Einzelbild herunterladen
 
  

Abend- Ausgabe

Nr.466 B 225 49. Jahrg.

Rebattion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Zelegrammabreffe: Sozialbemokrat Berlin

F86 1829

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

MONTAG

3. Oktober 1932

Jn Groß Berlin 10 Bf. Auswärts...... 15 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Staatspolitiker

Wachsende Nervosität um Herrn

Bracht

Die Regierung Papen hat gegen den badischen Staatspräsidenten Dr. Schmitt, der dem Zentrum angehört, sehr grobe Töne anschlagen lassen. Herr Schmitt hat auf dem Landesparteitag des badischen Zentrums in Offenburg sachlich scharf die Maßnahmen des Kabinetts der Barone bekämpft, soweit sie Länderrechte berühren. Er hat dabei süd­deutsche Forderungen angemeldet gegenüber Blänen, die in die Zeiten des Norddeutschen Bundes zurückführen müßten, er hat ferner das Gebaren des Kommissars des Reichs­fommiffars in Preußen als unvereinbar mit den Kompetenzen und der verfassungs­mäßigen Stellung eines Reichskommissars bezeichnet.

Damit sind zwei wunde Punkte berührt

worden, an denen das Kabinett der Barone empfindlich ist.

Also wird ,, von unterrichteter Seite" dem badischen Staatspräsidenten unwirsch vorge­worfen, daß er Parteipolitik und Staatspolitik nicht auseinanderzu­halten vermöge, daß er vielmehr die Staats­politik in das Gebiet der Parteipolitik herunterziehe. Da haben wir wieder den Obrigkeitsstaat in seiner alten Ueberheb= lichkeit. Es ist anmaßlich, für sich den Stand­punkt in Anspruch zu nehmen, daß man über den Parteien stehe und die allen an­dern verhüllte Offenbarung der allein richti­gen Staatsauffassung besize, es ist um so anmaßlicher, wenn die Rechtsgrundlage dieses Standpunktes zugleich schwankend ist!

Wer über den Parteien

Sich wähnt mit stolzen Mienen, Der steht zumeist sogar Erheblich unter ihnen.

Man wird uns doch nicht zumuten wollen, die Meinungen und Taten der kommissari­schen Verwaltung in Preußen als Ausfluß höchfter Staatsweisheit jenseits von Gut und Böse hinzunehmen? Wir richten unsere Blicke auf die Personalpolitik des Herrn Bracht. Wir sehen, wie offensichtlich nach einem vorbereiteten Schema Männer deutsch­nationaler Farbe an die Stelle von Männern aus verschiedenen Parteilagern gesetzt wor den sind, an die Stelle von Männern, die sich bewährt haben nicht nur im Amte, son­dern auch im Charakter. Wir sehen, daß diese Personalpolitik weiter geht, daß neben dem Auswahlprinzip der deutschnationalen Gesinnung weiterhin Dinge eine Rolle spie­len, mit deren Hilfe der Mensch im Obrig teitsstaat etwas wurde, so vor allem die Korpszugehörigkeit.

Die Parteien hatten diese Dinge überwun­den, sie hatten ein flareres, demokratischeres Auswahlprinzip an ihre Stelle gesetzt. Jetzt steigt man wieder herab zu den Dunkel­heiten des Obrigkeitsstaates, zu den Mysterien der Inhaber der alleinselig­machenden Offenbarungen der allein richtigen Staatspolitik. Aber die Schleier dieser Mysterien sind nicht dicht genug, und je lauter und drohender dem Volke das Wort ,, Staatspolitik" entgegenschallt, um so deut­licher sieht es die kleinen und kleinlichen Dinge und die Menschlichkeiten, die es ver­decken soll.

Der Kreis der deutschnationalen Beamten von Gnaden des Reichskommissars ist nicht der Staat, und wenn sie sich dafür halten, so wird ihnen zum Bewußtsein gebracht werden müssen, daß ihr Staat mit dem Volke nichts zu tun hat. Wir verzichten darauf, daß die Inhaber der allein richtigen Staats­politik zu den Parteien und der Parteipolitik ,, herabsteigen"- die Parteien hätten dabei nur zu verlieren.

Japan ins Unrecht gesetzt

Bericht der Völkerbundskommission über Mandschurei

Genf , 2. Oftober.

Eigener Bericht

Der am Sonntag in Genf , Tokio und Nanking veröffentlichte Bericht der Untersuchungs­fommission des Völkerbundes für den Man­

dschureikonflikt ist das typische Produkt jener Realpolitik, welche die Bertreter der Großmächte zwar die offene Bergewaltigung eines militärisch schwachen Bolkes klar erkennen läßt, aber die Re gelung des Streiffalles ganz von dem Willen der ftärkeren Macht abhängig macht.

Die Vorschläge der Kommiffion dürften im vor­aus wertlos gemacht worden sein durch die von Japan vollzogene offizielle Anerkennung der unabhängigen Mandschurei. Auch nach dem unabhängigen Mandschurei. langen Aufschub bis zur Vorlage dieses Berichts steht die Gesamtheit der Regierungen, die den Völkerbund bilden, auf Grund der eindeutigen Feststellungen des Berichts vor der klaren Not­wendigkeit schwerster Entscheidungen, die nichts weniger als das Schicksal des Völker­bundes in sich schließen.

Der 160 Seiten Großformat umfassende Be­richt, der einstimmig von Lord Lytton­England, Graf Aldovrandi- Italien, General Claudel Frankreich , General con Ame

rifa und Ergouverneur Schnee- Deutschland unterzeichnet ist, gibt zunächst eine Darstellung der Aufgaben der Kommission, einen geschichtlichen Ueberblick der Umwälzungen in China und des Verhaltens der Großmächte sowie der Vor­geschichte der Ereignisse in der Mandschurei . Trog schonenden Redewendungen geht die

Bergewaltigung Chinas und der Mandschurei durch Japan

klar aus dieser Darstellung hervor. Durch die Fesselung jeder eigenen Entwidlung Chinas in­folge der von Japan aufgezwungenen Verträge wird die Spannung gegen Japan begreiflich. Als der Hauptmann Nakamura von chinesischen Soldaten als Spion erschossen wurde, machten die Japaner am 18. September 1931 unter dem Vor­wand der bedrohten Sicherheit einen plög- lichen Ueberfall auf die Mandschurei nach) einem genau vorbereiteten Plan und aus rein politischen Gründen. Die Chinesen hatten nach der Feststellung der Kommission teinerlei Plan zum Angriff auf japanische Truppen.

Bon einer Gefährdung des Lebens und Eigen­fums der Japaner in der Mandschurei konnte feine Rede sein.

Dela- Flugtag in Tempelhof

Volksfest am Flughafen- Interessante Geschwaderflüge

Blick auf das Flugfeld vor dem Start

Der Dela- Flugtag in Tempelhof wurde für Zehntausende von Berlinern zu einem ab­wechslungsreichen Boltsfest. Auf dem Zentral­flughafen ffanden 95 Flugzeuge zur Teilnahme an 25 000 den einzelnen Borführungen bereit. zahlende Zuschauer hatten sich eingefunden, aber weitere 100 000 hatten sich am Rande des Flug­hafens angesammelt.

Bis mittags 12 Uhr waren 80 Flugzeuge aus allen Gegenden Deutschlands , aus dem Saargebiet und aus Danzig in Berlin eingetroffen, die an dem Zuverlässigkeitsflug teilgenommen hatten. Sie ger dieses Wettbewerbs blieb der Badisch- Pfälzische Luftfahrtverein Mannheim.

Die Fliegerveranstaltung begann mit einem Geländerennen, das in acht Rennen durch­geführt wurde. Einen außerordentlichen Eindruc von den Leistungen des schnellsten europäischen Verkehrsflugzeuges gewann man dem außerprogrammäßigen Flug des schweize rischen Fliegers Mittelholzer, der eine Geschwindig­teit von über 300 Kilometer in der Stunde ent­

aus

wickelte. Major a. D. Keller zeigte dann noch einmal mit einer Staffel von neun Flugzeugen mit seinen Flugschülern die hohe Schule des Ge­schwaderererzierens im größeren Verbande. Nach einem Flugrennen der Reklamestaffel der Deutschen Luftfahrt G. m. b. H. gab es eine besonders inter­essante Vorführung durch den gleichzeitigen Ab­sprung von 6 Fallschirmpiloten aus einem Verkehrsflugzeug der Deutschen Lufthansa aus etwa 500 Meter Höhe. Den Höhepunki" der Veranstaltung bildete einer der jetzt so beliebten ., Luftangriffe" auf ein Industriewerk, der von 95 Flugzeugen ausgeführt wurde.

Während der Flugveranstaltung wurde aus einem Flugzeug ein Patet Flugblätter abgeworfen, das noch fest verschnürt war. Davon wurde der 61 Jahre alte Kohlenhändler Otto Jüttner aus der Friesenstraße 19 so unglücklich am Bein ge= troffen, daß er mit einer Beinverletzung in das St. Josefs- Krantenhaus gebracht werden mußte.

M

.

Die angebliche Sprengung einer Eisenbahnschiene hat in keiner Weise ein militärisches Vorgehen gerechtfertigt.

Die Kommission zählt dann alle weit über den Umfang einer Schutzmaßnahme hinausgehenden militärischen Besetzungen der ganzen Mandschurei auf. Schritt für Schritt wird festgestellt, wie gegen den Willen der Mandschurei Behörden und der Bevölkerung für die Interessen der inzwischen fiegreichen imperialistischen Bewegung Japans eine von China unabhängige Verwaltung von japanischen Beamten und Militärs unter japani­schen Bajonetten aufgezogen wurde. Das augen­blickliche Regime wäre nie ohne die japanischen Truppen und die Gewaltakte der japanischen Be­amten zustande gekommen und könne niemals als Ergebnis einer spontanen und ersthaften Unabhängigkeitsbewegung angesehen werden, be= sonders da man vor September 1931 niemals et­was von einer Unabhängigkeitsbewegung in der Mandschurei gehört hat."

Die Bevölkerung aller Stände: Arbeiter, Bauern, Polizei, Armee, Intellektuelle, Kauf­leute und Bankiers, feien einhellig gegen die Regierung Mandichukuo.

Die Kommission hat natürlich auch viele Depu tationen zugeschickt bekommen, deren Erklärungen vorher von den Japanern aufgesetzt worden waren und den wirklichen Willen der Bevölkerung fälschen sollten. Aus allen nichtarrangierten Willensäußerungen der Chinesen in der Man­ dschurei , die 28 von 30 Millionen der Gesamt­einwohnerschaft darstellten, gehe einwandfrei her. vor, daß sie die Regierung Mandschukuo als ein Instrument in den Händen der Ja= paner betrachten, welches sie energisch ablehnen. Es folgte dann eine genaue Darstellung über die tiefgreifenden wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Umwälzungen der Mandschurei durch die Japaner in ihrem eigenen Interesse und Vor­teil bei Wegnahme aller chinesischen öffentlichen Einrichtungen und Einnahmequellen.

Der Lösungsversuch des Berichts geht aus von der Anerkennung der tatsächlich vor handenen Wirklichkeiten wie der Macht­stellung Japans und seiner enormen wirtschaft­lichen und strategischen Interessen in der Man­ dschurei , die er mit dem Recht Chinas in Einklang zu bringen versucht. Daher wird in dem Bericht vor allem betont, daß eine einfache Wiederher­stellung des Status quo ebenso wenig eine Lösung sei wie die Aufrechterhaltung und Aner kennung des augenblicklichen Regimes. Jede Tren­nung der Mandschurei von China müsse schwere internationale Konflikte herbeiführen, ebenso jede Lösung, die den 3ntereffen Sowjetrußlands keine Rechnung trage.

Als Bedingungen für eine befriedigende Lösung zählt der Bericht in feiner Schluß­folgerung auf:

1. die Vereinbarkeit mit dem Vorteil Chinas und Japans ;

2. gerechte Berücksichtigung der Interessen Sow­jetrußlands;

und

von

3. Uebereinstimmung mit Bölkerbundspakt, Kellogg - Patt Neunmächtevertrag Washington;

4. Anerkennung der Rechte Japans in der Mandschurei ;

5. Neue Verträge über die Rechte, Interessen und Verantwortlichkeiten Chinas und Japans in der Mandschurei ;

6. wirksame Maßnahmen zur Regelung späterer Differenzen;

7. Totale Selbstverwaltung der Man­ dschurei unter Wahrung der Souveränität und Unverlehlichkeit der Verwaltung durch China ; 8. Sicherung der inneren Ordnung durch lokale Gendarmerie und Sicherung gegen Angriffe von