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21 ROMAN von STEFAN POLLATSCH EK
Ein wenig befangen war Wilhelm seinem Sohn entgegengegangen, bot ihm die Hand. Ich ließ dich kommen, Albert", sagle er, weil ich mit dir zu sprechen habe. Meine Situation ist sehr ernst. Auch wenn wir uns fremd sind, du bist mein Sohn und ich bin dir Rechenschaft schuldig!" Das bist du nicht. Vater!" Doch, Albert. Du mußt wissen, wie es um mich steht. Ich habe meinen Besitz von meinem Vater ererbt, er gehört nicht mir, er gehört dir, deiner Schwester, deiner Mutter uns allen!" Du weißt, Vater, daß ich keinen Besitz will. Ich habe auf meinen Teil verzichtet. Ich will nicht teilhaben an diesem Besitz." Dann hast du immerhin die Verpflich- tung an Mutter und Schwester zu denken. Ob du meiner Bitte, die ich dann an dich richten werde, entsprechen willst, bleibt deine Sache. Vorerst aber mußt du mich hör?n: Meine Fabrik ist unrentabel geworden, ich habe in den letzten Jahren unser Vermögen verloren. Der Betrieb wurde wie du viel­leicht wissen dürftest vor wenigen Jahren rationalisiert. Unsere Maschinen waren alt geworden, wir waren nicht mehr konkurrenz- sahig. Mit Zuhilfenahme meines ganzen Vermögens und Unterstützung der Bank wur- den unsere Maschinen modernisiert und gegen neue ausgetauscht. Das war vor drei Iahren. Heute sind diese Maschinen nicht mehr rationell, sie sind überholt. Seit etwa einem halben Jahr kommen wir nicht mehr mit. Das Problem, vor dem ich stehe, ist dieses: Entweder wir können uns neue Maschinen beschaffen oder wir müssen liquidieren. Eine Liquidierung würde ein Zurückbleiben in Ar- mut und Not bedeuten." Ich wüßte nicht, in welcher Weise ich dir helfen könnte", sagte Albert und sah starr und unentwegt auf einen nicht existierenden Punkt in die Luft. Es gilt einen schweren Kampf, Albert.
Ifhotgtuu/Udu Dislcussiau uu* fyiiyi
Versteh' mich recht: Nicht um Geld und Be- sitz, sondern um das Werk!" Ich erblicke hier keinen Unterschied, Vater. Das Wert bedeutet Geld und Besitz. Wenn du um dein Werk kämpfst, kampsst du für deine Existenz, für deinen Besitz, für Geld!" Du irrst, mein wohn! Ich habe dieses Werk, diese geliebte, diese verfluchte Fabrik von meinem Vater erhalten, wie er sie van dem seinen übernommen hatte. Ich habe für dieses Werk gelebt; meine Jahre, meine Kraft, mein Wesen sind in ihr und du glaubst, daß es mir ums Geld geht! Diese Fabrik ist für mich dasselbe, was für den Maler sein Bild, für den Musiker die Kam- Position, für den Dichter das Gedicht, was für dich deine Idee!" Ich glaube, daß du dich tauschest, Vater! Ich will mit meiner Idee kein Geld erwerben, ich will für sie leben und kämpfen, der Künstler denkt nicht an Gelderwerb, wenn er schafft: dein Werk aber besteht erst dann, wenn es Geld trägt." Wir werden uns nicht verstehen, Albert". sagte Weltlin und schritt im Zimmer auf und ab.Ich bin entschlossen, diesen Kampf bis ans Ende zu kämpfen. Es wird ein schwerer Kampf sein und ich weiß nicht, wie er enden wird. Ich spreche nicht von mir. Albert. Aber die Existenz deiner Mutter und deiner Schwester steht auf dem Spiel." Erna ist in Stellung. Sie wird sich zur Not allein durchbringen können und Krüger wird ihr gewiß zur Seite stehen." Albert lächelte, blickte aber sofort wieder ernst in die Luft. Was willst du damit sagen?" Nichts, Vater", sagte Albert und fuhr fort: Und was Mutter anbelangt, na...!" Weltlin ging mit schweren Schritten durchs Zimmer.Du wirst noch lernen", sagte er langsam,daß Eltern auch nur Menschen sind." Nach einer Weile blieb er dann vor dem jungen Mann stehen und leise, ruhig kam seine Stimme:Vielleicht hast du recht, Albert. Vielleicht denke ich weniger an Mutter und Erna, vielleicht mehr an das Werk ich weiß es nicht, vielleicht gehört auch eines zum anderen. Aber ehe ich in diesen Kampf trete, der das Werk deines Vaters und deiner Vorväter vernichten kann, will ich dich bitten..., will ich dich fragen, ob du diesen Kampf an meiner Seite kämp- fen willst." Nein Vaterl" sagte Albert und erhob sich.
Bedenke, daß es das letzte Mal ist, daß du dein Erbe ablehnen kannst. Noch ist es viel- leicht zu retten!" Es ist bedacht, Vater!" Ich dachte es mir. Albert!" sagle Weltlin, reichte seinem Sohn die Hand, nahm an dem Schreibtisch Platz und läutere nach seinem Prokuristen. 4. Den Abend verbrachte Weltlin allein in seiner Wohnung. Seine Gattin war nicht zu Hause; sie hatte hinterlassen, daß sie bei Ge- heimrat Crusius telephonisch erreichbar wäre. Wann sie von diesen Besuchen heimkehrte, war gewöhnlich ganz ungewiß. Auch Erna war noch nicht daheim. Unruhig ging Weltlin auf und ab. Als das Mädchen fragte, ob es das Nachtmahl servieren dürfe, lehnte er ab, er wollte auf die Rückkehr der Tochter war- ten und mit ihr gemeinsam speisen; er freute
sich auf diese Stunde, die er mit Erna allein verbringen tonnte. Er versuchte die Zeitung zu lesen, doch nach wenigen Augenblicken mußte er sie wieder weglegen, sie langweilte ihn, seine Gedanken waren abseits, er konnte sich nicht sammeln. Unruhig nahm er wieder den Gang durch die geräumige, einsame Wohnung auf. Ob es nicht doch das Beste wäre, die Trennung der Ehe durchzuführen? Schließlich war Erna erwachsen, ein im Leben stehender Mensch, wußte seit Iahren um das Verhältnis ihrer Eltern wozu also die Komödie?.. Im Wohnzimmer blieb er stehen und betrachtete die Bildnisse seiner Eltern. Seltsam, wie veraltet das Bild seiner Mutter sich ausnahm. Die eng- geschnürte Taille, dos bis zum Kinn ge- schlossene Kleid, die hohe Haarkrone er hatte Mühe, sich die Gestalt der Mutter zu vergegenwärtigen, ihre milden, reinen Züge, ihre ein wenig schmerzlich blickenden, großen Augen. Das Bild des Vaters lebendiger, der Kragen war zur Not auch heute tragbar, die Krawatte groß und breit geradezu nach neuester Mode. Er erinnerte sich des Tages, an dem ihn dieser Mann zum ersten Male in die Fabrik mitgenommen hatte. Ja, der hatte es verstanden und konnte seinem Sohn eine blühende, angesehene Fabrik hin- terlassen, der war tüchtig gewesen! Was war man dagegen? Ein Bankrotteur. Bankrott hier im Haus. Bankrott don in der Fabrik. Freilich, die Zeiten waren damals leichter gewesen. Was wußte der Vater von verti-
kalen und horizontalen, von schwebenden und stabilen Vertrustungen. Gelacht hätte er, wenn man ihm davon erzählt hätte; er war schon gegen kaufmännische Lehranstalten ge» wesen und halte stets die Meinung vertreten, daß ein Kaufmann nur im Geschäft und nicht aus Büchern lernen könne. Ja, der würde Augen machen, sähe er heule diesen Betrieb. Was würde er sagen, wüßte er, wie es um seine geliebte Fabrik steht... Weltlin senkte die Augen zu Boden und sah nicht in die klar blickenden Augen des Vaters... Er oerließ den Raum und ging im Speisezimmer auf und ab, auf und ab. Nun ist der Vater nahezu dreißig Jahre tot. mußte er denken. Dreißig Jahre! Wie der Leichnam aussehen mag? Von Würmern zerfressen, abgenagt, kahl?... Wozu hatte er gelebt, wozu? Um mich großzuziehen, damit ich sein Werk ver- nichten kann? Seine Freuden seine Sor­gen, wohin sind sie wohl wohin? Die Freuden dahin, die Sorgen dahin, das Leben vorbei. Dein Leben? Das Leben der Mutter? Das Leben von Millionen und Abermillionen Menschen! Warum haben sie sich gesorgt, warum sich gegenseitig gequält, warum sich geschunden, übervorteilt, verurteilt, in Kerker gesperrt warum? Und warum sitze ich hier und qöule mich um mein Werk, meine Fabrik? In hundert, ach in fünfzig, in zwan- zig Iahren ist das alles schon wieder nicht mehr wahr, nicht mehr richtig, nicht mehr wichtig... (Fortsetzung folgt.)
3)ie Tragödie des rolen Iiiannes Sin tpos vom Witter gang/ Von Siermann Wendel
Ob gleiche Dasemsbedingungen Bleichgesichter und Rothäute einander ähnlich machten. zwischen beiden herrschte ewiger Krieg. u n e r b i t t l i ch e r K r i e g, der die Grenzerbis zur Bestialität" verrohte:Quartier wurde in den erbitterten Kämpfen der beiden Rassen in der Regel weder gewährt noch begehrt. Ausnahmen von dieser Härte aber waren bei den Rothäuten häusiger als bei den Weißen." Was G a g e r n an Hand unanfechtbarer Urkunden niederschreibt, 'st dos unheimlich dicke Buch weißer Schmach. Mit stetem Vertragsbruch und geradezu viehischer Roheit" hausten diePioniere der Zivilisation" gegen die Indianer. Wie verständlich deren sich oft wild entladende Rochewut wie anno l782: Nachdem man sie ihres Landes, ihrer Heimat, ihrer Jagdgründe, ja ihrer wahren Seele beraubt. überfiel wüster Grenzerpöbel ihre getauften Stammesbrüder, die vollkommen harmlosen, fried- lichenbetenden Indianer" der mährischen Mission und metzelte sie erbarmungslos im sogenannten christlichen" Gotteshause nieder." Ein Jahr- hundert, das sogar ein amerikanischer Schrift- steller einJahrhundert der Schande" nennt, ge- nügtc für dieüberlegene" Rasse, um mit den eingesessenen Herren des Landes grausam und gründlich auszuräumen.Wie im Lauf des sieb­zehnten Jahrhunderts," klagt der Trauersong von
der Tragödie der Indianer bei S i e b u r g.alle Küstenstämme aufgerieben wurden, so wurde in den folgenden Jahrzehnten 5?orde für Horde an den oberen Mississippi   gedrängt, bis schließlich im Anfang des neunzehnten Jahrhunderts die letzten roten Reiter in der abendlichen Prärie ver- schwanden, um im fernen Westen von USA.  - Maschinengewehren erreicht zu werden. In den weißen Büffelledcrmantel gehüllt, mit totemisli- schen Zeichen bedeckt, die Adlerfeder im schwarzen Haar, die düstere Stirn gegen das Knie gelehnt. so starb der rote Mann in der blaublumigen Savanne der untergehenden Sonne, ein Stück Menschheit, ein Stück von dir und m i r." Freilich ist das Schuldkonto der beiden großen Notionen, die in Nordamerika   Verbreiter euro- päischer Zivilisation waren, der Franzosen   und der Briten nicht gleich schwer belastet. Wenn jene auch im zweiten Viertes de? achtzehnten Jahrhunderts den Stamm der Natchez   mit Stumpf und Stiel aus- rotteten, erscheinen doch bei G a g e r n die Fron- zosenklüger und menschlicher als die geschäfts- kalten Engländer, die unduldsam starren Schotten und nun gar die späteren, vollkommen verhärteten "Jsankces", als die Freunde des roten Mannes: sie sahen in den Indionern zwar Heiden, aber doch
Snropäifche Philosophen Parmenides  (zirka 500 o. Chr.) Laß dir nun sagen, und nimm das Wort, daß du hörest, zu Herzen! Welche zwei Wege der Forschung allein uns denkbar erscheinen. Einer lehrt: dos Seiende ist; Nichtsein ist unmöglich. Dies ist zur Ueberzeugung der Pfad; denn er folgt der Wahrheit. Doch der andere meint, es gebe auch Nichtsein, notwendig Müß' es das geben: das, sag' ich dir, ist ein völliger Irrweg Denn was gar nicht ist, das kann man auch niemals erkennen Noch aussprechen in Worten. Das läßt sich nimmer vollführen... So ist nur noch die Rede von einem Weg, der uns bleibet: Daß das Seiende ist. Merkzeichen hat Bieser gar viel«: Niemals ist er geworden, so kann es auch nimmer vergehen. Ganz ist es, einzig nach Art und ohne Bewegung und Ende, Niemals war es, noch wird es je sein, nur Gegenwart ist es, Ununterbrochene Einheit. Wo sollt einen Ursprung e; haben? Oder woraus sollt' erwachsen es sein? Doch nicht aus dem Nichtsein! Solches läßt sich nicht denken noch sagen. Undenkbar, unsagbar Ist's ja, daß es nicht wäre. Was hätte auch je es genötigt, Aus dem Nichts zu entstehen fürwahr, sei's früher, sei's später? Und doch so muß denn entweder es unbedingt fein oder gar nicht... Doch der Gewißheit Kraft läßt auch nicht als möglich erscheinen, Daß aus dem Seienden etwas, das neben ihm wäre, entstünde. Werden gibt und Vergeh», die Dike in Fesseln geschlagen, Nimmer sie frei; sie bleiben gebannt. Hier liegt die Entscheidung: Entweder ist. was ist, oder nicht. Dann ist schon entschieden Gegen den Weg, der, undenkbar, unsagbar, und nicht zu der Wahrheil Führt, und zugunsten des andern, der richtig und wirklich vorhanden Wie denn sollte in Zukunft das Seiende sein, wie geworden? Ist es geworden und wird es erst sein, so ist es nicht wirklich. Drum ist das Werden erloschen, verschollen ist ganz das Verg:1 Ueberau ist das Seiende gleich; nicht läßt es sich teilen. Nicht gibt s hier ein stärkeres Sein, ein schwächeres dorten, Das den Zusammenhang störte, von Seiendem voll ist ja all Seiendes schließt sich an Seiendes an: nie klafft eine Lücke Ohne Bewegung ruht es von mächtigen Banden umschlossen. Ohne Beginn, ohn' Ende. Denn weit in die Ferne verschlagen Sind Entstehen und Vergehen, verscheucht von de» Wahren Gewißheit.
zunächst Menschen, bedürftige Mirmenschen. die man verstehen und würdigen lernen, aus deren Art man sich einstellen müsse", und:Fanatische Jndianergemetzel, von deren Blut die Chronik der puritanischen Kolonien starrt, Schandtaten wie die Lebendverbrennung der Pequod und Narragansett in ihren Lagern, stehen im Buche der französischen   Sied- lungskämpfe nicht verzeichnet." Vollends bei S i e b u r g ist jede Seite dem Nachweis ge­widmet. daß das Wort eines deutschen Historikers ins Schwarze trifft:Die spanische Zivili- sation erdrückte den Indianer, die englische verachtete, die französische hegte ihn." Nur bleiben G a g e r n und S i e b u r g im allgemeinen die Erklärung für die Menschllchkeit der Franzosen wie für die Unmenschlichkeit der Briten schuldig; dieser nimmt zwar einen Anlauf und meint, die Franzosen seien auch hier in ihrer natürlichen Rolle gewesen, sie hätten sich dem hemmungslos um sich steifenden Fortschritt in den Weg gestellt und für eine Weile den friedlichen Glanz des Gestern verteidigt,der Vergangen» hcit, deren schön leuchtende Wangen vom nahen Ende sprechen", Frankreichs   Rolle in Nord- amerika   habe fein« auch noch heute geltende Fähigkeit gezeigt,immer zugleich zivilisatorisch und politisch zu handeln". Aber auf den Grund dringt solche Deutung nicht. Auch Albert P f r st e r in seinem trefflichen WerkDie amerika  - nische Revolution" scheint lediglich einge- borene nationale Chorakterunterschiedc für die ungleiche Behandlung der Indianer durch Fran» zosen und Engländer heranzuziehen:Ueberall, wo romanische Volksstämmc im Land des roten Mannes Fuß gefaßt haben, sind sie dem Indianer näher getreten; sie bekehren und schützen ihn. vermischen sich mit ihm: die germanischen aber lassen den roten Mann von vornherein scharf und unvermittelt den Gegensatz zwischen Natur- leben und Zivilisation fühlen, sie verachten ihn und stoßen ihn zurück" Ohne eine Messerspitze marxistischer Geschichtsbetrachtung geht es hier eben nicht, aber mit dieser Messerspitze geht es auch sofort. Die Wirtschaftsgrundlage der stanzösischen Kolonisation wich vollkommen von der der englischen ab; daher und nirgendwo andersher die verschiedene Haltung zu den Indianern. Die Engländer kamen als Ackerbauer mit Riesenhunger nach Siedlungs- land: sie wollten nichts als den Grund und Boden des Indianers, der, freiwillig nicht weichend, mit Gewalt verdrängt oder lotgeschlagen werden mußte. Die Franzosen   dagegen waren P e l z h ä n d l e r, die von den Rothäuten Bären- und Biberselle gegen wertlose Kleinigkeiten ein- tauschten. Sie waren auf die Freundschaft, ja, geradezu aus die Kameradschaft mit den Indianern angewiesen, die ihnen die Bären jagten und die Biber fingen, und hatten es billig, sich auf deren Arteinzustellen"" und sie zuschützen" und zu hegen". Die Franzosen als Ackerbau kolonisten hätten sich genau so unmenschlich benommen, wie die Engländer als Pelzhändler menschlich, denn was des Menschen Handlungen bestimmt, ist nicht eingeborener Charakter oder metaphysische Idee, sondern sein gesellschaftliches Sein. Aber ob die wohlwollend väterliche Stellung des Franzosen zur Rothaut im wesentlichen öko- nomisch bedingt war, im dankbaren Herzen der Indianer lebte Frankreich   für immer als der uneigennützige Freund der roten Rasse weüer. Der rote Mann," klingt Sieburgs Epos aus, ritt schweigend der tröstlichen Nacht entgegen. Aus erblassender Lipve trug er die Verwünschung gegen alle weißen Nationen doch nicht gegen die Franzosen  "