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ein, denn dann kämen die bernsstnäßigen Schreier und Agitatoren an die Spitze. Auch Aiäßigkeits-Bruder- schaften seien zu empfehlen. Eine Beschränkung der Arbeits- zeit namentlich in der Montanindustrie sei geboten. Als der Redner geendet, bedankte sich auf Antrag des Vorsitzen- den die Versammlung für dieso glänzende" Rede. Das hatte Herr Brust auch verdient. An einer Stelle hatte er von der so großen Zahl von Arbeitern gesprochen, die sich den sozialdemokratischen Gemerlschaftsvereinen ange- schlössen, nach ziveimaligcni Athemhole» war diese Menge auf ein Häuflein zusammengeschmolzen, das sich um Bebet und Liebknecht geschaart. Glänzender kann sich Gedankenlosigkeit und Verworrenheit doch wohl nicht erweisen. Die angenommene Resolution sprach sich außer für die bereits erwähnten Vorschläge noch für die Errich- tung von gemeinschaftlichen Arbeitsvermitteluugsstellen aus, weiter für Gründung und Förderung von Vereinen für katholische Handlungsgehilfen und-Lehrlinge, für Herstellung angemessener und billiger Arbeiterfamilien-Wohnungen, für Arbeiter- und Arbeiterinnueu-Hospize, die auf konfessioneller Grundlage ruhen. Die obligatorische Einführung von Lohn- büchern für Minderjährige mit der Maßgabe, daß die Aus- löhnung dieser nur auf Quittung der Eltern hin erfolgt, wird auf das dringendste empfohlen. Auf die anderen Be- schlüsse näher einzugehen, erübrigt sich. Wenn die Katholiken katholische Hochschulen errichten wollen, so ist das einzig und allein Sache ihres Geldbeutels. In Dortmund wurde gar scharf gegen das Duell losgedonnert. Wer aber, wie das Zentrum, auch in dieser Sache einmal umgefallen, darf nicht verlangen, daß man seinem Charakter Wetter- beständigkeit zutraut. Die eigentliche politische Organisation der Zentrums- lcute, der Volksverein für das katholische Deutschland , hat, wie bereits erwähnt, in Dortmund ebenfalls seine Bilanz gezogen. Der Verein zählte Ende 1895 rund 13t) 090 Mit- glieder, besitzt in manchen Städten Bezirksvorsteher, die mit Vertrauensmännern arbeiten, hat sich der Agitation für die Wahlen zum Gewerbegericht gewidmet und im letzten Jahre iVa Millionen Exemplare von Druckschriften und Flugblättern verbreitet. Bis jetzt sind von ihm 24 Volks- bureaus eingerichtet worden und eine soziale Auskunftsstette in M.-Gladbach. Der Dortmunder Katholiken- Tag wird von den entrumsblättern als voller Erfolg gefeiert werden. Die crständigercn unter den Zentrunisleuten werden sich aber nicht verhehlen können, daß es mit der Einigkeit und Ge- schlossenheit des Zentrums denn doch seinen Haken hat. Wozu denn sonst das ganze Tamtamgetöse? Wenn ich alles ablege, was mir eigen ist, dann kann ich leicht mit jedem zweiten einig sein. Das Zentrum mag seinen einzelnen Gruppen noch mehr bewilligen als heute: einmal kommt doch die Zeit, in der es die Fordernden nicht mehr befriedigen kann, dann fällt das ganze Parteigebilde auseinander. Der denkende Arbeiter steht den Versprechungen von Zentrumsgnaden kühl bis ans Herz hinan gegenüber. Das Annehmbare, das ihm die schivarzen Herreu versprechen können, vermag er sich zu erringen aus eigener Kraft. So hat er für die gesammte Anvetterungsgesellschaft nur ein Wort: «Laß' krauchen!" politische Aebevficht. Berlin , 28. August. Das Urtheil im Prozeß Munter-Hofrichter liegt jetzt vor. Bei dem Interesse, welches dieses Erkenntniß ge- weckt hat und bei seiner Bedeutung für das Wiederaufnahme- verfahren zu guusten Schröder's und Genossen geben wir nach derRheinischen Zeitung" seinen wesentlichsten Theil im Wortlaut wieder. Das Erkenntniß sagt nach Wieder- gäbe des beleidigenden Artikels und Bezeichnung der be- leidigenden Stellen: Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorfalles weichen die Aus- sagen der Zeugen derart von einander ab, daß es dem G e- richt unmöglich war, sich ein klares Bild von dem Hergang an der Kasse, soweit Münter und Schröder in Frage kommen, zu machen. Es blieb vielmehr nach der Beweisaufnahme die Annahme ver- schiedener Möglichkeiten übrig. Zunächst konnte die Möglichkeit nicht als ausgeschlossen gelten, daß, abgesehen von dem frühere» Auflegen der Hand auf die Schuller, Münter den Schröder überhaupt gar nicht berührt hat. Ebensowenigerscheintes aber ausgeschlossen, daß Münter bei dem schnellen Hinzutreten zur Gegend desKassirer- tisches hin den Schröder n>it Brust oder Unter- leib angelaufen und so dessen Fall verursacht hat ob absichtlich oder unabsichtlich, bliebe bei dieser Annahme ein weiterer Ziveisel. Endlich ist durch die Beweisausnahme auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß Schröder von der Hand Münter's einen Schlag oder Stoß erhalten hat und dadurch zu Fall gekommen ist. Die größere Anzahl der Zeugen bekundet, daß sie nicht gesehen, daß Münter dem Schröder einen Stoß oder Schlag versetzt habe, daß sie solches aber hätten sehen müssen, wenn es geschehen wäre. Zu diesen gehört auch der P o l iz ei k o m m i s s a r B r o ck m e i e r, der auch die M ö g l i ch k e i t z n g i e b t, daß Münter, dessen linke Seite eine kurze Zeit seinem Blick durch eine Säule des Saales verdeckt gewesen, in diesem Augenblick mit der linken Hand einen kurzen Stoß hätte führen können, ohne daß er, Brockmeier, es habe sehen müssen. Fünf Zeugen sagen aus, daß Schröder kurz vor seinem Falle v o n M ü» t e r einen Stoß erhalten habe, drei derselben fügen noch hinzu, daß der Stoß in die Nackengegend gegangen sei. Einige Zeugen bekunden auch, daß Schröder den Eindruck der An- getrunkenheit gemacht, insbesondere einen unsicheren Gang gehabt habe. Ausfallend ist, daß von denjenigen Zeugen, die von einem Stoß nichts gesehen haben, keine befriedigende Erklärung für das von ihnen beobachtete Hinfallen des Schröder gegeben werden kann. Ob die angebliche Trunkenheit hier mitgewirkt, ob ein Straucheln über das Podium die Ursache gewesen, ob Schröder einmal oder ziveimal gefallen, alles dieses ist nicht mit Bestimmtheit festzustellen gewesen. Selbst der sonst allseitig gemachte» Bekundung, daß Schröder auf die vorgestreckten Hände gefallen, widerspricht der Zeuge Keunhvff, der gesehen haben will, daß Schröder auf den Rücken gefallen sei. Das Gericht hat aber trotzdem keine Veranlassung gefunden, einzelne Zeugen der Verletzung der Eides- Pflicht zu verdächtigen. Die Widersprüche sind erklärlich mit Rücksicht aus die Schnelligkeit, mit der sich der Borfall inmitten einer un- ruhig gewordenen Menge abgespielt, und mit Rücksicht auf Voreingenommenheit einzelner Beobachter für oder gegen Schröder. Daß diese Widersprüche heute, nach stark IE Monaten hervor« treten, ist doppelt erklärlich, einerseits schon weil viel- fach niaugelude Gedächtnißstärke der Zeugen das ursprünglich dem Geist eingeprägte Bild verwischt haben wird und besonders, weil in dieser in der Presse und vor den Gerichten vielfach ver- handelten Angelegenheit das ursprüngliche Bild durch Er- zählungen und Besprechungen beeinflußt sein und so gehörtes und ivicdererzähltes sich unwillkürlich und unbemerkt mit dem Thatbestnnd des wirklich Beobachteten gemischt haben wird." Das Urtheil führt sodann noch aus, daß die Wahrnehmung eines berechtigten Interesses dem Angeklagten nicht habe zu- gesprochen werden können, da die Sache ihn selbst nicht angehe und allgemein sittliche Beweggründe einen Redakteur nicht als Vertzreter fremder In ter- essen l e g i t i m i r t e n. Dies ist bekanntlich leider in einer Reichsgerichts-Entscheidnug ausgesprochen. Die Unschuld von Schröder und Genossen ergiebt sich auch aus dem Kölner Urtheil mit einem so hohen Grade von Wahrscheinlichkeit, daß man eigentlich erwarten dürfte, der Justizminister werde nach Kenntuiß- nähme des Urtheils sofort die zuständige Staatsanwaltschaft veranlassen, das Wiederaufnahmeverfahren zu betreiben und die Freilassuug der unschuldig Verurtheilten herbeizuführen. Diese Erwartung derRheinischen Zeitung" können ivir nicht theileu, um so mehr nicht, als trotz der mannig- fachen Preßstimmen und Aufrufe auch seitens bürgerlicher Kreise, bisher keine Schritte unternommen wurden, die im Zuchthaus schmachteuden von der Qual, unschuldig ver- urtheilt zu sein, zu befreien. Chronik der Majestätsbeleidigungs- Prozesse. Der ehemalige Buchhändler Raimund D r ö s e stand gestern vor der Breslaner Ferien-Slrafkammer. Der jetzt S5 Jahre alte Mann war bereits in seiner Jugend zum Landstreicher und Bettler herabgesunken, dann aber durch die werkthätige Hilfe des Kreiskassen- Rendanten in einer oberschlesischen Stadt aus dem Sumpfe gezogen und als Bnreaugehilfe angestellt worden. Neun Jahre lang hatte er sich dann gut geführt, war ein recht­schaffener Mensch und fleißiger Arbeiter geworden und jedermann hatte geglaubt, daß er nun endgillig gebessert sei. Aber plötzlich hatte der alte Dämon wieder Gewalt über ihn bekommen, und seit dem Jahre ISSI führt er wieder das unstäte elende Lebe» eines nichtsnutzigen Vagabunden. Im März d. I., als sein Weg ihn gerade zufällig»ach Breslau geführt hatte, veranlaßte er in einer Kneipe trunkenen Muthes eine wüste Szene, ver- letzte einen friedlichen Mann mit dem Messer, stieß eine wilde Majestätsbeleidigung aus und griff den zur Abwehr gegen ihn herbeigerufenen Schutzmann thntlich an, als derselbe ihn ver- haften wollte. In der ersten Verhandlung konnte nur der An- griff auf den Schutzmann festgestellt werden, welchen das Gericht mit einer Gesängnißstrafe von einem Monat ahndete. Bezüglich der übrigen Delikte mußte, da die wichtigsten Zeugen fehlten, Vertagung eintreten. Heute erst wurde der Schuldbeweis ergänzt und über den Angeklagten eine Zusatzstrafe von 19 Monaten Gesängniß verhängt. War der Mann nicht geistig gestört? Deutsches Reich . Die Aufgaben der nächsten Session des Reichstages werden in denBerliner Politische» Nach- richten" erörtert. Zunächst werde ein recht umfang- reiches Ueberbleibsel, und zwar die Novelle zum Gerichtsver- fasfungs-Gesetz und zur Strafprozeß-Ordnung, in der Fragen wie die E n t s ch ä d i g rt n g tut f ch u l d i g Ber­ti r t h e i l t e r, Wiedereinführung der Berufung in Strafsachen u. a. m. ihre Erledigung finden sollen, ans- zuarbeiten haben. Die Novelle ist einer besonderen Kommission zur Berathung überwiesen gewesen. Ein ausführlicher Bericht der letzteren liegt auch vor. Immerhin werde man mit recht langwierigen Einzelberalhnngen der zweiten und dritten Lesung im Plenum des Reichstages zu rechnen haben. Daß die M i l i t ä r- S t r a f p r o z e ß- O r d n u n g im Herbst an den Bundesrath gelangen wird, steht nunmehr fest. Wenn- gleich auch die begründetste Aussicht vorhanden ist, daß der Bundesralh die Vorlage an den Reichstag weitergeben ivird, so dürfte noch nicht feststehen, daß sie sich unter den ersten Eni- würfen befinden wird, die dem Reichstage zugehen werden. Die Berathung im Bundesrathe werde doch einige Zeit erfordern. Dagegen bestehe die Hoffnung, daß der R e i ch s h a u s h a l t s- etat für 1697/93 auch diesmal, obschon der Tagungsabschnitt wesentlich früher beginnt als die sonstigen Tagungen, bald nach der Wiederausnahme der Sitzungen eingebracht werden kann. Auch mit dem zur Vorlage ain iveitesten vorbereiteten der an das Bürgerliche Gesetzbuch sich an- schließenden Entwürfe, dem neuen Handelsgesetzbuch, hoffe man, nachdem zum' Beginn des Oktober die letzten Gut- achten der Interessentenkreise eingegangen sein werden, so früh- zeitig fertig zu werden, daß es dem Reichstage bald iverde zugestellt werden können. Kommt zu diesen Entwürfen noch der betreffs des Aus Wanderungsgesetzes hinzu, von dem auch denB. P. 91." bestätigt wird, daß er den Reichstag dem- nächst beschäftigen soll, so wäre damit schon, und noch mehr, wenn man bedenkt, daß dieHandwerksorganisations- Vorlage in anderer Gestalt als in dem vorigen Tagungs- abschnitte an den Reichstag gelangen soll, eine Fülle von Auf- gaben zur Lösung gestellt, wie sie nur in recht bedeutungsvollen Tagungen vorzukommen pflegt. Von der Generalversammlung der Katholiken Deutschlands ist noch zu berichten: Bezüglich der Handwerkerfrage erklärte sich die Generalversammlung noch für die gesetzliche Regelung des Lehrlingswesens und die gesetzliche Anerkennung des Meister- titels. Hierauf wurde Fürst v. Löivenstein(München ) wiederum zum Kommissar der Generalversammlung gewählt und be- schloffen, diesem die Bestimmung des Ortes der nächstjährigen Generalversammlung anheünzngeben. Alsdann begann im großen Saale desFredenbaum " die letzte öffentliche Generalversammlung. Den ersten Vortrag hielt Abgeordneter Prinz von Arenberg(Berlin ) über das Missions ivese n in den deutschen Ko- lonien". Der Redner bemerkte unter anderm: Seit Beginn der deutschen Kolonialpolitik Hab« das deutsche Missionswesen in Afrika «inen ganz bedeutenden Auf- schwung genommen. Es müsse aber mit allen Kräften dahin gewirkt werden, daß die katholische Mission nicht zurückbleibe. Eine K o l o n i a lp o Ii t i k ohne Mission sei absolut n«deutbar. Wir verlangen überhaupt eine Kolonialpolilik nach unseren Grundsätzen.(Bravo.) Eine andere Kolonialpolitik können wir nicht. Insofern ist die deutsche Kolonialpolitik eine echt christliche und eine echt patriotische.(Bravo.) Wir g e> hören nicht zu den sogenannten Kolonial- schwär ni er n, trotzdem lassen wir uns durch Rückschläge nicht abschrecken. Wir sind stets bereit, eine gesunde und christliche Kolonial- Politik zu n n t,e r st ü tz e n.(Stürmischer Beifall.) Wir können es aber nicht billigen, wenn die Kolonialpotitik extravaganten Marineforderungen als Vorspann dienen soll. Wir wissen sehr wohl, daß der überseeische Handel und die Deutschen im Auslande eines wirksamen Schutzes bedürfen. Das Zentrum wird auch niemals die Bezahlung derKosten- rechnung für Fortführung der Kolonialpolitik verweigern, wir können aber nicht extra- vaganten Marineforderungen zustimmen, die die Bevölkerung überdasMaß derNothwendig- keit übermäßig belasten würden.(Stürmischer Beifall.) Aus der Vorgeschichte der Umsturz- vorläge. Wie dieGermania " verräth, haben die p reußi- s ch e n Bischöfe es vor zwei Jahre» für angemessen ge- halten, unterm 22. August 1894 an den damaligen Reichskanzler, Grafen Caprivi. eineEingabe über die religions- feindliche Literatur" zu richten. In dem originellen Schriftstück heißt es u. a.: Die positivistisch- materialistische Zeit- st r ö m u n g hat s e u ch e n a r t i g alle F o r s ch u n g s- gebiete ergriffen. Vor allem haben wir deren n n h e i l v o l l e n Einfluß auf die Sitten- und Erziehungswissenschaft zu beklagen. Der Pofl- tivismus erklärt das Sittliche als eine rein mensch- liche Erfindung und Einrichtung, als das veränder- liche Erzcugniß der Geschichte, und lehrt die u n a b- hängige, das ist religionslose und rein welt- liche Moral. Die positivistischen Anschauungen und Be- strebungen finden eine eifrige Verbreitung durch die aus Amerika eingeführtenGesellschaften für ethische Kultur", die unter dem ade n scheinige n Deckmantel religiöser Duld- a m k e i t ihren Haß gegen das Christenthum zu verbergen suchen. Die Wortführer dieser Bewegung, an er st er Stelle Universitätsprofessoren, verlangen die Einführung der religionslosen Sittenlehre in die deutsche Volksschule. Manche Lehrervereine und ein sehr bedeutender Theil der Lehrerpresse stellen recht aufdringlich dasselbe Ansinnen. Im Anschlüsse an bekannte Hochschullehrer wird in zahlreichen populär-wissenschastlichen und vollsihümlichen Schriften jene ein- heitliche rohfinnliche(!) Welt- und Geschichts- betrachtung gelehrt und vertheidigt, die den Menschen zu einem Rädchen oder Hämmerchen in der blind arbeitenden Welt- Maschine, zur Puppe des Nothivendigkeitsgesetzes herabwürdigt. Tugend und Laster aber werden leere Begriffe, die Sitten- und Erziehungslehre kommt in Wegfall, wenn das ganze Menschen- und Menschheitslebeu lediglich als ein Bestaudtheil des unab- änderlichen Naturlaufes gedeutet wird." An diese Angriffe auf w i s s e n s ch a s t l i ch e R i ch t u n g e'n schließen s i ch in dem bischöflichen Schreiben Beschwerden über das Umfichgreisen schlüpfriger Bühnen- st ü ck e und Romane, sowie über Bücher und Bilder, dieunmittelbar der Unzucht dienen", worauf. nach einem Hinweis auf die Unzulänglichkeit der hier- gegen gerichteten Strafbestimniungen, abermals zu eineni Angriff gegen die freie Wissenschaft ausgeholt wird: Wir wissen sehr wohl die Hindernisse zu würdigen, welche die Bekämpfung der von uns kurz dargelegten Uebelftände sehr erheblich erschweren. Die Wurzel nämlich des von uns beklagten Verderbens bleibt unangetastet und in fröhlicher Trieb- kraft erhalten, so lange die religionslose und religio n ssei n dliche Wissenschaft in gelehrten Schulen u n d S ch r i f t e n die Grundlagen der Sittlichkeit und des Rechtes und somit aller staatlichen und gesellschaft- lichen Ordnuiig nach wie vor ungescheut und ungestraft untergräbt. Alle gesetzgeberischen wie polizeilichen Versuche, der gottlosen und unsittlichen Kulturströmiiiig zu steuern, entbehren der Folgerichtigkeit und des durchschlagenden Erfolges, wenn staallicherseits berufene, besoldete und beschützte Lehrer der Wissenschaft sich des Vorrechtes zu erfreuen scheinen, die heiligsten Ueber- zeug u n gen und die ehrwürdigsten Ueberliese- r n n gen des deutschen Volkes ungestraft an- g r e i f e n zu dürfen. Wie die Sozialdemokraten, mit den Errungenschaften des modernen Denkens bewaffnet, ihre U ni st u r z p l ä n e verkünden und verfechten, so sind auch die Urheber und Verbreiter religions- und sitten- verderblicher Literatur- und Knnsterzeug nisse berechtigt, zu gunsten ihres schändlichen Thuns die Welt-undLebensanschauung der Gelehrten» welt anzurufen. Wer von der vorgeschrittenen Wissenschaft belehrt oder beredet wird, sich n u r als Thier zu fühlen, darf auch als Thier leben. Die Mafien werden es nimmer begreifen, daß die Leugnung der religiösen und sittlichen Wahrheiten ein Vorrecht der gebildeten Klaffen bleiben müffe. Wir bitten den allmächtigen und all- gütigen Gott, daß er Ew. Exzellenz die richtigen Mittel und Wege finden lasse, dem geliebten deutschen Volke die kostbarsten Güter retten zu helfen." Uns erscheint jedes Wort der Kritik überflüssig. Lateinisch und deutsch . Das Bureau des Katholiken- tages hat eine lateinische Adresse an den Papst gerichtet, die theil- weise vorzüglich stilifirt ist. Aber die deutsche Uebersetzung der Tremonia " ist nicht lreu, sie bringt nämlich den Klassengegensatz hinaus. Im lateinischen Original lautet ein Satz:.Axstur... «Ig conciliandis mutuo caritatis atque iustitiae foedere tum iis qui, in magnis praesertim opifieüs, manu laborem tolerant tum iis qui talibus opifieüs praesunt." DieTrem." übersetzt: Es wird unsere Aufgabe sein, das Verhältniß der Arbeit- geber und Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der Liebe und Gerechtigkeit recht versöhnlich zu gestalten." Richtig übersetzt beißt der Satz jedoch:Es wird sich darum handeln, durch ein wechselseitiges Bündniß der christlichen Liebe und der Gerechtig- keit diejenigen, die zumal in den großen Mühen der Gegenwart die Arbeit mit der Hand auf sich nehmen müffen, und jene, welche solche Kapitalien besitzen, zu versöhnen." Warum mußte denn die Bezeichnung des Klassengegensatzes in der Uebersetzung abgeschwächt werden? Sonst spricht man vonehrlichem Deutsch " und spottet dagegen über Aerztelatein, Jägerlatein und dergleichen. Diesmal war aber umgekehrt das Latein ehrlicher. Köln, 27. August. Ein Ermittelungsverfahren ist gegen dieRheinische Zeitung " eingeleitet worden. Gestern wurden der Verleger und der Korrektor vernommen, um Auskunft zu geben über den Verfasser der in Nr. 162 enthaltenen Sonntagsplauderei", worin eine Beschimpfung der evangelischen Kirche enthalten sein soll. Die Veruehmnng hatte keinen Erfolg. Es soll nunmehr das Setzerpersonal vernommen werden; für morgen ist der Metteur vorgeladen worden. Ob übermorgeii auch das Austragepersonal Vorladungen er- hält, scheint noch nicht bestimmt zu sein. Wozu die Bestimmüngen im Preßgesetz über den verantwort- lichen Redakteur im deutschen Reichs- Preßgesetze stehen, scheint man in der Kölner Staatsanwaltschaft vergessen zu habe». Oesterreich. Das russische Wien . Die Vorbereitungen der Wiener Polizei, der dabei offenbar geübte russische Detektivs assistiren, anläßlich der heutigen Ankunft des russischen Kaiser- paares sind geradezu phantastischer Art. DieWiener Arbeiter- Zeitung" theilt folgende interessante Einzelheiten mit, die speziell in Breslau , wohin der Zar demnächst kommen wird, interessiren werden. Den Hausherren wurde es zur Pflicht gemacht, das Eintreffen von Gästen und Fremden unverzüglich zu melden. Die Hanslhore müssen während des Einzuges genau be- wacht, die Dachböden geschlossen sein. Unter schärfster Kontrolle stehen alle Fremden ans Rußland , Polen und auch aus dem übrigen Ausland. Die Papiere dieser Fremden wurden neuerlich geprüft. Ein ganzes Korps russischer Detektivs ist hier angekommen, nicht weniger als 169 Mann, zu- meist sehr kräftige und intelligente Personen. Manche Vorstchts- maßregeln wirken einfach lächerlich. So wird das Kunsthistorische Hosmuseum am Vormittag für jedermann geschlossen sein, auch für die Kunstakademiker und sonstigen Maler, die drinnen studien» halber oder ums liebe Brot alte Meister kopiren. Die Fenster- vorhänge müssen geschloffen sein. Die im Direktionsgebäude der Nordbahn gegenüber dem Nordbahnhof beschäftigten Beamten. Diurnisten und Diener dürfen heute erst um 12 Uhr mittags ihr«»