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IRMGARD KEUN :

Gilgi

eine von uns

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Gilgi faßt fester das Kuvert und die Ringe ... solche Träume darf man doch nicht haben - das ist widerlich solche Träume... Sie flopft an die halbgeöffnete Tür so ein fnöcherner Laut... tack, tack, tack... alles ist still hier oben. Jemand hat gesagt, daß ich tausend Stunden hier klopfen muß tad, tack, tack- ich habe rote Schuhe an und mein blaues Kleid wie kommt es denn, daß ich zu meinem blauen Kleid die roten Schuhe angezogen habe? Das ist mir doch noch nie passiert tausend Stunden muß ich flopfen... warum steht auf Straßenbahn­fahrscheinen so furchtbar viel draufich möchte wissen, was das alles bedeutet, was auf den Straßenbahnfahrscheinen steht... tack, tack, tacob ich jezt tausend Stunden geflopft habe? Die Türflinke ist blind und hat dunkle Flecken- man müßte die Klinke mal puzen mit... ja, wie heißt das Zeug, mit dem man Klinken puzt? Wie heißt das denn... ich muß auf den Namen kommen... jetzt ruft die schmutzige Klinke nach meiner Hand ich muß sie anfassen... Gilgi geht in das Zimmer, zieht die Tür hinter sich zu. Das Fenster ist aufgerissen, die Betten sind grau zermühlt. Ein ekelhafter, süßlicher Ge­ruch friecht über den Boden- an einem her­auf... ich habe rote Schuhe an und auf Straßenbahnfahrscheinen steht so furchtbar viel drauf... ich weiß, daß ich rote Schuhe anhabe... ich weiß noch mehr... ich weiß, daß die tot sind der Hans und die Hertha und die kleinen Kinder- Hans- Hertha- haben denn Tote auch noch Namen? Ich bin nicht irrsinnig, ich bin ganz wach und klar und kalt und gar nicht traurig. ich bin gar nichts mehr. Gilgi tritt an das geöffnete Fenster, beugt sich weit hinaus... sieht tief unten die Straße... man muß sich ent­scheiden und man darf nicht davon­laufen... ich weiß alles alles- die sind tot was ist das? die sind tot, weil ich gestern nicht gekommen bin- das muß ich ganz zu Ende denken das bleibt mir nicht

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erspart

weiter

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da muß ich weiter denken weiter ganz genau denken nichts auslassen... die sind hier gestorben, während ich mit Martin... Hyazinthen in schwarzen Basen... Gilgi beugt sich weiter aus dem Fenster... da unten das Pflaster, das macht alles zu Ende das gibt es zu wissen, daß alles zu Ende sein kann- sehr schön, das zu wissen sehr, sehr schön. Das muß man sich genau vorstellen: nach unten fällt man durch die Luft- ein leichtes Geräusch ein löschender Schmerz, ein sehr harter Schmerzein zerflossener Brei von Fleisch und Blut und Knochen alles fließt aus einem heraus- das ganze Blut und Hirn und das Untragbare. Das ist gar nicht efelhaft das ist sehr schön- so

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rotes Blut auf dem schmutzigen, grauen Pflaster und alles zu Ende... Man muß sich entscheiden ich bin nicht irrsinnig, und ich werde auch nicht ohnmächtig- ich habe ganz und gar meinen freien Willen nichts hilft mir von außen. Noch etwas weiter hinausbeugen dann falle ich dann... ich habe gar keine Angst... mein Kopf ist so schwer er zieht mich nach unten meine Füße sind so schwer- lösen sich nicht vom Boden ich habe rote Schuhe an, rote Schuhe die sind an den Boden genagelt... Gilgi fällt hintenüber, fällt mit der Schläfe gegen einen Stuhl Blut rieselt übers Ge sichtfeucht und warm. Stumm bleibt sie liegen die Augen weit offen- Sekunden, Minuten. Steht dann auf. Hart und ent schlossen. Tritt vor den kleinen Spiegel über dem Waschtisch taucht ein Taschentuch in den Wassertrug und wischt langsam das Blut von Wange und Schläfe- das Gesicht im Spiegel ist grau und verfallen. Lange sieht Gilgi in das fremde Spiegelgesicht. Breßt die Lippen zu einem schmalen, harten Strich zusammen. Bon vorne anfangen, Gilgi ! Vier Menschen sind tot. Die Schuld, die ich daran habe... sehen, wie ich damit fertig werde. Die Schuld, die ich nicht habe die lehne ich ab, die rede ich mir nicht ein, die will ich nicht tragen. Das Tatsächliche ist mir schwer genug. Und ich weiß, was ich tun muß das Schwerste. Aber ich lebe, und Martin lebt, und das Kind lebt... ich will leben und ich bin froh, daß ich lebe. Gilgis harte fleine Schritte verhallen auf der Treppe. Vor­bei an den schwazenden Weibern - durch die Straße... Neun Uhr ist's, und Martin wird fort sein. Gut so.

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Im Schlafzimmer unterm Schrank steht Gilgis Koffer. Sie zieht ihn hervor. Packt ihre Kleider, ihre Wäsche hinein. Sehr schnell, sehr sicher hantiert sie. Sicher? Das winzigste Fragezeichen, das allergeringste Ueberlegen im Kopf macht die Hände zittern, unfähig, sich zu bewegen, zu fassen, zu halten. Hart bleiben, hart bleiben das Schwerste tun, das Richtige tun- Richtige? Warum rich­tig?... Ah, nicht denken... Sie streicht leicht mit der Hand über die bunten Abendkleider im Schrank ihr könnt hängen bleiben, ich

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brauche euch nicht eh' ich mal wieder ein Abendkleid trage, seid ihr längst unmodern geworden. Nicht ruhig stehen immer was tun, immer was tun sie schließt den Koffer. Was jetzt... ein paar Zeilen für Martin... ich tu' mir so weh, ich mache mich ganz tot die Luft muß mir helfen und das Papier und alles um mich herum zu schwer allein... zu schwer nein doch, ich schreibe... feste, harte Buchstaben- weißes

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Papier, Schwarzes Gefringel, weißes Papier ... rote Schuhe, rote... und die Luft muß mir helfen.

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... nur weil ich dich liebe. Hab' keine Angst- um mich nicht. Muß alles so sein, Du hab' Vertrauen zu mir etwas ist geschehen, ich kann nicht mehr lachen, lange nicht mehr. So, wie ich jetzt bin, würd' ich nur Last für dich sein und dich mit traurig machen... vielleicht hättest du mich dann nicht mehr lieb... vor nichts hab' ich mehr Angst. Vergiß mich nicht bitte."

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Der Name verweint sich in schlingernder Linie. Sie legt den Zettel mitten auf den EBzimmertisch Hyazinthen weiße Hyazinthen in schwarzen Basen. Mein süßes Leben ewig trage ich dich in meinem Blut. Das goldene Feuer... Kniet vor dem Diwan, die kleine Gilgi, legt den Kopf in die Kissen- die goldrote Seide Farbe deiner Lebens­liebe- du und wieder nur du... hab' keine

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Träne für andre- Tränen verzischen un­geweint in Liebe zu dir... du hast mich ge= schaffen ich bete dich an deine goldrote Farbe ich will kein Grau in ihr für dich nicht, für mich nicht... der Koffer wird schwer sein...

Gilgi steht auf. Blind versunken die Augen, verkrümmt den Mund, verfahlt die Haut... und man geht, geht. man weint nicht, man man geht mit dem Koffer stirbt nicht

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- man fährt... Gefrorene Welt. Warum tut man sich weh- so sehr? Man ist ein

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blutiger Fezen Fleisch, von Haut verhüllt... ach, mein Kopf ach, mein Kopf- wer sticht die Nadeln hin­ein lieber Gott, denkst du, mein Kopf iſt ein Nadelkissen...

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,, Pit", sagt Gilgi und tritt in sein Zimmer ,, Pit, daß du da bist! Gott sei Dank! Du mußt mir helfen, daß ich heute abend mit dem Zug nach Berlin fahre...

Die Versicherung

( Fortsetzung folgt.)

Die Geschichte eines, der im Gefängnis faß/ Von Bernhard Gervaise

Als Afred Merker das Gefängnis verließ, stieß er zu seinem größten Erstaunen auf seinen frühe­ren Chef, der ihn für einen Diebstahl hatte ver­urteilen lassen.

,, Guten Tag, Merker!" rief er aus. Mich haben Sie hier wohl nicht erwartet? Was? Ich hatte mich erfundigt und erfahren, daß Sie heute frei­gelassen würden."

rade genug, daß er sein Anerbieten angenommen hatte.

,, Schließlich blieb mir ja keine Wahl," sagte er fich zur Entschuldigung. Mit den Zeugnissen und Referenzen, die ich jetzt vorweisen könnte, findet man nicht so leicht eine Stellung als Kaj­fierer und Buchhalter!"

Selbstverständlich würde er feine verlegende

,, Was wünschen Sie denn von mir?" fragte Anspielung noch irgendeine deplacierte Bemerkung Merker, nicht besonders liebenswürdig.

" Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen." erwiderte Herr Doßler, wollen Sie wieder zu mir fommen?"

Der frühere Strafgefangene zuckte zusammen: ,, Wieder zu Ihnen kommen?"

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,, Ja, Sie haben zwar Dummheiten gemacht aber decken wir den Mantel der Nächstenliebe dar­über!... Ich hoffe allerdings, daß Sie aus dem Vorgefallenen eine Lehre gezogen haben, und wir wollen nicht mehr davon reden. Wenn Sie zu den gleichen Bedingungen wie früher Ihren Posten wieder bei mir übernehmen wollen, fom­men Sie am Montag ins Büro, ich erwarte Sie." Alfred Merker überlegte einen Augenblick, bis er sich entschied: Abgemacht!" jagte er, bis Montag also!"

Man kann sicher über den Einfluß der Gefäng= nisse auf die Moral verschiedener Ansicht sein, es läßt sich aber nicht bestreiten, daß man dort ein gewisses Gefühl der Würde erwirbt. Merker wäre sich in seinen eigenen Augen als herabgesezt vor­gekommen, wenn er diesem Vorgesezten ohne eine Spur von Herz, der ihn trotz aller Bitten und Tränen wegen geringfügiger Unterschlagungen der Justiz ausgeliefert hatte, auch nur die geringste Dankbarkeit entgegengebracht hätte. Es war ge=

seitens des Chefs oder seiner Kollegen dulden. Aber man benahm sich außerordentlich taktvoll, empfing ihn sehr freundlich und nahm seine Rück­kehr als die natürlichste Sache der Welt hin. Der Chef besaß so viel Anstand, nicht etwa diese un­erträgliche Eitelkeit zur Schau zu tragen, wie man sie bei Leuten findet, die glauben, ein gutes Werk getan zu haben.

,, Guten Tag, Merker!" sagte er einfach. Sie wissen ja, was Sie zu tun haben, ich brauche mich also nicht darum zu fümmern, nicht wahr? Falls Sie aber irgendwelche Auskünfte benötigen über das, was in Ihrer Abwesenheit vorgefallen ist, so stehe ich Ihnen gern zur Verfügung."

Alfred dankte von oben herab und begab sich an die Arbeit. Es gab wahrlich genug zu tun, denn die Bücher waren sehr vernachlässigt.

Wir haben inzwischen drei Buchhalter gehabt, die es nicht geschafft haben," belehrte ihn der Hausdiener. Sie behaupteten alle, daß es für einen zu viel Arbeit wäre und verlangten eine Hilfe, die der Chef aber niemals bewilligt hat, das können Sie sich ja denken!... Er pflegte in solchen Fällen zu sagen: Ihr Vorgänger ist auch allein fertig geworden!"

Und er setzte hinzu:" Sicher hat man Sie nur aus diesem Grunde wieder zurückgeholt." Troy

Mondänes Dorf

Von Erna Büsing

Nicht weit von der Großstadt liegt es, dieses fleine verträumte Dorf Noch hat es aus der Landschaft heraus seine Eigenart. Wenn im Winter in der Großstadt der Schnee in schmuzigen Haufen Fußsteige und Fahrdämme einfäumt, dann guckt er im Dorf roch mit tausend diamantenen Sternenaugen von den grünen Tannenzweigen. Und wenn im Sommer die Großstadtstraßen im schmierig dunstigen Asphaltnebel verschwinden, dann atmen die Bäume des Dorfes Sauerstoff aus. Das sind die Reize des Dorses, die seine Be= wohner, mit zager Hoffnung auf die Großstadt, modernisieren.

Da ist der Friseur. Er hat sich, als schicksal­gebundenes Rompliment an die Großstadtdamen, einen Dauerwellenapparat angeschafft. Der hat seine Kundschaft; weil die Damen, die nur äußer­lich den zur Zeit modernen Dorffrieden loben, in Wirklichkeit nichts mit ihm anzufangen wissen und daher Ruhe haben, beim Friseur zu warten. In der Stadt macht dieses Warten nervös, aber auf dem Dorf ist es angenehm, da man staunenden Ohren von sich und seinen gesellschaftlichen Ber­pflichtungen in der Großstadt erzählen kann. Darum ist er viel in Betrieb, dieser Dauermellen­apparat. Er ist an der Pumpe angeschlossen und die gesamte Nachbarschaft tann, falls fie, gerade arbeitet, kein Wasser holen. Die Pumpe teilt dann nämlich elektrische Schläge aus, die unbedingt kräftigen Ohrfeigen gleichkommen. Mehrere Wasserträgerinnen schließen einen geduldigen Halbkreis um die Pumpe.

Auch der Kaufmann muß sich auf die groß­städtische Kundschaft einstellen. Er hat einmal in einer Zeitung gelesen, daß ein berühmter Innen­architekt behauptete, gelb sei die Farbe der Freude. Darum hat er sein Haus gelb streichen lassen, obwohl es nun frierend falt und nahezu abweisend in der Landschaft steht. Früher war es rot ge= wesen und ein warmer Farbenkler; denn rot ist die Farbe des Blutes und somit des Lebens. Doch der schlaue Kaufmann beachtete nicht nur die Aeußerungen eines Innenarchitekten, er beachtet auch peinlich genau alle Strömungen der Politik.

Deshalb bezieht er von einer großstädtischen Firma Hakenkreuzbonbons und von einer zweiten Bonbons in schwarzrotgoldener Verpackung. Doch da durch diese beiden Sorten die Politik noch nicht gewinnbringend genug erfaßt ist, hat er einen fleinen stellungslosen dörflichen Bonbonkocher an der Hand, der ihm schwarzweißrote Bonbons, solche mit dem Sowjetstern und allen möglichen anderen Parteiabzeichen fabriziert. Diese, mischt der Kaufmann alle durcheinander, sie kommen in ein Bonbonglas und bei einem Viertelpfund Bonbon kann man sich unter Garantie durch sämt­liche politische Richtungen Deutschlands fressen, die Splitterparteien mit eingeschlossen.

Noch liegt dieses vom Wald durchschnittene Dorf im tiefen Frieden. Aber sein hartes Schicksal ist entschieden, die Großstädter haben es entdeckt und die Dorfbewohner modernisieren es und schon heißt die Kuh im Stalle nicht mehr Liese, sondern Ly, und die Kaninchenzippe nicht mehr Muci, sondern Mia und der das Gehöft nachts wachsam umstreichende Karo macht am Tage schon pflicht­schuldigst sein Photographiergesicht, falls von irgendeinem Amateur zum so und so vielten Male der Dorffrieden" geknipst wird. Das Dorf steht im Sommer und Winter im Grünen, es hat Tannen und Erhöhungen, die mühelos zu Rodel­schlittenstraßen gestaltet werden können. Folglich hat es Dauerbetrieb und es wird so modern werden, daß seine Bauernhäuser nur noch wie franke Steinhaufen in der Landschaft stehen. Die Vögel und Eichhörnchen werden frech werden und sich an Bananen, Zucker und Kuchenfrumen über­fressen. Sie werden feck in die mit Restaurations­betrieben gesegneten Dorfgärten kommen. Ihre Wohnstätten aber müssen sie, aus Selbſterhal­tungstrieb, mehr waldeinwärts verlegen. Kennen sie doch aus Empfindungen heraus das Dorf, daher wissen sie: das Dorf kann alles ertragen, Schneeverwehungen und Blatteis, die jeden Ber fehr unmöglich machen, Regen, der die Wurzeln großer Bäume bloßlegt, und Sonne, die das Gras auffrißt. Nichts ertötet seine Eigenart. Es trott gleich stark der guten wie der bösen Zeit.

der überaus vielen Arbeit beklagte sich Merker nicht. Er war glücklich, seine alten Gewohnheiten wieder aufnehmen zu können, seinen Tisch, seinen Stuhl und alle kleinen Bürogegenstände wieder­gefunden zu haben, bis auf das Tintenfaß, den Schwamm, den stets trockenen Leimtopf!

Was ihm aber noch lieber war, war die Ruhe, die in diesem Hause herrschte. Er fürchtete an­fangs, daß er fünftig in einer Atmosphäre des Verdachts, unter der unablässigen Kontrolle seines Chefs leben würde, die mit Rücksicht auf das Vorgefallene von Mißtrauen erfüllt wäre. Emp­findlich, wie er geworden war, hätte er das nicht zu ertragen vermocht. Aber Herr Doßler be­handelte ihn im Gegenteil genau wie früher; niemals prüfte er die Rechnungen nach, niemals schien er auch nur den geringsten Zweifel zu hegen. Wie früher übergab er ihm die Schlüssel zum Geldschrank und überließ ihm damit oft namhafte Beträge. Ein derartiges Vertrauen rührte endlich Merkers Herz.

Er ist wirklich ein famoser Kerl, ich hätte ihm das nie zugetraut," sagte er sich. Und er bezeugte ihm seine Dankbarkeit durch verdoppelten, selbst­losen Fleiß und Eifer, um das Versäumte so schnell wie möglich nachzuholen. Manchmal stieß er auf Schwierigkeiten, zahlreiche Konten waren während seiner Abwesenheit im Hauptbuch er öffnet, und er setzte seinen ganzen Ehrgeiz da­hinter, fich allein die erforderlichen Aufklärungen zu verschaffen.

Unter diesen Neuigkeiten interessierte ihn be­sonders eine Summe von 500 M., die unter dem merkwürdigen Titel Die Kompensation" unter den Generalunkosten aufgeführt war. Was konnte das nur bedeuten? War das eine Firma, was hatte sie dem Hause Leopold Doßler verkauft? Es wäre sehr einfach gewesen, den Chef um Aus­kunft zu bitten, aber seine Eigenliebe ließ das nicht zu, er wollte ganz allein die Lösung finden; zwanzigmal sah er die Rechnungen durch vergebens! Das Geheimnis wurde nicht enthüllt. Indessen Herr Doßler die gute Meinung seines Buchhalters mehr und mehr rechtfertigte. Merker fühlte fich ganz zerknirscht: Und daß ich einen solchen Mann bestohlen habe..." dachte er.

Seine Rührung sollte noch einen höheren Grad erreichen, als Herr Doßler ihm eines Tages mit­teilte:

,, Ich werde für einige Tage verreisen, hier sind ein paar Blankoschecks, die Sie ausfüllen können, je nachdem Geld gebraucht wird."

Bei diesem neuen Beweis des Vertrauens stie­gen ihm die Tränen in die Augen, als der Chef fortfuhr:

Sie werden auch die Kompensation" bezahlen, die Quittung wird in diesen Tagen fommen." Alfred benutzte die Gelegenheit:

Ich wollte Sie schon immer fragen," meinte er ,,, was ist das eigentlich, die Kompensation"?" ,, Was! Sie wissen es nicht?" rief Herr Doßler aus, das ist die Versicherungsgesellschaft." Sie sind nicht mehr bei der Allgemeinen"?" fragte der Buchhalter erstaunt.

Und Herr Doßler erklärte einfach: ,, Doch, aber die Allgemeine" versichert nur gegen Feuer, das genügte nicht. Sie ver stehen, jetzt bin ich auch gegen Diebstahl ver­sichert..

Auf das tiefste getroffen und verärgert, verließ Alfred Merker noch am gleichen Abend das Haus, wo man ihn um eine gute Absicht geprellt hatte. Und das gehört auch zu den Dingen, die ein Mensch nicht gern erträgt, der durch die strenge Schule der Gefängnisse gegangen ist.

Berechtigte Uebersetzung von Grete Blumenthal.

Reich und arm

Um einen Faulen zu laben, Müssen viel Pferde traben, Müssen viel Füße rennen, Muß viel Sonne vom Himmel brennen, Müssen viele Pflugscharen graben Und die Aecker Regen und Wärme haben. Um einen großen Herrn zu machen, Müssen viel Ackerbauern frönen und nicht lachen. Frei nach dem Altdeutschen bon Walter Medauer)