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Morgen- Ausgabe

Nr.481 A235 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Fernsprecher: A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammabresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

MITTWOCH

12. Oktober

Jn Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 15 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise siehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Die Reichsregierung erklärt:

Erklärungen des Exkronprinzen sind reine Phantasieprodukte

Der Vorwärts" hat gestern abend von den Umtrieben des Erkronprinzen berichtet, der die Behauptung verbreitet, er werde in absehbarer Zeit im Einverständnis mit der Reichsregierung vom Reichspräsidenten zum Reichsver= meser ernannt werden, während gleichzeitig die Wittelsbacher ein Donaufönigreich errichten würden. Zu dieser absolut verbürgten Mittei­lung erläßt nun die Reichsregierung folgende Erklärung:

Die Reichsregierung stellt zu den im Bor­wärts" Nr. 480 vom 11. Oktober unter der Ueberschrift Umtriebe des kron­prinzen" veröffentlichten Gerüchten über eine angebliche Einsehung des früheren Kron­prinzen zum Reichsverweser und die daran ge­knüpften Kombinationen fest, daß es sich hier­bei um ein reines Phantasiepro­duft handelt.

Zweifellos find der Reichsregierung die Aeuße­rungen, die der Erkronprinz nicht nur einmal, sondern wiederholt getan hat, ebensogut be­

fannt wie uns. Man muß daher annehmen, daß sie die Behauptungen dieses Herrn, die sich auf sie und den Reichspräsidenten beziehen, für ,, ein reines Phantasieprodukt" erklären will. Sie be= streitet für sich und den Reichspräsidenten das Einverständnis mit den erkronprinzlichen Reichs= verweserplänen. Sie bestreitet nicht und fann nicht bestreiten, daß der Erkronprinz für solche Pläne Propaganda macht.

Die Reichsregierung ist daher sehr im Irrtum, wenn sie glaubt, durch ein amtliches Dementi ihre Pflicht erfüllt zu haben. Diese Regierung der deutschen Republik hat wiederholt durch einzelne ihrer Mitglieder ihre monarchistische Ueberzeugung befundet. Mitglieder der Reichsregierung unterhalten auch zum Erkron­prinzen enge Beziehungen. Noch am letzten Sonntag hat sich Herr v. Papen bemüht, ge= meinsam mit jenem Herrn ein Stahlhelmfest zu verschönern, und er hat in jenem zweifellos mon­archistisch gesinnten Kreis den vieldeutigen Aus­spruch getan, der Stahlhelm habe 13 Jahre lang für die Grundlagen des neuen Reiches

Gömbös , ganz verändert des fozialistischen Proletriats im Falle, daß der

Reineke predigt den Hühnern

Budapest , 11. Oktober.

Das neue Kabinett Gömbös stellte sich heute dem Parlament vor. Gömbös erklärte, die So­zialdemokraten müßten ihre Auffassungen revi­dieren, Ausgleich zwischen Arbeitern und Kapital jei notwendig, aber die Krise sei durch die Un­ersättlichkeit des Kapitalismus und die erstrebte Autartie einzelner Staaten mit verschuldet.

Nach einer Verbeugung vor Briands Paneuropa sprach Gömbös für Revision der Friedensver­träge im Beiste der Gleichberechtigung. Ungarn verlange aber keine Aufrüstung und treibe keine Kriegspolitik. Mit Deutschland und Oester­ reich habe Ungarn immer gut gestanden, und es sei zu hoffen, daß vorteilhafte wirtschaftliche Beziehungen geschaffen werden könnten. Gegen­über den Nachbarn verkünde er nicht Kampf, son­dern Frieden und den Wunsch, daß man Un­ garns Existenznotwendigkeiten erkenne. In der Innenpolitik habe er seinen Standpunkt gegenüber den Juden revidiert. Juden, die eine Schick­falsgemeinschaft mit der Nation empfänden, be­trachte er als Brüder, wie alle übrigen Un­ garn . In der Nationalitätenfrage billige er die Duldsamkeit. Diktatorische Neigungen seien ihm fern. Er erstrebe ein geheimes Wahlrecht, Verein­fachung der Steuern und eine Revision des Rapitalismus, allerdings ohne radikale Maßnahmen, die zur Inflation führen könnten.

Ausklang in Prag Nächster Jugendkongreß Hamburg 1934 Eigener Bericht des Vorwärts"

Prag , 11. Oftober. In der heutigen Schlußtagung des Internatio­nalen Sozialistischen Jugendkongresses in Prag wurde die Debatte über die gestrigen Referate über den Kampf um Frieden abgeschlossen und dann folgte das Referat des Genossen Kümmel­Wien über Arbeiterjugend und Wirt­fchaftsfrije". Nach der Aussprache über diesen Punkt wurde einstimmig eine Reihe von Entschlüssen gefaßt, darunter folgender:

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Der Kongreß begrüßt mit lebhafter Genug­fuung die Absicht der Sozialistischen Arbeiter­internationale, in einer eigenen internationalen Konferenz die Frage der Methoden des Kampfes der internationalen Arbeiterklasse zu erörtern und hofft, daß diese Konferenz einheitliche internatio­nale Richtlinien aufstellen wird, die für die Aktion

Krieg trotz aller Bemühungen dennoch ausbrechen sollte, bindende Kraft haben sollen."

Ferner wurde beschlossen, den nächsten Inter­nationalen Jugendtag im Jahre 1934 in Ham= burg abzuhalten. Die Wahl des Büros ergab den holländischen Genossen Vorrind als Vor­sitzenden, Wallensheim- Schweden als zwei­ten und Aubry Belgien als dritten Vorfizen­den. Als Beisiger wurden gewählt Kasal vom tschechischen Verband und Kanit Desterreich. Als Sekretär der Internationale verblieb OIlen­hauer Berlin . Der neue Vorsitzende Borrind mies in einer Ansprache auf die Verdienste der aus dem Büro ausscheidenden Genossen Heinz­Wien, Paul- Brag und Hansen- Dänemark hin. Dann schloß der Vorsitzende des Kongreffes, Heinz, die Tagung.

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gekämpft, er solle nicht umsonst gekämpft haben. Wenn also der Erkronprinz der Meinung ist, bei der Verfolgung seiner hochverräterischen Ab­sichten mit der Regierung einig zu sein, so ist die Reichsregierung an der Entstehung dieses von ihr als Phantasieprodukt" bezeichneten Mißver­ständnisses keineswegs unschuldig. Die Regierung trägt die volle Verantwortung dafür, wenn jetzt die monarchistische Propraganda dreister als je ihr Haupt erhebt und wenn der Erkronprinz in seiner unüberwindbaren politischen Unreise aus dem Verhalten der Minister Schlüsse zieht, zu denen ihn eine objektive Würdigung der Tat­sachen vielleicht nicht berechtigen würde.

Die Reichsregierung fann auf Grund der Macht, über die sie augenblicklich verfügt, mancherlei verlangen. Aber daß die republi= tanisch gesinnten Volkskreise sie als die be= rufene Hüterin der Republik betrachten, daß fann sie nicht verlangen. In den Massen gärt das Mißtrauen. Es wächst aber auch der Wille, die Republik zu verteidigen gegen jedermann, wer es auch sei!

Die Reichsliste

der Sozialdemokratischen Partei Die vom Parteiausschuß eingesetzte Kommission hat folgende Kandidaten für die Reichstagswahl am 6. November festgesetzt:

1. Wels, 2. Crispien, 3. Vogel, 4. Breit scheid, 5. Hilferding , 6. Juch ac3, 7. Landsberg , 8. Dittmann, 9. Graß mann, 10. Stampfer, 11. Marum, 12. Scheffel, 13. Tarnow , 14. Bölter, 15. Seppel, 16. fülf, 17. Bernhard, 18. Stelling, 19. Stüdlen, 20. Gellert, 21. Polenste, 22. Sievers, 23. Simon, 24. Pfändner, 25. Sarl, 26. Schiff, 27. Schmerdfeger, 28. Schiffgens, 29. Horlacher.

Stalins Parteiguillotine

20 Ausschlüsse verkündet

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Was geht in Moskau wieder vor?

Mostau, 11. Oktober. Auf Beschluß des Präsidiums der Zentral. tommission der Kommunistischen Partei der Sowjetunion vom 9. Oktober wurden aus der Partei 20 Mitglieder und Helfershelfer der fonterrevolutionären Gruppe des früher aus der Partei ausgeschlossenen Rutin ausgeschlossen. Die Gemaßregelten hatten ver­sucht, auf illegalem Wege eine bourgeoise Kulakenorganisation zur Wiederher­stellung des Kapitalismus, insbesondere des Ku latentums, in der Sowjetunion zu schaffen. Unter den Ausgeschlossenen, von denen die meisten be­reits früher wegen oppositioneller, parteifeind­licher Tätigkeit einmal ausgeschlossen waren, be­finden sich Galkin, ein früheres Mitglied der Gruppe rechter Opportunisten, Sleptow, der früher zweimal als Rechtsopportunist aus der Partei ausgeschlossen worden war, Marezki, der wegen Rechtsopportunismus und Ptaschny,

Partei nichts darüber mit, wodurch sie die Tä­tigkeit der Gruppe förderten.

Außerdem wurden aus der Partei ausge= schlossen, jedoch unter Zuerkennung des Rechts, nach Ablauf eines Jahres die Revision dieses Beschlusses nachzusuchen, vier Personen, darunter ein ehemaliger Teilnehmer der linksopportunisti schen Opposition, und Uglanow, ein ehemali­ger Teilnehmer der Rechtsopposition.

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Nach weiteren Meldungen aus Moskau nannte sich die Gruppe der Ausgeschlossenen ,, Sowjet­block". Sie forderte den Rüdtritt Sta= lins und der anderen Parteiführer, deren Po= litik das Land ins Verderben stürze.

Für Weimar !

Von Anton Erkelenz

Bor 125 Jahren wurde das Edikt zur Auf­hebung der Leibeigenschaft in Preußen er­laffen. Heute wollen gewisse Herrenschichten die Gestaltung der politischen Machtverhält­nisse gern wieder um hundert Jahre rück­wärts revidieren, möchten am liebsten die Leibeigenschaft wieder einführen. Fast noch schlimmer ist es, daß einige Millionen Men­schen bereit sind, auf ihre Rechte und Frei­heiten zu verzichten, vielleicht auch bereit wären, wieder in die Leibeigenschaft zurück­zukehren...

Das Ziel der Reaktion von heute ist es zu­nächst, die formale Gleichberechtigung der Arbeitnehmer zu beseitigen, die einseitige Vorherrschaft von ,, Besiz und Bildung"( ein schöner nationalliberaler Begriff aus der Vor­friegszeit) wieder herzustellen. Die durch die Wirtschaftskrise hervorgerufene Not und Ver­wirrung wird dazu ebenso skrupellos benutzt wie die geistige Verwirrung, die durch Hitler und einige andere Krisengewinnler veran­laẞt wurde.

Die Weimarer Verfassung war uns nie Selbstzweck, nie Ziel an sich. Sie war uns eine wertvolle Errungenschaft, weil sie end­lich die Vorherrschaft des Juntertums und seiner intellektuellen Schleppenträger zer­brach. Sie machte aus Untertanen Bürger, aus Stimmvieh Mitbestimmende, aus Ob­jeften Subjekte. Sie konnte die auf der Wirtschaftsordnung fußende Ausbeutung der unteren Volksschichten nicht beseitigen. Aber sie sollte die aus der politischen Vor­herrschaft, aus dem Restfeudalismus ent­stehende Ausbeutung aufheben. Das wirft nicht nur zugunsten der Arbeitnehmer, sondern aller Schichten, die nicht Sonder­gewinne, Differentialrenten erhalten infolge der politischen Uebermacht einzelner Schichten. Feudalistische Vorrechte, Bodenmonopol, Monopole an Naturschäzen, zollpolitische Monopole, Bevorzugung in der Verwaltung usw. sind die Quellen solcher finanziellen oder gesellschaftlichen Sondergewinne.

So unvollkommen dieser Grundgedanke der Weimarer Verfassung sich auch in der Praris ausgewirkt hat, er war stark genug, den vereinten Haß aller Reaktionäre gegen dieses Verfassungswerk und seinen Träger, den ,, Marrismus" von Wels bis Brüning hervorzurufen. Die Verfassung enthält einige Ansätze zur Weiterentwicklung des­jenigen Teiles der Gesellschaft, die Wirtschaft heißt. Das war der besondere Beitrag der Sozialdemokratie zum Wert von Weimar . Die Wirklichkeit hat längst viel schwerere Eingriffe in das Wirtschaftsgefüge gebracht. Gerade deshalb aber werden die verfassungs­rechtlichen Bestimmungen dieser Art gehaßt. Die Subventionen, die Staatsunterstützun­gen, die Milliardengeschenke sollen bleiben, aber mit Stumpf und Stiel soll jeder Ge= danke erschlagen werden, daraus wirtschafts­politische Folgerungen zu ziehen. Jeder Ar­beiter, jede Witwe soll ihr Scherflein zu den Milliardenliebesgaben beisteuern, aber nie­mand soll ein Recht daraus ableiten. Zahlen und Maulhalten war von jeher der Inhalt

der wegen troskiſtiſcher Tätigkeit aus der Partei Schwindler Daubmann

Schwindler Daubmann des machtwillens der Reaktion.

ausgeschlossen war,

ferner Sinomjer und Kamenew ,

die früheren Organisatoren eines partei und sowjetfeindlichen Blocks, die seinerzeit aus der Partei ausgeschlossen und erst nach ihrer Erklä­rung auf dem 5. Parteitag, daß sie voll und ganz ,, ihren Willen und ihre Ansichten der Partei unterordnen". wieder aufgenommen worden maren. Die beiden Letztgenannten wußten von der Existenz der konterrevolutionären Gruppe und erhielten ihre Dokumente, teilten jedoch der

Der falsche ,, letzte" Kriegsgefangene

Freiburg , 11. Oktober.

Aus zuverlässiger Quelle verlqutet, daß der an­gebliche Oskar Daubmann aus Endingen bei feinem Berhör heute abend durch Beamte des Landespolizeiamtes Karlsruhe gestanden hat, gar nicht der wirkliche Oskar Daubmann zu sein, er gab auch zu, daß seine Angaben nicht in allen Teilen auf wirklichen Erlebniffen beruhen. Der Schwindler ist heute abend verhaftet worden.

Praktisch hat man die Weimarer Ver­ fassung in vielen Teilen außer Kurs gesezt. Eine liebedienerische Wissenschaft hat die Gründe geliefert, die alle Dunkelmänner zur Bedeckung ihrer Blöße gebrauchen. Das Ge­fühl für Recht, die Rechtssicherheit, Freiheit der Person, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit sind beseitigt. Unter dem Schein der Legi­timität geschehen rechts- und verfassungs­widrige Eingriffe, die, außer in Halbasien, nicht mehr als möglich angesehen werden. Seit den Tagen des Feudalismus find die