der Bursche vor einer Lynchjustiz der empörten Bevölkerung geschützt werden.
Gegen 11 Uhr traf Faltin mit dem 18jährigen Nationalsozia listen Schüler, der noch vor kurzer Zeit zur kommunistischen Jugend gehörte, aber zu den Nazis hinübergemechielt war, an der Ede Hermann- und Zietenstraße zusammen. Die beiden ehemaligen Barteigenoffen gerieten in einen heftigen Wortwechsel, der damit endete, daß Schüler plötzlich aus seiner Tasche eine Mehrladepiftole hervorzog und fünf Schüsse auf Faltin abfeuerte. Faltin brach blut überströmt zu Boden. Eine Kugel hatte die Lunge durchbohrt, eine zweite den Unterleib, und ein drittes Projektil blieb im Oberschenkel stecken. Ein Bassant, ein 36jähriger kaufmännischer Angestellter, der im Augenblick der Schießerei die Straßenkreuzung ahnungslos passierte, wurde von einer Kugel in den Kiefer getroffen. In der ersten Verwirrung gelang es dem Mordschützen zu flüchten. Ein Polizeibeamter in Zivil, der den Vorfall beobachtet hatte, jagte dem Flüchtigen auf seinem Rade nach. Der Bursche lief die Hermannstraße hinunter und blieb trog der wiederholten Haltrufe des verfolgenden Beamten nicht stehen. Nach minutenlanger Jagd, an der sich jetzt auch Passanten beteiligten, lief der Nazimordschütze zwei Schupobeamten einer Streife direkt in die Arme. Er wurde der Politischen Polizei des Polizeipräsidiums übergeben.
Ein Augenzeuge berichtet.
Ein Augenzeuge, der die Hermannstraße entlang ging, erzählt, daß er plöglich mehrere Schüsse hörte. Er sah einen jungen Menschen in Hitler Uniform, der auf einen Arbeiter schoß und dann fluchtartig die Hermannstraße hinunter lief. Der Bursche hielt in der Hand einen Trommelrevolter, und mehrere Passanten, die sich dem Täter in den Weg stellten, wurden mit der Pistole in Schach gehalten. Die Zahl der Verfolger wuchs immer mehr, als auf der entgegengesezten Seite eine berittene Schupo= patrouille auftauchte. Die Beamten sprangen sofort von ihren Pferden und ergriffen den jugendlichen Mordschüßen. Die Beamten! hatten Mühe, den Hitler - Gardisten vor der empörten Menge, die im Augenblid auf Hunderte angewachsen war, zu schützen. Eine ganze Reihe von Passanten, die den blutigen Vorfall mit erlebt hatten, stellten sich der Polizei als Zeugen zur Verfügung und teilten auf dem 212. Polizeirevier ihre Wahrnehmungen mit..
Delfefselexplosion bei Motard- Schwierige Löscharbeiten
In den bekannten Motard Werken in der Nonnendammallee in Siemensstadt , die in der Hauptsache Kerzen herstellen, brach heute vormittag Feuer aus, das sich in wenigen Minuten zu einem außer ordentlich gefährlichen Großfeuer entwickelte. Ein Teil der Fabrik, in einem Ausmaß von etwa 20 × 30 Meter wurde ein Raub der Flammen. Die Belegschaft der Werke konnte sich auf das Feuersignal rechtzeitig in Sicherheit bringen.
Das Feuer ist kurz nach 9 Uhr in der Del- und Fett tocherei entstanden. Aus einem Fettbehälter schlug plöhlich eine Stichflamme hervor und im Augenblic sprangen die Flammen auf einige Delbehälter über. Zum Glück murde die Gefahr von den im Raum beschäftigten Arbeitern rechtzeitig erkannt und es gelang allen, sich ins Freie zu flüchten. Auf den Feueralarm erschienen zunächst drei Löschzüge an der Brandstelle, es zeigte sich aber bald, daß die Kräfte nicht ausreichten und es mußten zwei weitere Zug machen sowie mehrere Schaumgeneratoren, wie sie stets bei der Bekämpfung gefährlicher Del- und Fettbrände Verwendung finden, herangezogen werden. Der ständige stellvertretende Oberbrand direktor Pozdziech übernahm die Leitung der Löschaktion.
Das brennende Fabrikgebäude war zeitweise in eine undurchdringliche riesige Qualmwolfe gehüllt.
Die Löschmannschaften, die mit zahlreichen Schlauchleitungen und den Schaumgeneratoren gegen den Brandherd vorgingen, mußten mit Rauchschutzmasken und Sauerstoffapparaten ausgerüstet merden. Inmitten der Löscharbeiten ertönten wiederholt heftige Explosionen. Wie sich bald herausstellte, waren mehrere mit Del gefüllte Kefsel in die Luft geflogen. Eisenteile wurden weit fortgeschleudert und die erneute Gefahr stellte die Feuerwehr vor eine schwierige Situation. Trotzdem konnte der Brandherd nach anderthalbstündiger Tätigkeit eingefreist werden. Die Aufräumungsund Ablöschungsarbeiten dauern noch an. Der Schaden ist sehr hoch, jedoch durch Versicherung gedeckt. Wie die Motard- Werke mit teilen, wird der Betrieb teine Unterbrechung erleiden.
An der Brandstelle.
Die Motard - Werke A.-G. haben ihre Fabrikationsgebäude auf einem umfangreichen Gelände zwischen der Nonnendamm allee und der Motardstraße. Die friedliche Stille hier an der Peripherie Berlins wurde plöglich durch das Heranrasen zahlreicher Feuerwehren, die aus allen Himmelsrichtungen anrückten, jäh unterbrochen. Aus einem mehrstödigen Fabrikgebäude inmitten der Werke quoll eine blauschwarze Qualmmolte zum Himmel, die sich von Minute zu Minute vergrößerte. Die weithin sichtbare
Teil ausgebrannt. Fett- und Delkessel sind zerrissen. Das aus: gebrannte Fabrikgebäude bietet einen trostlosen Anblick.
Gefährliche Löscharbeiten.
Wie uns Brandirektor Pozdziech erklärt, sind die Löschmannschaften selten so stark gefährdet gewesen wie bei dem heutigen Großfeuer in Siemensstadt . Als die Löschzüge in kurzen Abständen bei den Motardwerken eintrafen, brannte das ganze Gebäude bereits in seinem ganzen Umfange. Dem umsichtigen Eingreifen der ersten Züge ist es in der Hauptsache zu verdanken, daß die Motardwerke vor einer völligen Vernichtung geschützt wurden, denn unmittelbar an das vernichtete Fabrikgebäude grenzt das Dellager, in dem Hunderte von gefüllten Delfässern lagern. Diese furchtbare Gefahr konnte glücklicherweise abgewendet werden. sonders gefährlich waren die wiederholten Explosionen. Durch den Luftdruck und die enorme Hize stürzten zahlreiche Decken ein und die Maschinenanlagen stürzten donnernd in die Tiefe. Lange Zeit wurde der Einsturz der Umfassungsmauern befürchtet. Die Zementwände hielten den Explosionen jedoch stand und nur an einigen
Stellen wurden sie eingedrückt.
Be
Die Entstehungsursache ist zur Stunde noch völlig ungeklärt. Es wird sich, wenn die Aussagen der Arbeiter nichts Positives ergeben sollten, auch kaum jemals die Brandursache, fest= stellen lassen, da das Feuer mit solch ungeheurer Macht wütete, daß fämtliche Spuren restlos vernichtet sind.
Woraus die Kerzen entstehen.
Paraffin, das Material, aus dem die Kerzen hergestellt werden, ist eine feste, wachsähnliche Masse, die 1830 von dem Chemiker Reichenbach unter den Produkten der trockenen Destillation des Holzes, namentlich im Buchenholzteer, aufgefunden wurde. Später wurde gefunden, daß Paraffin sich auch bei der trockenen Destillation von Torf, Braunkohle und dem Abbau der Kohlenfelder bildet. Es kommt aber auch in der Natur gebildet vor, und zwar in sehr großer Menge, so im Petroleum, das jedoch mit Ausnahme des ostindischen Petroleums nur geringe Mengen Paraffin enthält. Erd pech und Erdkeer sind sehr viel reichhaltiger an Paraffin. Interessant ist, daß das sehr paraffinhaltige indische Erdöl in der Nähe des Flusses Irawadi in Birma aus hierzu gegrabenen Brunnen gewonnen wird. Die Paraffinfabrikation in Deutschland ist auf die Verarbeitung einer als Schwelkohle bezeichneten Braunkohle begründet. Zwei Hauptarbeiten sind zu verrichten, und zwar einmal die Bereitung des Teers und dann die Verarbeitung des Teers auf Paraffin. Dadurch werden helle, rote und sogar dunkle Paraffinöle gewonnen. Das Paraffin wird den schwersiedenden Delen, die es gelöst enthalten, durch Abkühlen und Auskristallisieren entzogen, in Filterpressen unter einem Druck von achtzig bis hundert Atmosphären entölt, mit leichten Teerölen unter Drud geZustande ist Paraffin eine feste, harte, klingende, weiße, geruchund geschmacklose Sache. Paraffin dient zur Herstellung von Kerzen und Zündholzköpfchen. Den Paraffinkerzen gibt man einen zu= sah von Stearinsäure. Auch wendet man das Paraffin als Schmiermittel für Maschinen, zur Gewinnung gewisser Wohlgerüche aus Blüten, zum Einfetten des Leders und zum Dichten der Wein- und Bierfässer an. Auch in der Chirurgie hat das
Massenkündigung bei Brachts. Rauchwolke hatte bald Taufende von Neugierigen angelockt, die zu waschen und durch Teerkohle oder Bulver gereinigt. In gereinigtem
Sämtliche Staatsangestellte im Minifterium gekündigt.
im
Wie das Nachrichtenbüro des VDZ. meldet, ist im preußischen Wohlfahrtsministerium, preußischen Landwirtschafts- und im preußischen Handelsministerium jämtlichen Staatsangestellten jekt zum 1. April nächsten Jahres gekündigt worden.
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Diese Maßnahme wird zwar nur als vorsorgliche Kündigung bezeichnet. In informierten Kreifen wird jedoch erklärt, daß dieses Vorgehen mit der geplanten Verwaltungsreform in den zentralen oberen Instanzen zusammenhängt. Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß in den preußischen Staatsministerien die Beseitigung einiger preußischer Ministerien ohne Rücksicht auf die bevorstehende Entscheidung des Staatsgerichtshofs- in die Praxis übergeführt werden foll. Dabei wäre z. B. hervorzuheben, daß bisher sowohl in der Landwirtschaftsverwaltung als auch in der Handelsverwaltung noch beſtimmte Fachschulen registriert werden. Nach der Neuregelung sollen sämtliche Staatsschulen im Kultusministerium zu jammengefaßt werden. Weiter wird man wahrscheinlich darauf abzielen, bestimmte preußische Ministerialaufgaben auf die vor handenen Reichsministerien hinüberzunehmen, was
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vor
Fuß und auf Fahrrädern an die Brandstelle eilten. Bald war die Luft filometerweit mit dem stidigen Qualm der Fette angefüllt. Die Feuerwehr befand sich bereits inmitten der Löscharbeiten, als hintereinander mehrere, weithin vernehmbare Detonationen erfolgten. Das brennende Gebäude glich lange Zeit einem riesigen Schornstein, aus dem unaufhörlich schwarze Rauchmassen hervorquollen, dazwischen loderten blutigrot die Flammengarben.
Das von dem Großfeuer betroffene Gebäude ist zum größten Paraffin Anwendung gefunden.
allem bei der Landwirtschaft und vielleicht auch bei der Volkswohlfahrt in Frage kommen soll. Die Zahl der preußischen Ministerien außer dem Ministerpräsisoll auf diese Weise von bisher sieben denten auf vier bis fünf herabgesetzt werden.
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Als Ziel der Verwaltungsreform für die restlichen preu wird Ministerien ßischen mit eine Personalunion dem Reiche erstrebt. Die Einzelheiten der geplanten Neuregelung müssen vorläufig noch mit Vorsicht betrachtet werden. Als fest= stehende Tatsache bleibt aber die Ingangsetzung dieser vielumstrittenen Verwaltungsreform durch die Kündigung der Staatsangestellten. Diese Kündigungen sollen den 3med, haben, zunächst freie Hand zu bekommen, damit man bei einer ,, Reform der Verwaltung" nur diejenigen übernehmen muß, die tatsächlich noch gebraucht werden.
Anhalt gegen Hindenburg - Feier.
Nazi- Minister erlaubt sie nicht.
Das nationalsozialistisch- deutschnationale anhaltische Staatsministerium gibt bekannt:„ Der Anregung des Reichsministers des Innern, am 2. Oktober die Dienstgebäude des Landes und der öffentlichen Verbände zu beflaggen, in den Schulen am 1. oder 3. Oftober des Geburtstages des Reichspräsidenten in schlichten Feiern zu gedenken und im Anschluß an diese Feiern den Unterricht ausfallen zu lassen, hat das Staatsministerium keine Folge
gegeben."
So muß es fommen! Solange die Hakenkreuzler ,, nur" Verfassungsfeiern verboten, jubelten die Rechtsblätter, jetzt jizzen sie wie begoijene Pudel da.
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