Jliki und das JiätSEchen Sine fflundegefchichle/ Don Heel 3)off
Ich ging mit Lolott spazieren. Auf halbem Wege trafen wir Kiki, die mir, aus der Suche nach Mietje, entgegen kam. Vorsichtig kletterte sie den Abhang hinunter, wobei ihr dicker, voller Leib hin- und herschwankte. Wedelnd kommt sie auf mich zu. Mit erhobenem Kopf, den Leib fast am Boden, hängt sie sich an meinen Rock. Ich streichle sie. Dann geht sie auf Lolott zu. Sie lecken einander das Maul, beschnüffeln sich... sonderbar... sie kennen sich und wissen, daß sie beide Weibchen' sind... Kiki zögert... „Ob ich zu Mietje gehe, oder ob ich die Freundin und Lolott begleite?" Sie bleibt mitten auf der Straße stehen. Ich drehe mich nach ihr um und mache ihr ein Zeichen, mit mir zu kommen. Sie folgt mir, bleibt aber noch einmal stehen. Ich sehe sie an: sie wedelt, wackelt mit dem Rücken und mit dem Leib, wagt aber nicht weiterzugehen. Ich rufe sie, und nu läuft sie auf mich zu, reibt sich an mir und sieht mich zärtlich an:„Ja, ich komme mit dir, du bist so nett zu mir, ich komme mit dir." Sie trottet nun neben Lolott her, ihre Last, die ganz offensichtlich Lebendiges birgt, nach rechts und links schaukelnd. Im Hause begibt sie sich schnurstracks zum Of«n, legt sich dahinter nieder, den dicken Leib dem roten Topf zugekehrt, in dem die Suppe kocht. Kiki gehörte zu einem Wurf von sieben Jungen, den die Hündin eines reichen Bauern auf unserer Straße zur Welt brachte. Der Bauer hatte jeden Tag ein Junges an der Wand seines Hauses zerschmettert, bis nur noch dieses eine hier übrig war. Das hatte er leben lassen, damit die Mutter ihre Milch los würde, denn er wollte nicht, daß die alte Hündin, die seine mit dürrem Holz be- ladene Karre zog, am Fieber erkrankte. Als das Kleine ober größer wurde, verlangte es zu essen, und der Bauer wollte ihm nichts geben. Da wollte Remy es von ihm haben. „Für 3 Franken kannst du es bekommen." Remy besaß keine 3 Franken, und seine Mutter ließ sich bitten. „Nun, so gib mir sechs Eier, und es gehört dir." Die kleine Frau, die keinen Hund wollte, gab auch die Eier nicht. „Nun, so komm heute nachmittag mit mir zum Heuen, und es gehört dir," sagte der Bauer. Und Remy ging mit ihm arbeiten, von 1 Uhr nachmittags bis 10 Uhr abends. Als er wieder nach Hause kam, trug er den kleinen Hund in seinen Armen. Alle Kinder betrachteten ihn eine Woche lang als ihr Spielzeug. „Mietje, sie quälen das kleine Tier, erlaub' das nicht!" Mietje hinderte sie daran, es tot zu quälen. Uebrigens hatten sie bald genug davon, sich mit ihm zu beschästigen. Und die kleine Hündin, denn es war ein Weibchen, ließ sich von Mietje adop- tieren, und Mietje fühlte sich so geschmeichelt, daß sie mich fragte, wie sie es nennen sollte. „Kiki," entschied ich. Und Kiki, die sich unter gutem Schutz fühlte, verließ Mietje nicht mehr. Als Kiki größer wurde, färbte sich ihr hell- graues Fell gelblich und schwärzlich und auf dem Rücken war ein kleiner dichterer und dunklerer Teppich. Sie hatte einen dicken, herabhängenden Schwanz. In ihrer ganzen Haltung war etwas von einem Schakal. Eines Tages bemerkte auch Door, daß das Tier ein unnützer Esser sei, ein Maul mehr... „(Sieb seinen Teil lieber einem Huhn, das legt ein Ei dafür!" Und er wollte Kiki hinauswerfen. Zwei- oder dreimal mußte Mietje das Tier beschützen. Weinend kam sie zu mir. Aufgebracht über diesen Geiz, riet ich ihr, Interesse gegen Interesse zu stellen, und ihm zu sagen, daß sie das Haus oerlassen würde, wenn man ihr, für alle ihre Arbeit, nicht einmal erlauben würde, diesen kleinen Hund zu behalten, der mit einer Brotkruste und einer kalten Kar- tofsel zufrieden war. Sie tat es, und seitdem hatte Kiki ihren Platz hinter dem Ofen. Als die Hündin läufig war, hatte Mietje sie in den Stall gesperrt, aber die Hunde des Dorfes hatten in der Nacht ein Loch unter die Tür gegraben und waren scharenweise eingedrungen, so daß die arme Kiki genug hatte. Beinahe wäre sie krepiert. Seitdem schließt sie Mietje zu dieser Zeit immer in einen Schweinetrog ein. Dorthin können die Hunde nicht gelangen, ohne erst an einem anderen Trog, mit zwei Schweinen, vorbei- zukommen, und das wagen sie nicht. Von Zeit zu Zeit sucht Mietje unter der Menge Hunde einen aus, der Kikis Größe hat, und sperrt ihn mit ihr zusammen in den Trog. „Ihr Ruf leidet nicht darunter," sagte sie naiv zu mir. Kiki gehört also jetzt zum Hause. Für die anderen ist sie wie irgendein'Hausgerät, ohne Bedeutung. Für Mietje hingegen ist sie wie alles, was sie in diesem Hause liebt, an dem sie mit ganzer Seele hängt und das ihr Lebens- inhalt ist. Und Kiki gehört zu meinem Hause: ihr dicker Leib ruht in der Ofenecke aus, hinter dem Korb mit den Kienäpfeln. Uebrigens ist ihre hervor- ragendste Eigenschaft die Bescheidenheit. Sie leert Lolotts Napf erst aus, wenn diese sich satt ge- fressen hat, sie holt sich nur Leckerbissen, wenn man sie ruft, sonst sieht sie mit halb geschlossenen Augen von weitem zu, wedelt diskret mit dem Schwanz und steckt die Zunge ein wenig heraus.
Ebenso bescheiden wartet sie auf die Liebkosungen: schüchtern kommt sie näher, zitternd vor Auf- regung. Sie weiß, daß sie zuerst lüstig gefallen, dann nur geduldet worden ist, und daß ihr Platz hinter dem Ofen und ihre Beköstigung von ihrer Bescheidenheit und ihrer Liebenswürdigkeit ab- hängig sind. Und dann— sie ist dafür geboren, anzubeten. Mein Mann war früher ärgerlich, wenn sie uns auf unseren Spaziergängen begleitete:„Sie sieht nach nichts aus," sagte er. Mir genügte Lolott. Wie hätte man aber dieser Ergebenheit, die nichts abschreckte, widerstehen können? Wenn wir sie weggejagt hatten, und ich mich umschaute und sie mit einer Armensündermiene mitten aus dem Wege hocken sah, sagte ich zu meinem Mann: „Laß sie doch mitkommen: sie geht ja auf ihren eigenen Beinen!" Jetzt fragt er, wenn wir aus- gehen:„Wo ist Kiki?" Und wenn ich sie nicht sehe, erkundige ich mich:„Wo ist denn Kiki?" Und wenn Mietje sie nicht um ihren Rock herum
spürt, fragt sie ganz unruhig: Kiki?"
,Ia, wo steckt denn
Kiki, die Hündin eines Armen, oder vielmehr eines Bauern, was schlimmer ist, darf keine Jungen aufziehen, weil sie dann zuviel frißt. Und Door sagt immer wieder, daß die Hühner, die Kikis Anteil bekommen würden, dafür Eier legen würden. Deshalb hat man ihre fünf Jungen lebendig in der Erde verscharrt. Und Kiki, die nicht wußte, wo man sie vergraben hatte, fand die Stelle und kratzte dort tagelang herum. Viele, viele Tage fand sie an nichts Ge- fallen und folgte Mietje mit herabhängendem Schwanz. Da die Ratten das Getreide zernagen, und da ein Nachbar, aus natürlicher Freude am Blut- vergießen, alle Katzen, deren er habhaft werden kann, tötet, hatte die kleine Frau nur noch einen Kater, der aber nicht für den ganzen Hof ge- nügte. Sie verschafften sich also eine kleine Katze,
ZDiskuffion um
Der„Vormärts" Deröff entlieht nachstehend einige Zuschriften über„Gilgi, eine von uns". I. Mit nachfolgendem gestatte ich mir, mein Urteil über„Gilgi, eine von uns" Ihnen zu übersenden: Gilgi, eine von uns? Wohl schwerlich kann man sie dazu rechnen; sie ist vielmehr eine von wenigen. Schon durch Krons lebt sie in für diese Zeiten äußerst angenehmen Verhältnissen. Wer von den vielen Jugendlichen kann selbst bei Arbeit über derartige Annehmlichkeiten oersügen, wie sie Gilgi in Gestalt eines Extrazimmers und den vielen anderen Dingen besitzt. Ist es doch bei den meisten jungen Mädels nicht einmal möglich, ein eigenes Zimmer daheim zu besitzen. Wer außerdem noch über derartige Toiletten wie Gilgi verfügt, wem Puder und Schminke und alle die Kleinigkeiten so wichtige Angelegenheiten sind, der ist wirklich nicht zu denen von uns zu rechnen. Mag Gilgi auch hin und wieder so etwas wie sozialistische Anwandlungen bekommen, so sind sie letzten Endes doch nie echt; sie und immer nur sie selbst bleibt sich die Hauptsache. Wie schnell wird übrigens die tüchtig« Gilgi, die ihr Leben so sicher meistern will, aus der Bahn geworfen. Sehr fest sind wohl alle ihre Ziele nicht gewesen, w«nn sie sich durch einen Mann, mag sie ihn auch noch so lieben, so ganz und gar um- bestimmen läßt. Nein, von Charakter kann man da gewiß nicht sprechen, denn an seinen Zielen festhalten, so lange ihnen nichts Ernstes in den Weg tritt, zeigt noch nichts; erst bei so ent-
AkuUiiche Fingerabdrucke Sltras Heues für die ZPolisiei Der erstaunliche Siegeszug der elektro-akusti- schen Physik in den letzten anderthalb Jahr- zehnten hat sich nicht damit begnügt, eine Fülle von künstlerischen und wissenschaftlichen Gebieten zu erobern, ohne die das moderne Leben gar nicht mehr denkbar wäre— man braucht nur auf Rundfunk und Tonfilm hinzuweisen—, ihre Erkenntnisse ziehen immer weitere Kreise und dringen in die entlegensten Gegenden der prak- tischen Anwendung. So soll neuerdings die Polizei mit dem Gedanken umgehen, sich für ihren Erkennungsdienst der Tonauszeichnung durch physikalische Mittel(Oszillogramme) zu bedienen. Zu diesem interessanten, durchaus zu verwirk- lichenden Plan einige Erklärungen. Ebenso, wie unter Millionen Menschen keine zwei gleichen Fingerabdrücke zu finden sind, so verschieden ist auch die Stimme jedes einzelnen Menschen von der anderer. Nun sind aber be- kanntlich die menschlichen Sinnesorgane recht unvollkommen; es gibt Apparate, die unendlich viel genauer, seiner, zuverlässiger arbeiten als etwa Auge oder Ohr. Es würde also nicht ge- nügen, sich aus den Stimmklang zu verlassen, selbst wenn man ihn mechanisch festlegen würde tz. B. auf der Schallplatte). Allein die Physika- tischen Eigenschaften der Stimme, also die Be- schaffenheit ihrer Schallwellen, sind imstande, ein exaktes Bild zu geben. Jeder Schall kann aufgezeichnet werden, und die Apparate, durch welche das möglich ist, nennt man Oszillographen . Das Grundprinzip dieses Apparates sieht einen kleinen Spiegel vor, der an zwei seinen Drähten im Feld eines Elektromagneten ausgehängt ist. Bei Strom- schwankungen, hervorgerufen durch einen be- stimmten Schall, werden Drehungen des Spiegels um seine(vertikale) Achse veranlaßt. Auf diesen Spiegel fällt eine konstante Lichtquelle, die durch die Spiegeldrehungen seitlich hin und her ge- warfen wird. Je nach der Lautstärke und Höhe des einwirkenden Schalls sind die Wellenlinien der durch die Spiegeldrehungen verursachten Licht- linie höher oder tiefer.
scheidenden Momenten, wie sie Gilgi durch das Bekanntwerden mit Mart-n entgegentreten, zeigt es sich, ob alle Grundsäge wirklich so festgewurzelt waren. Gewiß hat Gilgi auch Seiten, die sie uns näher bringen. Ihre selbstlose Hilfsbereitschaft, wie sie sie gegen ihren ehemaligen Freund Hans zeigt, ihre ehrliche Selbstkritik sind sympathische Züge, aber trotzdem ist sie doch keine von uns, sondern immer nur eine von wenigen. Lila RsnsKv. II. Ist Gilgi eine von uns? Nein! Sie ist eine, die eine von uns werden könnte, wenn... ja wenn sie eine von uns wäre. ICauI. III. Als Abonnentin des„Vorwärts" möchte ich mir eine Kritik über den Roman:„Gilgi, eine von uns" erlauben. Ich möchte keine langatmigen und gelehrten Ausführungen über sogenannte Pro- bleme machen, sondern kurz gesagt, ich und viele andere Genossinnen verstehen einfach nicht, wie der „Vorwärts" einen derartigen, literarisch und in jeder Beziehung wertlosen Roman aufnehmen konnte. Der Roman ist für mich Kitsch und ich möchte einmal wissen, wie die Kritik des„Vor- wärts" ausfallen würde, stände derjelbe Roman in einer anderen Zeitung. Der Roman ist eine Beleidigung des wirklich arbeitenden Mädchens. Hoffentlich ist er bald zu Ende, denn von Kapitel zu Kapitel wixd es mir schummeriger zu Mute. Freiheit! Prau Emma Lang-hans.
Wenn man einen Stein ins Wasser wirft, so entstehen kreisförmige Wellen, die um so größer werden, als sie sich von der Einwurfsstelle ent- fernen. In ähnlich wellenförmiger Bewegung muß man sich die Schallwellen vorstellen. Ihr Bild kann für den Augenblick projektiert werden, kann aber auch auf den Filmstreifen(zusammen mit dem Ton) gebannt werden. Natürlich gibt es hierfür eine ganze Reihe von Konstruktionen des Oszillographen . Wir können also ein Hörbild der Stimme drehen, bei dem zu dem jeweiligen Ton zugleich das physikalische Bild dieses Tons als wellenförmige Linie mit verschieden starken Aus- schlügen sichtbar wird. Genau so, wie das Wunder der Natur es zu- stände bringt, daß kein Mensch dem anderen in allen Teilen gleicht, so gleicht auch keine Stimme völlig einer anderen. Infolgedessen muß die Kurve der jeweiligen stimmlichen Klangwellen, der Amplituden würde der Techniker sagen, jedesmal anders sein, selbst für den Fall, daß zwei Stimmen— was übrigens selten genug vor- kommen mag— sich für das menschliche Ohr kaum voneinander unterscheiden sollten. Ueberdies behaupten die Physiker, selbst eine Verstellung der Stimme ändere nichts an ihrem Oszillogramm(was man übrigens mit allen Vor- behalten aufnehmen muß!); wäre das wirklich
Alfred Stichard llleyer:
ein schwächliches Tierchen, das noch zu jung war, um abgesetzt zu werden. Deshalb siechte es dahin, hatte kranke Auge» und war unsagbar schmutzig. Kikis Milch schien versiegt. Ich weiß nicht, wie es gekommen ist, aber die kleine Katze wird von Kiki gesäugt und Kiki gibt sich hinter dem Ofen mit Genuß dieser Handlung hin, das Kätz- lein am Bauch, das schnurrend an der Zitze her- umknetet, während Kiki sie putzt, leckt und nach ollen Richtungen reinigt. Aber ihre Zunge ersetzt keine Katzenzunge, und so ist das kleine Geschöpf voller Läuse. Nur, es ist nicht mehr verlassen, wird gehegt und gepflegt, verwöhnt und gelieb- kost und ist ganz rundlich und mollig geworden. mit einem seidigen Fell und einem langen Schweis Wenn Mietje die Kühe melkt, legt sich das Kätzchen aus ihre Knie und Kiki an ihre Seite, in Erwartung der Schale warmer Milch, die sie ihnen gibt. Kiki gerät ganz außer sich, wenn ihr Pflegling auf den Nußbaum klettert und stöhnt, bellt und läuft wie toll um den Baum herum. Sogar Door hat gelächelt, als er die beiden Glücklichen hinter dem Ofen sah: „So ist's recht, so verdient sie doch, was sie frißt, denn die Katze wäre ohne sie krepiert, und wir brauchen sie für die Scheune." (Autorisierte Uebersetzung aus dem Französischen von Lina Frender.)
der Fall, so könnte tatsächlich das Hörbild einer Stimme vortreffliches Material zur Jdentisizie- rung einer Person abgeben, und man kann ver- stehen, warum die Polizei an der Weiterentwick- lung dieses Zweiges der elektro-akustischen Physik besonders interessiert ist und zur Veroollständi- gung ihres Erkennungsdienstes Oszillogramme neben den Fingerabdrücken einführen möchte. K. L.
Heue£yrik Im Verlag„Die Rabenpresse"(Berlin ), auf dessen Verdienste um die junge Dichtung wir schon öfter hinwiesen, ist eine neue Reihe Lyrik erschienen. Vertreten sind mit je einem Band Alfred Richard Meyer (Munkepunkes fünfzig törichte Jungfrauen), Werner Bergen- g r u e n(Der Wanderbaum), Robert Seitz (Echo der Ebene) und Timm Borah(Berlin im Licht). Auch hier ist es ins Auge fallend, wie sehr die moderne Lyrik ihre Kraft aus dem Naturerleben und aus der Auseinandersetzung mit der Natur zieht und wie stadtsern sie ist. Der Grundton ist noch schlichter und anspruchsloser als bisher. Es ist kein Krampf und kein Bemühen um Ein- fachheit mehr in dieser Dichtung, sondern man ist einfach und deshalb echt. Neue Perspektiven er- öffnet die Serie nicht. Aber wir finden in ihr den tieferen Gehalt der Lyrik wieder, den man in der Verkrampftheit einer verflossenen Periode ver- mißte. Mit der Stadt setzen sich in der vorliegenden Serie lediglich Alfred Richard Meyer , dessen Persönlichkeit zu bekannt ist, als daß sie noch einer Analyse bedürste, und Timm Borah auseinander, bei dem es interessant zu beobachten ist, wie er von der etwas senilen Dekadenz der vorigen Generation zu einer Sachlichkeit fort- schreitet, die für die Erklärungen der heutigen Großstadt endgültige Formulierungen findet. Be- sonders die Prozeßbilder verraten, daß hier ein scharfer kritischer Beobachter ins Dichterische ein- mündet. Zeigt die Serie etwas von dem rückläufigen, dem reaktionären Zuge unserer Zeit? Mit Ein- schränkung ja. Die Rückkehr zur Natur, das Sich- wieder-Versenken in den Schoß der Erde ist ebenso Zeichen kämpferischer Müdigkeit wie der Verzicht auf das formale Experiment. Insofern kann man von einer gewissen Reaktion sprechen. Aber diese Reaktion, die gewiß in zeitlichem Zusammenhang mit der politischen Reaktion steht, hat mit dem Wesen dieser Art rückläufiger Bewegung nicht das geringste gemein. Sie kann im Gegenteil Vor- läuferin der naturnotwendig sich vorbereitenden künstlerischen Opposition gegen die geistige und politische Dunkelmännerei unserer Zeit sein, wenn sie im Formalen und Geistigen die Wiederbesin- nung auf den Ernst der künstlerischen Mission, auf die sittliche Mission des Dichterwortes bedeutet. Wir werden im Verlauf der Zeit Proben aus den einzelnen Heften verösfentlichen.
Eopero.
&olmiclie Wirtfcliafl (April 1915) An manches noch so kleine polnische Haus ist ein richtiger griechischer Tempel geklebt. Auf der anderen Seite sind Fenster und Tür mit kreischend blauen und ockergelben Ornamenten belebt. Drinnen aber blickt über einen riesigen, von Fliegen umsummten Bottich Buttermilch, Lieber eine sechzehnjährige stillende Mutter, die strotzenden Brüste ganz nackt vom Drilch, Lieber eine mit ihren sechs Ferkeln hereinpolternde und dampfend schmatzende Sau Gold in Gold Unsere Liebe Frau Von Czenstochau. (Aus Alfred Richard Meyer „Munkepunkes fünfzig törichte Jungfrauen" (Verlag: Die Raban�resse. Berlin )