der Weltkrise mindestens so schwer in Mit« leidenschaft gezogen wie die anderen Länder der Welt. Die Banken und die großen In» dustrieunternehmungen sind trotz riesiger Rüstungsaufträge längst am Ende ihrer Kräfte und müssen vom Staat subventioniert werden. Sozialpolitisch herrscht, trotz aller Spiegelfechtereien des„Korporatiostaates", die Willkür des Unternehmertums. Streiks sind bei schwerer Strafe verboten, die Löhne sind nahezu die tiefsten in Europa , die Ar- beitslosenunterstützungen sind so minimal und von so kurzer Dauer, daß die private Wohl- fahrtspflege, vor allem die katholische Kirche , Hunderttausende von Menschen kümmerlich über Wasser halten muß. Oppositionelle Regungen, durch ein Heer von Spitzeln überwacht und denunziert, wer- den mit langjährigen Zuchthausstrafen und Verbannung nach den Mittelmeerinseln ge- sühnt. Das ist Italien nach zehnjähriger Herrschaft des Faschismus. Aber das faschistische Imperium Musso- linis wird ebensowenig ewig währen wie das Kaiserreich Napoleons III., das erst nach 18 Jahren zusammenkrachte. Und so wie die französischen Freiheits- kämpfer unter Führung des großen Dichters Victor Hugo nach langjähriger Verbannung als Triumphatoren in die Heimat zurück- kehrten, werden auch die italienischen Emi- granten von heute die Führer der Zukunft sein. Eines Tages wird das ganze italienische Volk seine Freiheit zurückerobern, eingedenk des Wortes seines großen Märtyrers M a t t e o t t i:„Die Freiheit ist wie die Luft und das Wasser: man muß ihrer be- raubt sein, um zu erkennen, daß man ohne sie nicht lehen kann." Voraussetzung aber für die Befreiung ist die Ueberwindung jenes Hauptübels, das erst die Knechtschaft verschuldet hat: die Spaltung der Arbeiter- schaft!
Der konservative Popen Züge aus seiner parlamentarischen Tätigkeit
Popen kurbelt an Arbeiter werden entlassen Eigener Bericht des„Vorroärts" Aachen . 27. Oktober. In Holland ist einem großen Teil der deutschen Hausangestellten, obwohl ihre Arbeitgeber mit ihnen zufrieden waren, die Aufenthalts- erlaubnis nicht verlängert worden. Ueber öll deutsche Hausangestellte haben die holländische Grenze bei Emmerich bereits passiert, um in ihre alte Heimat zurückzukehren. Auch gegenüber hilfsbedürftigen deutschen Familien läßt das Entgegenkommen der holländischen Be- Hörden stark nach. Eine ganze Reihe von Familien ist bereits bei Aachen über die Grenze gesetzt war- den, wo sie den deutschen Grenzorten zur Last fallen. Das Vorgehen der Holländer wird auf die tnitsche Kontingentierungspolitik zurückgeführt. Itach Hein Boykott deutscher Waren folgt nun der Boykott deutscher Menschen. Eine Folge der Wirtschaftspolitik der Nazi-Barone.
Die„Kommissare" Lie fassen immer noch Beschlüsse In dem Augenblick, da die an sich schon kaum bemerkbare„Autorität" der„autoritären Staats- führung" durch das nüchterne Urteil des deutschen Berfassungsgerichts einen ungeheuren moralischen Stoß erhalten hat, wagen es die als Ministerersatz amtierenden preußischen Staatssekretäre einen „Staatsministerialbeschluß" vom 27. Oktober zu veröffentlichen, der wieder eine ReiheoonBe- amten entläßt und neu ernennt, als ob gar nichts gewesen sei. Der Spruch des höchsten Gerichts in Ver- fasfungsstreitsachen wird dadurch einfach beiseite ge- schoben. Die von diesem Gerichtshof ausdrücklich als rechtmäßige preußische Regierung, die das Land Preußen einzig und allein nach außen zu vertreten hat, wird so offenkundig provoziert, als ob die alldeutschen Maulaufreißer ihre Befehle schon verwirklicht hätten! Die„Staatsministerialsitzung" der Kommissare hat demnach wieder Regierungspräsidenten und Landräte abgesetzt und„ernannt", als ob sie allein über die Finanzen Preußens zu verfügen hätte. So hat sie den Polizeipräsidenten von Bielefeld F i e h n in den Ruhestand geschickt und an seine Stelle den Regierungsrat von Werder - Berlin zum Polizeipräsidenten ernannt. Werder erhält da- mit eine besondere Anerkennung der Helden- haften nächtlichen Sprengstoffsuche im Reichstag, bei der ihm ein Buch über— Eisenbahnbau in die Hände siel!
ZS Prozent; In Köln wurden am 39. Sep- tember durch Wohlfahrts-, Jugend- und Arbeits- amt 194— 218 Parteren mit 209 236 Köpfen, also annähernd 28 Prozent der gesamten Kölner Einwohnerschaft, durch die öffentlich« Wohlfahrt versorgt. Demnach wird fast seder dritte Kölner aus öffentlichen Mitteln unterstützt.
Der Sozialdemokratische Pressedienst hat ver- zeichnet, daß Herr von Papen es in seiner Eigenschaft als preußischer Zentrums- abgeordneter abgelehnt hat, von der Tri- büne des Landtags herab über und für das unter Fremdherrschaft stehende Saargebiet zu reden: Er hätte seinen Verwandten schaden können. Das Beispiel zeigt besser als alle Reden des Herrn von Papen, was von seinem „Mut zur Unpopularität" zu halten ist. Ueber die„konservative Staatsge- sinnung" des Herrn von Papen gibt der Soz. Pressedienst einige Beispiele: Während seiner dreizehnjährigen parlamentari- schen„Tätigkeit" als preußischer Abgeordneter hat Herr von Papen seine konservativen Grund- sätze wiederholt in die Mottenkiste gepackt, um sie nach Bedarf wieder herauszuholen. Freilich hat er einige Male in der Zentrumsfrattion des Preu- ßischen Landtages versucht, aus der Reihe zu tanzen, und zwar geschah das jedesmal, wenn ihm im Herrenklub oder einem anderen feudalen Gremium das nahegelegt worden war. So wollte der Zentrumsabgeordnete von Papen durchaus den Ausmarsch der Deutschen Bolkspartei mitmachen, als diese 1925 aus der großen Koali- tion in Preußen ausbrach. In der Tat stimmte er am 29. Februar 1925 einem Mißtrauens- an trag zu, der den damaligen preußischen Mi-
nisterpräsidenten Wilhelm Marx , den Vor- sitzenden der Zentrumspartei , zu Fall brachte. Im Herrenklub ließ sich damals Papen als Held feiern und Thyssen jun. schickte ihm eigenhändig ein Glückwunschtelegramm. Aber schon wenige Wochen später, am 4 April 1925, wurde in Preußen ein neuer Mi- nisterpräsident gewählt, nämlich der Sozial- demokrat Otto Braun , und siehe da, diesmal stimmte der Zentrumsabgeordnete papen, der seinen Zentrumskollegen Marx mit zu Fall gebracht hatte, mit seiner Fraktion f ü r den sozialdemokratischen kandi- daten Otto Braun . Die konservativen Grundsätze hatten nur zwei Monate vorge- gehalten. Was war inzwischen geschehen? Die Zentrums- fraktion des Landtages hatte Herrn von Papen vor die Wahl gestellt, entweder mit der Fraktion zu stimmen, oder aus ihr auszuscheiden. Um diesem drohenden Ausschluß zu entgehen, revi- Vierte Herr von Papen schleunigst seine Stellung und stimmte treu und brav für den Sozial- demokraten Braun. Das Abgeord- netenmandat einer„Syst empörte i" war schon eine Messe wert. Weiterhin ist Herr von Papen dann immer bei der Stange geblieben. Er hat die zahlreichen
Die Kommunisten beten die Taktik des„alles oder nichts" an. Sie sind völlig unnütz für den Kampf der Arbeiterschaft in der gegenwärti- gen Situation, in der es ausdauernd und zäh um jede materielle und moralische Position gegen die Reaktion zu kämpfen gilt. Der Ausgang des großen Staatsprozesses in Leipzig hat sie deshalb in schwere Verlegenheit gesetzt. Sie haben zunächst sauersüß die Niederlage der Bracht und Papen angesehen, bis sie auf den gewohnten Dreh ver- fallen sind: die Niederlage der Reaktion in Leip- zig fei ein sozialdemokratischer Betrug, in Wahr- heit wollten die SPD. -Führer die faschistische Dik- tatur retten! Das Ist alles, was sie dazu zu sagen haben! Weil die preußische Regierung den Popen und Bracht nicht vorwände zu neuen Gewaltmah- nahmen gibt, schreien die KPD. -Dcmagogen über ein angebliches Bündnis Braun-papen! Während die Reaktion verbissen und kleinlaut neben dem Ergebnis von Leipzig steht, redet die „Rote Fahne" ihr eifrig zu, daß Kleinmut nicht angebracht sei: denn Herr v. Papen habe gesiegt. Die Kommuni st ische Partei versucht also in der Arbeiterschaft mo'rali- schen Defaitismus hervorzurufen, indem sie gleichzeitig die Reaktion aufzumuntern verfucht. Feine Arbeiter- Partei! Die Kommunisten machen sich mit dieser Stel- lungnahme lächerlich. Sie zeigen nur, daß ihr Haß gegen die Sozialdemokratie ihnen den letzten Funken von Vernunft geraubt hat! Die„Rote Fahne " deklamiert: „Die Severing und Braun dürfen den Mi- Nistertitel weiter tragen. Sie bekommen Dienst-
Mißtrauensanträge gegen die preu- ßische Regierung Braun mit abge» lehnt und fast alle jene Beschlüsse durch seine Zustimmung gutgeheißen, die heute v o n i h m und anderen als fchwarz-rote Mißwirtschaft verlästert werden. Das ging so Jahre hindurch, bis auf einmal wieder die konservativen Grund- sätze zur Anwendung kamen. Das war bei dem legten Beschluß des alten Preußischen Landtages, die Geschäftsordnung für die Ministerpräsidenten- wähl zu ändern. Herr von Papen stimmte mit der Rechten und den Kommunisten gegen diesen Antrag. Er wußte an diesem Zeltpunkt, daß er— für den neuen Landtag nicht mehr als Kandidat aufgestellt werden wurde. Anfang vorigen Jahres bewarb sich Herr von Papen eifrig um den Posten des Ge- sandten in Luxemburg . Das Auswärtige Amt winkte damals heftig ab, weil wun wegen der bisherigen diplomatischen Großtaten des Herrn von Papen und wegen seiner sonstigen diplomati- schen Eigenschaften mit Recht Bedenken hatte. Es langte weder für den Gesandtenposten in München noch in Luxemburg . Im Juni 1932 wurde Herr von Papen Reichskanzler.
Die WD. ermuntert die Barone �Inr keinen Kummer über die Leipziger Niederlage
personal und amtliche Arbeitsräume. Sie dürfen im Preußischen Landtag im Staatsrat und im Reichsrat erscheinen und präsentieren. Das nennen sie einen Sieg der Arbeiterklasse, eine Niederlage der Reaktion So wollen sie ihre Kapitulation am 29. Juli rechtserl.gen." Der Titel, die Gehälter, das Auto— das ist alles, was die kommunistischen Führer sehen. Die Zerstörung reaktionärer Bersassungspläne, die ent- scheidende Veränderung in der Stellung des Reichs zu den Ländern, das Scheitern der gefährlichsten und verstocktesten Pläne, die unter dem Namen Reichsresorm und Verfasiungsreform laufen— alles das sieht man bei den kommunistischen Demagogen nicht! Denn die Hetze gegen die So- zialdemokratie ist ihnen wichtiger als die Aus- klärung der Arbeiterschaft über das was ist! Daß die sozialdemokratische Taktik vom 20. Juli, die manchem Heißsporn zu ruhig war, nun letzten Endes zu einer moralischen Stärkung unserer Stellung und zu einer moralischen Schwächung der Papen -Brachl geführt hat. das sollen die kommunistischen Arbeiter nicht er- fahren! Gegenüber der blöden Demagogie der Kommu- nisten gegen Braun und Severing aber genügt eine einzige Frage an die kommunistischen Führer: „Warum habt ihr denn am 29. Juli zum General- streik für Broun und Severing aufgerufen?" Diese Frage stellen heißt die Hanswurstrolle der kommunistischen Politik aufzeigen. Was kann eine Partei der Arbeiterschaft nützen, die wie die kom- munistische Partei bei jeder Niederlage der Rc- aktion vor Zorn geifert gegen— die Sozialdemokratie, und die ganz deutlich erkennen läßt, daß sie Siege der Reaktion wünscht?
teidigungsrat den Abrüstungsplon erst gut- heißen müsse. Er schlug daher der Kammer vor, für Freitagnachmittag eine Debatie übel die Ab- rüstungssrage anzuberaumen. Ueber das Schul» denproblem dürfe während dieser Debatte nicht gesprochen werden, denn die Regierung müsse jede Aeußerung darüber in dem gegenwärtigen Augenblick ablehnen. Nach der Debatte, die am Freitagabend beendet werden müßte, werde die Regierung die Kammer um ein Ver- trauensvotum bitten. Die Kammer beschloß, die Interpellationsdebatte über die Abrüstung am Freitagnachmittag abzuhalten. Der„Paris Soir" teilt zu dem französischen Abrüstungsplan mit daß dieser auch für Deutschland das Recht vorsehe, eine neunmonatige Dien st zeit einzuführen. Außerdem solle Deutschland die qualitative aber nicht die quantitative Gleichberechtigung für seine Rüstungen gewährt werden,
Tschechischer Nationaltag 23. Oktober 1918— 1932 Heute feiert die Tschechoslowakische Republik den Gedenktag xhrer Errichtung. Er fällt in die furchtbarste Wirtschaftskrise, die besonders auch in den überwiegend deutschen Gebieten unseres Nachbarlandes die ehemals werktätigen Massen verelendet. Exportindustrie und Handel klagen bitter über die Devisensperre. Zahl und Kampf der Parteien sind nicht geringer als in den an- grenzenden Staaten. Auch in der CSR. gibt es Demagogen, die von der Verleumdung und der Uebertreibung wirklich vorhandener Mißstände politisch leben. Noch immer haben die Minder- heitsvälker, besonders die Deutschen , die ein gutes Viertel der Gesamtbevölkerung bilden, Grund ge- nug zu heftigen Anklagen gegen die Nationali- tätenpolitik des Staates. Aber von Grund auf freiheitlich gesonnen, hält das begabte und energische Tschechentum fest an der Demokratie und ihrer parlamentarischen Führung. E» gibt— nach den Erfahrungen mit dem altösterreichischen Z 14— kein außerparlamentarische» Verordnungsrecht de» Staatspräsi- Kenten. In der ehrwürdigen Gestalt de» Präsi-
denken Th G. M a s a r y k ist der freiheitliche Grundzug des tschechischen Wesens verkörpert. In der Regierung sitzen neben deutschen und tschechischen Agrarparteien und stadtbllrgerlichen Vertretern Sozialdemokraten beider Na- tionen, die seit Jahren immer einheitlich zusam- menarbeiten. Diese Republik ist, zwischen dem reaktionären Zustand in Deutschland und den Versuchen, es in Deutschösterreich nachzuahmen, ein Fels der europäischen Demokratie.
Debatten-Abkürzung französischer Parlamentarismus Eigener Bericht des„Vormärls" Pari», 27. Oktober. Um jeder Debatte über die Festsetzung eines Datums für die Besprechung der neuen außen- politischen Interpellation auszuweichen, erklärte H e r r i o t zu Beginn der Kammersitzung, er halte es für gerechtfertigt, daß die Kammer über die Absicht der Regierung auf dem Gebiet der Ab- rllstung unterrichtet zu werden wünsche, aber die Regierung könne die« nicht vor Freitagnoch- mittag tun, da der Oberst« Lande» oe r-
Sühne für Bifchdvrf Reichsbannerlührer Musiol und Olbrich gerechtfertigt Eigener Bericht des„Vorwärts" B r e s l a u. 27. Oktober. Die Strafkammer Oppeln verurteilte im Bischdorser Raziprozeh sieben SA.- Leute und vier Stahlhetmsührer wegen Land- sriedensbruch und schwerer Körperverletzung. Drei SA.-Leute erhielten Geldstrafen bis zu 90 Mark, von den übrigen Angeklagten wurden ein SA.-Mann zu neun Monaten, zwei SA.- und drei Stahlhelmleute zu je sieben Mo- nalenGesängnis verurteilt, zwei Angeklagte erhielten drei und vier Monate Gefängnis. Der Rest wurde freigesprochen.
In der Urteilsbegründung stellte der Vorsitzende fest, daß bereits das gewaltsame Eindringen der Angeklagten in die geschlossene Kundgebung der Eisernen Front als strafbare Handlung zu werten. sei. Die wegen dieses Vorgehens angeklagten Na- tionalsozialisten und Stahlhelmleute seien jedoch trotzdem freigesprochen worden, weil sie sich ver- mutlich nicht der Strafbarkeit ihres Auftretens be- wüßt gewesen wären. Die Hauptursache der blu- tigen Zusammenstöße sei in der Herbeirufung der SA. zu suchen. Derjenige, der die SA. alarmiert habe, trage die eigentliche Verantwortung für die Bischdorser Vorfälle Leider habe sich nicht er- Mitteln lassen, von wem der Telephonanrus erfolgt sei. Für die auf der Dorsaue randalierende Menge habe keinerlei Veranlassung bestanden, die au» dem Versammlungslokal heraustretenden re- publikanifchen Führer zu beschimpken. Die Reichs- bannerführer Musiol und Olbrich, die bei dem Ueberfall schwere Verletzungen davontrugen, hätten, als sie auf dem Wege zum Bahnhos be- droht und niedergeschlagen wurden, Ihre Waffe ausschließlich zu ihrem Schutz und in Notwehr gebraucht. Das Gericht verurteilte die an dem Ueberfall auf Musiol und Olbrich beteiligten Angeklagten zu den Mindeststrafen Es stützte sich dabei auch aus die Ausführungen des Vertreters der Nebenkläger, Rechtsanwalt Dr. Braun> Magdeburg , der in seinem Plädoyer gebeten hatte, es bei einer erzieherisch wirkenden Strafe bewenden zu lassen und die überwiegend jugendlichen Angeklagten nicht so hart zu bestrafen, wie es von anderen Gerichten in ähnlichen Fällen gegen Reichsbanner- leute geschehen sei.