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Morgen- Ausgabe

Nr. 497 A 243 49. Jahrg.

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprechers A7 Amt Dönhoff 292 bis 297 Telegrammadresse: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

FREITAG

21. Oktober 1932

Jn Groß Berlin   10 Pf. Auswärts....... 15 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Bartei Deutschlands  

Papen  - Helden werden gehenft!

Das Lied der Standarte 6: ,, Bald werden Schüsse knallen!"

In öffentlichen Versammlungen der NSDAP  . wird zum Preise von 10 Pf. eine Postkarte ver= kauft, auf der ein Lied der Standarte 6 der SA.  abgedruckt ist. Ein Exemplar, das bei einem Verkauf in einer nationalsozialistischen Versamm lung in Jaenices Festsälen, Neue Königstraße, erstanden wurde, liegt uns vor. Der Verfasser sowohl wie der Drucker bleiben bescheiden im Dunkel, sie teilen mit den jugendlichen Verbreitern zwar den Erlös, aber nicht das Risiko.

Das Lied der Standarte 6 der SA.  , das den Inhalt der Karte bildet, beginnt mit einem Treugelöbnis an Hitler   und sagt dann über Juden und Bonzen das übliche, um in der dritten Strophe fo fortzufahren:

Wohl fiel schon mancher meiner Kameraden; Wohl floß viel edles deutsches Blut dahin; Doch haben bluf'ge Rache wir geschworen Euch Papenhelden und Rotmörderfront! Nie soll es euch geschenkt sein; Bald werdet ihr gehenkt sein!

Das Dritte Reich, es steht schon vor der Tür. Nimm dich in acht! Du rotes Menschentier.

Jawohl! Wir wollen blut'ge Rache nehmen An eure feige Aufgeblasenheit.

Schon ist die Stunde der Bergeltung nahe! Wir wollen Hammer, nicht mehr Amboß   sein! Bald werden Schüsse knallen;

Und ihr, ihr werdet fallen.

Wir schonen nicht, hört unser'n Losungsschrei: ,, Wir misten aus!" Bis rein die Heimat sei.

Deutschland   erwacht! Der Tag ist nun gekommen, Wo wir uns wehren, wie's den Deutschen   ehrt. Drum auf zum Sturm und ladet die Gewehre;

Die Fahne wird ja kämpfend nur geehrt. So steh'n wir Mann für Mann geschlossen, Und, hat es mich, Ram'rad getroffen, Mein letztes Wort, als Kämpfer sag' ich's Dir: ,, Heil!" Dreimal unjer'm Führer, Hitler!" Dir.

Als Herr von Papen vor ein paar Monaten die aufgelöste SA.   wieder gestattete und ihr das Recht verlieh, uniformiert zu demonstrieren, hat er faum erwartet, daß er von seinen aufbau­willigen Elementen" einmal so angedichtet wer= den würde! Für eine ,, autoritäre" Regierung feine beneidenswerte Lage! Man soll aber über dieser Situationskomik den Ernst der Sach e nicht übersehen. Seit dem historisch gewordenen Rathenau  - Lied ,, knallt ab den Walter Ratheriau, die gottverdammte Judensau"- sind die Poesie des Nationalismus und seine Taten einander wert geblieben! Vielleicht begreift Herr von Papen jetzt, daß zur Herstellung von Ord= nung und Sicherheit in Deutschland   noch etwas anderes zu tun ist als kommunistische Druck­maschinen zu versiegeln!

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Das Industriegeld

Deutschnationale gehen schnorrren

Die Deutschnationalen rechnen darauf, im Zeichen Papens   die Nationalsozialisten politisch zu beerben. Zunächst aber wollen sie das In dustriegeld erben, das den Nazis bisher zu­geflossen ist. Sie haben daher den General­direktoren großer Firmen das folgende Schreiben ins Haus geschickt:

Sehr geehrter Herr Generaldirektor!

Nachdem eine aus eigensüchtigen Parteiinter­essen zusammengekommene Mehrheit des jezt auf­gelösten Reichstages versucht hat, die von der Reichsregierung hoffnungsvoll begonnene Aufbauarbeit für Staat und Wirt­schaft zunichte zu machen, ist es das Ziel des

Budgetfrise in Frankreich  

Regierungsumbildung in Sicht

Eigener Bericht des Vorwärts"

Paris  , 20. Oktober.

In der letzten Zeit ist eine 3uspigung der inner politischen Lage eingetreten. Während die Außenpolitik des Kabinetts nicht nur von den Mehrheitsparteien, sondern auch von der Opposition gebilligt wird, protestiert die Linke mit Ausnahme eines Teils der Radikalen gegen die Herabsehung der Beamten gehälter, die sie durch Herabsetzung der Militär kredite ersetzt sehen möchte; die Rechte protestiert gegen die neuen Steuern, die trog wiederholten Regierungsversprechens einge­führt werden sollen. Vor allem ist gedacht an Erhöhung der Erbschaftssteuer, Neuregelung und Verschärfung der Kontrolle bei der Einkommen­steuer, Ausdehnung der Umsatzsteuer auf Auto­mobiltransporte und Erhöhung verschiedener in­direkter Steuern, in erster Linie der Benzinsteuer. All das genügt aber noch nicht, um das etwa acht Milliarden Franken betragende De­fizit auszugleichen. Es soll daher noch eine auto­nome Pensionskasse geschaffen werden, mit deren Hilfe die in den nächsten Jahren fälligen Pen= fionen auf 50 bis 60 Jahre verteilt werden sollen. Ferner ist beabsichtigt, auf dem Umwege über einen Gesezentwurf für den Ausbau der französischen   Wirtschaft eine neue Anleihe aufzulegen, deren erster Teil( vier Milliarden Franken) noch vor der Verabschiedung des Bud­gets genehmigt werden soll, da das Schazamt wahrscheinlich über nicht mehr genügend flüssige Mittel bis zum Ende des Budget­jahres verfügt.

Diese Pläne der Regierung verteidigte vor der Finanzkommiffion der Kammer der Finanz­

minister mit dem Argument, daß, wenn das Bud­get nicht ausgeglichen werde, die schwebende Schuld Ende 1933 19 Milliarden Franken be= tragen würde.

Ob die Regierung die Schlacht gewinnt, ist durchaus nicht sicher. Man erwartet vielmehr, daß sie bei der Budgetberatung in der Kammer ge= schlagen wird. Ob dann eine schärfer links orientierte Regierung oder gleich eine Konzen­trationsregierung die Geschäfte übernehmen wird, hängt von den weiteren Ereignissen ab. Es dürfte aber so gut wie sicher sein, daß Herriot   in

Wahlkampfes, diesem skrupellosen Räntefpiel der Parteien ein Ende zu bereiten.

Die Deutschnationale Volkspartei   hat sich stets für eine autoritäre Staatsführung eingesetzt. Sie wird es daher auch für die Zukunft ab lehnen, daß das kaum überwundene Partei­regiment in Reich und Preußen durch ein gleich­artiges System mit veränderten Vorzeichen ersetzt wird. Als einzige Fraktion des Reichs­tages haben wir infolgedessen die Mißtrauens­anträge gegen die Regierung Papen   abgelehnt. Heute ist die Deutschnationale Volkspartei   die Zufluchtsstätte für Millionen natio= nal bürgerlicher Wähler, die entweder dem Nationalismus enttäuscht den Rücken kehren oder durch den Zusammenbruch der Mittelpar­teien politisch heimatlos wurden.

Es ist jetzt unsere vordringliche Aufgabe, die finanziellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung dieses bedeutungs­vollen Wahlkampfes zu schaffen. Wir richten da= her an Sie die ergebene Bitte, der Deutschnatio­ nalen Volkspartei  , unter dem besonderen Gesichts­punkt der allein von ihr bedingungslos ver­tretenen privatwirtschaftlichen Grund­säge, durch lle berweisung eines Wahl­beitrages zum Erfolge zu verhelfen. Sollten Sie den Wunsch haben, den Rechtsunterzeichneten zu unserer Bitte persönlich zu sprechen, steht er Ihnen selbstverständlich jederzeit gern zur Ver­fügung. Wir sehen Ihren gefl. Nachrichten mit Interesse entgegen und zeichnen mit der Versiche= rung unserer ausgezeichneten Hochachtung sehr ergebenst

gez. Stadtrat Steinhoff MdR. Verbandsvorsitzender.

gez. Werdelmann Geschäftsführender Schatzmeister

Mit dem Gelde der Großindustrie soll der Kampf gegen die Rechte des Volkes und die Freiheit finanziert werden! Gegen das Industriegeld gilt es, den Opfermut des Volkes einzusetzen!

Militärstreit sei gegebenenfalls das einzige Mittel, um einen Krieg zu verhindern, hat Quisling   ihn des Hochverrats angeklagt. Da der Minister zugleich öffentlich gedroht hat, gegen ,, noch einige außerhalb des Militärs stehende Personen" das gleiche Verfahren zu eröffnen, betont ,, Arbeiterbladet", daß damit die Führer der Arbeiterpartei und der Gewerkschaften ge= meint sind, und daß ein neuer Anschlag Quislings gegen die norwegischen Arbeiter organisationen in Vorbereitung sei.

Der Reichskommissar

jeder neuen Regierung das Außenministe Ein Zeugnis gegen die Gewaltpolitik

rium behält, wie seinerzeit Briand   unter den verschiedenen Rechts- und Linksregierungen.

Krieg nach innen

Wehrminister als Oberscharfmacher

Eigener Bericht des Vorwärts"

Oslo  , 20. Oftober.

Zu der Frage, ob ein Reichskommissar die Landesregierung im Reichsrat vertreten kann, ist nachstehender Brief des früheren preußischen Innenministers, jégigen Präsidente des preußischen Oberverwaltungsgerichts, Dr. Drews, an den Ministerialdirektor Dr. Brecht über die Lage wäh­rend des Krieges von Interesse. Dieser vom Ver­treter der preußischen Regierung Dr. Brecht im Leipziger   Prozeß verlesene Brief lautet:

..Sehr geehrter Herr Ministerialdirektor! Ich bin während des ganzen Krieges zuerst stellver­tretendes, dann ordentliches Mitglied des Bundes­rats gewesen. Ich kann bestimmt erklären, daß während des Belagerungszustandes alle Bevoll­mächtigten stets ausnahmslos von der Landes­regierung, niemals von dem Militärbefehlshaber, instruiert worden sind. Ein solcher Versuch ist auch niemals gemacht worden. Wir würden im Bundes­rat sonst sicher davon gehört haben. Ich habe auch keinen Zweifel, daß ein solcher Versuch im alten Bundesrat einstimmig zurückgewiesen

Der norwegische Kriegsminister Quisling  , ein berüchtigter Arbeiterfeind, der erst kürzlich ein angebliches Attentat gegen seine Person zum Anlaß nahm, die Arbeiterpartei landesverräte­rischer Beziehungen zu den Sowjets zu bezichtigen und ein Verbot der Arbeiterorgani sationen zu erwirken suchte, ist wieder auf dem Kriegspfad. Anläßlich einer von dem See­offizier Olaf Kullmann in mehreren Ar­beiterversammlungen wiederholten Aeußerung, ein worden wäre!"

Selbstentlarvung

Die sozialen Errungenschaften und die KPD  .

Seit einem ihrer Redakteure das Malheur passiert ist, etwas von sozialen Er­rungenschaften der Arbeiter= flaffe" zu schreiben, findet die Rote Fahne  " keine Ruhe mehr. Seitdem hat sie schon drei verschiedene Artikel veröffentlicht und drei verschiedene Theorien entwickelt, um das Vorhandensein sozialer Errungenschaften mit der kommunistischen   Heilslehre in Ein­klang zu bringen.

In dem ersten Artikel wurde auseinander­gesetzt, daß die sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse von der Bourgeoisie als ,, Be= ruhigungsmittel" verabreicht worden

seien.

Als sich über diese neue Klassenkampflehre ein schallendes Gelächter erhob, korrigierte man sich dahin, daß die Arbeiterklasse die sozialen Errungenschaften erkämpft habe, während alle Verluste, die seitdem eintraten, auf das Konto der Sozialdemokratie zu setzen feien.

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In einem dritten Artikel wurde schließlich die historische Entdeckung gemacht, daß die sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse vom Spartatusbund erkämpft find! Das gleiche Wahlrecht zu allen Ver­tretungsförpern, das Tarifrecht, das Schlich­tungswesen, der Ausbau der Sozialversiche­rung, der Achtstundentag usw., das alles ist vom Spartakusbund  , dem Vorläufer der Kommunistischen Partei, erobert worden!

So wird aus dem Beruhigungstee, den eine gutmütige Bourgeoisie dem Proletariat gekocht hat, plötzlich der glänzende Sieges= preis spartakistischer Strategie und Taktik.

Es sollte uns wundern, wenn sich die alten Spartakusbündler, die in der KPD.   noch vor= handen sind, eine solche Geschichtsklitterung gefallen ließen!

Man muß dem Spartakusbund  , geschichtlich gesehen, die Ehre lassen, daß er sich für seinen Irrtum in heroischer Weise eingesetzt hat. Sein Irrtum bestand darin, daß er die Zeit zu einer Diktatur nach russischem Muster für gekommen hielt und daß er von ihr die Ver­wirklichung des ganzen Sozialismus er=

wartete.

Gerade aus dieser Einstellung aber ergibt sich, daß der Spartakusbund   auf alle sozialen Errungenschaften, um die sich die Sozialdemokratie be= mühte, ganz einfach pfiff, daß er im Kampfe für sie nichts anderes sah als Ver­suche, die Arbeiterklasse von ihren eigentlichen Aufgaben abzulenten. Darum hat er ja auch den ,, Reformismus  ", der auf ,, soziale

Errungenschaften" ausging, mit der Flinte in der Faust bekämpft!

Als aber der Spiritus zum Teufel und das Phlegma geblieben war, das heißt, als es feinen Spartatusbund mehr, sondern nur noch eine KPD  . gab, hat dann diese KPD  . nicht alles getan, um das, was die ,, Rote Fahne  " jetzt die sozialen Errungenschaften" nennt, verächtlich zu machen, zu verschimpfieren, bestenfalls als gänzlich wertlos hinzu­stellen?

So wenig wie der Spartakusbund   die Demokratie, den Achtstundentag, das Schlich­tungswesen, das Tarifrecht, den Aufbau der sozialen Fürsorge erkämpft hat, so wenig hat die KPD. getan, um diese sozialen Errungen­schaften zu verteidigen! Im Gegenteil, in­dem sie diese Dinge als nichtig hinstellte, hat sie den Verteidigungswillen der Abeiter geschwächt. Indem sie mit Nazis und Deutschnationalen gegen die Sozialdemokratie gemeinsame Sache machte,