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ERSTE BEILAGE

DONNERSTAG, 13. OKT. 1932

Wie Hummel ein Held wurde Die Kriegervereine warteten auf ihn Afrikavorträge aus Büchern

Weiiere Nachforschungen in der Affäre des Schneiders Hummel alias Daubmann haben ergeben, dah Hummel schon seit längereer Zeil von seiner Zrau getrennt lebt. Er schwebte slän- dig in der Angst, seine Frau würde ihn unter Umständen erkennen. Er gab zu, dah er in den Jahren 1309 und 1910 in Endingen die 6. und 7. Dolksschulklasse besucht und dort mit Oskar Daubmann zusammenkam, mit dem er befreundet war. Hummel wußte auch, daß Daubmann im Weltkriege gefallen ist. Er betrieb nach seinen Angaben von 1930 bis zum Mai 1332 in Ossenburg ein eigenes Ge- fchäft. Als dieses nicht mehr ging, sehte er sich aus sein Fahrrad und fuhr nach Neapel . Zu Neapel ging das Fahrrad in Trümmer, und Hummel kam auf die Idee, jetzt die Geschichte mit Afrika zu erzählen, um durch Vermittlung des Konsulats kostenfrei in die Heimat zu kommen. Hummel ist nie in Afrika gewesen. Er hat beim Infanterieregiment Nr. 110 in Mannheim gedient und war im Jahre 1316 in Freiburg am Magen operiert worden. Hummel erklärte, er hätte ursprünglich die Absicht gehabt, sobald er in Deutschland war, sofort unbemerkt zu verschwinden. Als er aber erlebte, wie seier- lich er empfangen und von einem zum anderen Empfang geschleppt, wie er von Zeilungsreportern überlausen wurde, habe er sich eines anderen be- sonnen. Man sei später wiederholt an ihn heran- getreten, auch Vorträge zu halten, die man ihm ausschrieb und die er auswendig lernen mußte. Hummel erklärte dazu:Mir war die Sache schon lange zu dumm." Seine Kenntnis über Afrika rührte daher, daß er sich eingehend mit einschlägiger Lileralur beschäftigte und sich Ansichtskarten beschasste. * Der Schneider Ignatz Karl Hummel alias Daubmann hat sich schwer vergangen an dem Andenken eines toten jungen Soldaten aus dem Weltkrieg und an den alten Eltern, die in ihm den durch ein Wunder heimgekehrten Sohn sahen. Aber wäre er wirklich Oskar Daubmann , so ver- gingen sich an ihm, dem nach sechzehnjährigen Leiden zerschlagenen Kriegsgefangenen, fast ebenso sehr diejenigen Kreise, die ihn für echt nahmen oder für echt nehmen wollten. Es wird jetzt bekannt, dah Hummel, als er sich in der Rolle de- Heimkehrers eine billige Rück- fahrt von Neapel nach Deutschland verschafft hatte, so bald wie möglich im Dunkeln wieder verschwinden wollte. Er spürte, daß seine Daub- mann-Rolle nicht ewig währen würde. Aber kaum befand er sich auf deutschem Boden, da kam der erste Empfang. Und dann hagelte es Feier auf Feier, Ehrung auf Ehrung. Der Heimatort be- grüßte ihn vom Bürgermeister bis zum jüngsten Schulbuben, die kriegervereine, die Vaterländischen Ver­bände luden ihn zu Vorträgen ein, er war plötzlich ein Heros, ein Held, ob er wollte oder nicht. Er hätte sich vielleicht gar so gern wie ein Maus- chen verkrochen, der arme kleine Schächer Ignatz Karl Hummel, aber die nationalistischen, militä- rischen schwarzweißroten Bereinigungen brauchten ihn doch. Der Bataillonskommandcur des toten Soldaten von der Somme Oskar Daubmann ge- leitete ihn durch Deutschland , und immer muhte er schreien:Seht mich armen, noch jahrelang nach dem Kriege von den Franzosen gemarterten beut- schen Frontkämpfer!" Bielleicht aber ist das so doch gar nicht wahr, vielleicht Ist der Schneider Hummel ein un- bewußter Kenner eines Stückes der deutschen

Seele. Bielleicht spürte er, daß ein Teil der deut- schen Nation sich gerne betrügen und belügen läßt, wenn sich der Lügner und Betrüger einen nationalistischen, monarchistischen oder militaristi - schen Mantel umhängt. Hummel hatte vielleicht davon gelesen, daß am 16. Oktober 1306 im Rathause zu Köpenick ein Hauptmann mit einer Gruppe Soldaten er- schienen war. Dieser Hauptmann hatte sich im

Namen Seiner Majestät des Königs die Kassen- bestände aushändigen lassen und den Bürger- meister und den Syndikus zur Berliner Wache Unter den Linden transportieren lassen. Dann war er verschwunden. Die Soldaten, die gerade vom Schießplatz gekommen waren, hatten ebenso pariert wie die Zivilisten im Rathaus. Der Hauptmann, dessen Uniform übrigens völlig un- vorschriftsmäßig war, hieß in Wirklichkeit W i l-

Lahufen in Freiheit Eluchtverctacht nicht mehr angenommen

Bremen , 12. Oktober. Dos Oberlandesgerichl in Hamburg befaßte sich am ZNillwoch als Beschwerdeinstanz mit dem hastentlassungsanlrag von G. Carl Lahusen. des früheren Vorstandsmitgliedes der

Lahusen nichts zu spüren! Im Falle Katzen- ellenbogen war der schwierige Sachoerhalt in vier Monaten geklärt. Im Falle Nordwolle , der doch nicht komplizierter liegt, dauert es schon 15 Monate! Heute ist Lahusen in Freiheit.

Ein Fluchtverdächtiger aus dem Börnicker Prozeß

N o r d w o l l e. Seine haslentlassung war von der Strafkammer Bremen zweimal abge- lehnt worden. Das Oberlandesgericht Hamburg entschied dahin, dah G. Earl Lahusen gegen Bürgschaftsleistung von 1 Million Mark aus der hast zu entlassen sei. Diese Bürgschaft ist in Bremen ausgebracht wor­den. so daß G. Earl Lahusen noch am Mittwoch das Unlerjuchungsgefängnis, in dem er nahezu 15 Mo- nate lseit 17. Juli 1931) zugebracht hat. verlassen kann.

Der Großbetrüger G. C. Lahusen hat es ge- schafft er ist wieder in Freiheit. Und der Prozeß? Das wird sich finden! Als der Krach der Nordwolle Deuffchland er- schütterte, als das Bankensystcm zusammenbrach, ging eine Welle der Empörung gegen die Schuldi- gen durch Deutschland . Die Reichsregierung trug dem Rechnung, sie gab eine Verordnung heraus, die für die beschleunigte Aburteilung von Wirt- schastsverbrechern sorgen sollte. Was ist daraus geworden? Bon Beschleunigung war im Falle

Fluchtverdacht wird nicht mehr als gegeben angenommen. Lahusen hatte sich den Leibanwalt Hitlers , Frank II, als Verteidiger zugelegt. Das war in einer Zeit, als der in Untersuchungshaft sitzende Lahusen auf die Machtergreifung Hitlers rechnen mochte. Außer Frank II nahm er noch den Nazi- anwalt Luetgebrune als Verteidiger. Er suchte sich mit der Macht zu stellen. Inzwischen hat sich die Machtlage in Deutschland geändert. Die Großindustrie und die kapitalisti- schen Bürger schwören nicht mehr auf Hitler , son- dern auf P a p e n. Lahusen hat wenige Tage vor dem Beschluß des Hamburger Oberlandesgerichts seine H i t l e r- A n l t e abgeschafft sie scheinen ihm nicht zeitgemäß gewesen zu sein. Fluchtverdacht besteht nicht mehr. Wir«rinnern an den Börnicker Prozeß. Der Staatsanwalt beantragte drakonische Strafen, dar- unter ein Jahr Gefängnis gegen den schwerkriegsbeschädigten hilflosen Bachmann. Er forderte die sofortige Verhaftung Bachmanns, weil Fluchtver- dacht vorliege!

Helm Voigt und war seines Zeichens Schuster. Es ist gerne möglich, daß Ignatz Karl Hummel sich gesagt hat: Wenn ein falscher Hauptmann Deutschland an der Nase herumführen kann, warum nicht ich als falscher Kriegsgefangener? Einige Jahre darauf schickte ein entlassener Feldwebel, weil er sich für eine Kränkung rächen wollte, ein Telegramm an den Kam- Mandanten von Straßburg . Er unterzeichnete als Allerhöchstes Militärkabinett", fügte aber, weil er es nicht wußte, das notwendige Geheimzeichen nicht bei. In dem Telegramm stand, dah Seine Majestät am nächsten Morgen in Straßburg ein- treffe, und dah die gesamte Garnison dort und dort um 5 Uhr früh aufmarschiert sein mllsie. Vom kommandierenden General bis zum jüngsten Rekruten ist die Garnison aufmarschiert. Sie hat gewartet und gewartet, bis die Beine in den Leib zu wachsen drohten. Wilhelm kam nicht... In den Jahren nach dem Kriege trat in den Kreisen des Hofadels und solchen, die danach streben, ihm gleich zu sein, eine Dame auf, die sich Margarethe Prinzessin von Preußen nannte. Sie zeigte sich außerordentlich huldvoll und leut- selig, sie hatte für jeden ein freundliches Wort, aber sie versäumte auch nicht, unter diesen oder jenen Vorwänden, zu diesen oder jenen Geschäften oder vaterländischen Aufgaben den erfreuten Adel, das beglückte Bürgertum um die Aushändigung höherer Geldbeträge zu ersuchen. Die Prinzessin war in Wahrheit eine frühere Krankenschwester, die wegen Unregelmäßigkeiten entlassen wor- den war. Im Jahre 1326 lebte auf adligen Gütern Thll- rmgens und in den besten Hotels von Weimar und Gotha ein eleganter, liebenswürdiger junger Mann. Er sagte es nicht jedem, aber die Ein- geweihten wußten es: Das ist der älteste Sohn seiner kaiserlichen und königlichen Hoheit des Kronprinzen. Welche Ehre, ihn einladen und be- wirten zu dürfen! Welcher Vorzug, ihm die Sehenswürdigkeiten und die Gaststätten des Lan- des zeigen zu dürfen! Ueberall ging er ein und aus, als Hohenzoller gefeiert und von adligen und bürgerlichen Damen mit Bewunderung an- gestarrt. Bis sich dann herausstellte, daß dieser Prinz einst das ehrsame Handwerk des Ziegelbrenners betrieben und dann als Diener in einem sogenannten besseren Hause die äußeren Manieren gelernt hatte, die ausreichten, umdie Spitzen der Ge- sellfchaft" über seinen inneren Wert zu täuschen. Harry Domela , der schon vorher als Graf in Potsdam und als Baron in einem hochfeudalen Korps in Heidelberg aufgetreten war, mußte ins Gefängnis. Der falsche Hauptmann von Köpenick, der Feld- webel von Straßburg , die Prinzessin Margarethe, der Prinz Domela und der falsche Kriegsgefangene Hummel alias Daubmann sind Glieder aus einer Kette. Es bedarf gegenüber einem gewissen Deutschland nur geringer Gaben, um zu täuschen. Es bedarf eines irgendwiepatriotischen" Mantels...

Ressource" als Gtudentendeim DieRessource" in der O r a n i e n- burger Straße, die allbekannte Vergnügungs- stätte früherer Generationen, ist nicht mehr. Im neuen Gewände, jedoch unter Respektierung aller historffchcn baulichen Effekte, bietet sie jetzt dem akademischen Nachwuchs Aufenthalt, Eßgelegen- heit, Bibliothek, Spiel-- Studier- und Ruheräume. Das Problem des geselligen Zusammenschlusses und auch de, wirtschaftlichen Unterstützung durch billige Essenabgabe soll hier seine Lösung finden. Die neuen Räume, hell, freundlich und warm im Ton der Inneneinrichtung, scheinen dazu angetan, dah sich junge Menschen hier wohlfühlen und für wenig Geld sattessen können. Es war kein leichtes