ZWEITE BEILAGE
MITTWOCH, 5. OKT. 1932
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Sie hatte ganz vergessen, daß sie so aussieht— weil die Kellnerin sie so respektvoll nach ihren Wünschen fragt, fällt's ihr wieder ein. Sie schäml sich fast ein bißchen vor Pit— ihre Eleganz kommt ihr so verlogen vor. Sie schämt sich, weil sie so verliebt ist in diese verlogene Eleganz. Muß sogar noch den Ring besonders blank reiben, die Falten des Kleides gefälliger ordnen. „Bitte schön" Die Kellnerin mit dem hoff- nungslos verwüsteten Gesicht stellt das Glas Portwein vor Gilgi hin— du, dummes Luder, du— grinse doch nicht so devot! Wenn ich mit meinem verknautschten Trenchcoat, nach Arbeit riechend, bier säße, ich würde dir nicht imponieren! Du, schämst du dich nicht, so dumm zu sein, so furchtbar dumm... Ich muß morgen mal zum Arzt gehn— morgen oder übermorgen oder— ob das stimmt— das... Märchen von Tahiti ... Gilgi schließt die Augen, das hat sie nie getan— früher. Wenn sie die Augen zumachte, sah sie nichts— nichts— jetzt sieht sie viel hinter geschlossenen Lidern. „Schlaf nicht ein, Gilgi!" Pit sitzt ihr gegenüber.„Na, du hast dich ja gut heraus- gemacht— könntest die Geliebte von Al Ca- pone sein, die gleich in die Metropolitan- Opera fahren wird." Gilgi ist wach vor Müdigkeit. „Gib mir mal die Hand, Pit— halt' meine Hand fest— fester— so daß es weh tut—, ich muß bis ins Herz hinein wissen, daß du meine Hand hältst." Pit preßt Gilgis Finger — wenn die ein Wort wie Herz sagt, dann stimmt doch was nicht mit ihr... der Puls- schlag ihrer Finger, die nackte weiche Schulter, der zurückgelehnte Kopf— ein roter kleiner Fleck auf der weißen Kehle... „du schenkst mir was, Gilgi, wenn du dir von mir helfen läßt." Er hat sie gesucht, mit ihr sprechen wollen, hat sie gesucht— den guten' kleinen Freund, und jetzt... „Pit"— von weit her fällt Gilgis Stimme in den Raum—„ich bin verhun- gert nach harter Ehrlichkeit— Pit, ich wollte meine Hand anders von dir gehalten haben... du kannst mir nicht helfen, indem du etwas für mich tust, du kannst mir nur helfen, weil du da bist. Sei hart und böse und klar, Pit, ich brauche das." Gilgi sieht Pit nicht an, ihr Blick verfängt sich irgend- wo im rotweißen Papierfransengekringel an der Decke— aber sie weiß, daß es gerade Pit ist, zu dem sie spricht.„Vielleicht weiht du schon, daß ich jetzt keine Arbeit habe, daß ich mit einem Mann lebe..." Pit sitzt vornübergebeugt, sieht auf Gilgis Arm: eine schräge, straffe, weiße Linie, die in seiner Hand mündet. Die tote Gleichgültigkeit dieser Linie ist plötzlich eine böse, harte Beleidi- gung für ihn. Seine Hand bekommt Lust, sich sünfnäglig in die weiche blasse Schulter zu graben, die schräge Linie herabzufahren — fünf blutige Streifen in das unbewegte starre Weiß zu zeichnen. Sein Hirn um- schließt Gilgis Worte.„Ich arbeite nicht mehr, ich lebe mit einem Mann.. „Magst du ihn?" „Seit wann hast du überflüssige Fragen, Pit! Ich werd' ausgerechnet mit einem leben, den ich nicht mag! Ich sag' dir das nur als Einleitung, diese Tatsachen. Tat- fachen ängstigen mich nicht, mit Tatsachen werd' ich fertig. Ich bekomme vielleicht ein Kind— sowas passiert alle Tage— ich weiß nicht wie vielen Mädchen. Wenn's so ist, werd' ich auch damit fertig, kein Grund, sentimental zu werden nver den Kopf zu ver- lieren. Nein, was mir Angst macht, ist etwas anderes. Man spricht sonst nicht darüber, oder wenn man drüber spricht, dann unwahr und verschleiernd... so kommt's, daß man nicht weiß, ob man nun plötzlich unheimlich verschieden ist von andern, man weiß nicht, ist's normal und macht's jeder durch, oder ist man allein mit einer Krankheit..." „Was— meinst du?" „Laß mich nur sprechen, du wirst schon dahinter konimen, hinter das, was ich meine. Du weißt, ich Hab' Freunde gehabt— mm — drei... man hat sich gefallen gegenseitig, man hatte Freude zusammen, und die Haut sagte ja zueinander. Das war natürlich und übersehbar, es hat mir absolut keine Ge- wissensbisse gemacht und mich nicht be- unruhigt. Ich fühlte mich immer sauber und klar, ich war meiner sicher und hatte meinen Willen und eine selbstgezogene Grenze, die so selbstverständlich war, daß man nicht drüber nachzudenken brauchte. Und jetzt— -- daß ich einen lieb habe— wirklich lieb — zum erstenmal in meinem Leben, gut und
ehrlich und zu allem bereit— das wäre schön— und richtig und— aber..." Gilgis Kopf fällt nach vorn, mit beiden Händen faßt sie Pits Gelenke— ein greller schmaler Strich ihr Mund, ihre Worte— langsam tropfend, gleichmäßig unbetont, leiernd:„ich habe keine Grenze mehr und keinen Willen, ich kann von heute auf morgen nicht mehr für mich garantieren. Ich glaubte mich un- endlich sicher und geborgen in meiner Liebe — jetzt hat sie mich wehrlos gemacht, voll- kommen schutzlos— wie ist das möglich Pit??? Ich bin allen und allem ausge- liefert— an eine Hand, die meinen Nacken streift, wenn sie mir in den Mantel hilft— an einen Blick, eine Stimme... Ich ahnte ja nicht, daß ich so sein könnte— ich verbrenne— ich habe eine quälend körperliche Beziehung zu allen Dingen— wenn ich die Kante des Tisches umschließe, wenn ich eine Blume sehe— wenn ich über diesen Pelz hier streiche... Ich bin mir unsagbar zu- wider. Nichts mehr ist sauber und klar und einfach, nicht einmal mehr mein früheres Leben. Vielleicht war alles, was man tat und wollte, nur Flucht vor dem— dem
eignen Begehren. Vielleicht hat nichts Wert an sich, vielleicht ist alles Unwahrheit, und alles geschieht nur um dieser Flucht willen... Wo soll das hin? Was geschieht mit einem? Das geht ins Unendliche— ich habe Angst. Pit." Pits Gesicht ist verzerrt, seine Stimme heiser und zerrissen:„Warum erzählst du mir das— du! Darum bist du zu mir ge- kommen— darum... nur um mir zu sagen..." Gilgi sieht ihn an.„Ach so, Pit!" Trüber Spott hängt sich in ihre Mundwinkel.„Na, du hast recht— jeder für sich... haben uns beide keinen Mangel an Egoismus vorzu- werfen. Dank' dir auch, Pit— hilfst mir vielleicht am besten, indem du mich wissen läßt— noch ein Glas Portwein, Fräulein — schnell... daß du mich wissen läßt, daß man nur, nur, nur auf sich angewiesen ist." Gilgi springt auf, tritt hinter Pit, packt ihn mit hartem Griff in den Nacken.„An dich Hab' ich geglaubt, Junge— an deine Fähig- keit, gerecht zu sein.— Laß dich begraben mit deinem ganzen Sozialismus und deinen Weltverbesserungsideen, wenn du zu denen gehörst, die's einer Frau übelnehmen, wenn sie durch Gott weiß welchen Blickszufall nicht mit ihnen schlafen will. Ihr habt ein Talent, eine Frau böse zu machen!" Langsam und böse streift Gilgis Hand über Pits Ohr, kriecht in sein Haar—„zuck' nicht zusammen, Junge— daß Mann und Frau von Natur Tiere sind, weiß ich längst, daß man die heilige Aufgabe hat, was andres �us sich zu inachen, weiß ich auch, daß man die Kraft und die Möglichkeit hat, mehr zu sein— glaub' ich noch. Dadurch? Trotzdem? Egal, glaub' ich noch."
Gilgi steht aus der Straße. Lehnt an grauer Hauswand. Dunst in der Straße— Hurengekreisch. So gemein bin ich! Lieber sich gemein finden, als sich selbst anlügen. Gilgi geht, geht— unsägliche Anstrengung jeder Schritt— frißt an einer Enttäuschung. Bleibt wieder stehn. Krampst die blassen Hönde ineinander— vor einem bewahrt bleiben: nie feige werden, nie unehrlich wer- den. Das wäre das letzte: anderen Schuld geben für das, was eigene Schuld ist... und vergib uns unfre Schuld, wie auch wir oergeben... zerreiß das Vaterunser mit deinen Händen zerbeiß es zwischen deinen Zähnen— es lügt, lügt, lügt und täuscht. Gib uns Wissen ins Blut, gib uns Glauben ins Blut— eins, eins vor allem: lehre uns den Alleinglauben an eigene Schuld— nicht: wie auch wir vergeben... das stimmt nicht — wir haben nicht zu verzeihen, nichts— nie— niemanden. Es gibt keine Schuld anderer an uns, es gibt immer und nur eigene Schuld. Ja, so ist es— Pit hat mich nicht böse gemacht— hat mir nur bewiesen, wie böse und häßlich ich in Wirklichkeit bin. Lieber Gott, was geschieht mit mir... ich will nach Haus— zu Martin will ich. Die elegante kleine Dame Gilgi hält ein Auto an—„schicke Sache", blinzelt der Chauffeur mit dem rechten Auge— sie fällt ins abgc- schabte Polster. Läßt die Hände über den Knien herabhängen, den Kopf vornüber sinken, hat die Lippen halb geöffnet— Martin, mein Liebling, was hast du aus mir gemacht? Soviel Sehnsucht. Sehnsucht nach dir— Sehnsucht über dich hinaus— Sehnsucht— du— du hast mir die Ge- lchlossenheit meiner Schenkel fortgeküßt. (Fortsetzung folgt.)
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Aus dem Japanifcheit Avbeiterleben
Takagi war ein japanischer Spinnereiarbeiter. Er hatte zwölf Kinder, eine kranke Frau und wohnte in einer dünnen Bretterbude vor der Stadt. Täglich arbeitete er sechzehn Stunden in der Fabrik und konnte doch von seinem kärglichen Lohn seine zwölf Kinder nicht ernähren, nicht richtig kleiden und sich nicht einmal um sie küm- mcrn, weil er keine Zeit dazu hatte. Zuweilen, vor dem Schlafengehen, saß Takagi verdrossen vor seinem Häuschen, stierte die ande- ren Häuschen an, die teilweise mit Wellblech de- deckt waren, kniff die geschlitzten Augen zusammen und dachte an seine Kindheit im Dorfe Osagi. Dachte an den blauen Himmel, an die weißen Wölkchen, die Kirsch- und Psirsichblüten der Herr- lichen Landschaft und an die hölzerne Burg seines Samurai. Ja, er dachte vielerlei und schürte die Sehnsucht nach dem Dorf seiner Väter. Aber am Morgen waren diese Gedanken verscheucht, dann trippelte Takagi in die Fabrik. Mit-ihm gingen die zwölf Kinder unsichtbar hinter ihm her, ver- folgten ihn, quälten, schrien nach Brot und Reis. Takagi aus dem Dorf Osagi war ein vorbild- licher Familienvater, träumerisch, sentimental— er hatte in seiner Jugend zuviel Kirschblütenduft geatmet—, war aber zugleich dickköpfig, starr und fanatisch. Er hielt am Glauben seiner Väter fest, an den Gepflogenheiten seines Dorfes, die er in der Stadt nicht ablegen wollte. Seine Kollegen lachten ihn aus, uzten, trieben Schabernack mit ihm, Takagi aber blieb ruhig, er wußte, was er wollte.
Eines Tages wurde in seiner Fabrik eine Ge- werkschast gegründet. Seine Kollegen und Kolle- ginnen wollten nicht mehr sechzehn Stunden am Tage schuften, wollten mehr Lohn haben, freie- Zeit und Erholung in der Zeit der Kirschblüte. Die Gewerkschaft wurde groß, verhandelte mit den Fabrikanten— vorerst noch ohne Erfolg. Takagi triumphierte. Er war nicht der Gewerkschaft bei- getreten, er wollte nichts damit zu tun haben, denn er war ein Eigener, ein Bauer aus dem Dorf Osagi mit einem dicken Schädel, der sein Glück alleine meistern wollte. Jeder— so sagte er— solle für sich sein Bestes sichern, allein wie ein Bauer, der einsam seinen Acker pflügt. Aber Takagis zwölf Kinder hungerten, er mußte mehr Lohn haben, das sah er ein. Die Kollegen schwätzten mit ihm, stichelten, spotteten, er. solle doch sein Glück versuchen, gleich würde er mehr Lohn bekommen. Oh, das wollte Takagi sich nicht sagen lassen. Er ging ins Büro, bescheiden, dümm- lich, voll Hoffnung. Der Besitzer, Herr Kamei, dick. gedunsen, immer heiter, sah Takagi an. „Na, Takagi, was führt dich her?" „Gebt mir mehr Lohn, Herr", sagte Takagi. „Ich habe zwölf Kinder..." „Ja, mehr Lohn", gähnte Herr Kamei.„Das geht nicht, Takagi. Ich kann dir nicht mehr Lohn geben, die Zeiten sind schlecht. Geh an deine Arbeit!" Takagi ging, er bettelte nicht, o nein, dazu war er zu stolz. Den ganzen Tag spann er, ertrug die Neckereien der Kollegen, lächelte, schlitzte die Augen
schmal ein. Oh, Takagi wußte, was er tat, tt lächelte: Wartet nur, ich werde es euch zeigend Am anderen Morgen ging Takagi wieder in« Büro. „Gebt mir mehr Lohn, Herr." Kamei, dick und plusterig, lachte, dröhnte über den dummen Takagi. „Ich sag' dir doch, du kriegst nicht mehr Lohn. Geh und arbeite." * Takagi ging, still lächelnd, verschmitzt, ohne Zorn.„Na, gut!" dachte er. Aber er ging nicht zurück in den Spinnsaal, sondern am kleinen Kesselhaus vorbei bis zum großen Schornstein. Cr sah schaudernd an dieser langen Ziegelstange hoch. Aber seine zwölf hungrigen Kinder schubsten ihn, stießen ihn hoch, setzten seine Füße auf die eisernen Tritthaken... Takagis Angst wich. Er kletterte aus den Schornstein, pfiff ein altes Kirschblüten- lied, lächelte... Takagi war tapfer. Oben ange- kommen, setzte er sich aus die Schornsteinöffnung, plusterte sich auf, verstopfte das Loch. Er trium- phierte, pfiff, sah in die Ferne, weit hinaus, glaubte die Berge seiner Heimat zu sehen. Nun sah er auf dem Schornstein, sah hinunter auf die Fabrik, das Bürohaus, die Lager. Er schwoll an, wenn er einen Kollegen sah, der winzig auf dem Platz stand. Takagi saß hoch oben, und er kam nicht eher herunter, bis Kamei mehr Lohn bewilligte, das hatte er geschworen. Nach einer kurzen Zeit sah er den Heizer auf dem Platz herumrennen und Qualm aus dem Kesselhaus dringen. Aha! dachte Takagi und lächelte. Der Heizer kam mit dem Maschinisten zurück: sie gingen ins Kesselhaus, schimpften, rannten wieder auf den Platz. Qualm kroch aus dem Kesselhaus. Der Maschinist sah hoch, sah einen Mann auf dem Schornstein sitzen, winkte, drohte, tobte. „Heh! Komm runter! Was suchst du dort?"
Takagi lächelte, sah in die Ferne, kostete seinen Triumpf. Nun hatte er sein Ziel halb erreicht. Das Feuer unter den Kesseln schwelte, qualmte, Takagi verstopfte den Luftzug, löschte das Feuer, den siedenden Dampf in den Kesseln: die Dampf- Maschine lief schon langsamer, die Spinnmaschinen kreischten vor Staunen. Aus den Sälen kamen die Arbeiter auf den Platz, sahen den Qualm, dachten es brenne, sahen dann Takagi auf dem Schornstein. „Oha! Takagi!" Sie lachten, grell, spitz, schallend vor Freude. Dieser Takagi sitzt auf dem Schornstein.„Oha! Takagi! Hohahaha... hahaha ... ha..." Durch den Lärm aufmerksam geworden, kam Herr Kamei aus seinem Büro, dick, schnaufend, schwabbelnd wie Gallerte. Sieht den Qualm,, er- schrickt, kreischt, tanzt auf dem Platz wie ein Luft- ballon. Kamei hört das Geschrei:„Oha! Takagi!", geht näher, sieht den Mann auf dem Schornstein, schwillt an vor Wut. Die Arbeiter treten beiseite. Kamei steht in der Mitte auf dem Platz und schreit:
„Kommst du runter! Willst du sofort herunter- kommen!" Takagi lächelt, winkt ab, denn er weiß, daß er Kamei in diesem Zorn nicht mit seiner Forderung kommen darf;«r hat Zeit. „Ich hole die Polizeil" brüllt Kamei.
Der Maschinist klettert an dem Schornstein hc.:,. Nun, mag er, denkt Takagi, wenn er hoch kommt. trete ich ihn auf den Kopf. Aber der Maschinist kehrt bald wieder um, weil er Angst hat. Kamei schreit, befiehlt, jemand solle auf den Kamin klettern: aber niemand rührt sich. Die Kollegen grinsen, murmeln, schleichen zurück in den Arbeits- saal; sie haben keine Lust auf den Schornstein zu klettern, um herunterzupurzeln. Kamei tobt, Ta- kagi lächelt, überlegt und schätzt seine Aussichten. Kamei schreit nach der Feuerwehr, fuchtelt mit den Armen, beruhigt sich dann plötzlich, schnauft und geht in sein Büro. Takagi wird schon allein vom Schornstein herunterkommen, er kann ja nicht immer oben bleiben. Inzwischen stacht der Heizer den Kessel, er will Takagi durch Hitze ver- treiben. Aber sein Versuch scheitert: das Feuer qualmt, beizt ihm die Augen, will absolut nicht brennen. Nach einer Stunde kommt Kamei wieder, tobt, droht, schreit sich heiser, sein Bauch schllttert vor Zorn. Es spricht sich rum, daß ein Mann auf dem Schornstein sitzt. Leute stehen auf der Straße, belagern das Tor, lachen Kamei aus.
Sechs Stunden bleibt Takagi aus dem Schorn- stein sitzen, stört die Arbeit, bringt die Kessel fast zum Erlöschen. Kamei wird dann versöhnlich, tobt nicht mehr, bettelt, fleht:„Takagi, sei ver- nünftig, komm herunter." Takagi hält den Augenblick für günstig, schreit zurück:„Gib Lohnerhöhung, dann steig ich runter." „Gut", sagt Kamei,„sollst Lohnerhöhung haben." „Bestimmt?" „Bestimmt!" beteuert Kamei und breitet die Arme aus. „Seht ihr?" prahlt er.„Selbst ist der Mann." Und Takagi arbeitet bienenfleißig, lächelt, träumt von seinem Dorf Osagi, tätschelt seine Kinder. Aber Kamei, dieser listige Mann, bricht sein Wort und gibt Takagi keine Lohnerhöhung. Er läßt die untersten. Haken an seinem Schornstein entfernen, damit Takagi nicht wieder hinauf- klettern kann und kündigt ihn. Takagi ist starr. zerschmettert, begreift nicht und rennt in Kameis Büro. Kamei, dick, gähnend, läßt ihn auf die Straße bringen. Nun sitzt Takagi vor seiner Hütte und weint. Seine Frau und Kinder stehen heulend um ihn herum vor Verzweiflung. Takagt blinzelt in die Sonne, überlegt lange und begreift, daß er dumm war. Ade Osagi... Ade! ihr schönen Kirsch- bäume... Takagi weint, weil er dumm war. Er wird nie wieder aus Schornsteine klettern.