Abend- Ausgabe
Nr.508 B 246 49. Jahrg.
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Vorwärts
BERLINER
VOLKSBLATT
DONNERSTAG
27. Oktober 1932
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Die Heldenfamilie
Zurückhaltung im Krieg aber
großes Portemonnaie
des
Seitdem Stahlhelm und Nazis sich in den Haaren liegen, erfährt auch das Bürgertum einige Wahrheiten, die zwar keineswegs neu sind, vor denen es sich aber die Ohren verstopft hat, so lange sie allein von den Linken bekanntgegeben wurden. Daß der deutschnationale Universitätsprofessor von Frey tagh Loringhoven während Krieges russischer Offizier gewesen ist, daß Herr Rosenberg, Chefredakteur des ,, Völkischen Beobachter", als Rigaer Student den Eintritt in das deutsche Heer ängstlich vermieden hat, das mußten wir längst. Aber bei dem Bürgertum waren das ,, marristische Lügen", bis man es sich in der But gegenseitig an den Kopf warf.
Nun hat der Stahlhelm aus Zorn über ein paar ausfällige Bemerkungen des Hohenzollernsprossen Aumi ein neues, sehr bedenkliches Kapitel angeschnitten: Die Kriegsbeteiligung der Hohenzollern . Der Stahlhelm hat festgestellt, daß Auwi im Weltkrieg eine ,, bemerkensmerte 3urüdhaltung" beobachtet hat. Das ist richtig. Aber ist dieses Thema für den Stahlhelm weniger brenzlich? Bei der Aufführung der Stahlhelmfilme waren jüngst demonstrativ folgende Brüder Auwis zugegen: der ehemalige Kronprinz, der dicke Eitel Friedrich und Oskar.
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Die Kriegserlebnisse des Kronprinzen be= schränken sich auf das Generalquartier Charleville , und seine Siege hat dieser Herr dort jedenfalls nicht über männliche Franzosen davongetragen. Von irgendwelchen Kriegstaten des Eitel Fritz ist nicht das mindeste bekannt. D star ist der einzige der sechs Hohenzollernsprossen, die überhaupt einmal nämlich zu Anfang des Krieges- Pulver gerochen hat. Aber da bekam er postwendend Herzträmpfe und mußte sofort in die Heimat zurückgeschafft werden.
Während es bei Beendigung des Krieges faum eine einzige deutsche Familie mit drei oder vier erwachsenen Söhnen gab, die nicht mindestens einen Toten oder Schwer verlegten zu beflagen gehabt hätte, trugen in der Familie Hohenzollern zwar ein Bater und sechs Söhne dauernd glänzende Offiziersuniformen, aber nicht einer von ihnen hat auch nur eine Schramme davongetragen!
Der einzige Kampf, den diese Familie siegreich beendet hat, ist der Kampf um die Fürsten abfindung gewesen! Wenn jetzt der Stahlhelm grollend dem Prinzen Auwi vorwirft, daß er die finan ziellen und materiellen Vorteile seiner Stellung durchaus in Anspruch nehme, die er lediglich dem erfolgreichen Kampf nationaler Kräfte gegen die Fürstenenteignung verdanke, so ist für jeden denkenden Menschen darauf die selbstverständliche Antwort: Seht euch bitte die Leute an, für deren Wohlergehen die ,, nationale Rechte" Volk und Staat um viele hundert Millionen Mark geschädigt haben! Jetzt entlarvt der Stahlhelm selbst die Minderwertigkeit dieser angebetenen Puppen, für deren Portemonnaie seine Anhänger sich mit Löwenmut schlagen mußten. Jetzt bezichtigt er Aumi, aus purer Eitelkeit( dürfte väterliches Erbteil sein), weil seine Bilder und Reden von der Stahlhelmpresse nicht oft genug gebrudt wurden, zu den Nazis übergeschwenkt zu sein. Für die Riesenvermögen solcher Leute haben die Leute gefochten, die angeblich den Grundjaz vertreten: ,, Gemeinnuz geht vor Eigennuz." Freilich, ihre Organisationen beständen ja ohne diese Geldquelle nicht!
,, Deutschland braucht keinen 3aren"
Eigener Bericht des„ Vorwärts
Ein deutliches Wort gegen die Papenheimer
In Landau äußerte der bayerische Ministerpräsident Dr. Held am Mittwoch in einer Wähler versammlung des Zentrums und der Bayerischen Volkspartei sich scharf gegen die
politischen Methoden der Reichsregierung, die
von Tag zu Tag mehr abwirtschafte...
Held erklärte, er glaube nicht, daß sich das deutsche Volk auf die Dauer so behandeln lasse, wie ein halbkultiviertes Volk. Es möchte den Leuten jo passen, die jetzt in der Reichsregierung fizen, wenn man die Bauern, den Mittelstand und die Arbeiter zur Seite stellte und einer dünnen Herrenschicht die Führung auf lange Zeit überlasse. Einen derartigen Zustand werde sich die
Mehrheit des deutschen Volkes unter feinen Umständen gefallen lassen.
Der bayerische Ministerpräsident nahm dann Stellung zum Barlamentarismus als Regierungssystem. Er, so erklärte Held, sei der Auffassung, daß der Reichstag das verfassungsmäßige Instrument des deutschen Volkes sei. Die gleichen Fundamente wie der Reichstag habe auch der Reichspräsident, und es sei völlig falsch, immer davon zu sprechen, daß der Reichspräsident größere Befugnisse haben müsse, als der Reichstag .
Deutschland brauche feinen Zaren und es fönne ihm nicht geholfen werden mit einer Art Zarismus.
neue
Das rechtmäßige Preußenministerium
Unser Bild zeigt die Sigung des preußischen Kabinetts. Sizend von links nach recht: Justizminister Schmidt, Landwirtschaftsminister Steiger, Wohlfahrtsminister Hirtsiefer , Ministerpräsident Braun, Handelsminister Schreiber und Innenminister Severing. Stehend von links nach rechts: Kultusminister Grimme, Ministerialdirektor Brecht, Ministerialdirektor Badt und Finanzminister Klepper.
Heute vormittag begann im großen Festsaal der Kroll- Oper in Berlin der Achte ordentliche Bundestag des Deutschen Beamten= bundes. Die Tagung ist von mehr als 400 Delegierten aus allen Teilen des Reiches und einer großen Anzahl von Gästen sowie Vertretern befreundeter Organisationen besucht. Der Sigungsjaal meist reichen schwarzrotgoldenen Flaggenschmud auf.
Der Bundesvorfigende Flügel teilte in seiner Eröffnungsansprache mit, daß zu dieser Tagung der größten Beamtenspißenorganisation auch die Reichsregierung eingeladen worden sei, die jedoch darauf verzichtet habe, der Einladung Folge zu leisten. Die Reichsregierung hat ihr Fernbleiben mit geschäftlicher Be. hinderung entschuldigt.
Diese Mitteilung wurde mit stürmischen zurufen hört, hört!" und handwerkertagung!" erwidert. Der Bundesvorsitzende gab daraufhin der Auffassung Ausdrud, daß er feinen Zweifel
an der Richtigkeit der Entschuldigungsgründe der Reichsregierung habe, dennoch aber bedauere, daß die Reichsregierung die Gelegenheit nicht wahrgenommen habe, mit den Vertretern des Deutschen Beamtenbundes aus allen Beamtengruppen und Gauen Deutschlands in persönliche Fühlung zu treten. Mit der Begrüßung der Vertreter des Saarländischen Beamtenbundes verband der Bundesvorsitzende den Wunsch, daß bald die Zeit kommen möge, wo das Saargebiet wieder zum Mutterlande heimkehren und Desterreich den Anschluß an das Reich finden kann. Besondere Grüße widmete er den Vertretern aus Memel und Danzig , denen ein hartes Friedensdiktat ihr Mutterland entrissen habe.
Nach der Wahl des Regierungsrats DietrichKassel zum Leiter der Verhandlungen des Bundes. tages nahm der Bundesvorsitzende Flügel das Wort zu seinem Vortrag über„ Die Politif des Deutschen Beamtenbundes", über ben wir noch berichten werden.
Liberalismus in einer neuen tonser= vativen Form. Wer einem Lande ohne Not einen Reich stommissar schicke, mache eine tomische Figur, wenn er von sich behaupte, er sei Föderalist.
Die Geschlagenen
Nicht nur Papen und Bracht, sondern auch Kerrl und Kube
Im Rahmen einer Betrachtung über das Urteil von Leipzig veröffentlicht unser Stuttgarter Parteiblatt, die Schwäbische Tagwacht", folgende interessanten Erinnerungen: ,, So hat die Regierung Papen eine Niederlage erlitten. Diese Niederlage ist aber auch zugleich ein politischer Schlag für die Na= tionalsozialisten, die nach ihrem eigenen Eingeständnis die wahren Väter der Preußenattion gewesen sind.
Wie rühmte fich doch Herr Herrl,
der preußische Landtagspräsident, am 20. Juli, am Tage des Gewaltstreiches, unter dem tosenden Beifall seiner Leute in der Stuttgarter Stadthalle:
,, Sehr rasch hat die Reichsregierung auf meinen gestrigen Brief an Papen hin zugegriffen, und zwar auf eine Art und Weise, die ich besonders begrüße. Jetzt ist endgültig Schluß mit den Braun und Severing und niemals werden sie wieder nach oben kommen, ebensowenig wie das Zentrum."
Der NS.- Kurier", dem wir diese Ausführungen entnehmen, bemerkt dabei: ,, Die Stadthalle glich nach diesen Worten einem wahren Heren tessel der Begeisterung, nachdem Rerrl noch auf die unsinnigen marristischen Lügen einging, das Kabinett Papen sei ein Kabinett der Nazi- Barone."
Zur gleichen 3eit erklärte in einer Hamburger Rede der
Führer der preußischen Nazifraktion, Kube, indem er sich als den„ Führer des neuen Preußen" vorstellte und den Hamburger Nationalsozialisten wünschte, daß sie auf dem gleichen Wege die politischen Verhältnisse ändern, wie es durch Papen in Preußen geschehen sei:
,, Die Regierung Papen und ihre Taten sind nur möglich gewesen durch die Nationalsozialisten. Deshalb muß der NSDAP . das Verdienst der Absetzung der Preußenregierung zugesprochen werden."
Und der( Stuttgarter) NS.- Kurier" selber schrieb am Tag des preußischen Gewaltstreichs, daß er Papens Eingreifen in Preußen ,, mit außerordentlicher Genugtuung" begrüßt:„ Die Aktion löst stürmische Freude und grenzen= losen Jubel aus. Man ist allgemein der Ansicht, daß sich die seitherigen Machthaber vor dem Staatsgerichtshof eine eklatante Niederlage holen werden. Das Urteil des Staatsgerichtshofes wird bestätigen, daß die Schwarzen und Roten in Preußen wider Recht und Verfassung ihre Macht ausübten. Vor der Nation und der Geschichte aber ist Pa pen eindeutig gerechtfertigt."
Damals waren die Nazis und die Papenheimer ein Herz und eine Seele.
Die Abfuhr, die der Staatsgerichtshof erteilte, trifft demnach die nationalsozialistischen Antreiber in gleicher Schwere wie die ausführenden feinen Leute" mit der Freiherrenfrone!