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ZWEITE BEILAGE

Vorwärts

Der Kampf für Freiheit und für Brot

Vorwärts unter den Fahnen der Sozialdemokratie!

Als einmal in diesem Wahlkampf ein sozial­demokratischer Redner mit besonderem Nachdruck zum Kampf um die politische Freiheit, zum Kampf gegen die Wiederkehr der Mächte der Vergangen­heit, für die Demokratie, für die Selbstbestimmung des Volkes in Staat und Wirtschaft aufgerufen hatte, trat ihm ein Kommunist entgegen, der seine Ausführungen mit der Formel begann: Der Re­ferent hat viel von Freiheit und Demokratie ge= sprochen, wir aber wollen wissen, woher wir das Geld nehmen sollen, um in den nächsten Tagen zu leben."

Der Versuch, den Kampf um das tägliche Brot, um die Lebensmöglichkeiten und den Aufstieg des Proletariats in einen Gegensatz zu stellen zum Kampf um die politische Freiheit, ist nur ein demagogischer Winkelzug.

Die Freiheit im Staate, das Recht auf Selbst­bestimmung, die Idee der Rechtsgleichheit aller Menschen und die Freiheit des Geistes find Werte, die der Mensch, wenn er aus der Bar­barei zur Kultur aufsteigt, um ihrer selbst willen braucht und liebt,

für die die Arbeiterschaft als die Klasse, die heute berufen ist, den Ideen des menschlichen Fort­schrittes zum Siege zu verhelfen, auch dann mit der äußersten Hingabe kämpfen würde, wenn dieser Kampf um die Freiheit mit dem Kampf um das tägliche Brot und den sozialen Aufstieg Peinen unmittelbaren Zusammenhang hätte. Aber in einer Zeit, in der Millionen dem nackten Elend gegenüberstehen, ist es verständlich, wenn manche der Opfer der fapitalistischen Krise, durch Elend zermürbt, das Gefühl haben, daß der Kampf um Freiheit und Demokratie erst dann in vollem Maße zu ihrem eigenen Kampf werden tann, wenn er zugleich der Kampf gegen wirt­fchaftliches Elend, der Kampf um das tägliche Brot ist.

Die Monate der Baronsherrschaft, die hinter uns liegen, sind ein geradezu ideales Beweis­material dafür, daß es den vermeintlichen Gegen­satz zwischen dem Kampf um die Freiheit und dem Kampf ums Brot für die breiten Massen der proletarischen Bevölkerung nicht gibt. Denn in dem Maße, in dem es auf dem breiten Rücken der pseudosozialistischen Hitler - Partei den Herren, die die Vertreter der Herrschaftsschichten der Ber­gangenheit sind, gelungen ist, die politische Restau­ration zu betreiben, haben sie auch durch ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik enthüllt, wie sehr eine undemokratische autoritäre" Regierung darum bemüht ist, die wirtschaftlich

Herrschenden zu begünstigen auf Kosten der Proletarier.

Mit dem Vorstoß gegen den Wohlfahrtsstaat", mit der Kürzung der Arbeitslosen- unterstützungen und der Renten der Kriegs- und Arbeitsinvaliden und ihrer Hinter­bliebenen fing es an. Dann kam die zweite große Notverordnung der Papen - Regierung mit dem Programm der kapitalistischen Offensive". Sie enthielt den Frontalangriff auf das follettive Arbeitsrecht, das mit der politischen Demokratie entwickelt worden war, sie enthielt für die Arbeiter vielfältige Me­thoden des Lohndruds und gleichzeitig die Versuche, den Kampf der Arbeiter um ihre ma teriellen Lebensbedingungen durch die Gewerk­fchaften einzuengen.

Diefem Druck auf die Lebenshaltung der Ar­beiter und die Existenzmöglichkeiten der arbeits­losen Proletarier stand auf der anderen Seite gegenüber die üppige Entfaltung des Systems der Subventionen für die herrschenden kapitalistischen und großagrarischen

Schichten. Während auf der einen Seite Finanz­not die Begründung zu den durchgeführten und weiter angekündigten sozialpolitischen Abbaumaß­nahmen liefern mußte, wurden auf der anderen Seite fünftige Steuereinnahmen großzügig an Unternehmer verschenkt und wurde die Verschul­dung des Reiches zum Zwecke der Subventionie­rung privilegierter Schichten, vor allem zur Be­fizerhaltung von Agrariern bedenkenlos erhöht.

Unter dem Deckmantel der Ruhmreden für die private Initiative der Unternehmer im Kapitalis= mus, von der man eine Krisenüberwindung er­wartet, werden in Wirklichkeit von der regieren­den Herrenschicht immer mehr Risiken der privaten Wirtschaft auf den Staat übernommen, und es wird die Entfaltung einer planmäßigen öffentlichen Wirtschaft zu­gunsten der Gesamtheit unterbunden.

Man begründet das Wirtschaftsprogramm der tapitalistischen Offensive mit dem erstrebten An= schluß der deutschen Wirtschaft an eine erwartete Besserung der Weltkonjunktur. Aber in­dem man diese unsichere Formel gebraucht, treibt man in Wirklichkeit wieder als selbstherrlicher Funktionär einer hauchdünnen Schicht von Inter­essenten eine Handelspolitik, die nicht zum Anschluß an eine Besserung der Weltkonjunktur führen kann, sondern nur zu einer

Selbstblockade der deutschen Wirtschaft,

die allen Besserungstendenzen am Arbeitsmarkt Knüppel in den Weg legt und geeignet ist, den Massen den Brotforb noch höher zu hängen.

Der Kampf um die Kontingentierung der Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse ist zu einer Tragödie der deutschen Wirtschaft geworden. Zuerst hat der Freiherr, der im Reichs­ernährungsministerium regiert, die Liste der ein­zuführenden Kontingente verkündet. Schon diese Verkündung rief einen Abwehrsturm in den für die deutsche Exportindustrie wichtigsten Absatz­ländern mit schweren Schädigungen des industriel­len Absages hervor. Dann sollten diese den land­wirtschaftlichen Interessenten versprochenen Kon­tingente nicht einseitig verkündet, sondern durch Verhandlungen mit den betroffenen Ländern zur

Durchführung gelangen. Die berühmte Toma­tentommission" brachte aber nur eine Sammlung von Körben aus den euro= päischen Nachbarländern heim. Es war der Herrenregierung gelungen, Deutschland handels­politisch in der Welt ebenso zu isolieren, wie ihr das in der allgemeinen Politik durch den Rückzug von Genf und die Begünstigung der Aufrüstungspläne der Generale ge­lungen ist.

Bon der Mißachtung des Parlaments zur sozial­politischen Reaktion, von der Knebelung der Pressefreiheit zur kapitalistischen Subventions­politik, vom rechtswidrigen Vorgehen geçen die preußische Regierung über Zwickelverordnung und Schulverbote als Konzessionen an das Muckertum bis zur außenpolitischen und handelspolitischen Absperrung mit ihren schweren Schäden für die deutschen Arbeitsmöglichkeiten stellen die Aktionen der autoritären Freiherrnregierung eine ge= schloffene Einheit dar,

ein Bild der antidemokratischen und anti­fozialen Restauration.

Der Kampf gegen diese unfontrollierte Cliquenherrschaft, deren Eristenzmöglich­teit nur gegeben war durch das Anwachsen der antidemokratischen Flügelparteien, der Nazis und der Kommunisten im Reichstag, fann nur geführt merden und muß geführt werden als ein Kampf um die Wiederherstellung der poli tischen Freiheit, um die Wiederaufrichtung und Sicherung der Demokratie. Nur auf dem Boden der Freiheit und der Demokratie kann die Arbeiterklasse wirksam den Kampf ums Brot, den Kampf um soziales Recht, den Kampf gegen den Kapitalismus für den Umbau der Wirtschaft zum Sozialismus führen. Nicht die Spur eines Gegen­sages besteht zwischen dem dringenden Ruf nach Brot und Arbeit für die Massen und dem Ruf nach Freiheit, Frieder und Demokratie.

Der Kampf um die politische Freiheit, den wir unter den Fahnen der Sozialdemokratie in diesem Wahlkampf führen, ist zugleich der Kampf gegen die wirtschaftliche Privilegienherrschaft, der Kampf für das Brot der Massen. Fritz Naphtali .

Das Kapital hat kein Vaterland

Die armen arbeitslosen spanischen Adligen

Die Kölnische Zeitung " versteht es nicht nur, sich warm für die deutsche Schwerindustrie einzu­setzen, sie hat jezt auch ihr Herz für die armen spanischen adligen Großgrundbesizer entdeckt, die von der jungen spanischen Republit ent­eignet worden sind. In einem Artikel über ,, Die spanische Bodenreform" vom 27. Oktober wird das Los der Aristokratie und der spanischen Granden, der ,, legten Träger des Geistes und der Tradition der gestürzten Monarchie in der Repu= blit" beflagt und bejammert. Erschüttert erfährt der Leser, daß

127 Herzöge, 122 Marquis, 89 Grafen und 2. Riffer

von der Schärfe des Gesetzes betroffen werden. Erstaunt fragt sich der Leser, weshalb diese 340 spanischen Adligenfamilien auf den Artikelschreiber der ,, Kölnischen Zeitung " einen so herzbewegenden Eindrud gemacht haben, daß er darüber ganz zu

vergessen scheint, daß in Deutschland mehrere Millionen Familien von ar­beitslosen Arbeitern und Angestellten schon lange unter einem unvergleichlich viel härteren Schicksal zu leiden gezwungen sind. Denn jene 340 adligen Familien brauchen ja keineswegs zu hungern; der Korrespondent schreibt nämlich selbst: ,, Es flingt beschämend, daß die Entrechteten, falls fie über feine andere Einnahmequellen verfügen, um eine Pension beim Staat nachsuchen dürfen."

Wenn wir das auch durchaus nicht ,, beschämend" finden können, so sind wir doch nunmehr völlig beruhigt: entweder haben sie andere Einnahme­quellen, was für die Mehrzahl der 340 Fälle zu­treffen dürfte, oder aber sie haben die Möglichkeit, vom Staate eine Pension zu bekommen, die sicher die Wohlfahrtsunterstützung, die bei uns bewilligt wird, noch um einiges übersteigen dürfte.

Man wirft uns immer vor, daß wir so wenig

SONNTAG, 30. OKT. 1932

national sind, weil wir nicht gegen das Elend

der deutschen Arbeiterschaft kämpfen, sondern die Ausbeutung der Arbeiter in aller Welt besei­tigen wollen. Wenn aber einem Kapitaliste n in irgendeinem Lande etwas genommen werden soll, dann schreien die Kapitalisten in allen Län­dern Zeter und Mordio. Es ist die Bestätigung der alten Erkenntnis, die schon Karl Marr aus= gesprochen hat:

Das Kapital hat kein Vaterland!

Profite leiden nicht

Braunkohlenkonzerne in der Krise

Die großen Konzerne im deutschen Braun­tohlenbergbau haben die Krisenjahre mit Glanz überstanden. Weder 1930 noch 1931 sind irgendwie nennenswerte Einbußen am Profit festzustellen gewesen. Besonders charakteristisch für die Krisen. festigkeit des Braunkohlenbergbaues ist der jetzt veröffentlichte Abschluß des Laufizer Bubiag= Konzerns, der jetzt Geschäftsbericht und Bilanz für das am 30. Juni beendete Betriebsjahr 1931/32 vorlegt.

Obwohl das Berichtsjahr also den Tiefpunkt der Krise umfaßt, weist das Unternehmen einen Be­triebsgewinn von 8 gegen 8,6 Millionen Mart im Vorjahr auf. Dieser Senkung von nur 7,1 Proz. steht aber ein Untostenrüdgang von 17 Broz. gegenüber. Zur künstlichen Niederhaltung des Reingewinns sind die Abschreibungen auf die Anlagen mit 3,5 Millionen Mark fast so hoch wie im vergangenen Jahr, obwohl im Berichtsjahr nur etwa 800 000 Mart gegen 8,3 Millionen Mart im Vorjahr in die Anlagen gesteckt wurden. Trotz dieser beispiellosen Thesaurierungspolitik liegt der Reingewinn mit 2,16 Millionen Mart nur wenig unter dem Stande des Vorjahres, so daß die Aktionäre wie in den besten Konjunkturjahren wieder ihre zehnprozentige Dividende erhalten.

Was braucht auch der Profit des Braunkohlen­magnaten zu leiden, wenn alle Krisenlasten bereits auf die Schultern der Belegschaften und der Kon­fumenten abgewälzt sind! Die Löhne der Braun­fohlenkumpels sind teils durch die Notverordnun gen, teils durch die Lohnattacken der Unternehmer auf das ärgste gedrosselt worden. Ein großer Teil der Arbeiter liegt auf der Straße. So ist die Be­legschaft bei der Bubiag im Berichtsjahr auf 3042 Mann gesunken, liegt also um nahezu 30 Proz. unter dem bisher tiefsten Stande von 1924. Die heute noch beschäftigten 3000 Mann leisten aber in der Kohlenförderung 10 Proz. mehr und in der Brikettproduktion 18 Proz mehr als die rund 4250 Mann starke Belegschaft des Jahres 1924. Diese Leistungssteigerungen werden mit rigorosen Lohnabbaumaßnahmen bestraft, die Unternehmer aber erhalten zu ihren Profiten noch Steuer­gutscheine und die Befugnis zu weiteren Lohn­drosselungen. Das ist die Anfurbelung" des Ka­binetts der Barone.

Die Steuergutscheine

Zu Geld gemacht und was dann? Die Steuergutscheine, die als Steuergeschenk zur Wirtschaftsbelebung und als Lohnprämie bei Neueinstellungen gewährt werden, kommen jetzt in den bank- und börsenmäßigen Handel. Sie werden ab 1. November in Nennbeträgen von 100, 200, 1000, 10 000 und 20 000 Mark an der Berliner Börse amtlich notiert, wo­mit sie handelsfähig werden. Die fünf Fällig feiten zum 1. April 1934, 1935, 1936, 1937 und 1938 werden je besonders notiert. Die Makler­gebühr beträgt ½ Proz. Dom jeweiligen Nennwert.

Durch die Handelsfähigkeit der Steuergutscheine

Mehr Schuhe als je zuvor haben unsere Geschäfte 1932 verkauft.

MARK

SALAMANDER- QUALITAT setzt sich durch!