MONTAG, 17. OKT. 1932
BEILAGE
Wels rechnet mit Popen ab! Massenkundgebung gegen den Kurs der Barone
Eigener Bericht K o t t b u s. 17. Oktober. Am Zonntag sprach der Führer der sozialdemokratische» Partei OttoWcls in Kottbus . Wels ginq außerordentlich scharf mit der Papen-Regierung, ihrer Politik und der M ü n ch e n e r Reichs- tanzlerrede ins Gericht. Tie viel- tausendköpfige Menge spendete ihm wiederholt tosenden Beifall und brachte ihm zum Tchlus». als er sich gegen die Aensterung des Reichskanzlers von den „Feinden des Volkes" wandte, eine große Ovation dar. Wels führte ir a. aus: Wenn jemals das Wort berechtigt gewesen ist. daß eine Bolksabstimmung und eine Wahl ein Schicksalstag für das Volk bedeutet, so ist es dieser fr November! Wer nicht blind und taub in diesen legten Wochen gewesen ist, der weih und dem braucht es nicht besonders gesagt zu werden, daß an diesem 6. November um das Schicksal des Deutschen Volkes gewürfelt wird und um die Zukunft unserer Kinder Derselbe alte II n g e i st, derselbe Macht- und Grö- ß e n w a h n ist wieder auferstanden, wie wir Alten ihn in all den Jahrzehnten des Kampfes vor 1918 kennengelernt haben, Es sind dieselben Herren und Barone , die damals regierten und die dank der Braunen Häuser wiederum in die INacht steigen konnten. Es sind die ostpreuhischen Krautjunker und rheinisch-westsälischen Schlotbarone, die wieder regieren. And das Schlimmste: daß sie nichts gelernt und nichts vergessen haben. Diese auf neu aufgebügelten Herren wollen uns weismachen, sie hätten eine blitzblanke, große und neue Staatsführung erfunden, sozusagen den po- litischen Stein der Weise», mit dem alle Fragen gelöst und das Volk beglückt werden könne. Du lieber Himmel! Nichts haben die Herren erfun» den, nichts wissen sie, wollen sie, können sie, was wir nicht vor dem Krieg tausendmal v o m Erfinder der Berliner Siegesallee gehört hätten.(Stürmischer Beifall.) „Neue Staatsführung"? um Milliarden an die Besitzenden zu verschenken und um den 'Aermsten der Armen jährlich 1(4 Milliarden zu nehmen? Neue Staatssührung? um die Löhne herabzusehen und im Rundfunk den Zapfenstreich zu spielen? Neue Staatssührung, um das Herrenhaus zurückzuholen, um den Bonner Borussen wieder die Staatssutterkrippe Zu öffnen: neue Staatssührung, um der Zu- gend das Wahlrecht zu rauben, um den Reichs- lag zu einer Attrappe zu machen, damit die alten kalk- und Mummelgreise aus den Fami- lienlagen derer von und zu das Geschick des deutschen Volkes bestimmen sollen? Zst das die neue Staatssührung. daß all jene, die eine andere politische Meinung haben, wiederum zu Slaatsfeinden erklärt werden?" Diese neue Staatssührung wird dadurch doku- mentiert, daß heute bereits in Deutschland wieder alle jene Käfer schwirren, die am 9. November 1918 f e i g e a u s r i> s e n. Da sind die Fürsten und Prinzen, da ist der große Held von Charlc- ville und da ist vor allem ER wieder, Preußens Glanz und Gloria, Wilhelm II. Ob der Sieger von Wieringen oder von Doorn schließlich das Rennen machen soll, das ist im Herrenklub noch nicht ganz ausgeknobelt. Einstweilen bemühen sich aber der Vater wie der Sohn, vor dem Herren- klub das Examen abzulegen und den Befähi- gungsnachweis zu erbringen, daß jeder fähig und würdig ist, den Thron zu besteigen und siegreich durchs Brandenburger Tor zurückzukehren. Aus einmal laufen auch die Nationalsozialisten gegen die Barone, die nach Herrn Göbbels aus „ihrem breiten Rücken" zur Macht gelangt sind. Sturm. Die Nationalsozialistxn wollten die Hitler- Barone betrügen, aber betrogen wurden sie: so stehen sie jetzt gegen die„feinen Leute", als ob sie weniger reaktionär und weniger sein wären, als ob sie von den Adligen in Deutschland nicht ebensoviel in ihren Reihen hätten, wie Hugenberg . Nein— ich wiederhole es immer wieder— ohne Hitler kein Papen, ohne Papen keine Notverordnung. und ohne Hungernotverordnung nicht das furchtbare Elend, das täglich immer wieder deutsche Volksgenossen in den Tod führ». In Uebereinstimmung mit den Gewerkschaften hat die Sozialdemokratische Partei in den ver- gangenen Wochen alles getan, um dem Lohnabbau Einhalt zu gebieten. In diesem Kamps stehen K o m m u n i st e n und Nationalsoziali st en gegen uns. Auch sie wollen dem Volk angeblich Arbeit uitd Brot geben. Die Wirklichkeit zeigt, daß sie nur um ihrer selbst willen existieren, und das, was an sich in einem vernünftigen Reichstag von„Arbeiter- Parteien" durchgesetzt werden könnte, durch Maß- losigkeit und übertriebene Agitation illusorisch gemacht wird. Niemals werden diese Parteien für den Fall der Machtergreisung auch nur ein Prozent von dem verwirklichen können, was sie in ihrer schamlosen Agitation fordern und dem Volk vorgaukeln.
Die K o m m u n i st i s ch e Partei weiß heute ebenso wie ihre nationalsozialistischen Verbündeten nichts anderes zu tun, als uns täglich mit Schmutz zu bewerfen. Sie redet von der Einheit des Proletariats und meint das Gegenteil um ihrer selbst willen. Wir betrachten es- mit als eine unserer Hauptaujgaben in dem bevorstehenden Wahlkampf, die Wählerschaft über das voltsfeind- liche Treiben der Kommunisten aufzuklären. Im gleichen Maße gilt unser Kampf der Nationalsoziali st ischen Partei und denen, die von dieser„Arbeiterpartei" in den Sattel gehoben wurden, um die Arbeiter wieder zu Bürgern zweiter Klasse zu degradieren. Wir sehen, daß dort, wo Nationalsozialisten heute regieren, nichts von den jahrelangen Ver- sprechungen erfüllt wird. Wo wir auch Hinblicke», ob nach Oldenburg , Thüringen oder Anhalt, nirgendwo ist von dein versprochenen Naziparadies auch nur ein Prozent in Erfüllung gegangen. Stattdessen sehen wir eine Postenjägerei, die beispielsweise in Thüringen selbst rechtsstehende Organisationen zu Protesten bei der Naziregierung veranlaßt hal. Wo Nazis regieren, ist das braune Parteibuch Trumpf. So reiht sich in dieser Partei Lüge an Lüge. Jahrelang ist beispielsweise das Zentrum als„schwarze Pest" bezeichnet worden. Ihm wurde tagtäglich— wie uns— Kampf bis aufs Messer angekündigt, und noch nach den Wahlen hat Hitler öjfentlich erklärt, daß es mit der Zentrumspartei ein Paktieren nicht gäbe. Auch diese Partei müsse, wie die Sozialdemokratie, durch Kampf erledigt werden. Kaum eine Woche später saßen die Beauftragten Hitlers mit der „schwarzen Pest", den„Schwarzjacken" und den „schwarzen Novemberverbrechern" zusammen. Die Redner der Nationalsozialistischen Partei im Lande bestreiten den Ernst der Verhandlungen Hitlers mit dem Zentrum. Demgegenüber erkläre ich, daß alles, was ich in Leipzig und Berlin össentlich s estgestellt habe. Tatsachen sind, die nur wider besseres Wissen bestritten werden können, und zwar ebenso, wie auch der Versuch des national- sozialistischen Abgeordneten Straßer. bei dem Reichswehrminister Schleicher eine evtl. Reichs- kanzlerjchaft Hitlers zu hintertreiben, eine unumstößliche Tatsache ist und bleibt. Die an diesen Besprechungen beteiligten Herren — es waren drei— mögen hundertmal dementieren. Ich bleibe bei meinen Be- Haupt ungen. Jahrelang ist die Hitler -Partei vom Unter- nehmerlum ausgehalten worden. Die S u b- ventionspolitit des Herrn Papen für die Schwerindustrie und die Landwirtschaft hat einen Teil der einstigen Hitler -Freunde mit flic- oenden Fahnen in das Lager der Barone geführt. Diese Herrschaften machen ihre politische Gesin- nung jeweils von dem Portemonnaie ab- hängig. Die Zinsen von den Subventionen, die ihnen von den Baronen aus Koste» des Volkes ausgeliefert werden, stellen sie jetzt der Deutsch - nationalen Partei und zum Teil auch der Deutschen Volkspartei zur Verfügung. Die Rollen sind vertauscht. Früher schwammen die Nazis im Geld, heule gehen sie mit
Sammelbüchsen fechten. Die„vorwärtsstürmende Bewegung" ist zum Fechlklub geworden. Mit dem Dritten Reich ist es ein sür allemal aus! Die Barone haben Hitler politisch und finanziell betrogen. Das ist der Lohn für seine Zudas- rolle. Deshalb die täglichen Saalschlachten zwischen Nazis und der anderen Fakultät der Harzburger Front. Nur in einem sind sie sich im Augenblick wieder einmal einig, in dem Korruptions- g e s ch r e i gegen den bisherigen preußischen Finanzminister Dr. Klepper. Der gegenwärtige Reichskanzler war vor seinem Amtsantritt Vor- sitzender des Aufsichtsrates des Berliner Zen- lrumsblattes„G e r m a n i a". Ich nehme an, daß er über die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit von Subventionen an Zeitungen als Spezialist besondere Aussagen machen kann. Dieser Tage habe ich gegen die Münchener Reichskanzlerredc an höchster Stelle des Reiches den schärfsten P r o t e st erhoben. In Mün- che» hat Herr.v Papen weite Teile des deutschen Volkes, die seiner Außenpolitik nicht Gefolgjchaft leisten, als„Feinde des Volkes" bezeichne!. Wir lassen uns an Vaterlandsliebe auch von den Leu- ten, die das Vaterland und den Patriotismus ständig aus der Zunge führen, nicht übertreffen. Die Methoden, die die Barone jetzt in der Außenpolitik einzuführen trachten, sind die Me- thoden. die uns zum Wellkrieg führten. Wir bekämpfen die Methoden, die dazu führen. Uns deshalb als„Feinde des Volkes" zu be- schimpfen, ist eine Ungeheuerlichkeit, die meines Erachtens nur aus dem Munde eines „Feindes des Volkes" kommen kann. Unsere Väter und Söhne waren es. die von 1914 bis 1918 ihre haut zu Markte getragen haben, hunderttausende von Sozial- demokralen liegen in srenider Erde, hundert- tausende sind mit Schaden an Leib und Seele zu- rückgekehrt. Unsere Mütter und Kinder waren es, die gedarbt, gehungert und zu taufenden an Unterernährung gestorben sind. Und als das furchtbare Blutbad endlich sein Ende fand, waren es wieder unsere Väter und Söhne, die nach dem katastrophalen Zusammen- bruch Opfer auf Opser sür den Wieder- aufbau ihres Vaterlandes gebracht haben, war es die deutsche Sozialdemo- k r a t i e, die nach der Flucht der Verantwort- lichen ins Ausland Deutschland vor dem Chaos bewahrte. Wenn es dennoch ein Reichskanzler aus dem Baronenstand sertigbrin- gen konnte, uns wegen unserer Opposi- tionsstellung gegen seine reaktionäre Poli- tik als„Feinde des Volkes zu beschimpfen, dann zeigt das, was die Stunde geschlagen hat. Es ist der Geist des Dreiklassenwahlrechts, der aus diesem Reichskanzler spricht. Otto Wels schloß seine Rede unter stür- mischem Beifall der Hörer und Hörerinnen. Seine begeisternde Aufforderung, die letzten Wochen vor dem 6. November für den Sieg der Sozialdemo- kratischen Partei Deutschlands , für den Siez der Liste 2, zu nutzen, wurde von der großen Versammlung mit entschlossener Zu st im- mung aufgenommen.
noch nicht angelangt. Be! der Erläuterung von „le Zwickel" werden sie sicher hinzusetzen: mit diesem Worte hat sich die preußische Regierung unsterblich blamiert. In Paris gibt es einen republikanischen Deut- schen Klub. Dieser gibt in der deutschsprachigen „Neuen Pariser Zeitung" soeben sol- gendes zur' Veröffentlichung:„Der Deutsche Klub hat eine Schach- und eine Schwimmgruppe. Badehosen mit Zwickel sind in der Schwimm- gruppe des Deutschen Klubs nicht erlaubt. Der Nachweis der preußischen Staatsangehörigkeit wird als Einwand hiergegen nicht zugelassen." Was macht nun Herr Dr. Bracht? IC L.
Ludwig-Thoma - Abend Kammerspiele Die Schultes-Bühne aus Rottach -Egcrn, die sonderbarerweise in den Kammerspielen zu Gast ist, hat uns jetzt mit zwei köstlichen Gaben ihres engeren, ja engsten Landsmannes Ludwig Thoma erfreut. Besonders in der ersten Gabe, der„B r a u t s ch a u", konnten sie die ganze Ur- wüchsigkeit und Echtheit ihres Lauernensembles zur Schau stellen. Dieses kleine Sittenbild bringt drei Mädchen auf die Bühne, zwei davon mit ihren Schmusern(Heiratsvermittlern), die Vater und Mutter bestellt haben: die dritte hat der sonst wortkarge Sohn selbst angeschafft. Wie der Schmuser und der Viehhändler aufeinanderplatzen und gegenseitig ihre Ware schlecht machen, wie überhaupt das ganze bäuerliche Milieu von einem so guten Kenner wie Thoma charakterisiert wird, das ist natürlich unvergleichlich. Und Franz Fröhlich als Schmuser, Berti Schuttes als Viehhändler, Max Schuttes als Bauer und Maria Schwaighofer als Bäuerin tun das Ihre dazu, um diese Gaudi zu einer vollkomme- nen zu machen. Ein rein erhaltenes Volkstum hat hier sowohl seinen Dichter wie seine Darsteller gefunden. Als zweites Stück stieg der Schwank „I. Klasse", das Eisenbahnabenteuer des könig- lich-bayerischen Landtagsabgeordneten und Oeko- nomen Josef Filscr, der prächtigsten Figur, die Thoma je nach dem Leben geschaffen hat. Zu dieser Aufführung muß mit Respekt bemerkt wer- den, daß wir sie schon besser in Berlin gesehen haben, womit nicht gesagt sein soll, daß sie schlecht war. Berti Schuttes macht wohl eine ulkige Schwanksigur aus dem Filser, aber er gibt ihm nicht das einmalig Charakteristische, das sich in dieser Person verkörpert. Freilich war der Heiter- keit kein Ende über diese g'schcrte Angelegenheit, die manchmal noch fast aktuell sich auswirkte. Als Kumpan des Filser war Franz Fröhlich am rechten Fleck. Karl E l z e r repräsentierte den norddeutschen Kunstdüngerreisenden in seiner ganzen Ueberheblichkeit und Schwadronierkunst. O.
I'erpis tanzt Rose-Theater Max Terpis tanzte im Rofe-Theater: er zeigte Solo- und Gruppendarbietungen. Seine besten tänzerischen Leistungen„der st e r b e n d e K ö n i g" und„F i g a r o", fielen leider wegen des ungünstigen Raumes, der ohne Tiefe ist, sehr ab. Der„irre König" kann nie in seinem Erschrecken wirklich fliehen, in jene dunkle, immer dunkler werdende Tiefe, die seine Tanzbewegungen aus- drücken. Er bewegt sich flächig aus und ab, er- griffen von einer zwingenden tänzerischen Idee, die sich immer wieder am Räume zerschlagen muß. Das gleiche gilt für den„Figaro": dieser atemlose vielseitige Haarkünstler muß allerdings fast immer. im Rampenlicht stehen: es ist sein Beruf und seine Berufung. Doch die typische Bewegungsrichtung seines beständigen Da-seins kann erst als Tanz- ausdruck deutlich werden, wenn ein plötzliches Verschwinden in den Hintergrund ein Verschwin- den aus dem von ihm geschasfenen«Zustand es hervorhebt. Der Tanz von Terpis sieht es vor— der Raum läßt es nicht zu. Starke Szenen hat der„Gefangenen- tanz", den Rolf A r c o und die Gruppe zeigen. Am erschütterndsten wirkt er, wenn der herrschsüchtigen Beweglichkeit des Gefangenenauf- fehers die eben auflebenden Bewegungen der Ge- fangenen zum Opfer fallen, bis er an ihrem Er- schlaffen selber erschlafft. Aber vieles an den Kom- Positionen wirkt gestellt, lückenhaft in zu großer Breite. Ueber das zuckerfüß-kitschige Duett„Jäger und R e h" zwischen Adele Seek und Rolf A r c o braucht man kein Wort zu verliere». Es wirkt in seiner ballctthaften Massivität unerträg- lich. Dagegen sind alle Tänze des bezahlten Kindes Ossi Glöckner ungewöhnlich erfreulich. Die Kleine erlebt den Tanz mit echter tänzerischer Begabung: sie führt nicht Aufgaben aus, präzise und exakt, sondern sie fühlt den Stlmmungswert jeder Geste, die Geste jeder Stiminung. Wenn man die natürliche Neigung zur Groteskheit, die ihre meisten Tänze in entzückender Lebendigkeit beherrschte, nicht später übertreibt, um„ihren" Typ immer wieder dem Publikum vorzusetzen, so kann aus diesem kleinen Mädel eine große Tän- zerin werden.—Iz.
Pariser Zwickelgeschichten
,Le Zwickel'
Paris, Mitte Oktober 1932. Welch grundlegende Aenderungen müßten in Frankreich eintreten, um sich auch hier den Zwickel einbürgern zu lassen! Ohne ein schlechter Prophet zu sein, darf man voraussagen, daß Frankreichs Badekostüm stets ohne Zwickel fein wirb. Man treibt hier nicht Sittlichkeitspropa- ganda mit Polizeivorschriften. Die Mode ist international, und so kann sich in der Mode nur halten, was über die nationalen Grenzen hinaus noch Sinn hat. In den Badekostüm- geschästen an der französischen R i o i e r a herrscht daher jetzt große Freude. Man weiß, daß die deutschen Gäste, die sich zu Tausenden jeden Winter an der Riviera aufhalten, in diesem Jahr die besten Kunden sein werden. Denn da es keiner von ihnen wagen wird, für Herrn Bracht im Auslande Propaganda zu machen, müssen sie sich alle hier das international an- erkannte Baöekostüm beschaffen. Zwei Bälle sind in Paris sehr berühmt, der Ball der Pariser Maler und Bildhauer, deren Verein„Die Horde" lzeißt, und der Ball der Mediziner. Wenn„Die Horde" jedesmal im Lenz in einem Riesensaal des neuen Pariser Künstlerviertels Momparnasse ihre Freunde um sich sammelt, dann veranstaltet sie im Lause des Abends einen seierlichen Umzug der Maler- inodelle. Da sieht man junge Mädchen und junge Männer mit Badehosen ohne Zwickel. Die schönsten werden auf hohen Gestellen herum- getragen, und das Publikum klatscht. Man stelle sich vor, welch eine Trauerstimmung plötzlich den Saal überfallen würde, wenn dabei jemand mit einem Zwickel austreten würde. Der Ball der Mediziner dagegen ist im Herbst. Er fand am 14. Oktober statt. Me ernste
und schwerfällige Pariser Mittagszeitung„Paris- Midi" vom 15. Oktober berichtet unter anderem darüber wörtlich folgendes:„... Es folgt ein Schönheitswettbewerb für Damen. Zögert man vor einem Arzt, sich ohne Schleier zu zeigen? Und vor tausend Doktoren noch tausendmal weniger, nicht wahr? Denn die Liebe und der gute Wein sind die Herren dieser Nacht, in der die Doktoren mal ausruhten. Auf der Einladungs- karte zu diesem Kostümfest stand: Masken: Dominos, Straßen- und Abendkleiderz Pyjamas und Schuhe mit Absätzen werden nicht zugelassen. Der Vorstand übernimmt keine Haftung für ver- loren gegangene Gegenstände und ist nicht dafür verantwortlich, wenn Gäste, die in unbekleidetem Zustand auf der Straße erscheinen, polizeilich verfolgt werden."— Hätte Frankreich einen Dr. Bracht, so hätte auf der Einladungskarte ausdrücklich gestanden, daß Tänzer, die mit Badehosen kommen, Zwickel haben müssen. Aber dann wäre der Tanzsaal leer geblieben. Man hat natürlich in Frankreich große Schwierigkeiten, die Zwickelgcschichte zu verstehen. In den ersten Tagen berichteten die Zeitungen überhaupt nichts darüber. Dann niachte» sie sich langsam an den Zwickel heran. Schließlich atmeten sie aus, auch einmal etwas Heiteres aus Deutschland berichten zu können. Wie aber sollten sie eine Uebersetzung für etwas finden, was es in Frankreich gar nicht gibt? Also half man sich schließlich, indem man„le Zwickel" sagt, wie man ja auch ironisch „le Führer" schreibt, wenn man von Hitler spricht. Sllle Wörter, die in die französische Sprache eingegangen sind, werden in das berühmte Lexikon der französischen Akademie ausgenommen, das von den vierzig Unsterblichen bearbeitet wird. Beim Luchstaben Z sind sie