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Morgen- Ausgabe

Nr. 507 A248 49. Jahrg.

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BERLINER

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27. Oktober 1932

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In Groß Berlin 10 Pf. Auswärts....... 15 Pf. Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise fiehe am Schluß des redaktionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Die Reichsanstalt als Geldquelle

Es könnten 600 000 Arbeitslose unterstützt werden!

,, Bon ,, unferrichteter Seite", aljo zweifellos vom Vorstand der Reichsanstalt für Arbeitsver­mittlung und Arbeitslosenversicherung, wird mit­geteilt, daß die Maßnahme der Reichsregierung, für die Unterstützten in den Gruppen I bis VI in der Arbeitslosenversicherung und in der Krisen­fürsorge, soweit sie verheiratet sind, die Unter­ffügung um etwa 2 Mark die Woche während des Winters zu erhöhen, getroffen worden sei, ohne daß die Reichsregierung die dafür angefehten 70 Millionen Mehrkosten aus Reichsmitteln zur Berfügung gestellt habe. Diefe notwendige Summe werde also a us den Ersparnissen der Reichsanstalt" aufgebracht.

Die Reichsanstalt macht also Ersparniffe? Um das Erstaunen darüber nicht zu groß werden zu lassen, wird von bejagter unterrichteter Seite ein Ueberblid über die Finanzlage der Reichsanstalt gegeben. Danach habe das Beitragsaufkommen vom 1. April bis 30. Sep­tember trotz Rückgangs der Beitragszahler und der Löhne eine halbe Milliarde Mart überschritten, so daß man für das ganze Haushaltsjahr mit mehr als 1 Milliarde rechnen könne. Nun sei der Unterstützungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung auf jechs Wochen be= schränkt worden, worauf die Hilfsbedürftigkeits­prüfung einsetzt. Dadurch sei die Zahl der Unter­stüßten start gesunken. Ebenso sei die Höhe der

Unterstützung auf das äußerste herab gefegt", fo daß der durchschnittliche Unter stügungsaufwand in der Versicherung sich auch nach Einführung der Bintererhöhung auf etwa 44 Mart monatlich belaufen werde. Infolgedessen habe die Reichsanstalt nicht nur die 70 Millionen ,, aus eigenen Mitteln", d. h. aus Mitteln der von den Versicherten und den Unternehmern geleisteten Beiträge aufbringen können, sondern sie habe auch im starten Umfange fich an der Finan zierung der Motstandsarbeiten und des freiwilligen Arbeitsdienstes be teiligt. Darüber hinaus hat die Reichsanstalt für δας

Arbeitsbeschaffungsprogramm

der Reichsregierung zunächst 20 Millionen auf­gebracht und werde zum zweiten Plan eine noch viel größere Summe zuschießen.

Außerdem hat die Reichsanstalt dem Reich seit dem 1. April 1932 aus ihren Ueberschüssen 160 Millionen zur Verfügung gestellt zur Aufbringung der Mittel für die Krisenfürsorge und die Wohl­fahrtspflege. Darüber hinaus werde die Reichs­anstalt aus der neuen Abgabe zur Arbeitslosen­hilfe dem Reich 240 Millionen auführen. Dann heißt es:

Hätte die Reichsanffall den Ueberschuß von 160 Millionen Mart verwendet, um den Kreis der Unterstützten zu erweltern, die sie aus eigenen Mitteln zu betreuen hat, so hätte sie, unbeschadet ihrer sonstigen finanziellen Hilfs­

Ein Hohenzollern - Porträt

Gezeichnet vom Stahlhelm

August Wilhelm Prinz von Preußen, auch Pring Aumi genannt, hat am Dienstag im Sportpalast in Nazimanier gegen den Stahlhelm geredet. Die Reichspressestelle des Stahlhelm antwortet, indem sie das folgende Porträt des Hohenzollernsprößlings zeichnet:

,, Seine Königliche Hoheit Prinz August Wilhelm von Preußen, der die finanziellen, mate­riellen und gesellschaftlichen Vor­teile feiner Stellung durchaus in Anspruch nimmt,

die er lediglich dem erfolgreichen Kampf natio­naler Kräfte gegen die Fürstenenteignung zu verdanken hat,

hält es für angebracht, in letzter Zeit in öffent­lichen Versammlungen, so auch in der gestrigen Bersammlung der Nationalsozialistischen Arbeiter­partei im Berliner Sportpalast, den Stahlhelm, insbesondere seine Bundesführung, auf das schärfste zu kritisieren. Renegateneifer ist.

bekannt.

Während des vierjährigen Welt. krieges und in der Nachkriegszeit bis 1927 hat der Prinz eine bemerkens. werte Zurückhaltung beobachtet.. Deutschland wurde vor dem roten Bol­schewismus in den Jahren 1918 bis 1924 gerettet, wahrlich nicht durch die Nationalsozialisten!

Im Jahre 1927 tam der Prinz zum Stahlhelm und schwor bei jeder passenden Gelegenheit den Bundesführern öffentlich die Treue. Er verließ trotzdem nach etwa drei Jahren die Stahlhelm­bewegung, weil er sich nicht genügend beachtet glaubte,

feine Reden und Bilder nicht oft genug in der Stahlhelmpreffe gebracht wurden.

Jegt wirft der Brinz öffentlich dem Stahlhelm

Unmoralität vor. Wir empfehlen ihm, fich zunächst mit der Moral in der Nationalsozialisti fchen Arbeiterpartei zu beschäftigen, aus der nam­hafte Mitglieder wegen der unmoralischen Zu stände laut öffentlicher Erklärung ausgetreten find."

Das Porträt ist von Rennern gezeichnet. Ein echtes Hohenzollernporträt!

Aus Nazi- Thüringen

Stadtrat mit Arbeitermehrheit

aufgelöst

Zella- Mehlis ( Thür.), 26. Oktober. Das thüringische Innenministerium hat den Stadtrat von Zella- Mehlis mit sofortiger Wirkung aufgelöst, weil er wiederholt Beschlüsse gefaßt

stellungen, die Zahl der von ihr Betreuten um mehr als 600 000 ausdehnen können.

Im übrigen rechnet die Reichsanstalt im zweiten Halbjahr mit einem Ueberschuß von 200 Millionen. Zum Schluß heißt es dann in der Mitteilung:

,, Diese Zahlen und die laufend veröffentlichten Finanznachweise der Reichsanstalt zeigen, wel­chen starten Faktor die Reichsanstalt innerhalb der gesamten Arbeitslosenhilfe ausmacht, wie start fie auf diesem Gebiete als Finanzaus gleich zwischen Ländern und Gemeinden wirkt und wie sehr die Reichsregierung auf die finanziellen Mittel der Reichsanstalt zurüdgreift."

In den ersten Jahren der Arbeitslosenversiche rung sind von Reich, Ländern und Gemeinden für mehr als 2% Milliarden Zuschüsse an die Reichsanstalt geleistet worden. Jetzt, unter der grundfäßlich neuen Staatsführung" der Nazibarone ist die Reichsanstalt zu einer Geldquelle für das Reich geworden. Mindestens 600 000 Arbeitslose tönnte die Reichs­anstalt aus eigenen Mitteln mehr unterstützen. Aber der Staat soll nach dem Worte von Papen teine Wohlfahrtsanstalt sein. Wenig­stens nicht für Arbeitslose. Für Brämien und Steuergeschenke an die Rapitalisten find allerdings

Milliarden da.

Ueber diese grundsägliche neue Staatsführung" wird am 6. November bas Urteil zu fällen sein!

habe, die undurchführbar gewesen seien und die Dom Staatsbeauftragten wieder aufgehoben wer­den mußten. Die Neuwahl findet am 4. De­zember, dem Tage der Thüringer Kommunal­wahlen statt. In dem aufgelösten Stadtrat hatten die Kommunisten mit einem Sozialdemokraten die Mehrheit, dem standen vier bürgerliche und drei Nationalsozialisten gegenüber.

Habsburger Keile

Mit Stinkbomben

Hamburg , 26. Oftober.

Die geftrige deutschnationale Wahl. versammlung in den Elbeder Bürgersälen wurde von Nationalsozialisten gestört. Gleich zu Beginn der Bersammlung machten fie Zwischenrufe, dann sangen sie das Horft- Wessel­Lied und warfen schließlich Stintbomben. Zwischen ihnen und dem deutschnationalen Saal­Schuß tam es zu Prügeleien, so daß die Polizei eingreifen mußte. Die Brügeleien feßten fie auch auf der Straße fort, fie riefen Hugenberg Derrede!" und räumten erst das Biertel, als Schnellwagen, der Polizei eingesetzt wurden.

KPD. entlarvt

Von Max Westphal

Die Taktik der KPD . war stets darauf gerichtet, mit den Mitteln des außerparla­mentarischen Kampfes, mit Gewalt die poli­tische Macht in Deutschland zu erobern. Die Kommunisten waren immer wieder bestrebt, den politischen Kampf zu außerparlamenta­rischen und gewaltmäßigen Auseinander­setzungen zu steigern". Das sogenannte Weitertreiben der Revolution" 1918/19, der Osterputsch in Mitteldeutschland 1921, der Hamburger Butsch 1923, der Maiputsch in Berlin 1929 sind die bekanntesten Wahr zeichen dieser Taktik.

Alle diese Putsche waren Verbrechen gegen die Arbeiterklasse und den Sozialismus. Sie haben der Ar­beiterschaft außer vielen nuglosen Blut­opfern und außer der Steigerung des Haffes im Bruderkampf nichts gebracht, zum Er­starken der Reaktion und des Faschismus aber sehr viel beigetragen.

Paul Levi , damals noch Führer der Kom­munisten, schied wegen des mitteldeutschen Putsches aus der Partei und hielt in der Broschüre Unser Weg" fürchterliche Abrech­nung mit diesem ,, bakunistischen Wahnsinn". Ueber den Butsch von 1923 sagte Brandler, damals Führer der Kommunisten; später einmal:

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,, daß es ein Fehler war, sich von den russischen Genossen breitschlagen zu lassen und auf der Grundlage der falschen Analyse der Lage und der von Trogfi... verfochtenen Terminsetzung für den Aufstand, der Umstellung der Partei von der Defensive... auf die direkte Offensive zuzusteuern. Er glaubte, die russischen Genossen mit ihrer fieg­reichen Revolution fonnten ein solches Verlangen stellen. Die von den russischen Genossen zur Ver­fügung gestellten Spezialisten versagten auf Grund ihrer Unkenntnis der speziellen Kampfbedingungen und Besonderheiten des deutschen Kampfterrains im wesentlichen und erzeugten z. T. nur Des­organisation".( Rote Einheit", Nr. 4, April 1929.) Aber hören wir noch, was der ehemalige Kommunist Zeutschel über die Auslösung des Hamburger Kampfes berichtet:

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,, Als es feststand, daß die SPD. - Leute( auf dem Chemnitzer Betriebsrätefongreß. D. V.) nicht das Spiel der KPD. mitmachen wollten, gab Teddy in einer Aufwallung den Kurieren den Befehl zur Abreise mit dem Befehl zum Auf­stand. Unmittelbar nach der Betriebsrätefonferenz trat die KPD. - Zentrale zu einer. Sigung zu sammen, um über die weiteren Schritte zu beraten. Im Grunde waren alle froh über die Ablehnung der Sozialdemokraten... Da plazte die Mit­teilung Teddys von der Absendung der Kuriere wie eine Bombe herein. Alles sprang von den Sigen auf und starrte sich entgeistert an. Brandler erhielt zuerst sein fühles Blut wieder. Er schickte sofort einige ihm ergebene Leute los, um die Kuriere anzuhalten. Es war noch keiner abgereist bis auf den Hamburger und den Mecklenburger. Ihr Zug mußte gerade in dem Moment abfahren,

Heute große Wähleckundgebung!

Wir zeigen unsere Macht im Berliner Westen!

In den Tennishallen, Wilmersdorf , Brandenburgische Straße 53, sprechen heute, 27. Oktober, um 20 Uhr, ALBERT GRZESINSKI und EMIL GROSS. Eintrittspreis 30 Pf. Für Erwerbslose gegen Vorzeigung der Stempelkarte 10 Pf.

Heraus zum Bekenntnis für die Freiheit gegen die Reaktion!