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BEILAGE

Dr. S. Weinberg:

Jugend und Politik

Wilhelm Hoepner und Paul Destreich haben unter dem Titel Jugend, Er­ziehung und Politik" einen Sammelband herausgegeben, der die Vorträge enthält, die auf der vorjährigen Tagung des Bundes entschiedener Schulreformer gehalten wurden( Verlag Karl 3ming, Jena ). Die behandelten Probleme sind so außerordentlich wichtig, daß die Ausführungen des Buches stärkste Beachtung verdienen, auch wenn man mit den Gedankengängen einzelner Redner nicht einverstanden sein kann. Jugend und Erziehung stehen unter dem Einfluß der wirtschaftlichen und politischen Zeitverhältnisse. Man behauptete früher sehr oft, die Schule sei eine abgeschlossene Insel, die von den politischen Kämpfen unberührt sei. Diese Ansicht sei durch die Tatsachen widerlegt. Die materialistische Ge­schichtsauffassung hat gerade auf dem Gebiete der Erziehung ihr gutes Recht erwiesen. Das Leben in der Schule ist in stärkstem Maße von den fozialen und wirtschaftlichen Ver hältnissen abhängig, man denke an die jüngsten Abbau- und Sperrmaßnahmen, man be­achte, wie sehr die Erziehung durch die Tatsache beeinflußt wird, daß ein großer Teil der schul­entlassenen Jugend keine Lehrstellen finden kann. Ebenso ist es unbestreitbar, daß alle politischen Parteien die Schuljugend umwerben, daß die Schüler in den politischen Kampf hineingerissen sind. Der Politik gilt das stärkste Interesse der Jugend, wie genaue Untersuchungen mehrfach gezeigt haben. Es ist bekannt, daß die National­sozialisten große Teile besonders der Schüler höherer Lehranstalten fanatisiert und radikalisiert haben. Jugend, Erziehung und Politit" ist also ohne Frage ein Grundproblem heutiger Päda­gogit.

In dem Buche von Hoepner und Destreich werden die Fragen mit Ernst und Verant­wortungsbewußtsein behandelt. Heinrich Müller- Burbach gibt eine Darstellung der politischen Schülerbünde, wobei er die große Verbreitung des Nationalsozialistischen Schülerbundes" aufweist. Dieser Bund rühmt sich nahezu 60 Proz. der Abiturienten zu erfassen. Bei dieser Sachlage wird die Einstellung eines großen Teils der akademischen Jugend verständlich. Die Gesinnung des Terrors ist an den Daher Schulen sehr verbreitet. hat Paul Destreich recht, wenn er die Parole ausgibt: Entfanatisierung, nicht Entpolitisierung!"; denn das politische Interesse ist nicht künstlich in die Schule hineingetragen, sondern von innen heraus­

Vorwärts

DONNERSTAG, 20. OKT. 1932

Kampf der Schulreaktion!

Anmerkungen zur neuen deutschen " Schule/ Von Dieter Distel

In den reaktionären Zeitungen wird mit viel Geschrei die Zeit der neuen deutschen " Schule und schärfster Kampf allen marristischen Schul­versuchen angekündigt. Die Schärfe der Tonart erklärt sich nur aus der Wut des pädagogischen Spießbürgers, den die sozialistischen Schulversuche aus seiner rohrstodumhegten Ruhe aufgescheucht haben. Denn sonst ist der schrille Diskant dieser Artikel unverständlich. Sie Sie enthalten einfach keine durchschlagenden Argumente gegen die bis­herigen Ergebnisse der Schulreform, mit denen man sich ernsthaft auseinandersehen könnte. Ihre Dürftigkeit suchen sie zu verbergen hinter schmutzig­sten Angriffen gegen sozialistische Schulmänner. Die jetzt einfegende reaktionäre Schulreform" hat nicht den Geist ernsthafter pädagogischer Forschung als Grundlage, sondern arbeitet nach der billigen Formel: Macht geht vor Recht. Des= halb ist auch die Verwaltungsbürokra= tie ihr eigentliches Arbeitsfeld. Und sie wird allen fortschrittlichen Schulen und Lehrern soviel Schwierigkeiten wie nur möglich machen, um zu versuchen, jede selbständige Geistigkeit aus unse­rer pädagogischen Welt zu verbannen. So inter­effiert sich auch die Reaktion für eine baldige Verabschiedung eines Reichsschulgesetzes und macht sich dabei keinerlei parlamentarische und ver­fassungsrechtliche Gedanken. Mit dem Artikel 48 läßt sich ja alles so leicht erreichen. Die Täg­liche Rundschau" schreibt durch ihren Mitarbeiter Lehrer A. Beyer ganz offen: Der Ausgangs­punkt für ein Reichsschulgesetz ist dabei nicht die Reichsverfassung, sondern die Rechtslage vor der Revolution."

Aber das Beschämende für diese ,, Republikaner " ist, daß selbst Wilhelms Schul­gesetze nicht so reaktionär waren wie die Forde­rungen dieses deutschnationalen Lehrers. Das preußische Volksschulunterhaltungsgesetz vom Jahre 1906, auf das sich Herr Beyer bezieht, fennt nicht die Kirchenschule, die jetzt von Herrn Hugenbergs Freunden gefordert wird. Es be stimmt die Schulart nach der Kirchenzugehörigkeit der Kinder, wobei die Frage der schulischen Be­treuung der dissidentischen Kinder völlig offen bleibt, weil die 1906 noch keine Rolle spielte. Da aber die Reichsverfassung die Abmeldung der Kin­

der vom Religionsunterricht genau festgelegt hat, ist es nur eine sinngemäße Anwendung des Volks= schulunterhaltungsgesetzes, das für evangelische Kinder evangelische Schulen, für katholische Kin­der katholische Schulen bestimmt, wenn für be= tenntnisfreie Kinder bekenntnis= freie Schulen eingerichtet werden. Auch verbietet das Volksschulunterhaltungsgesetz nicht die Beschäftigung dissidentischer Lehrer. Inhaltlich bietet das Programm der reaktio­nären ,, neuen deutschen " Schule sich noch als Mosaik dar, das ein Irrer zusammengesezt haben fönnte. Ein nationalsozialistischer Führer schreibt für die Bekenntnisschule, einer dagegen; einer für die Einheitsschule, einer dagegen. Was Adolf Hitler in seinem grundlegenden Wert Mein Kampf " über die Schule aufgezeich­net hat, ist nicht nur formal, sondern auch inhalt­lich so nachlässig geschrieben, daß die wissenschaft­liche Welt des In- und Auslandes über diese Be= kenntnisse einer schönen Seele zur Tagesordnung übergeht. Ein ernsthafter Versuch auf nationa­listischer Seite liegt vor in dem Buche von Prof. Krieg Nationalpolitische Erziehung". Aber was dieser Gemeinschaftspädagoge an wirklich aufbauenden Ideen hinstellt, ist von unseren so­zialistischen Pädagogen seit langem gesellschaft­lich besser fundiert und flarer formuliert.

Der Tenor all dieser Artikel liegt ja auch gar nicht in Forderungen, die aus tiefsten psycholo gifchen und pädagogischen Einsichten kommen, sondern in dem Verlangen, die Schule den macht politischen Interessen der Re= aktion dienstbar zu machen. Wie könnte sonst z. B. die Deutsche Zeitung" solche dummen Säze in einer Polemik gegen die Schulreform unseres Genossen Grimme schreiben: Aber in Verfolg des neuen Erziehungsgrundsages haben uns dann die Richtlinien" u. a. mit einem Unter­richtsverfahren beglückt, in dem der sogenannte ,, Arbeitsunterricht" eine große Rolle spielt. Was man sich darunter vorzustellen hat, weiß eigentlich feiner so recht. Aber gewiß ist, daß der Ar= beitsunterricht" den höchsten Grad der Bollkommenheit dann erreicht,

wenn in der

Stunde die Schüler sich unterhalten und der

Ein neues Studentenrecht?

gewachsen. Verderblich ist nicht die Beschäftigung Martin Böttcher : mit der Politik, sondern die Unsachlichkeit und die Herrschaft der Phrase. Das besagt auch die Forderung des Ministers Grimme: ,, Objeftivi­tät, nicht Neutralität!" Müller- Burbach macht beachtliche Vorschläge für einen wirksamen st a a ts­bürgerlichen Unterricht, der natürlich nicht nur die Bestimmungen der Verfassung rein formal eindrillen darf, der vielmehr von geistiger Freiheit, von sozialer Zeitreife und politischem Wollen getragen sein müßte.

Richard Mesch fat berichtet über Schule und Klassenkampf", und zeigt mit Recht, daß man Maßnahmen, die sich gegen die Interessen der Arbeiter richten, gerne als ,, neutral" bezeich= net, während sie in Wirklichkeit Kampfmittel der herrschenden Klasse sind: ,, Der Sinn des Wortes Klassenkampf wird von einer großen Zahl auch unserer Zeitgenossen noch einseitig aufgefaßt, in­dem man nur das Ringen der unteren Klassen um ihre elementaren Lebensrechte als Klassenkampf erkennt, jedes Vorbeugen und jede Abwehr von oben her aber als selbst­verständliche Maßnahme zur Erhaltung des Ganzen ansieht. Entsprechend ist man geneigt, alles, was von oben kommt, als ,, neutral" zu bezeichnen, weil es eben dem herrschenden gesell­schaftlichen Zustand die Forteristenz sichern will." So hielt man in der Vorkriegszeit die herrschende monarchistisch- kapitalistische Lebenseinstellung für neutral und schloß den Sozialismus und seine Forderungen vom Schul- und Bildungswesen aus. Es ist auch heute noch wichtig, diese Tatsachen immer wieder festzustellen. Meschtat entwirft ein sozialistisches Programm und betont, daß die sozia­listische Gesellschaft Voraussetzung für eine frucht­bare und sinnvolle Erziehung ist: ,, Wer nicht Brot, nicht Wärme, nicht geringstes Maß von Sicherheit der Existenz hat, dem wird man mit allem Jdea­lismus nicht beikommen Wer lehren und erziehen will, ohne die ökonomischen Lebensver­hältnisse der Menschen ändern zu wollen, geht in die Leere."

Unter den Beiträgen des Buches verdienen noch die Ausführungen von Erich Schönebeck über pazifistische Erziehung besondere Beachtung. Schönebeck zeigt, wie man die Jugend für die Friedensidee begeistern kann. Toni P fülf hat einen wertvollen Beitrag über ,, Die Frau in der Politit" beigesteuert. In einer Reihe weiterer Aufsäze wird Erziehung zur Solidarität gefordert und begründet; diese Ausführungen sollten alle für die Jugend Verantwortlichen beachten und durchdenken; denn die Jugend und die Erziehung ist heute start gefährdet. Es kann niemand gleichgültig sein, ob die kommende Generation von gemissenlosen Demagogen fanatisiert oder zu geistiger, politischer und sozialer Verantwortung im Geiste der Freiheit und Gerechtigkeit erzogen wird.

Die Deutsche Studentenschaft ", die unter Führung der Nationalsozialisten stehende Dachorganisation der reaktionären Studenten­gruppen, verbreitet in der Rechtspresse eine Er­flärung, in der es heißt: daß die letzte politische Entwicklung die Aussicht gibt, daß ein aus par­teipolitischen Gründen gegen die Deutsche Stu­ dentenschaft " geführter, jahrelanger behördlicher Kampf sein Ende findet. Die studentischen Ver­bände, die aus ihrer großdeutschen Grund­haltung heraus in diesem Kampfe stets in vor­derster Front gestanden haben, begrüßen die sich jetzt für die Deutsche Studentenschaft " zeigende Möglichkeit, zu geregelten studentenschaftlichen Verhältnissen an den preußischen Hochschulen zu gelangen. Hiervon ausgehend, halten es die stu­dentischen Verbände für eine selbstverständliche Boraussetzung, daß auch bei der neugeschaffenen Lage in keiner Weise an dem völkischen Ge= dankengut der deutschen akademischen Jugend und der Idee der großdeutschen Studen= tenschaft gerüttelt werden dürfe."

Für jeden, der die Lage in der Studentenschaft fennt, war es klar, daß nach der Beseitigung der Regierung Braun- Severing- Grimme die Rechts­studenten einen Vorstoß zur Schaffung eines neuen Studentenrechts unternehmen würden. In Preußen haben bekanntlich bis zum Jahre 1927 staatlich anerkannte Studentenvertretungen be= standen. Die reaktionäre Mehrheit in der Stu­dentenschaft hat dann das Recht der Studenten, durch selbstgewählte Vertretungen auf den Hoch­schulbetrieb Einfluß zu nehmen, aufgegeben, in­dem sie einen neuen Studentenrechtsentwurf, der die Koalition mit der antisemitischen Studentenschaft österreichischen

untersagte, ablehnte. Die Verlautbarung der ,, Deutschen Studentenschaft ", in der von dem ,, völ= tischen Gedankengut" gesprochen wird, beweist, daß die nationalsozialistischen Studenten jegt glauben, mit Hilfe der Regierung Bracht ein ihren Wün­schen entsprechendes Studentenrecht zu erhalten.

in

Was darunter zu verstehen ist, hat die Deffent­lichkeit erst wieder auf dem letzten Studenten­Studentenschaft" der Deutschen tag Königsberg erfahren. Dort wurde das von dem bekannten österreichischen Antisemiten Graf Gleispach für die Wiener Universität ent­worfene Studentenrecht, das inzwischen vom Wie­ ner

Gericht als ungefeßlich aufgehoben wurde, als das Vorbild eines neu zu schaffen den Studentenrechts in Preußen hingestellt. Graf Gleispach hatte die Wiener Studenten ohne Unter­schieb der Staatsangehörigkeit in Stubenternatio

nen eingeteilt. In die deutsche Studentennation wurde nur aufgenommen, wer 3 weifelsfrei

arisch" war. In nicht eindeutigen Fällen mußte als Beweis für die arische Abstammung der Taufschein der Großmutter beigebracht werden. Die jüdischen Studenten wurden selbst dann, wenn sie österreichische Bundesbürger waren und sonst die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie die übrige Bevölkerung befizen, auf der Universi­tät in einer besonderen jüdischen Studentennation zusammengefaßt.

Daß eine Einteilung deutscher Staatsbürger in Deutsche und Nichtdeutsche dem Sinn und dem Wortlaut der Verfassung widerspricht, steht eindeutig fest.

Jetzt haben es die nationalsozialistischen Stu­denten auf Preußen abgesehen. Hier soll der zweite Versuch gemacht werden. Gegen eine Uebertragung österreichischer Verhältnisse auf die preußischen Hochschulen würden sich sämtliche repu­blikanischen Studenten und mit ihnen zweifellos die überwältigende Mehrheit der studentischen Hochschullehrer und die öffentliche Meinung wen­den. Sollten die neuen Herren in Preußen tat­sächlich auf diese Vorschläge eingehen, so würde das die Auslösung schwerster Kon= flikte auf den Hochschulen bedeuten, deren Ende nicht abzusehen ist.

Die Sozialistische Studentenschaft und mit ihr die preußische fozialdemokratische Landtagsfraktion haben sich stets positiv für den Gedanken der studentischen Selbstverwaltung ein­gesetzt. Zu fordern ist aber, daß eine solche Selbst­verwaltung sich auch wirklich beschränkt auf die Vertretung und die Mitarbeit der Studenten im vielfältigen Betrieb der Hochschule. Daß heute Studenten bei der Behandlung der für sie selbst äußerst wichtigen Fragen, wie etwa der Wirt­schaftshilfe, der Gebührenordnung, des Seminar­und Bibliothekwesens, ausgeschaltet sind, ist ge­wiß kein erfreulicher Zustand. Die Schuld daran tragen aber die reaktionären Studenten, die in den Studentenvertretungen, statt sich mit diesen fachlichen Fragen zu beschäftigen, Protestrefolu­tionen gegen die Politik der jeweiligen Regierun= gen gefaßt haben. Wenn heute die preußische Re­gierung die Schaffung eines neuen Studenten­rechts planen sollte, fo find die sozialtstrichen Stu­denten zu positiver Mitarbeit bereit, wenn die neue Selbstverwaltung den Studenten die not­wendige Vertretung gegenüber den Hochschulbe­hörden zur Wahrnehmung ihrer Interessen gibt, Dabei aber den antisemitischen Kompleren der Hafenfreugler teinerlei Songeffionen macht.

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Lehrer unermüdlich schweigt." Jeder Junge lehrer weiß heute über die Prinzipien des Ar­beitsunterrichts" Bescheid. Und die Herren Stri­benten sollen sich gefälligst erst einmal die ein­schlägige Literatur ansehen, bevor sie solchen blühenden Unsinn schreiben. Aber wahrscheinlich macht ihnen, soweit sie Lehrer sind, der Arbeits­unterricht zuviel Arbeit; denn er stellt höhere Anforderungen an den Lehrer als einförmiger Drillunterricht.

Deshalb schreien diese Herren wohl auch immer so viel nach dem Führer, nach der Autorität, die dem Lehrer jetzt verloren gegangen sein soll. In der neuen deutschen Schule sollen die Kinder wie­der gehorchen lernen." Es wird immer ein untrügliches Zeichen für die Erziehungskunst eines Lehrers bleiben, ob und in welchem Maße er den Stock gebraucht. Und wir befinden uns in der guten Gesellschaft der besten geistigen Führer Deutschlands , wenn wir den Gehorsam der Kinder nicht wollen als fflavische Unterord­nung unter die brutale Gemalt, sondern als frei­willige Unterordnung unter den Lehrer, der nicht nur von Amts wegen, sondern auf Grund seiner geistigen Ueberlegenheit und als moralisches Vor­bild begeistert von den Kindern als Führer an­erkannt wird. Und gerade unsere sozialisti- schen Lehrer haben gezeigt, daß sie dieses Echo der Begeisterung in den Herzen der Arbeiterkinder zu wecken verstanden haben. Deshalb will man sie jetzt mit politischer Intrige aus dem Amt jagen. Denn die Reaktion will nicht die Freiheit des Lehrers und die Freiheit des Kindes, sondern sie will knechtischen Geist in die jugendliche Re­servearmee des Kapitals hineindrillen.

Diese Willkür der neuen deutschen" Schule, die sich eindeutig gegen den Aufstieg des prole= tarischen Kindes richtet, lehnen wir ganz entschie den ab und werden wir ganz energisch bekämpfen. Die sozialistischen Elternbeiräte haben hier eine gewaltige Aufgabe vor sich. Eine enge Zusammen­arbeit aller sozialistischen Erzieher ist notwendig und vor allem die Mitarbeit aller in den Eltern­vereinigungen der Partei und der freien Schul­gesellschaften.

Die freie Schule fordert:

Der Hauptvorstand des Bundes der freien Schulgesellschaften tagte fürzlich in Bernau . Aus den Bezirksberichten ging überall hervor, daß die Organisation so festgefügt ist, daß sie mit Ruhe den kommenden Kämpfen entgegen­sehen kann. Die freien Schulgesellschaften haben in unermüdlicher Kleinarbeit Tatsachen geschaffen, die für die sozialistische Kulturbewegung von großer Bedeutung find. Ohne das Bestehen der Sammelschulen in Preußen hätten wir längst ein notverordnetes reaktionäres Reichsa schulgesetz, das schulisch der Arbeiterbewegung auch die letzten Arbeitsmöglichkeiten entziehen würde. Die derzeitigen Machthaber können die durch ausgedehnte weltliche Schulbewegung Schließung der Sammelschulen nicht aus der Welt schaffen. Der Druck der Reaktion kann eine Kulturbewegung nicht aufhalten. Druck erzeugt Gegendruck, der sich schon jetzt im Herbst bei den Schulanmeldungen bemerkbar machte. In Sachsen 3. B. ist bei der Herbsteinschulung die Zahl der Abmeldungen vom Religionsunter= richt um durchschnittlich 3 Proz. gestiegen( in Leipzig sind 31 Proz. aller Lernanfänger, in manchen Orten über 50 Proz. vom Religions= unterricht abgemeldet).

Der Bundesvorstand nahm in verschiedenen Resolutionen zu den schulpolitischen Fragen Stellung. Er fordert von den Reichs- und Länder­regierungen genügende Bereitstellung von Geldern zur Einführung oder zum Ausbauder Sch u l- und Mütterspeisung. An dieselbe Adresse richtet sich die Forderung, allen unbemittelten Arbeiterkindern grundsätzlich Schulgeld= freiheit zu gewähren, Studienbeihilfen in größerem Maße zu bewilligen, die Zahl der Aufbauklassen und schulen nicht einzuschränken, sondern zu vermehren.

Gegen den nationalsozialistischen Terror an den Schulen, der moralisch ver= wüstend wirkt, geht ein scharfer Protest an die Deffentlichkeit.

Es wird die völlige Gleichberechtigung der diffidentischen Lehrer gefordert. Zur Frage des Reichsschulgesetzes wurde folgende Resolution ein­stimmig angenommen:

,, Das Rundschreiben des Reichsinnenministers an die Unterrichtsminister aller deutschen Länder, somie zahlreiche Pressemeldungen fündigen neue Berhandlungen über das Zustandekommen eines Reichsschulgesetzes an. Die freien Schulgesell­schaften bekämpfen aufs schärffte ein von der Reaktion beabsichtigtes Reichsschulgesetz, das nicht die Forderungen der Reichsverfassung erfüllt. Der Bund der freien Schulgesellschaften fordert die betenntnisfreie weltliche Schule, die für alle Kinder ohne Rücksicht auf ihre Bekenntnis- und Weltanschauungszugehörig. feit offen steht, da mur sie die Gewissens- und Meinungsfreiheit für Kind und Lehrer gewähr. A. H. Feistet."