Der Gerichtsschreiber

Auf seinem Gesicht stand es geschrieben, ob ihn feine Tagesarbeit befriedigt hatte oder nicht. Manchmal tam er nach Hause, und ein heiteres Lächeln zeigte jedem: dem Gerichtsschreiber Schir mer war nichts aufgefallen, es war alles- nach seinem Sinne gerecht zugegangen, aber oft hatte er auch ein trauriges Gesicht mit tiefen Stirnfalten und müden Augen, und mer ihn tannte, mußte es wissen: heute war etwas ,, faul" gewesen. Das war sicher.

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Der Gerichtsschreiber hatte ein natürliches Rechtsempfinden, welches durch das berufsgebun­dene enge Verhältnis zwischen ihm und den Bara graphen noch nicht getrübt war. Und das wachte scharf über Richter und ihre Urteile. Für seine Tätigkeit besaß er weder besonderes Interesse noch Abneigung. Es war ja selbstverstständlich, daß er feine Protokolle gewissenhaft und in guter Schrift ausführte. Aber die Menschen, deren Schicksale er zu Papier bringen mußte, fesselten ihn. Sie waren vielleicht der Pol, um den sich sein ganzes Leben drehte.

Er war noch nicht lange Gerichtsschreiber ge­wesen, als er schon eine ziemlich feste Ansicht über Charaktere, Fähigkeiten und Urteilsweise der Richter hatte. Meistens festigte sich diese Ansicht in den weiteren Jahren nur. Er täuschte sich felten.

Ebenso verstand er aber auch jene abzuschätzen, die sich vor dem Gericht verantworten mußten. Saß da manchmal ein armer Sünder, den man übermäßig hart behandelte, dann ſegte er die Worte in seinem Protokoll so geschidt ohne Tatsachen zu verändern-, daß der Berufungs­richter später, wenn er die Aften der ersten In­stang stubierte, ein wesentlich günstigeres Bild Dom Angeklagten erhielt.

So griff der Gerichtsschreiber Schirmer oft un­

bemerkt in das erhabene Getriebe der Justiz ein. Als er fast dreißig Jahre neben den Herren Amtsgerichtsräten gesessen und die Registratur der Schicksale" geführt hatte, verursachte er aber etwas, das die Strafprozeßordnung erschütterte und ihm nach langem Hin und Her einen scharfen Verweis und die Verwendung für andere Dienste" einbrachte. Nach dreißig Jahren.-

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Eines Tages. nachdem man schon sechs Stunden mit anderen Verhandlungen zugebracht hatte, stand ein junger Mensch vor den Schranken. Er war nicht vorbestraft und sein Fall ein Dieb. stahl eines fast wertlosen Gegenstandes im Waren haus war harmlos. Auch hatte er offene, sympathische Züge und ein freundliches Wesen. Dem Gerichtsschreiber Schirmer erschien es, als ob ein Mensch mit Hirn und Nerven, mit Fleisch und Blut einer Maschinerie gegenübersaß, deren

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Wellen, Zähne und Hebel aus gelangweilten Richtern, ärgerlichen Staatsanwälten und müden

Schöffen bestanden. Und dieses Wert zerräderte den jungen Mann systematisch. Daß er schon zwei Jahre lang nicht mehr arbeiten durfte, gehörte nicht zum Fall". Es war aber durchaus am Blaze, mittels gefchidter Kreuz- und Querfragen einen Erzsünder zu fabrizieren. So stellte die Maschine fest, daß er als Sohn achtbarer Eltern in frühen Jahren starte Neigung zu Leichtsinn gezeigt hätte, daß er in der Schule faul gemesen sei, daß er mit seinem Lehrmeister einmal einen Konflikt gehabt hätte, daß er es murde dem Gerichtsschreiber zuviel.

Und dann sprach der Staatsanwalt pon morali. fchem Tiefstand, von der Rüdtehr auf den rechten Weg, von der harten Strafe, die den Menschen zu sittlichem Tun führt...

Doch was war das? Da stand der Gerichts­schreiber Schirmer, hatte die staatsanwältliche Rede

unterbrochen und hielt selbst ein Plädoyer:„ Meine Herren! Justiz soll Gerechtigkeit sein! Gerechtigkeit ist es, diesem Mann Arbeit zu geben und ihn nicht um einer Lappalie willen ins Gefängnis gehen zu lassen. Herr Staatsanwalt, Sie wollen doch die Menschen vom Verbrechen abhalten, merken Sie nicht, daß Sie einen zum Verbrecher erziehen..?" Weiter fam er nicht. Die erschreckte Starre über dem Gericht löste sich. Die Verhandlung murde sofort vertagt. Man beriet den ,, Fall Schirmer".

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Es dauerte mehrere Wochen, bis die Herren zu erkennen glaubten, daß es weniger Strafe wäre, ihn zu entlassen, als ihm einen anderen, ihn nicht intereffierenden Dienst anzuweisen.

Seit der Zeit weiß der Gerichtsschreiber Schir­mer nicht mehr, wofür er lebt und arbeitet.- Fritz Hirschberg.

Querschnitt durch die Welt

Im Verlag von 2. W. Seidel u. Sohn in Wien ist die 71. Ausgabe pon Hübners geographisch statistischen Tabellen aller Länder der Erde " erschienen, neu bearbeitet und verbessert. Gegenüber der 70. Aus­gabe sind eine Reihe weiterer Angaben hinzu gefügt worden, so die über Weltvorräte an Kohle, Eisenerz und Wasserkraft, über die Weltproduk tion der wichtigsten Industrieproduktę mię über den Biehstand der Welt. Die Zusammenstellung der Weltbevölkerung ist miederum nach Erbteilen und Flächenausdehnung gegliedert; neben Deutsch land und Desterreich werden nun auch aus anderen europäischen Staaten die letzten Wahlstatistiken gebracht. Die neu eingefügten Angaben über den Fremdenverkehr sind im Zeichen der Weltmirt, schaftsfrise recht interessant.

Wenn man in diesem umfangreichen Wert mit seinen fünf Abteilungen blättert, hat man einen Querschnitt durch die ganze Welt vor sich. Die erste Abteilung bringt allgemeine geographische Angaben, genaueste Lage der Länder und ihrer wichtigsten Orte, ihre klima­tischen Verhältnisse, Bodenerhebungen und der. gleichen. In der Rubrif ,, Sonstige Angaben" hat der Druckfehlerteufel in Chile die Seeschiffahrt zerstört, indem er die berühmte Magalhaes- Straße nur 3 Meter und die Meerenge de la Concepcion nur 2,5 Meter breit sein läßt, anstatt Kilo. meter.

Intereffant find die Angaben über die Re. gierungsformen der 82 Länder der Welt. Sie verzeichnen 27 monarchisch regierte Länder und 53 selbständige Staaten oder Staatsgebiete, die Präsidenten oder Gouverneuren unterstehen. Dazu kommen der Vatikanstaat mit dem Papst als Oberhaupt und das Königreich" Ungarn, das vom ,, Reichsverweser" Nikolaus Horthy regiert wird. Glücklicherweise erhalten die Länder ihre Be deutung nicht von ihrem Oberhaupt, sondern von ihrer Größe, ihrer Bevölkerung, ihrer landwirt. schaftlichen und industriellen Ausrüstung und ihrem Handel, worüber die nächsten Abteilungen ge neueste Auskunft geben.

Diese Angaben stehen nun sehr im Zeichen der Weltwirtschaftstrife. Bei den Bevölkerungs­angaben ist die Krise schon daraus ersichtlich, daß zumeist Berechnungen angeführt sind, weil sich die Staaten teine Zählungen mehr leisten können und die letzten Zählungen zu weit zurüdliegen. Stärfer aber noch kommt die Weltfrise in den letzten Ab. schnitten zum Ausdruck: Drosselung der Pro. duftion, Drosselung des Handels, Rückgang des Verkehrs, Erschütterung der Finanzen. So mie Hübners Tabellen in guten Jahren den wirts schaftlichen Aufstieg wiedergaben, zeigen sie jetzt als zuverlässiges Quellenwert das Abgleiten der Wirtschaft, den Niedergang des Kapitalismus . Wilhelm Tietgens.

Parteinachrichten

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2. Hof, 2 Treppen rechts, zu richten

Beginn aller Veranstaltungen 19½ Uhr, sofern feine besondere Zeitangabe!

7. unb 8, Kreis. Seute, 17 bis 18 Uhr, Juristische Sprechstunde im Jugend. heim Rosinenstr. 4. Gelegenheit zum Kirchenaustritt.

20. Abt. Seute, 20 Uhr, Bufammentunft des Agitationssonberdienstes bei Stenzel, Schwedenstr. 13.

21. Abt. Seute, Gigung sämtlicher Funktionäre und Areisvertreter bei Schola, Abolfftr. 12.

42. bt. Montag, 8. Oktober, bet Regul, Tempelhofer Ufer la, Bersammlung aller Genoffen, die Mitglieder der 179. Abgabeftelle des Ronfums sind. Parteimitgliedsbuch und Einkaufstarte legitimieren.

74b. Abt. Seute, 20 Uhr, Gründung ber Rinderfreundegruppe bei Stod. mann, Machnower Str. 2.

93. Abt. Sonntag, 2. Oftober, 91 Uhr, Abteilungsversammlung bei Wolff, Gesellschaftshaus, Kirchhof. Ede Wipperstraße. Wahl der Delegierten zum Bezirksparteitag. Stellungnahme zur Kandidatenaufstellung. Berschiedenes. 123. Abt. Sonntag, 2. Ottober, Besuch des Verkehrs- und Baumuseums, In. palidenstr. 51. Eintritt 20 Pf. Abfahrt von Raulsdorf 10.01 Uhr, bis Behrter Stadtbahnhof fahren. Arbeitslose Genofsinnen und Genossen er. halten Fahrgeld und Eintrittsgeld vergütet. Gäste willkommen.

138. bt. Die Betsegung der Urne des Schnes Frig unseres Genoffen Cron. feld findet heute, Sonnabend, 1. Oktober, 16 Uhr, von der Friedhofstapelle bes neuen Hermsdorfer Friedhofes aus statt. Rege Beteiligung ermartet ber Borstand.

Arbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde Groß- Berlin.

Biergarten. Morgen, Sonntag, Neftfaltentreffahrt mit Zehlendorf nach dem Grunewald . Abmarsch 8 Uhr Kleiner Tiergarten. Fahr. gelb 20 f.

Köpenid. Morgen, Sonntag, 16 Uhr, Bunter Nachmittag im Jugendheim Dahlmizer Straße. Die Falten aus Rahnsdorf find unsere Gäste.

Reinidendorf. Montag, 20 Uhr, Areishelfertigung im Jugendheim Wittenqu. Alle Beltlageraufnahmen mitbringen. Jeden Donnerstag Spiel und Sport in der Turnhalle Wittenau, Rosenthaler Straße, von 17 bis 19 Uhr. Abt. Wittenau . Achtung, Boranzeige! Donnerstag, 13. Oktober, Falten. parlament. Wählt die Delegierten.

Kreis Kreuzberg . Gruppe Rottbusser Tor. Wir treffen uns Sonntag, 81 Uhr, Faltenecke, zur Dreitagefahrt nach Meißnershof.

SES

Sozialistische Arbeiterjugend Groß- Berlin

Einsendungen für diese Rubrik nur an das Jugendsekretariat Berlin SW 68. Lindenstraße 2, porn 1 Steppe rechts.

Heute, Sonnabend, 1. Oktober:

Humboldthain: 19 Uhr Stadtbad Gerichtstraße. Faltplag I: Morgen Fahrt durch das Briefethal. Treffpunkt 7 Uhr Bahnhof Schönhauser fee. Sallesches For: Pordstr. 11. Uebungsabend für die Werbeveranstaltung. Morgen Fahrt nach Birkenwerder . Treffpunkt 7 Uhr Rote Ede. Südwest: 19 Uhr Funktionärversammlung Bindenstr. 4. Morgen, 9% Uhr, Treffpunkt ebenbort. Rottbusser Tor: 19 Uhr Rottbuffer Tor bzw. 19% Uhr Seim Schlesische Str. 45 zur Sprechchorprobe. Friebrichsfelbe: Morgen Arbeitsfahrt. Treffpunkt 8 Uhr an der Kirche.

Werbebezir? Tempelhof : Spielgemeinschaft 3 Pfeile. Probe 20 Uhr Göz­Straße. Morgen, 18 Uhr, Generalprobe ebenbort ohne Musikgruppe. Werbebezirk Neukölln: Der Querschnitt trifft sich 20% Uhr bei Aliems, Safenheide.

Werbebezirk Brenzlauer Berg : Morgen, 11 Uhr, Werbefeier im Elysium", Brenzlauer Allee 56. Rote Jugend marschiert. Aus dem Programm: Film: Der Weg ins Leben. Spieltruppe. Ansprache. Un. toftenbeitrag 35 f.

Werbebezirk Often: Morgen, 11 Uhr, Werbefeter im Rose- Theater , Große Frankfurter Str. 182. Ser zu uns! Aus dem Programm: Mufit, ( Proletarisches Orchester der GAS.) Spieltruppe: Der Querschnitt. Re. zitationen. Ansprache. Unkostenbeitrag 35 Bf.

Werbebezirk Westen: Morgen, 9½ Uhr, Generalprobe bei Schellbach, Char. lottenburg, Königin Elisabeth- Str. 6. Achtung, rechnet die Karten abl Werbebezirk Müggelfee: Montag, 20 Uhr, Grünauer Str. 5, leben des Tambourkorps.

Freie Gewerkschafts- Jugend Berlin

Heute, Sonnabend, in der Heinrich- Schliemann- Schule, Berlin N. 58, Gleimstr. 49( U- Bahnhof Nordring S- Bahnhof Schönhauser Allee ). In der Bunberwelt bez Licht, Zon- und Rabiowellen. 2 Stunden physikalisch- technische Sensationen. Saalöffnung 19 Uhr. Beginn pünktlich 19% Uhr. Untoftenbeitrag 80 f.

Vorträge, Vereine und Versammlungen

Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold". Geschäftsstelle: Berlin G. 14. Sebastionftr. 87-38. Sot 2 Tr. Bantow( Ortsverein). Sonnabend, 1. Ottober, 13% Uhr, Anfreten aller Rameraden in Uniform Bantebrüde, Linden. Ede Podbielsti. Straße, zur Beerdigung unseres Kameraden Arthur Neumann. Schwarze Binde, Fahnen, Tambourtorps mit Instrumenten. Treptow ( Ortsverein). Sonn fag, 2. Oftober, Pflichtveranstaltung. Nähere Anweisung durch die Kamerad. schaftsführer.

Reichsvereinigung chem. Kriegsgefangener E. B., Ortsgruppe Berlin . Norden L. Mitgliederversammlung am 1. Oktober, 20 Uhr, im Vereinslotal Böhlertgarten", Pflugstr. 9, Ede Wöhlertstraße..

Theater, Lichtspiele usw.

Staats

Theater

Sonnabend, den 1. Oktober Staatsoper Unter den Linden

20 Uhr

Sizilianische Vesper Staatliches Schauspielhaus

20 Uhr

Wallensteins Lager Die Piccolomini

SCALA

Tägl. 5 u. 8% Uhr. Barbarossa 9256

Ein Höhepunkt dee Programmgestaltung

Heute Première:

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Deutsches Theater Schiffbauerdamm

Weidend. 5201. 8 Uhr

D2 Weidend, 9955 Täglich 8 Uhr

Rose Bernd Kolonne

von Gerhart Hauptmann mit Paula Wessely

Kammerspiele

814 Uhr

Schicksal nach Wunsch

Komödie v. Christa Winslo Regie: Rudolf Beer Melzer , Ullrich, Riemann, Abel, Brausewetter

Immergrün mit Harald Paulsen

Berl. Kom. v. Hans Brennert

BERLINER THEAT. A7 Doab. 625 Täglich 814 Uhr

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Winter Garten

Heute 4 Uhr und 8 Uhr 15 Premiere!

4 Bronnets, George Dormonde Mary Erik& Co., 7 Alfredos

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Der Revisor Gogol

Regie: Heinz Hilpert Auch Stgs. 3 Uhr. Preise: 0,75 bis 4,00

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Sonnabend, 1. Okt.

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20 Uhr

Petruschka Dirigent: Ladwig. Abramowitsch Groke, Egenlauf Glanni Schicchi

Dirig.: Teichmann.

Grolmanstr. 70/71 Steinpl.( C 1) 6715 Täglich 814 Uhr

Der 18. Oktober

Hellinger, Strömer, v. Alten, Heuser Regie: Kenter. Theater

Rose- Theater

Hüsch, Friedrich. Große Frankfurter Straße 132 Tal, Weichsel E 7 3422

Fidesser

5 Uhr

Metropol- Theater Aschenbrödel

Täglich 84 Uhr Frigi

Majsarn

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8.15 Uhr

Der Hauptmann

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