Morgen-Ausgabe Nr. 503 A246 49. Jahrg.
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VOLKSBLATT
DIENSTAG 25. Oktober 1932
In Groß- Berlin 1 0 Pf. Auswärts....... 15 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise siehe am Schluß beS redaktionellen Teil»
Jentvatovsan de««Sozialdemokratische« Oavtei Deutschlands
KPD. im Schlepptau der Kriegshetzer �-Ä*?«"
Abgedroschene Hakenkreuzphrasen als Wahlaufruf— das ist ihr Kurs!
Die Nationalsozialisten verdanken ihr Wachstum der geistigen Verwirrung, die als Folge der ent- setzlichen Not in Deutschland um sich gegrifsen hat. Diese geistige Verwirrung hat den Boden abgegeben für eine dreist verlogene, das Volk vergiftende nationalistische Hetze. Daß diese Hetze Erfolg haben konnte, daran trägt die Kommunistische Partei ein wohlge- rütteltes Maß von Schuld! In der Wirtfchasts- krise war es die Aufgabe, für Klarheit in den Köpfen der Arbeiter zu sorgen und der Der- wirrung durch die Krise entgegenzuarbeiten Das war eine Aufgabe von größter Verantwortlichkeit, die selbstverständlich nicht mit blöden Schlag- warten und blödem Propagandageschrei vom„so- zialdemokratischen Hauptfeind" zu lösen war. Es galt, die wirtschaftlichen und sozialen Ge- schehnisse vom marxistischen Gesichtspunkt aus zu durchleuchten und die nationalistische Ideologie durch klarste Herausarbeitung ihrer Wurzeln zu zerstören. Gegenüber dieser Ausgabe hat die kommu- nistische Partei restlos versagt. Sie hat die blödesten nationalistischen Schlagworte und Stichworte übernommen. Sie hat eine S ch m u h k on k u r r c n z in nationa- listischer Hetze mit den haken- k r e n z l e r n betrieben. Sie hat andererseits den hakenkreuzlern die verlogenen und haß- ersülllen Stichworte gegen die Sozialdemokratie geliefert, die jetzt nicht nur zum Repertoire der Kommunisten, sondern auch der Nationalsozialisten gehören. Die geistige Verwirrung haben die Barone benutzt, um in die Macht zu klettern. Sie fühlen sich seitdem als die Herren Deutschlands . Die Republik , die Freiheit des deutschen Volkes und seine demokratische Verfassung, die Rechte und die Errungenschaften der Arbeiterklasse sollen beiseite geschoben werden. Die Herren Barone betreiben eine Außenpolitik mit nationalistischen Vorzeichen. Wo ist noch der Wille zur Verständi- gung? An seine Stelle ist eine reine Macht« Politik getreten, eine Politik zum mindesten der geistigen Aufrüstung des deutschen Volkes für den kommenden Krieg. Reaktion und Ra- tionalismus im Bunde bedrohen nicht nur die deutsche Arbeiterklasse, sondern vielmehr die Ar- bciterklasse in der ganzen Welt! Demgegenüber gilt es, die elementarsten Rechte der arbeitenden Klasse zu verteidigen! Nie waren die Klassen- fronten klarer, nie war cs nötiger, für die geistige Klarheit und Geschlossenheit der Arbeiterklasse im Kampfe gegen ihre Feinde zu sorgen, als heute! Zn dieser Situation erläßt das Zentral- komitee der KPD. einen Ausruf, der einen glatten Perrat an den Interessen der Arbeiterschaft und des Volkes darstellt, einen Aufruf, der ein Dokument der geistigen Minderwertigkeit und des geistigen Zusammenbruchs der Kommunistischen Partei ist. Den Kern dieses Aufrufs bilden die abgedroschensten nationalistischen hetz- p h ra s e n, die die Hakenkreuzler und ihre Bundesgenossen in den letzten Iahren benutzt haben, die sie aber heute nicht mehr anwenden, weil ihre eigenen Anhänger heute laut auslachen würden, wenn sie damit Propaganda treiben wollten. Denn in- Zwischen ist es klar geworden, daß die nationa- listische Hetze nur der Vorwand war für den Macht- und Restaurationswillen der Reaktion! Für die Führung der Kommu- nistischen Partei ober sind diese abgedroschenen, überholten Phrasen gerade noch gut genug, um als Glanzpunkte des zentralen Wahlaufrufs der Kommunistischen Partei zu dienen. So lesen wir in der Berliner „Roten Fahne" in diesem Wahlaufruf, drucktechnisch auf das Schreiendste hervorgehoben: „Schwerer denn je zerren die Ketten von Versailles an den Gliedern des werktätigen deutschen Volkes und vergrößern die Ausbeu- tung und Ausplünderung der Massem Ein so- zialistische- Deutschland wird den Schand- vertrag von Versailles zerreißen, es allein wird'm Bündnis mit dem befreiten Millionenvolk der Sowjetunion jeden An-
schlag Frankreichs , Polens und anderer Imperialisten auf Deutschland zu vereiteln wisten. Erst das kommende sozio- listische Deutschland wird der unterdrückten deutschen Bevölkerung in Oesterreich , Elsaß-Loth- ringen, Südtirol usw die Möglichkeit eines frei- willigen Anschlusses geben. Werktätige in Stadt und Land, ftälkt daher unsere revolutionäre Freiheitsarmee im Kampfe gegen Versailles ." Dieser Rückfall in den blödsinnigsten National- bolschewismus ist ein Dokument des geistigen Zu- sammenbruches der Führung der Kommunistischen Partei! Dies Dokument liefert den nationalisti- fchen Hetzern in Deutschland geradezu Stichworte! An den Gliedern des werktätigen deutschen Volkes zerrt etwas ganz anderes als die Ketten von Versailles ! Die Politik des Lohndrucks, der Per- elendung der Arbeiterklasse, die Machtgier des Unternehmertums, die wahnwitzige Politik der Störung der deutschen Exportbeziehungen zugunsten einer sturen Liebesgabenwirtschast an das ostelbische Junkertum— alles das hat nichts, aber auch gar nichts mit Versailles zu tun! Welche willkommene Gelegenheit für die Barone und für die ganze Sozial- r e a k t i o n, sich hinter die Ketten von Versailles zu verkriechen, wenn die Kommunistische Partei in solcher Situation nichts anderes zu sagen weiß als dies! Welche willkommene Gelegenheit für alle nationalistischen Panikmacher und Kriegshetzer in Deutschland , wenn die Zentrale der Kom
munistischen Partei in ihrem Wahlaufruf von imperialistischen Anschlägen Frankreichs und Polens gegen Deutschland faselt! Alle a u s- rüftungsliisternen Elemente konnten sich keine bessere Begründung für ihre Absichten wünschen! Gegenüber diesem Verbrechen an den Interessen der Arbeiterklasse tritt selbst zurück, was dieser Wahlaufruf an schamlosen Verleumdungen des Kampfes der Sozialdemokratischen Partei enthält. Daß sie unseren Kamps um die Demokratie und um den Sozialismus als schmutzigen Betrug be- zeichnen,— das ist noch klein gegenüber dem un- geheuren Derbrechen, dos den Kriegshetzern, den aufrüstungslüstcrnen Elementen, den Nationalisten und Chauvinisten, bei ihrer Arbeit der Völker- Vergiftung Bundeshilfe leistet! Dieser Aufruf ist eine Schande für die deutsche Kommunistische Partei, er ist eine Schande für die ganze kommu- nistische Internationale, er ist eine verräterische und würdelose Anbiederung an die geistige Verwirrung des Nationalismus! Eine Partei, die so klar ihren geistigen Bankerott erkennen läßt, ist völlig ungeeignet zur Vertretung der Interessen der Arbeiterklassen. Es gilt,' diese Bundesgenossen der schlimmsten Nationalisten in Deutschland bis zum 6. November auf das stärkste zu bekämpfen— im Interesse der Arbeiterklasse, im Interesse der Freiheit des deutschen Volkes wie im Interesse des Friedens!
�ViJerstand der Generale
Eigener Berieht des„Vorwärts" Eine Kriegerdenkmalsenthüllung in L e n s er- ösfnete der sozialistische Bürgermeister und Abg. M a e s mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß die Völker nicht nur auf militärischem, sondern auch auf wirkschastlichem Gebiet bald a b r ü st e n werden. Ministerpräsident H e r r i o t antwortete: „Es gibt kein Land, das mehr als Frankreich den Frieden zu erholten strebt. Erheben wir unsere Seelen, indem wir an die Toten denken, die der legte Krieg gekostet hat. In der Nähe von Lens, auf dem Friedhos des Weißen Hauses , ruhen 7 5 000 deutsche Soldaten, ohne Zweifel Männer, die in Ruhe zu leben gewünscht haben. Erweisen wir ihnen Ehre, wie wir unseren Toten Ehre erwiesen haben. Frankreich hegt keinen Haß gegen seine ehemaligen Feinde. Es hat alles getan was es konnte, um seinen Friedenswillen zu beweisen. Man vergißt das Ziel im Ausland und, was noch ärgerlicher ist, in Frankreich selbst. Frankreich versteht, edelmütig zu sei», wenn es sich um materielle Interessen handelt. Es hat nur den Wunsch, das Werk des Friedens iveiler zu verfolgen und deshalb ist es im Begrisf. einen Plan vorzuschlagen, der die Abrüstung mit der Sicherheil verbindet, der den Verzicht aus die Rüstungen von einem Anwachsen der Kräfte des Rechts abhängig macht. Wenn dieses Werk Ersolg haben soll, müssen alle Völker ebenso vernünftig wie Frankreich sein." Die Opposition des Generalstabes Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Kriegs- minister Paul B o n e o u r bzw. der Regierung und dem Generalstab über den neuen französischen Abrüstungsplan werden jetzt von dem offiziösen „Petit Parisien" zugegeben. Er schreibt zu der Sonnabendsitzung des Studienkomllees des ober- ften Landesvcrteidigungsrats: „Man kann nicht darüber erstaunt sein, daß ein Plan über die Herabsetzung der Rüstungen gewisie Vorbehalte und Wider st Snde derjenigen hervorruft, denen der Schutz des Landes obliegt und die notwendigerweise dazu geneigt sind, die
Ding« für sich allein zu betrachten, und s i ch n i ch t viel um Erwägungen i n t e r n a t i o n a- ler Artzu kümmern, mit denen sie nicht ver- traut sind." Lo�ialistiseber Gegenstoß Leon Blum protestiert im„P o p u l a i r e" auf das schärfste gegen die Sabotageversuche der Generalität und fordert die Regierung eindring- lichst auf, sich dadurch nicht auch nur zur geringsten Verschleppung der Abrüstungsarbeit bewegen zu lassen.
Die Kritik Leon Blums an dem verhallen des Generals weygand, der den neuen französischen Abrüstungsplan zu sabotieren versucht, hat den Ersolg gehabt, daß die Sludienkommission des Obersten Landesverleidigungs- r a l e s ihr« Arbelten beschleunigt, damit der Plan gemäß dem Wunsch der Regierung bis zur nächsten Sitzung des Büros der Abrüstungskonferenz am Z. November fertiggestellt werden kann.
Neben das„Dritte Reich" und das„Sowjet- Reich" ist ein neues politisches Wunschbild getreten, Herrn v. Popens „Heiliges R e i ch". Der Kanzler hat sein romantisches Ideal aus der Truhe feudaler Vergangenheit geholt und sucht es zeitgemäß aufzuputzen. Die„grundsätzliche neue Art der'Staats- führung", unter der das deutsche Parlament an die Kandare genommen werden soll, sin- det nach Meinung des Herrn v. Papen ihre Begründung in der Gnade Gottes, da sie in dem Willen des Volkes schlechthin nicht zu begründen ist. Wird aber erst einmal der irdische Boden als Basis des politischen Machtanspruches geleugnet, dann kann es nicht ausbleiben, daß die Gedanken am grünen Tisch zu galoppieren beginnen, wie die Pferdchen auf dem grünen Rasen: Hin- dernisse werden nicht beseitigt, sie werden in kühnem Satze gleich einer Hürde genommen. So kann es auch nicht verwundern, daß für alle Pläneschmiede jene Konjunktur ge- kommen ist, die wir leider auf Wirtschaft- lichem Gebiet dank Lohnabau und Kontin- gentmacherei, diesem törichten Po-Po-Spiel der Wirtschaftspolitik, nur schwerlich für Deutschland herannahen sehen. Wenn die Träume, die an den preußischen Kaminen be- plaudert werden, nichts als ein fröhlicher Zeitvertreib der Klubherren wären, wer wollte dann so grausam sein, sie mitzuteilen. Wissen wir doch alle, daß Träume allzu oft peinliche Charakterdeuter sind! Aber hier handelt es sich um mehr. Zu allen den bekannten Plänen, die auf eine völlige Entrechtung des Volkes abzielen, tritt ein Angriff auf die Volkssouveränität als Grundlage der Verfassung. Die volksfeindlichen Pläne sind nicht so leicht zu verwirklichen. Weder der jetzige, noch ein künftiger Reichstag werden dazu die notwendigen Majoritäten liefern. Ein Volksentscheid erst recht nicht. Und selbst der Artikel 48, dieses Küchen- wunder der deutschen Verfassung, reicht dazu nicht aus. Also beliebt man, sich daran zu erinnern, daß zwar nicht die gegenwärtig geltende Verfassung, die nur„d a s deutsche Volk einig in seinen Stämme n", wohl aber die alte B u n- desverfassung von 1870, einen Bund der Landeshäupter kennt. Also schlägt man vor, diesen Bund mit einer Reihe von Staatsverträgen ge- wissermaßen aufs neue zu schließen. Ob frei- lich solche Ideen abseits vom lauten Trubel des Mllnchener Oktoberfestes oder der etwas allzu großen Stille des bayerischen Waldes in der normalen politischen Atmosphäre vom Kanzler und Reichsinnenminister erfolgreich
hs�RAUS ZUR GROSSEN itfäUict-lUwdyt&usity! A*n Douuetttafy, deu* 2?. OUiofac, ZO UUc, in den Tennishallen, Wilmersdorf , Brandenburgische Str 53. Redner: Polizeipräsident a. D. ALBERT GRZESINSKI , EMIL GROSS von der Sozialistischen Studentenschaft. Eintrittspreis 30 Pf. Für Erwerbslose gegen Vorzeigung der Stempelkarte 10 Pf.— Die Sozialistischen Jugendverbände treffen sich um 19 Uhr an der rechten Seite im Gang hinter der Galerie. fükMM. sind Mdbzubciuq&r!